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| PROTECTION |
"Du kennst ihn also aus der Schule?" Meinem Vater entkamen diese Worte so kalt und ich war mir bewusst, dass er mir im Moment nicht komplett vertraute. Seinen Anzug hatte er von zuvor wieder gerichtet, in seiner linken Hand hielt er ein Glas, ließ den rostfarbenen Whiskey in diesem hin und her schwanken. "Ja." Kam es kleinlaut von mir. Mein Vater saß in dem dunkelbraunen Ledersessel, ich ihm gegenüber. "Aus Sport meintest du?" Wiederholte mein Gegenüber und ich nickte, bemerkte, wie mein Vater zu Johnny hinüber blickte. Dieser lief begutachtend durch das Zimmer in welchem wir saßen, schaute sich das riesige Bücherregal unseres Hauses an, trug nun durch den Faustkampf von vorhin eine Wunde an der Unterlippe sowie eine Make unterm Auge. "Wegen vorhin Vater-.." Doch er ließ mich nicht ausreden. "Darum geht es mir nicht Enya. Du bist einfach von der Feier verschwunden, weißt du eigentlich, was das für eine Blamage ist? Wie stehe ich wohl jetzt nun vor meinen Kollegen da?" Die Ruhe, mit welcher er zu mir sprach, war das eigentliche, was mich erschaudern ließ. Mein Vater holte tief Luft. "Und wie sehen überhaupt deine Schuhe aus?" Fügte er kritisiert, wenn nicht sogar enttäuscht, hinzu.
"Ist das Ihr Ernst?" Mir gefror jeder Muskel. Johnny, was hattest du bitte vor?! Der Junge, welcher gerade noch unsere kleine Bibliothek beschaut hatte, drehte sich zu meinem Vater, zeigte keinerlei Scheu oder Respekt. "Wie bitte Knirps?" Forderte mein Vater ihn dazu auf, weiter zu sprechen, stellte sein Glas beiseite und lehnte sich provokant zu dem Jüngeren vor. Johnny kam näher. "Sie interessiert nur, was diese Anzug-Fritzen über Sie denken? Sie wollen mich verarschen, wollen Sie oder?" Meine Nägel krallten sich in das Leder des Sessel in dem ich saß. "Ich würde mich an deiner Stelle zügeln Mister." Mit eindringlichen Blicken verdeutlichte ich Johnny, dass er besser den Rat meines Vaters nachgehen sollte, aber selbstverständlich traf ich auf pure Ignoranz. "Zügeln, so wie Sie es tun? So, wie Sie nichts gemacht haben, als Ihre eigene Tochter auf dieser Feier, wo sie ja so wichtig war und definitiv freiwillig Präsenz gezeigt hat, geschlagen wurde, von einem dieser ach so noblem Herren? Ich meine ja nur, ich habe Ihre Tochter vorhin vor diesen Typen beschützt, nicht Sie." Mein Blick wanderte nach diesen Worten zu meinem Vater, zu meinem unverändert sitzenden, noch immer schweigenden Vater. Ruhig einatmend faltete dieser seine beiden Hände vor seinem Mund, musterte Johnny einmal gründlich und langsam jagte es mir Angst ein. Dieses Mal jedoch nicht mehr, wegen der herrschenden Stille sondern wegen seines Gesichtsausdrucks, denn dieser war mir mehr als nur bekannt. Diese Züge nahm er immer nur dann an, wenn er etwas am überlegen war, wenn er Entscheidungen traf.
"Wie war noch gleich dein Name mein Junge?" Der Braunhaarige zuckte nicht einmal mit seinen Wimpern. "Johnny." Mein Vater nickte, stand plötzlich auf. "Und wie alt?" Der Älterer lief zu John hinüber, hatte seine Hände auf dem Rücken, stocherte ihn mit seinen Blicken. "19." Abwegig nickte mein Vater nur erneut, war nun einmal um den Jungen herum gelaufen, stand jetzt direkt vor diesem, sah ihm ins Gesicht. Ich konnte nicht herauslesen, was Johnny gerade dachte, was er vermittelte, was hinter seiner Fassade passierte, also schwieg ich weiter. Wie immer. "Ich möchte dir ein Angebot machen, Johnny." Stille. "Dir ist sicherlich klar, in welchen Kreisen meine Familie lebt und da du bereits zweimal bewiesen hast, dass du auf meine Tochter mehr als nur aufpassen kannst, mache ich dir dieses Jobangebot. Ich biete dir an, selbstverständlich unter Bezahlung, der persönliche Leibwächter meiner Tochter Enya Huang zu sein." Ruckartig befreite ich mich aus meiner Starre, stand nun Kerzengerade, weshalb die beiden Männer zu mir hinüber blickten, auf ein Handeln warteten. Aber ich brachte kein Ton raus, traute mich selbst jetzt nicht, meine Stimme zu heben. "Was hältst du davon Liebling?" Wandte sich nun mein Vater an mich, ich sah zu Boden, wollte schreien, dass ich dies nicht wollte, wollte Johnny die Tür zum Gehen aufhalten, wollte in mein Zimmer laufen, allein sein, nur für mich und nur dieses eine Mal an mich denken. Aber diese Gedanken und Worte blieben dort, wo auch mein Mut und mein Selbstbewusstsein waren, in mir. "Ein guter Einfall Papa, wie immer." Faltete ich meine Hände, hoffte, dass nun Johnny verneinen würde. "Wir würden es auch noch legal, mit allen rechtlich erforderlichen Papieren abklären-.." Johnny streckte seine Hand aus, was meinen Vater inne halten ließ. "Keinen Stress, wegen des Papierkrams, ich nehme ihr Angebot dankend an." Er griff nach der Hand meines Vaters und schüttelte diese langsam. "Ihrem Wort vertraue ich weitaus mehr, als irgendwelchen Verträgen." Beide hörten sie auf die Hand des anderen zu schütteln, lösen aus dem Griff taten sie sich dennoch nicht. "Da bin ich mir doch sehr sicher." Hauchte mein Vater zurück, starrte geradeaus in die Augen Johnny's, der seinem Blick nicht mal mit einem Wimpernzucken auswich.
"Es ist schon spät, du solltest langsam gehen Johnny." Brachte ich nervös heraus, sie lösten sich von einander. "Einen angenehmen Abend wünsche ich." Kam es leicht schmunzelnd von Johnny, doch mein Vater hatte ihm schon seinen Rücken zugedreht, widmete sich seinem Whiskey. "Geleitest du unseren Besuch bitte zur Tür Schätzchen?" Ich holte mit geschlossenen Augen Luft. "Natürlich Papa." Ich lief voraus in den Flur als Johnny plötzlich seine Jacke von meinen Schultern zog, welche ich noch immer unbewusst getragen hatte. "Du siehst ja wo die Tür ist." Nuschelte ich als er sich räusperte. "Ich glaube, so bringt man niemanden zur Tür. Bist du nicht besser erzogen?" Zog er mich auf und, obwohl ich dafür garnicht in Stimmung war, raufte ich mich zusammen, lief an ihm vorbei und hielt ihm die Tür zum Gehen auf, mein Blick weiter auf den Boden gerichtet. Johnny lief tonlos an mir vorbei und als ich die Tür langsam zuschieben wollte, bemerkte ich, wie er noch auf der Türschwelle stand und über seine Schulter zu mir zurücksah. "Wir sehen uns.." Seine Hand legte sich an mein Kinn, hob es, gab mir ein Kuss auf die Wange. Ich weitete meine Augen. "Prinzessin."
Dann stand ich noch einen Moment dort, sah ihm hinterher, konnte nicht fassen, was geschehen war. Als ich mich nach einigen Minuten dann umdrehte stand mein Vater im Flur, stellte sein Glas auf die hochglanzpolierte Kommode neben ihm, wischte wohl eine Fluse von der Oberfläche. Seine Hand schien Rot zu sein, war es von dem Händeschütteln von eben? Hatten sie sich absichtlich wehtuen wollen? Schweigend kam ich auf ihn zu, blieb genau vor ihm stehen, er blickte zu mir hinunter, ich ging seinen Augen aus dem Weg. Er streichelte mir zart über die Wange, bückte sich dann zu meinen Füßen und zog mir die dreckigen Schuhe aus. "Du bist ein schlaues Mädchen Enya." Murmelte er langsam vor sich hin, ich sah ihm zu. "Deshalb möchte ich, dass du es genießt.." Mein Vater griff nach den Schuhen und hielt sie in seiner Hand, betrachtete den Dreck auf ihnen. "Denn wir wissen beide, dass es niemals etwas auf Dauer werden wird." Ein Stich zog sich durch meine Brust. Mein Gegenüber lief um die Ecke in die Küche, ich folgte ihm langsam. "Er gehört nicht zu unserer Klasse, dass darf er nicht verwechseln." Mein Vater hielt die Schuhe über den Müll. "Was nicht unseren Ansprüchen entspricht, wird entsorgt." Die Schuhe fielen in die Tiefe, man hörte die Tüte des Mülleimers aufrascheln. Mein Vater öffnete einen Schrank und zog eine Box aus diesem, hielt sie mir hin. In ihr, strahlend weiße, neue, teure Markenturnschuhe. "Und durch etwas besseres ersetzt." Mir auf die Lippe beißend nahm ich die Schuhe aus dem Karton, hielt sie in meinen Händen und nickte, bejahte indirekt seine Metapher. "Gut."
Nachdem ich geduscht in meinem Zimmer war, da ich mich nach diesem Dinner heute einfach nur noch dreckig fühlte, und mir vor meinem Spiegel die Haare kämmte ließ ich alles noch einmal in meinem Kopf Revue passieren. Selbstverständlich war das alles hier nutzlos, weshalb um etwas kämpfen, was sowieso keine Zukunft hätte? Es wäre kindisch gewesen, darüber zu diskutieren. Nur der Gefallen stand mir jetzt noch im Weg, mit Johnny als meinen Leibwächter musste ich ja nicht sprechen, doch eine Sache war da dann doch. Ich. Denn wenn ich es mir eingestand, wollte ich mit ihm reden, Zeit mit ihm verbringen, denn er machte mich glücklich. Er war anders, als die Leute, mit denen ich sonst immer zutun hatte. Ihm waren die Meinungen der anderen egal, er hatte immer seine eigene Sicht und das mit meist perfekten Begründungen und er schien mich auch zu mögen oder? Er hätte mich zuvor beinahe fast auf den Mund geküsst. Als ich mein Spiegelbild betrachtete erkannte ich direkt meine roten Wangen, ein lautes Seufzten verließ meine Kehle. "Das ist ein einziges Desaster." Ließ ich mich nach vorn fallen, meine Hände in meine Haare fahrend, spürte meine Fingernägel auf meiner Kopfhaut. Ein Ton erklang neben mir und ich blickte auf mein Handy.
Eine Nachricht.
Von Tian.
..Fortsetzung folgt..
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thank u guys 4 all the support!
was vermutet ihr bislang?
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