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| PERFIDY |
Immer wieder aufkommendes Schlunzen war im Fahrzeug zu vernehmen, das Schweigen Jeremy's ließ es nur noch lauter wirken. Ihn plagten Schuldgefühle, denn er gab sich Mitschuld an den Tränen von mir. Er hatte von Beginn an kein gutes Gefühl bei der ganzen Angelegenheit, weder bei Johnny noch bei Jisung. Er machte sich Vorwürfe, dass er nichts gesagt hatte, als er schon damals von Jisung's Geheimnis etwas mitbekam, zu dem Augenblick wollte er seinen Job nicht gefährden, aber nun bereute er seine Entscheidung. Ich an der anderen Seite fühlte mich so leer. Weder empfand ich Wut noch Trauer, eher Enttäuschung. Alles war plötzlich so taub, fühlte sich leblos an, meine Hände, meine Füße, mein Herz. Selbst meine Tränen waren von glühend warm zu nur mehr kalt. Ich fühlte mich insensibel.
Als ich Einstieg hatte er mich nur angesehen, Jeremy traute sich nicht mich anzusprechen, nachzufragen, was los sei. Er reichte mir einzig und allein ein Taschentuch welches mittlerweile zerknüllt und aufgeweicht in meinen Händen war, zusammengedrückt wurde sobald ich erneut aufschluchzte. An einer Ampel anhaltend ergriff der Ältere endlich das Wort. "Fühlen Sie sich wohl in diesem Aufzug Ms?" Sein Blick weiter starr auf die Straße vor uns gerichtet schüttelte ich nur mit Tränen gefüllten Augen mein Kopf. "Dann geben Sie mir bitte ihre Schuhe." Ohne weiteres griff ich nach dem funkelten Paar welches im Fußraum lag, übergab diese meinem Fahrer aufstandslos. Diese annehmend fuhr er bei Grün weiter und warf das Schuhwerk aus dem Fenster. Ein Akt der Loyalität, für welchen ich ihm dankte.
Ich wusste nicht mehr, wie lange es dauerte, wie lange die Stille fortlief und wir endlich vor meinem Haus stoppten, aber ich realisierte, dass wir angekommen waren und stieg aus. Noch immer ohne Gefühl in meinen Gliedern bewegten sich meine nun kahlen Fußsolen über den blanken Boden und als mein Chauffeur dann seine Tür öffnete und es den Anschein machte, dass er mir mit hinein folgen wollte, drehte ich mich um. "Zu meinem Gefallen zählt auch, dass du jetzt wieder fährst." Er wollte seinen Mund öffnen, etwas dagegen einwenden, jedoch ließ er es bleiben, denn das war nun einmal der Deal. Ich schwieg für dein Schweigen. "Jeremy?" Murmelte ich, meine rötlich leuchtenden Augen auf ihn fixiert. Er sah mich abwartend an. "Ich vertraue, auf dein Schweigen." Er nickte, seine Brust schmerzte. "Selbstverständlich Ms." Damit schloss sich seine Autotür und der Jeep verließ das Anwesen. Mit zitternden Fingern schloss ich die Tür vor mir auf und verspürte nicht wie sonst, Wärme. Im Gegenteil, ich vernahm nichts.
Tief luftholend fiel die Tür wieder in ihr Schloß und ich beschloss erstmal eine heiße Dusche zu nehmen bevor ich schlafen ginge. Zu angewidert, verschwitzt und unterkühlt war ich im Augenblick. Unter dem strahlenden Wasser unserer Regendusche stehend, schwieg ich, wusch mich mit glühenden Augen ab. Meine Füße begann bei dem warmen Wasser zu kribbeln und als ich meinen Kopf zu diesen senkte, erkannte ich die lila-roten Abdrücke meiner zuvor getragenen Schuhe. Ich war das erste Mal in meinem kompletten Leben allein bei mir Zuhause, mit 17 Jahren, war mein größter Wunsch an Selbstständigkeit Realität geworden, doch genau jetzt, wünschte ich mir, nicht allein zu sein. Nicht, diese beklemmende Stille zu vernehmen, diese erdrückende Ruhe. Meine Haare gekämmt und nur mit meinem hellblauen Bademantel und weißen Hausschuhen stand ich vorm Spiegel, hatte weder Kraft noch Ausdauer weiter zu weinen. Doch dann schellte es an der Tür und ich gefror. Er schellte erneut und erst jetzt konnte ich mich aus meiner Schockstarre befreien. Es war halb drei, jemand anderen als Jeremy wollte ich mir nicht vorstellen zu sehen.
Unten an der Treppe angekommen, sah auch auf den kleinen Monitor und drückte den Knopf, um zu sehen, wer vor meiner Tür stand. Um so eine Uhrzeit öffnete ich doch nicht einfach die Tür, ich war doch nicht lebensmüde. Doch zu meinem Erstaunen, blieb der Bildschirm schwarz. War unsere Kamera kaputt? Und als es erneut schellte, zog ich die Tür auf nur, um es letztlich zu bereuen. "Enya-.." Aber ich wollte Johnny's Worte nicht weiter hören, schlug ihm die Tür direkt wieder vor der Nase- und bevor vollenden seines Satzes zu. "Enya, bitte mach auf!" Hörte ich seine laute Stimme von draußen zu mir durchklingen. In meinen Augen füllten sich erneut Tränen. "Verschwinde Johnny, verschwinde einfach!" Meine ich, kreuzte meine Arme vor der Brust und sah zu Boden. Man hörte seine flache Hand gegen die Tür schlagen, dann Stille. "Enya, lass es mich erklären." Seine Tonlage noch immer verzweifelt klingend. Ruckartig zog ich die Tür ein weiteres Mal auf und sah hoch in sein Gesicht. Er schaute niedergeschlagen aus. "Ich will keine Lügen mehr hören." Brachte ich mit brüchigen Worten hinaus. Seine Augen durchbohrten die meine. "Ich liebe dich." Wütend betrachtete ich ihn und verfestigte den Druck um die Türklinke. "Ich habe gesagt, ich will deine Lügen nicht mehr hören!" Erneut fiel die Haustür ins Schloß, dieses Mal, sollte sie dort bleiben.
Verzweifelt setzte ich mich auf die unteren Stufen unserer Treppe, er ließ sich zum kahlsten Boden nieder, seinen Kopf von außen gegen die Tür zurückgelehnt. "Ich Lüge nicht.." Fing er an. "..dieses Mal jedenfalls nicht." Wir schlossen gleichzeitig unsere Augenlider, beide unwissend, was nun zutun war. "Wer war er?" Nuschelte ich und Johnny nutzte dies, nutzte es, um mir endlich alles zu gestehen. "Der Junge im Bus, du meintest, du würdest ihn nicht kennen. Eine Lüge." Erläuterte ich. "Sicheng, er gehört auch zu uns. Er ist einer der Spitzel, zusammen mit Renjun und Chenle. Sie werden meistens angeheuert, wenn ein Auftraggeber uns verdächtig erscheint." Direkt kam mir der Unbekannte in den Sinn, welchen ich zusammen mit diesem Sicheng sah. Etwas bei den Worten 'angeheuert' gab mir ein erneutes Schmerzgefühl, als wäre ich ein Kunde.
"Diesen Auftrag erhalten sie von..unseren Leadern. Du hast sie bereits kennengelernt, Doyoung und Taeyong." Die beiden im Weinkeller. 'Ein guter Rat von mir, du solltest nie wieder so mit auch nur einem von den beiden reden', ein Schauer fuhr meinen Rücken hinunter, nachdem mir klar wurde, was ich getan hatte, wie ich mit ihnen ungetragnen war. "Du wirst vermutlich nun denken, dass wir eine Sekte oder etwas dergleichen sind. Spitzel, Leader, Waffen...aber glaub mir, egal was wir machen, egal was Taeyong und Doyoung getan haben, sie sind die loyalsten von allen. Sie wollen nur, dass es uns gut geht, deshalb auch das Verleugnen. Bitte versteh' Prinzessin, diese Jacken bedeuten mehr, einmal drin kannst du nicht mehr raus. Wir sind mehr als nur Gangster, Verbrecher und Schläger, wir sind Familie, wir sind NCT." Ging er auf seine Geheimnisse und diese Initialen ein. "Du bist verrückt, ihr seid alle komplett übergeschnappt." Schüttelte ich überfordert meinen Kopf. "Ich durfte nichts wegen Jisung sagen, da du eigentlich nur ein Mittel zum Zweck warst und wir niemals ein Wort über Neulinge von unseren Lippen weichen lassen dürfen." Fuhr er fort, stumm rollten meine Tränen an meinen Wangen hinunter.
"Was hatte es mit dieser Feier auf sich?" Murmelte ich nurmehr. "Dieser Club gehört einer anderen Gruppe, eines anderen Stadtteils. Den Jungen, welchen du am Boden liegen sahst, war der jüngste Bruder deren Leaders, sie haben insgesamt drei. Seunghwa ist der zweitälteste, er passt immer auf seinen kleinen Bruder auf, weshalb du dich auch um ihn kümmern solltest, nur so kamen wir an ihn dran ohne gleich alle auf uns aufmerksam zu machen. Der Jüngste macht immer Ärger in unserem Revier, weshalb er so oder so diese Prozedur durchzogen hätte, ob nun von Jisung oder jemand anderem. Außerdem ist dies unser Aufnahmeritual...wir alle mussten es machen." Meine Kehle war leer, weder konnte- noch wollte ich etwas darauf entgegenbringen. "Enya...bist du noch da?" Nach den richtigen Worten suchend holte ich Luft. "Ich habe an der Bar mitbekommen, wie einige Mädchen über dich gesprochen haben, darüber, dass du sie erpresst hast."
Johnny wollte es nicht über seine Lippen bringen, bislang war er immer stolz gewesen, doch nun, schämte er sich für seine Taten. Denn er wusste, dass sie mich verletzten. "Ja, das habe ich, das ist meine Aufgabe. Ich sorge dafür, dass Mädchen das machen, was wir verlangen." Meine Zähne zusammenbeißend schloss ich meine Augen, presste meine Handflächen noch mehr aufeinander und fühlte erneut diese unerträgliche Kälte. Ich war von Anfang an nichts als nur ein weiteres seiner Mädels, ein Spielzeug. "Machst du jetzt bitte die Tür auf?" Fragte er. "Ich rufe die Polizei, wenn du nicht endlich von meinem Grundstück verschwindest." Schmerzte es diese Zeilen von meinen Lippen zu bringen. "Öffne nur noch einmal die Tür, dann gehe ich, wenn du willst." Einen Ausweg in diesem Kompromiss sehend erhob ich mich von den Stufen und öffnete ein letztes Mal die Tür für den Älteren. "Du warst die erste, welche ich zum Kleid kaufen begleitet habe. Du warst die erste, mit welcher ich Zeit verbracht habe und mit der ich mich unterhalten hatte, ich meine wirklich unterhalten. Du warst ebenso die erste, welche die anderen kennengelernt hat und in unser Leben eintauchen durfte. Du warst die erste, für welche ich mich das erste mal überhaupt angestrengt habe. Du, bist eine wahrlich Prinzessin für mich und du warst auch die erste, welche ich so genannte. Ich liebe dich aufrichtig Kleine."
Meine Tränen hinunterlaufen sehend strich er sie mir direkt von den Wagen, wollte mich nicht weinen sehen. "Warum machst du das mit mir?" Wandte er sich an mich, fixierte jedes noch so kleine Detail meines Gesichts mit seinen Händen, welche sich an meine Wangen legten. "Ich will dich nicht mehr anlügen und ich wollte es auch nicht, aber, ich konnte meinen Jungs nicht in den Rücken fallen." Langsam lösten sich seine Hände von meinen Wangen, die plötzliche Wärme, welche auf meiner untypisch kalten Haut lag, sie verschwand. Das wollte ich nicht. Nach seinen Handgelenken greifen, hielt ich ihn auf, drückte seine Handflächen zurück an meine Wangen, wollte ihn nicht gehen lassen. Er war der Grund, weshalb ich lachte, aufrichtig. Ich wollte Johnny nicht gehen lassen, ich liebte ihn. Mit Überraschung sah er meinem handeln zu, ließ es geschehen, denn er wollte sich genauso wenig von mir entfernen wie ich es nicht wollte. Denn auch seine Gefühle waren echt. Meine Hände lösten sich von ihm und schlangen sich um seinen Oberkörper, drückten mich an ihn und sofort vernahm ich seinen Herzschlag. Er war so kräftig, dies beruhigte mich.
Seine Arme pressten mich noch näher an ihn heran, umhüllten mich beschützend. "Du solltest rein gehen, in dem Aufzug wirst du noch krank." Nuschelte der Größere und ich löste mich von ihm, sah zu ihm auf. Wortlos zog ich ihn mit hinein, hinterfragen tat er dies nicht. Hinter sich die Tür schließend griff er mich beim Arm, zog mich wieder zu ihm zurück und schaute tief in meine Augen. Es folgte ein Kuss der Sehnsucht und Hingabe, denn nun müsste er nicht mehr über die Dinge nachdenken, welche ihn belasteten. Dinge die er mir verschweigen würde. Er hatte die Wahrheit gesagt, seine Worte waren aufrichtig gemeint und seien Zweifel verdrängend, füllte sich endlich einmal etwas richtig in seinem Leben an. Denn, er hatte schon lange an der Liebe gezweifelt, der Junge hatte seien Gründe, er würde niemals wieder Menschen an sich heran lassen, dass schwor er sich einst. Doch dann kam sie, ob er es bereute? Vielleicht. Doch einmal füllte es sich einfach ehrlich an, dieses Gefühl wollte er nicht gehen lassen. Nicht erneut.
Mich von ihm lösend schloss ich meine Augen und legte meine Wange auf seine Brust. Johnny schmeichelte mir über mein Haar, wollte mich noch näher an ihn lassen, ihn füllen, seine Liebe. Aber er wusste, wie sehr dieser Gedanke gerade nicht herein passte, in diesen Augenblick. Deshalb verwarf er diesen schnell wieder, küsste meinen noch leicht feuchten Haaransatz und stieß mich etwas von ihm. "Müde?" Hauchte er fragend und ich nickte grummelnd. "Mhm~" Er schmunzelte auf und entfernte sich nun komplett von mir, sah in mein erschöpftes Gesicht, blieb an meinen Auen hängen. Meinen verweinten, gereizten, geschwollenen Augen. Er schluckte schwer. "Leg' dich hin-.." Nickend zog ich ihn mit hoch in mein Zimmer und legte mich in mein Bett, Johnny zögerte garnicht erst. Er selbst war ebenso müde und dachte nicht einmal zweimal nach, als er mich dort liegen sah und den freien Platz neben mir. Nur in Unterhose bekleidet lege er sich neben mich, ich war bereits halb eingeschlafen, driftete von der Realität immer weiter weg, der Junge neben mir hinterließ einige nicht zuzuordnende Muster auf meinem Oberarm mit seinen Fingerkuppen. Es schien so frei, meine Seele war erleichtert und glücklich. Ich füllte mich vollkommen. Abgesehen von einer entscheidenden Kleinigkeit, an welche ich in diesem Moment jedoch nicht dachte.
Jisung.
..Fortsetzung folgt..
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'BOOM' released
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