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Sofort nachdem ich ihm zugestimmt habe hat Will sich über unser Notfalltelefon mit dem Sender in Verbindung gesetzt und keine 10 Minuten später steht ein schwarzer Van vor der Villa der mich abholt. Erleichtert erkenne ich Luke hinter dem Steuer und er sieht mich ebenso schockiert an wie Will es vor ein paar Minuten getan hat. "Ich wusste ja, dass bei Trash-TV auch mal Augen ausgekratzt werden, aber ich wusste nicht, dass das wörtlich genommen wird", sagt er ganz trocken als Begrüßung und ich kann nicht anders als los zu lachen.

Der Schmerz hat sich jetzt von einem ziehenden Brennen in ein dumpfes Pochen verwandelt und lediglich wenn ich das Auge öffne, habe ich das Gefühl als würden tausende von kleiner Nadeln auf meine Pupille einstechen und die dünne Netzhaut zerkratzen. "Wer hätte gedacht, dass hier nicht nur mit Worten gekämpft wird. Eben auch mit spitzen Schminkutensilien", seufze ich dann Schultern zuckend und stelle erleichtert fest, dass Luke den Wagen sofort startet. "Wie bitte?", fragt er sofort scharf und ich betrachte ihn mit meinem gesunden Auge, wie er weit die Augen aufreißt.

"Ich dachte das wäre ein einfacher Unfall gewesen", sagt er dann und in seiner Stimme schwingt der Unglauben mit. "Naja, wenn du unter einfachem Unfall das bewusste Verrücken meines Arms meinst, während ich meinen Lidstrich ziehe nur weil jemandem mein Make up nicht gefällt, dann war es bestimmt das - ein einfacher Unfall", schnaube ich dann und die Wut gegenüber Valentin lodert wieder auf. Ich fühle mich gedemütigt und gleichzeitig so machtlos, wie es noch nie der Fall war.

"Magnus, das werde ich umgehend melden sobald wir beim Krankenhaus ankommen", sagt Luke jetzt ernst wendet sich mir kurz zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert. Irgendwie ist es beruhigend. Sein gesamtes Verhalten ist auf Kamera aufgenommen und auch die Mikros waren Zeugen seiner abfälligen Worte. Aber zwischen all dem Hass kommt jetzt ein anderer Gedanke auf. Alec. Sollte jetzt etwas an meinem Auge gefunden werden, so kann ich das ganze hier ebenfalls direkt abbrechen und die Gedanken hageln gerade wie Eiskörner auf mich ein.

Soll ich jetzt etwas die Chance verlieren ihn kennen zu lernen, nur weil irgend so ein Vollidiot seine Aggressionen nicht im Griff hat? Wieder flackert die Wut auf, gepaart mit einem Hauch Wehmut. Zum Glück kommen wir genau in diesem Moment im Krankenhaus an und der Trubel reißt mich aus dem Gedankenstrudel. Gemeinsam betreten wir die Notaufnahme und eine Krankenschwester stürmt direkt auf uns zu. "Was ist denn mit ihnen passiert?", höre ich sofort ihre warme Stimme mit deutlichem Akzent und bin erleichtert darüber, dass Luke die groben Informationen weiter gibt.

In der Notaufnahme hier ist es wesentlich entspannter als in New York, was mich ebenfalls beruhigt, trotzdem sehe ich der medizinischen Versorgung in anderen Ländern immer kritisch gegenüber, nachdem ich in meinem Heimatland Indonesien beinahe einem simplen Krankenhauserreger erlegen wäre, nur weil die Hygienestandarts dort ganz andere sind. Bei dem Gedanken daran, dass gleich jemand mein Auge untersuchen wird und etwas ähnliches passieren könnte werde ich zusätzlich blass.

"Magnus, ist alles in Ordnung?", fragt Luke auch prompt und ich schaffe es gerade noch mit dem Kopf zu schütteln, bevor das ungute Gefühl mich übermannt und mit sich in einen dunklen Strudel zieht, bis ich nur noch von schwärze umgeben bin.

Es ist dunkel. Wieso ist es so dunkel? Die Erinnerungen von Valentine und meiner Verletzung schießen wie Pfeile auf mich ein und ich erstarre. Bin ich blind? Eine ungeahnte Panik überkommt mich und ich drehe hektisch meinen Kopf, doch die Dunkelheit lichtet sich nicht. Ich wollte doch noch so viel sehen. Wann habe ich das letzte mal einen Sonnenuntergang betrachtet? Gut, das war erst letzte Woche auf meinem Date, aber die Angst nie wieder einen Sonnenuntergang zu sehen ist erschreckend.

Sie ist wie eine Woge eisiger Kälte, die sich schleichend über jeden Millimeter meiner sonnengebräunten Haut legt. Schockiert versuche ich noch einmal die Augen aufzureißen und zucke sofort zusammen, denn das grelle Krankenhauslicht blendet mich, zumindest mein gesundes Auge. Trotzdem durchströmt mich eine ungekannte Erleichterung. Ich bin nicht blind. Zumindest nicht ganz. Zögerlich sehe ich mich um. Die Liege auf der ich mich befinde ist in einem dunklen blau gehalten und die Wände strahlen in hellem weiß als Kontrast.

Nervös hebe ich meine Hand und betaste mein Gesicht. Irgendetwas bedeckt mein Auge und ich hoffe, dass das der Grund dafür ist, dass ich es im Moment nicht öffnen kann. Trotzdem bleibt ein Rest Panik und ich wünsche mir meine besten Freundinnen herbei, die ich jetzt schon viel zu lange nicht gesehen habe. Der Geruch von Desinfektionsmittel wabert durch den Raum und beißt mir in der Nase, gleichzeitig beruhigt er mich jedoch auch ungemein.

Trotzdem tauchen tausende von Fragen auf und die wohl wichtigste lautet: Wieso liege ich plötzlich hier und kann mich nicht daran erinnern. Aber zu dem kommt noch: wie schlimm steht es wirklich um mein Auge, das jedoch jetzt wesentlich weniger brennt, zurück bleibt nur ein leichtes ziehen, wie zu kräftiger Wind, der ungeschützt auf das empfindliche Organ trifft. Kurz schweifen meine Gedanken auch zu Alec und die zwei kleinen Schmetterlinge in meinem Bauch schauen betrübt aus einer Ecke, in der sie sich wohl vor schreck versteckt haben hervor.

Ihre Flügel hängen traurig herunter und es scheint fast, als wäre ihre Farbe verblichen, denn was vorher knall bunt wie ein Regenbogen war, scheint jetzt nur noch sanftes Pastell zu sein. Auch Ihrer ganzen Bewegung fehlt die Energie, als hätte jemand den Stecker gezogen. Wahrscheinlich ist ihnen nur zu genau bewusst, dass Alec gerade auf einem Einzeldate mit Andrew ist und ich sowieso eventuell nicht mehr zur Sendung zurück kommen darf. Alleine der Gedanke daran enttäuscht mich zu tiefst und ich fange wieder an auf meiner Lippe herum zu kauen.

Nur wenige Minuten, aber tausend Gedankengänge später, taucht eine Ärztin in der Türe auf und sieht mich erfreut an. "Sie sind wach", deutlich höre ich ihren Akzent heraus, bin aber froh, dass sie mich nicht in einer Sprache zu textet, von der ich wahrscheinlich kein Wort verstehen würde. "Wie geht es Ihnen?", fragt sie sofort und ich zucke leicht die Schultern. "Ich denke gut. Aber wie sieht es mit meinem Auge aus?" Kurz schaut sie auf eine Akte in ihren Händen, bevor sie mich an lächelt. Sofort durchströmt eine ungeahnte Erleichterung mich. Es kann also nicht so schlimm sein.

"Mr Bane, ihr Auge wurde nur leicht verletzt. Sie hatten Glück im Unglück, das ganze hätte auch ins Auge gehen können", die Tatsache, dass sie keine Miene verzieht bei ihrem Satz lässt darauf schließen, das sie die versteckte Ironie wohl nicht bemerkt hat, aber bei mir reißen alle Dämme und ich fange hemmungslos an zu lachen. Wahrscheinlich hält sie mich jetzt für verrückt, aber Lachen ist bekanntlich die beste Medizin und so krieg ich mich beinah nicht mehr ein, denn das ganze ist von außen betrachtet mehr als komisch. Scheinbar habe ich wirklich einen Clown gefrühstückt.

"Mr Bane, sie müssen in den nächsten drei Tagen täglich zu einer Kontrolle vorbei kommen und ihr Auge in der Zwischenzeit gut schonen. Lassen Sie das Pflaster am besten drauf. Vermeiden Sie Wasser an der Stelle und gehen sie weder im Pool, noch im Meer schwimmen, schon kleinstes Spritzwasser kann den Zustand rapide verschlechtern", fängt sie an alle Informationen zusammen zu fassen und drückt mir drei Packungen in die Hand. Neugierig starre ich darauf. In einer befinden sich weitere Augenpflaster.

Schnell deutet sie auf eine der anderen Packungen. Das sind Augentropfen. Geben sie jeden Tag drei Mal täglich zwei Tropfen in ihr Auge. Zusätzlich sollten sie diese Salbe", dabei zeigt sie auf die letzte Packung "verwenden und danach ein neues Pflaster auf die Stelle kleben." Ein kleiner Seufzer entweicht mir, denn das ganze klingt jetzt schon nicht besonders angenehm. Ich war noch nie jemand der sich gut etwas ins Auge tropfen konnte und das eine mal als ich Halloween Kontaktlinsen tragen wollte endete in einem Desaster. Am Ende brauchte ich meine roten Kontaktlinsen nicht mehr, denn das weiße meiner Augen hatte von selbst diese Farbe angenommen.

Die Skepsis steht mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn die kleine Hand der Ärztin legt sich auf meinen Oberarm und sie tätchelt die Stelle leicht. "Sie kriegen das schon hin. Ich erwarte sie morgen um 10 Uhr zur Kontrolle", mit diesen Worten verabschiedet sie mich und ich starre wieder an die weiße Decke. Was das ganze jetzt für meine Teilnahme bedeutet weiß ich nach wie vor nicht, aber die Einschätzung zu meinem Auge beruhigt wenigstens diese Gedanken in mir.

Erneut geht die Türe auf und Luke steht im Türrahmen. "Na? Bereit ins Hotel zu fahren?", fragt er sofort und reflexartig hebt sich meine Augenbraue, jedoch genau die von meinem verletzten Auge, was das Pflaster unangenehm auf meiner Haut kleben lässt. Zischend atme ich ein und halte meine Hand auf die Stelle, damit der Druck den Schmerz etwas lindert. Das ganze nervt mich jetzt schon ohne Ende und ich kann es kaum erwarten dieses Ding wieder los zu werden. "Hotel?", frage ich also stattdessen und Luke grinst mich an.

"Der Sender findet es spannender, wenn deine Rückkehr unklar ist", erklärt er dann und mein Herz fängt an nervös zu pulsieren. "Ist meine Rückkehr denn unklar?", frage ich sofort und spüre wie meine Stimme leicht zittert. "Naja, bis ein OK vom Arzt kommt schon." Und mit diesen Worten empfängt mich eine Ungewissheit, die sich unangenehm über meine Knochen legt. Also bleibt mir jetzt nur noch abwarten.

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