Kapitel 58
"Und du bist dir sicher, dass das funktionieren wird?" mit skeptischer Miene blickte Sam zu mir herüber und in ihren smaragdgrünen Augen spiegelte die selbe Unsicherheit , die ihre Stimme zum Wackeln bringen ließ. Wir standen gemeinsam auf dem großen Außenplatz des Internats und Sam hielt meine Stute am Zügel, die sich gerade desinteressiert am Bein kratzte. Ich schnalzte einmal leicht verärgert und sofort hob sie wieder brav ihren Kopf und schnaubte einmal. "Natürlich bin ich mir sicher. Danci hat ja schon zwei Mal bewiesen, dass sie auch auf großem Parkett ganz vorne stehen kann." versuchte ich meiner Teamkollegin Mut zu machen und schob ihr ermunternd die Aufstiegshilfe vor die Beine. "Du bleibst aber hier!" befahl sie und strich sich nervös eine lose gewordene Haarsträhne hinters Ohr. "Jaaha, Sam, es ist alles in Ordnung! Du tust ja gerade so, als wäre Danci das reinste Pulverfass!" neckte ich sie und klopfte meiner Stute zuversichtlich den kupferfarben glänzenden Hals. "Und du tust so, als wäre sie immer ein Kinderspiel. Soll ich dich an die Siegerehrung in München und die Prüfung in s'Hertogenbosch erinnern?" feuerte Sam zurück, schwang sich jedoch dann in den Sattel. Ja, ja, die Siegerehrung in München. Dort war sie mir vor voller Halle so gestiegen, dass ich die Siegerehrung vorzeitig verlassen musste. Ich höre heute immer noch Georgies wütende Stimme, die mit Wörtern wie Anstand und Contenance zu tun hatten. Unwillkürlich schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. All das kam mir so fremd und unwirklich vor, als sei es schon lange her. Doch das zwischen dieser Erinnerung und der Gegenwart nur acht lange Wochen vergangen waren, ließ mich immer wieder den Kopf schütteln. Und in zwei Tagen ist es vorbei. flüsterte mir eine leise Stimme zu. Du weißt immer noch nicht wie es weitergeht, geschweige denn, was aus London und dir wird, wenn du wieder zurück nach München gehst! Schnell brachte ich diese Stimme zum Verstummen und stopfte sie weit weg, in eine kleine Kiste der Verbannung. Gerade wollte ich gar nicht darüber nachdenken, was danach kam. Ich war einfach glücklich, hier zu sein und mich auf das Finale vorzubereiten. An mehr konnte- und wollte- ich im Moment gar nicht denken.
"One last time..." grölte Michi mehr Schlecht als Recht am nächsten Morgen Arianna Grandes gleichnamigen Song, als ich Olympio mit einer Abschwitzdecke und Transportgamaschen ausgestattet hatte und nun gerade ein letztes Mal den großen Sattelschrank in den überdimensionalen LKW lud, auf dessen Längsseite zwei Bilder von mir abgebildet waren. Eines von Danci und mir aus München und dann noch ich mit Olympio, nach der Kür in Ankum. Darunter prangte das Logo der Show und in golden glänzenden Lettern stand groß Valerie Winterhagen, Team Georgie auf dem Truck. "Michi, bitte, ich bin gerade echt nicht in der Stimmung zum Singen!" murrte ich leise und kaute angespannt auf meiner Unterlippe herum. "Ach Valerie, du brausch dir doch koine Sorgen machn, du und dein Herzbube, ihr werdet auch noch in Zukunft zusamma bleiben!" er zwinkerte mir vielsagend zu, und ich zog überrascht die Augenbraue nach oben, da ich mir nicht sicher war, ob er nun Olympio oder London als meinen Herzbuben betrachtete."Hmm.. das kann schon sein!" brummte ich und stapfte zurück zu den Stallungen um meinen Hengst aus seiner Box zu holen und zu verladen. Für ein letztes Mal. "Schatzi..." rief ich ihn leise, als ich seine Boxentür aufschob und erntete ein verhaltenes Schnauben, als ich ihm sein Halfter überzog und ihn von seinem geliebten Heu wegzog. "Du kannst gleich so viel Heu fresse wie du willst!" raunte ich ihm leise zu und führte ihn mit langen Schritten die Verladerampe hinauf, als ein Hupen mich zusammenzucken ließ.
Ein schwarzer BMW X6 hatte sich hinter dem Truck positioniert und erhellte mit seinen leuchtenden Scheinwerfern das Morgengrauen, das mit einem tiefen Nebel noch über uns hing. Schließlich war es gerade erst sechs Uhr und normaler Weise hätte ich mich noch in meinem Bett herumgedreht und genüsslich weiter geschlafen. Doch heute war alles anders. "Val! Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich wir dich alleine nach Essen fahren lassen!" quietschte Charly und sprintete auf mich zu, um mit einem riesigen Satz in meinen Armen zu landen. "Langsam, langsam!" lachte ich überrascht und ließ sie vorsichtig wieder los, um ihr über die Schulter zu blicken. Dort hatten meine Mutter, mein Vater und Glenda, meine ehemalige Trainerin, gerade das Auto verlassen und kamen lächelnd auf mich zugelaufen. "Hallo Schätzchen, ich hoffe unsere Überraschung ist uns gelungen!" mein Dad grinste über beide Ohren und drückte mich fest an sich und ich atmete den altvertrauten Geruch meiner Eltern ein, der mich so an mein Zuhause in Bayern erinnerte. "Ich bin begeistert!" flüsterte ich leise und löste mich langsam von meinem Vater, um mich meiner Mutter und Glenda zuzuwenden, während mein Dad sich bestens mit Michi unterhielt. "Valerie, ich hoffe, du hast gut trainiert!" mit einem strengen Blick und ihrer typischen Reibeisenstimme hätte Glenda mich in jedem Fall mal wieder eingeschüchtert, hätte ich nicht das leichte Lächeln auf ihren Lippen gesehen, das mir verriet, dass sie mich nur auf den Arm nehmen wollte. "Mensch Glenda, das ist ja super, dass du mich daran noch erinnerst, das hätte ich in den letzten Tagen beinahe vergessen!" lachte ich und band meinen Hengst endlich im Truck an, der bereits unruhig mit den Hufen gescharrt hatte. Gerade hatte ich Olympio ein letztes Mal über den langen Schopf gestrichen und die Haare zurechtgerückt, ließ mich ein weiteres Motorbrummen aufhorchen.
Direkt neben dem X6 meiner Eltern parkte nun ein weißer SQ5 und erhellte mit seinen blau blitzenden Xenon- Scheinwerfern den immer heller werdenen Morgen. "Morgähn, Valerie, ich bin ja so froh, dass ich es heute morgen aus dem Bett geschafft habe! Da hättest du doch lieber bei mir übernachten sollen, dann hätte ich bestimmt besser geschlafen!" Londons Stimme troff nur so von schlitzohrigem Charme, als er lässig aus seinem Wagen stieg und in seiner schwarzen Reithose und dem weißen T- Shirt einfach nur Hammer aussah.
"Valerie, möchtest du mir bitte sagen, wer dieser werte Herr ist?" die scharfe Stimme meines Dads ließ das liebevolle Lächeln auf meinen Lippen gefrieren und mich erschreckt zusammenfahren. Shit! Da war ja was! Ich hatte es meinen Eltern ja noch gar nicht gebeichtet, dass ich seit neuestem immer mit meinem Freund unterwegs war. Doch nun gab es nur zwei Lösungen, diese unangenehme Situation zu beenden und blitzschnell entschied ich mich für die Flucht. "Sorry Dad, ich muss los! Michi, wir fahren!" rief ich und rannte von der Laderampe zu der geöffneten Beifahrertür. Michi hatte sofort erkannt, was da vor sich ging und hatte bereits den Motor angeschalten und wartete nur noch auf Charly, die die Rampe bereits hochstemmte und die Klappen schloss. Keine zwei Sekunden später drückte mein Pferdepfleger das Gaspedal los und fuhr mit quietschenden Reifen in Richtung der Messehallen.
In Richtung Finale.
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