Kapitel 03 ❀ connaissances


ALIÉNOR

„Tatsächlich ist es wundervoll, dass Ihr wieder in Versailles seid", teilte uns Madame Marie-Thérèse wie schon bei unserer Ankunft mit, als wir mit dem Hofstaat beim Abendessen im großen Speisesaal zusammensaßen und ich einen lächelnden Blick mit Louis-Antoine ausgetauscht hatte.
Dass sie sich oft wiederholte, machte mir schon länger nichts mehr aus. Ich verstand mich mit ihr nach wie vor nicht gut, doch schaffte es locker, sie einfach auszublenden.

Antoine hatte mir anvertraut, dass er dies schon lange tat. Zwar war sie seine Mutter, doch ertragen konnte er ihre arrogante und unterkühlte Art auch selten.

Heute bemerkte ich jedoch erneut, dass sein Aufenthalt hier ihn noch mehr in den bevorstehenden Krieg mit den Spaniern verwickelte und müder machte als sonst.

Frankreichs Truppen waren keineswegs schwach; die Spanier hatten dafür eine unschlagbare Taktik und modernere Ausstattungen. Zudem würde ein Krieg den Staat rote Zahlen schreiben lassen und das Volk, welches seit der Revolution sowieso leicht reizbar war, könnte drohen, in alte Gewohnheiten zurückzufallen.

Der französischen Staat Navarra war schon seit Wochen besetzt und die Spanier zogen plündernd durch die Städte. Getan werden musste also auf jeden Fall etwas.

Darunter litt auch die Stimmung zu Hofe, auch wenn die Menschen versuchten, alles so gut es ging zu überspielen.

„Habt Ihr schon die neuen Gärten für Euch besichtigt?", fragte seine Großmutter Marie Antoinette schwärmerisch an mich gewandt.

Sie teilte meine Schwäche für schöne Blumen und Pflanzen und war mir äußerst sympathisch (zudem verstand sie sich mit ihrer Tochter Marie-Thérèse ebenso wenig wie ich - obwohl... wer verstand sich schon wirklich mit meiner Tante?).

„Nur einmal kurz", erwiderte ich. „Wollen wir nicht morgen zusammen einen Ausflug dorthin unternehmen, liebe Großtante?"

„Dazu wird es leider nicht kommen", mischte sich die Madame mit einem pikierten Unterton ein. „Morgen geht es mit ihrem Unterricht für die französische Etikette weiter, Mutter." Anschließend wandte sie sich an mich: „Zudem müsst Ihr Euch für den Maskenball am morgigen Abend vorbereiten."

Marie Antoinette warf mir einen genervten Blick nach dem Motto Tut mir leid, dass sie mal wieder übertreiben muss. zu. „Hat das nicht noch Zeit?", entgegnete ich bemüht ruhig.

„Ich fürchte, nein." Ach, was für eine Überraschung, dachte ich mir daraufhin, doch widersprach ihr nicht. Mal wieder blieb ich stumm für Louis-Antoine.

Es herrschte eine lange, unerträgliche Stille zu Tische, in der wir alle bloß unsere Filets aßen, bis ein Klopfen an der Türe unser Mahl unterbrach.

„Wer wagt es, die Kaiserliche Familie während der Essenszeit zu unterbrechen?", beschwerte sich Tante Marie-Thérèse erhobenen Hauptes und legte ihr Besteck zur Seite.

Ich wechselte einen Blick mit meinem Gemahl, der schließlich „Herein" rief, sodass ein Bediensteter eintrat. „Die persönlichen Soldaten Ihrer Majestät, der Kaiserin Aliénor von Frankreich und Navarra, sind eingetroffen", kündigte er die Gäste an. Ich hörte meine Schwiegermutter bereits empört nach Luft schnappen, als Louis-Antoine zur Zustimmung nickte. „Lasst sie eintreten."

Schon ziemlich zufrieden, dass meine Tante - dafür, dass sie meinen Ausflug mit meiner Großtante zunichte gemacht hatte - sich über unsere Besucher ärgerte, blickte ich auf, als eine Gruppe von drei jungen Männern eintrat.



LOUIS - ANTOINE

Vorerst geschah nichts Besonderes. Die Männer verbeugten sich höflich und erhoben sich nacheinander, um sich vorzustellen. Nachdem wir zwei der Soldaten kennengelernt hatte, zeigte der letzte von ihnen sein Gesicht. Ich glaubte. Geister zu sehen, als Rafael Álvarez, der spanische, ehemalige Freund Aliénors sich vorstellte. Nach seinen ausgesprochenen Sätzen war es musksmäuschenstill.

Nicht wie seine Kollegen, begrüßte ich ihn, sondern drehte meinen Kopf zu Aliénor, deren Augen bloß starr nach vorne gerichtet waren und dessen Mund leicht offen stand. Daraufhin sah ich wieder zu Álvarez, der dort verweilte, als wäre nichts geschehen.

Was tut dieser spanische Dreckskerl hier?, kam es mir augenblicklich in den Sinn. In mir kochte es vor Wut, als ich realisierte, dass ich selbst die Liste der neuen Soldaten bloß überflogen hatte... War er nicht in seine Heimat zurückgekehrt? Die Heimat, die zu allem Überfluss auch noch unser Staatsfeind Nummer Eins, Spanien, war?

Das waren doch zu viele unrealistische Zufälle!

Schließlich räusperte ich mich schließlich. „Nun gut, ich werde später noch einmal mit Ihnen reden. Lassen Sie uns bitte zu Ende essen."
Nun starrten sie alle mich an. Die Soldaten verabschiedeten sich mit einer Verbeugung und traten aus dem Zimmer. Kaum war die Tür zugefallen, brach an fast allen Ecken des langen Tisches Gemurmel aus.

Doch ich hörte nicht hin. Das einzige, was zählte war, wie es Aliénor dabei ging und ob dieser Soldat bleiben konnte oder nicht. Denn eines war klar: Igendetwas stimmte hier gewaltig nicht.
Meine Großmutter, die Álvarez ebenso kannte, legte vorsichtig ihre Hand auf die Aliénors, die jedoch nicht reagierte. Sie schien vollkommen erstarrt zu sein.


~*~

ALIÉNOR

Seufzend saß ich vor meinem Frisierspiegel und bürstete mein offenes, blondes Haar. Es war bereits später Abend und ich war allein in Louis-Antoines und meinem gemeinsamen Schlafgemach, dass sich etwas in der Nähe meiner Gemächer im Südflügel befand.
In dem makellos geformten Spiegel betrachtete ich mein Gesicht und legte langsam die vergoldete Bürste zur Seite, ehe ich mir die Haare raufte.

Ohne einen jeglichen Hinweis auf eine Art von Zuneigung hatte er mir einen einzigen Blick gewidmet und anschließend sich genauso verhalten wie zuvor. Er war genauso unterkühlt wie damals, als er mir in diesem bitteren Winter Lebewohl gesagt hatte.

Mein Herzschlag hatte, als ich ihn erblickt hatte, für einen kurzen Moment ausgesetzt, ehe er wohl doppelt so schnell wieder eingesetzt war. Mir war warm geworden, und alte Erinnerungen waren augenblicklich auf mich eingebrochen.
Ich wusste nicht recht, was ich denken sollte. Jedoch war ich wohl auch nicht die einzige: Der ganze Hof schien ratlos zu sein, und alle fragten sich: Wie hatte dies passieren können? Was tat er hier? Wie hatte der Kaiser zulassen können, dass er nach Versailles kommen konnte?

Die Tür wurde geöffnet, und ich sah im Spiegel, wie Louis-Antoine eintrat. Ich drehte mich um und blickte in sein müdes Gesicht, ehe ich mich erhob und zu ihm lief. Dadurch dass ich nur ein angenehmes Nachtgewandt trug, war es mir ein Leichtes, vorwärts zu kommen.

Er blickte mich nachdenklich an, und murmelte eine Begrüßung.
„Willst du dich schlafen legen?", wollte ich mit zärtlicher Stimme wissen, und legte eine Hand auf seine Schulter.

Seine Lippen verließ ein Seufzer. „Vorher müssen wir reden. Und ich schätze du weißt bereits, worüber - besser gesagt über wen."

Ich nickte, doch konnte nicht verhindern, dass ich bei dem Gedanken daran, Antoines Fragen über Rafael beantworten zu müssen, nervös wurde.
„Also..", begann er und atmete einmal tief ein. „Ich weiß nicht recht, wie er hierher gekommen ist, wieso er hier und seit wann er wieder im Dienst ist. Wenn du jedoch der Meinung bist, dass du ihm nicht vertrauen kannst und ihn nicht in deiner Nähe wünschst, werde ich ihn sofort entlassen und austauschen lassen."

Erneut nickte ich. „Ich verstehe. Bloß weiß ich nicht, was ich denken und ihn nun einschätzen soll. Es ist schon so lange her... aber wieso glaubst du, dass ich ihm nicht vertrauen könnte?"

„Naja, da du nun die Kaiserin bist, ist er vielleicht erzürnt über deine Entscheidung, mich geheiratet zu haben. Wir können nicht wissen, wie er dich behandeln wird... Nun gut... ebenso macht es mich ein bisschen sehr misstrauisch, dass er plötzlich während der Spannung zwischen Spanien und Frankreich zurück am Hofe ist...", gab er ehrlich zu und rieb sich die Schläfe, woraufhin ich seine Hand nahm und ihn mit mir in unser Himmelbett zog, bevor ich meine Arme um ihn schlang.

„Am besten sehen wir erstmal, was morgen geschieht, einverstanden?"

Für eine kurze Zeit schien Louis-Antoine noch etwas zu grübeln, ehe er mir schließlich zustimmte. „Einverstanden", entgegnete er müde lächelnd. „Ich glaube es zwar nicht - aber vielleicht klärt sich ja die Angelegenheit schneller auf, als wir denken."

Schmunzelnd gab mir einen Kuss auf die Lippen. Er hatte sich bereits entkleidet, weshalb er einen Arm um mich legte und die Öllampe ausmachte.
So müde, wie wir waren, schliefen wir beide recht schnell und - wenn auch mit einem mulmigen Gefühl im Bauch - durch die Gegenwart des jeweils anderen beruhigt ein.






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Übersetzungen

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( TITEL ) Bekannte

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