Kapitel 6
„Valerie! Bist du dir wirklich sicher? Also wenn es nach mir ginge, dann würdest du da nicht hingehen!" jammerte meine Mutter. Wir bogen gerade von der Autobahn ab und fuhren die letzten Kilometer bis zum Internat Birkenstein. Ich hatte bereits im Voraus versucht ein bisschen im Internet über dieses komische Internat herauszufinden, dies hatte sich jedoch als schwieriger als gedacht erwiesen. Über dieses Internat stand rein gar nichts in den großen Weiten des World Wide Webs! Das war doch echt mehr als merkwürdig!
Doch ich hatte gestern alle meine Koffer gepackt und heute Morgen waren wir- für meinen Geschmack viel zu früh- losgefahren, um noch rechtzeitig dort anzukommen. Gerade fuhren wir eine lange Landstraße entlang, die links und rechts von gold- gelben Gerstefeldern gesäumt wurde. „Wow, ist das schön hier!" sagte ich und deutete auf ein kleines Wäldchen, das hinter den Feldern sichtbar wurde. Daneben glitzerte es verdächtig und ich vermutete, dass sich dort ein See, oder ein großer Fluss befand.
„Wir sind auch gleich da! Aber Val! Du hast mir immer noch keine Antwort auf meine Frage gegeben!" schnaufte meine Mutter und blickte ernst zu mir herüber. Ich selbst blickte nur gedankenverloren aus dem Fenster. War das hier wirklich das was ich wollte? Ein weiterer Kampf um den Sieg? Wieder nur Höchstleistungen abrufen? Doch dann dachte ich daran, wie sich der Sieg im Iwest Cup angefühlt hatte. Stark, mächtig, unnachgiebig. Ich würde es noch einmal allen zeigen! „Ja Mum, ich verstehe ja, dass es nicht einfach ist, einfach mitten im Schuljahr für fünf Wochen die Schule zu wechseln und dann auch noch so weit weg. Aber vertraue mir und vor allem Glenda. Hätte sie jemals zu etwas zugestimmt, für das ich nicht bereit gewesen wäre? Nein. Also... Ich schaffe das schon. Und wenn nicht, dann benehme ich mich einfach so schlecht, dass ich gleich in der ersten Woche rausgeschmissen werde." Ich lachte und zwinkerte ihr zu.
Ich hoffte nur, dass sie meine Nervosität nicht bemerkte. „Du hast ja Recht Schätzchen! Und ich sehe dich dann jeden Tag im Fernsehen?" „Aber klar! Jeden Nachmittag ab 19. 30 und jederzeit im Livestream auf der Website!" ratterte ich herunter, was ich der Internetseite der „Princess of Dressage" Show entnehmen konnte. „Oh Mist, dann filmen die ja jetzt gleich auch schon! Mum, wie sehe ich aus?" bemerkte ich plötzlich und meine Stimme schoss automatisch zwei Oktaven nach oben. Hektisch klappte ich den Spiegel an der Sonnenblende des Autos nach unten und überprüfte nochmals den Sitz meines Zopfes und mein Make- up.
Im Spiegel blickte ich in das unscheinbare Gesicht einer Braunhaarigen , deren Haut ein bisschen zu blass für Mitte Juni war und trotzdem von vereinzelten Sommersprossen überzogen war. Charly meinte ja, das meine blasse Haut ein absolutes Schönheitsideal war, jedoch fand ich es nicht gerade prickelnd immer so auszusehen, als hätte ich gerade eine Magen- Darm Grippe hinter mir. „Du siehst immer schön aus! Und jetzt cool play Valerie! Die Zuschauer sollen dich doch nicht wie eine Eingebildete Zicke erleben, die immer schauen muss, ob sie auch perfekt aussieht. Wir sind nämlich schon da!" meine Mutter blickte mich streng an, seufzte jedoch im nächsten Moment und nahm meine Hand in ihre. „Ich werde dich so vermissen!" „Ich werde euch auch alle vermissen!" sagte ich wehmütig und blickte aus dem Fenster.
„Ich glaube, wir sind jetzt endgültig da!" riss mich meine Mum aus meinen Gedanken und deutete auf ein großes schmiedeeiserndes Tor, das imposant vor unserem Auto aufragte. Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, da öffnete sich das Tor schon langsam und ließ uns passieren. „Wow!" entfuhr es mir, als sich vor uns eine gekieste Allee erstreckte, die in einen riesigen Parkplatz einmündete, hinter dem ein riesiges Gebäude emporragte. "Nicht übel!" fand auch meine Mum. Auf dem Parkplatz standen schon sieben andere Hänger und es herrschte ein hektisches Treiben. Autotüren wurden zugeschlagen, es wurde nochmals hektisch kontrolliert, ob auch jede Tasche mitgenommen wurde und vereinzelt wurde einem Pferd auch schon mithilfe eines Wassereimers, der durch die vordere Hängertür gehalten wurde, etwas Wasser gegeben. Es sah eigentlich auch wie auf einem ganz normalen Turnier. "Dann auf in den Kampf." brummte meine Mutter leise und wir stiegen gemeinsam aus.
Kaum hatten wir das Auto verlassen, war es, als hätte man das Radio von stumm auf die volle Lautstärke gestellt. Pferde wieherten panisch, Mädchen schrien nach ihrer Haarbürste und der Kies knirschte quietschend unter jedem Schritt. "Bist du Alice Schwarzer?" eine hochgewachsene Frau auf schwindelerregend hohen Schuhen kam auf mich zugestöckelt und hielt mir ihr Klemmbrett unter die Nase. "Nein, ich bin Valerie Winterhagen." sagte ich schlicht und blickte mich auf dem großen Parkplatz um. Nur vereinzelt waren andere Fahrzeuge zu sehen. Doch die hatten es in sich. Es reihte sich Audi an Porsche an Mercedes an Ferrari. Die ganze High- Society des deutschen Dressursports war angereist um das Spektakel zu erleben.
"Ach ja genau! Herzlich willkommen auf dem Gelände des Internats Birkenstein! Ich bin Christine, die Sekretärin des Internats und werde für alle organisatorischen Dinge verantwortlich sein. Das heißt, das du dich immer an mich wenden kannst, wenn du einmal nicht weiter weißt." ratterte sie herunter und schenkte mir ein professionelles Lächeln.
"Also du bist Team Türkis, was das bedeutet, wirst du später noch erfahren. Halte einfach immer nach diesem türkis Ausschau, dann wirst du alles finden." sie überreichte mir eine türkise Karte, von der ich glaubte, dass sie eine Schlüsselkarte für ein Zimmer sein würde.
"Dein Pferd kannst du in den Stalltrakt P stellen, an den Boxen stehen schon die Pferdenamen. Um dorthin zu gelangen fahrt ihr einfach diesen Weg entlang, der führt euch direkt dorthin. Danach kannst du dein Zimmer beziehen, das Haus ist direkt neben den Stallungen. Um sechs Uhr treffen wir uns in der Cafeteria zu einem Willkommensabend, den Weg müsstest du ganz leicht finden. Hier ist auch noch ein Plan, auf dem du schauen kannst, wo alles ist. Auf der Rückseite ist dein Stundenplan, der ab Montag in Kraft treten wird. Nun gut, ich glaube, das war es erst einmal. Wenn du noch fragen hast, wende dich einfach an mich." mit einem letzten Lächeln in meine Richtung, stöckelte sie auch schon von dannen und ließ mich mit meiner Schlüsselkarte und dem Gebäudeplan alleine.
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