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Sternchen nicht vergessen ♥️
"Stöhn nicht so laut Lou." 4420 Words.
➵ Louis' POV
"Nimmst du jetzt ernsthaft einfach die erste mit die du siehst? Ohne überhaupt zu schauen was die kann und wie die so ist?", fragte ich entrüstet und blieb stehen, was Noél dazu brachte laut zu seufzen und ebenfalls stehen zu bleiben.
Ich war mir sicher, dass die ganzen anderen Kunden in dem Geschäft für Haushaltswaren ebenfalls schon genervt von uns waren, weil wir gefühlt die ganze Zeit nur diskutierten.
"Louis, die soll nur Kaffee kochen, nicht die Welt retten", er verdrehte seine Augen und nahm mir den Karton mit der Kaffeemaschine ab, um ihn in den Einkaufswagen zu stellen.
"Nur Kaffee kochen? Tu nicht so als würdest du da selbst nicht pinkelig sein, du bist mir oft genug auf den Sack gegangen, wenn dein Kaffee dir nicht geschmeckt hat. Damit wirst du bestimmt nicht zufrieden sein, die sieht schon scheiße aus." Ich hielt den Wagen fest und hinderte ihn so daran, diesen wegzuschieben, während ich mit dem anderem Arm nach der Kaffeemaschine griff.
Ich hörte ein genervtes Seufzen neben mir und drehte mich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, nur um dann in das grummelig dreinblickende Gesicht eines Mitarbeiters zu sehen. Überfreundlich lächelte ich ihn an, als er nur mit dem Kopf schüttelte und mich dabei beobachtete, wie ich den Karton zurückstellte und mir stattdessen die anderen Maschinen genau ansah.
Als ich mich nach ein paar Minuten mit jeder kurz auseinander gesetzt hatte, entschied ich mich für eine andere und stellte diese dann vorsichtig in den Einkaufswagen. Noél steckte sein Handy wieder in die Hosentasche und beäugte die Kaffeemaschine.
"Was genau ist an dieser jetzt anders?", fragte er und hob dabei eine Augenbraue an.
"Die kann viel mehr und kostet nur ein wenig mehr als die andere, außerdem hat sie 5 Sterne und-"
"Okay, reicht schon mehr muss ich nicht wissen", unterbrach er mich und schob den Wagen vor sich her, als er mit schnellen Schritten die Abteilung verließ und auf das Besteck zu steuerte.
Ich folgte ihm und schenkte dem Mitarbeiter im Vorbeigehen nochmal ein Lächeln, dieses mal ein entschuldigendes, weil ich mich nun doch etwas schlecht fühlte ihn scheinbar so genervt zu haben, auch wenn ich nicht genau wusste womit. Er konnte schließlich auch einfach nicht zuhören, war ja nicht so als ob wir ihn um Hilfe gebeten haben oder so.
Noél betrachtete stirnrunzelnd seine Einkaufsliste, die eigentlich nur aus allen möglichen Dingen für den Haushalt bestand. In den letzten zwei Tagen haben wir schon fleißig verschiedene Dinge besorgt und nun fehlte tatsächlich nicht mehr viel. Da er eine fast vollständig möblierte Wohnung ergattern konnte, die sogar sofort bezugsfertig war, musste er sich was Möbel anging nur um ein neues Sofa kümmern und das hatte er ebenfalls schon bestellt.
Ich beobachtete ihn dabei wie er sich einige der Bestecksets ansah und verlor mich für einen Moment in meinen Gedanken, die wie so häufig zu Harry schweiften. Was er wohl gerade tat und wie es ihm ging? Eine Hand die vor meinem Gesicht herumfuchtelte riss mich aus meinen Gedanken.
"Halloooo? Ah, willkommen zurück, hat ja auch lange genug gedauert. Brauche ich wirklich so unnötig viele Messer?" Ich packte ihn am Handgelenk, damit er aufhörte mit den Messern in seiner Hand herum zu wedeln und funkelte ihn böse an.
"Hast du gerade mit.." Ich betrachtete das Set in meiner Hand und hob meinen Blick dann wieder. "Sechs Messern vor meinem Gesicht rumgefuchtelt?" Er zog seinen Arm aus meinem Griff und rollte erneut mit seinen Augen.
"Hab dich nicht so, die sind verpackt", gab er stumpf zurück und hob auffordernd seine Augenbrauen. "Also?" Ich seufzte leise und zuckte dann mit den Schultern.
"Da du keine Spülmaschine hast, würde ich sagen ja?" Er zuckte ebenfalls mit seinen Schultern und warf die Messer dann ziemlich unvorsichtig in den Wagen. Ich schüttelte leicht meinen Kopf, ehe ich ihm zu den Tellern folgte.
Wir verbrachten erneut den ganzen Nachmittag damit jegliche Besorgungen zu machen und waren gerade dabei alle Sachen in die kleine Küche zu verräumen, als ein lauter Knall mich zusammenzucken ließ. Mein Blick wanderte zu der Tasse, die nun nur noch als Scherbenhaufen am Boden lag, als Noél leise fluchte und den Kopf schüttelte, ehe er sich auf den Boden hockte.
"Na da kannst du ja gleich dein neues Kerblech auspro-... oder du machst es einfach mit der Hand alles klar." Noch während ich diesen Satz aussprach, verließ ein lautes 'Au' seinen Mund und er starrte seine Hand an, die gerade dabei war die Scherben und den Boden vollzutropfen. Ich schlug mir die Hand vor die Stirn und schüttelte den Kopf. "Du bist schon echt dumm manchmal", stellte ich fest und bekam dafür einen vernichtenden Blick zu geworfen, während er allerdings keine Anstalten machte sich um seine Hand zu kümmern. "Du tropfst alles voll, wolltest du jetzt einfach da sitzen bleiben und warten... oder?"
"Halt die Klappe", gab er nur zurück, erhob sich dann aber doch und hielt seine Hand über das Waschbecken. Etwas belustigt beobachtete ich ihn dabei, wie er einfach da stand und seine Stirn runzelte, ehe ich mich in das Badezimmer begab und ihm den kleinen Verbandskasten holte.
"Hier, weil ich zitiere: 'Der ist ja so unnötig'", ahmte ich ihn nach, da ich ihn erst vor wenigen Stunden davon überzeugen musste, dass man sowas durchaus brauchte, während ich den Verbandskasten neben dem Waschbecken ablegte und mich wieder dem Verräumen der Küchenschränke widmete. Er brummte genervt und warf mit einem Geschirrtuch nach mir, was ich allerdings nur gekonnt auffing und es ihm stattdessen ins Gesicht warf.
Als ich ihm nicht mehr dabei zusehen konnte, wie absolut unfähig er dabei war seine Hand zu verbinden, übernahm ich diese Aufgabe und desinfizierte den Schnitt vorher noch. Dabei merkte ich genau, wie er versuchte ein Wimmern zu unterdrücken.
"Sorry, habs gleich", erklärte ich leise und sah ihn einen Moment entschuldigend an, während er sich auf die Lippe biss. Als ich seine Hand wieder los ließ sah er sich einen Moment die beiden Verbände an, die seinen Arm nun zierten. "Hast du den Verband eigentlich auch mal ausgewechselt?", fragte ich und deutete auf den Verband den er seit über einer Woche am Arm trug und der nicht so aussah, als wäre er in der Zwischenzeit gewechselt worden. Er schüttelte mit dem Kopf und spielte mit dem Ende des Verbands rum, welches schon völlig ausgefranst war. Ich seufzte laut griff wieder nach seinem Handgelenk um seinen Arm ein wenig zu drehen und mir den Verband genauer anzusehen. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das hättest tun sollen."
"Vielleicht", gab er zurück und zuckte mit den Schultern. Ich ließ seinen Arm wieder los und verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Ja vielleicht, aber wenn du eine Entzündung riskieren willst, die dir schlimmstenfalls ne Blutvergiftung verpasst und dich deinen Arm kostet..." Seine Augen wurden groß und er schluckte laut, als er fast schon panisch anfing den Verband von seinem Arm zu lösen. Da ich mit der Reaktion schon gerechnet hatte und diese eventuell auch provozieren wollte, machte ich mich schon bereit, auch diese Wunde versorgen zu müssen.
"Ich kann das doch nicht", gab er leise von sich und seufzte.
"Ich aber", erwiderte ich knapp und drehte seinen Arm erneut ein wenig, um die Innenseite seines Oberarms, dort wo die Wunde war, besser sehen zu können. "Hm, dein Glück, sieht nicht entzündet aus, aber hätte es echt sein können so wie der Verband aussah und so locker wie er schon saß", erklärte ich ihm, woraufhin er einen tiefen Atemzug nahm.
"Danke Louis", flüsterte er.
Nachdem ich auch diese Wunde, die allerdings ein wenig größer und sogar genäht worden war, versorgt hatte, brachte ich ihn noch dazu seinen Arm ein wenig hochzuhalten, damit nicht so viel Blut in die Hand laufen konnte.
Als schließlich alles soweit verräumt war, machte ich mich wieder auf den Weg zu Emil, weil ich noch immer nicht wieder in die WG wollte.
Auf dem Weg dorthin versank ich wieder in Gedanken und seufzte leise, weil der Weg so viel weiter war und ich morgen früh wieder deutlich eher los müsste um pünktlich auf der Arbeit zu sein.
Ich war Liam die ganze Woche gut aus dem Weg gegangen und konnte auch Niall erklären, dass ich einfach gerade wirklich keine Lust hatte mich mit irgendwem auseinander zusetzen. Er war traurig gewesen und vielleicht sogar enttäuscht, dass ich mit ihm nicht darüber sprechen wollte, aber er konnte es trotzdem nachvollziehen, was mir viel bedeutete.
Ich hatte bislang auch keinem Treffen zugestimmt, was meine Freunde vorgeschlagen hatten und verkroch mich einfach in dem Gästezimmer, wenn ich nicht gerade Noél dabei half, alles für seine Wohnung zu besorgen, oder auf der Arbeit war.
Mittlerweile hatten sie wohl alle irgendwie mitbekommen, dass irgendwas los war und da ich mir denken konnte, was sie mir für mitleidige Blicke geben würden, hatte ich gleich noch weniger Lust mich mit irgendwem zu treffen. Es war schon erstaunlich genug, dass Noél seine Klappe hielt und keinen einzigen Kommentar von sich gab, wofür ich ihm insgeheim aber sehr dankbar war, denn sogar Emil schaffte es manchmal nicht sich zurückzuhalten. Auch wenn es natürlich nur gut gemeint von ihm war, aber mich ständig erklären zu müssen, wie ich mich gerade fühle, war anstrengend. Aber Emil brauchte das einfach um zu wissen, wie er mit mir umgehen sollte.
Trotzdem war ich immer noch mehr als froh, dass ich bei ihm unterkommen konnte und das er da war. Sogar nachts, wenn ich mal wieder nicht schlafen konnte, ließ er mich in sein Bett krabbeln, obwohl er das eigentlich absolut nicht abhaben kann, wenn jemand anderes in seinem Bett liegt.
Ich merkte wie ich ein wenig emotional wurde und schniefte leise, während ich mich gottseidank der Haltestelle näherte und schließlich das Tor öffnete, wo mich Silas schon winkend in der Einfahrt begrüßte. Er sah mich eindringlich an, während er mit schnellen Schritten auf mich zu gelaufen kam. Ich fuhr mir mit meiner Hand durchs Gesicht und schluckte den Kloß, der sich langsam aber sicher in meinem Hals bildete herunter.
"Da bist du ja, dachte du kommst gar nicht mehr wieder. Komm, Schwimmwettbewerb", er griff nach meinem Arm und zog mich hinter sich her. Ich stöhnte genervt und versuchte mich aus seinem Griff zu lösen, was mir allerdings nicht gelang.
"Ich bin müde Silas", erklärte ich ihm, in der Hoffnung er würde dann von mir ablassen und mich in Ruhe lassen, aber natürlich war das nicht sein Plan. Mir war schon aufgefallen, wie oft er in meiner Nähe rumschwirrte und versuchte irgendwas mit mir zu unternehmen, vor allem wenn Emil gerade keine Zeit hatte.
"Du würdest jetzt sowieso nicht schlafen gehen und das schwimmen macht dich noch müder, dann kannst du besser schlafen, also los." Da sowieso keine Argumentation etwas gebracht hätte gab ich also auf und fand mich wenig später in dem Pool wieder.
Natürlich hatte ich auch jetzt keine Chance gegen ihn und verlor in jeder Runde. Aber tatsächlich hatte er recht gehabt, was das besser schlafen anging. Ich fiel todmüde ins Bett und schaffte es fast sofort einzuschlafen, weil mir jegliche Kraft fehlte mich noch meinen Gedanken zu widmen. So musste ich auch nicht mitten in der Nacht zu Emil rüber gehen und wachte am Morgen etwas ausgeruhter auf, als die Tage zuvor. Als mir dann aber wieder auffiel, wem ich höchstwahrscheinlich auf der Arbeit begegnen würde, zog sich sowohl mein Herz als auch mein Magen schmerzhaft zusammen. Ich musste wie so häufig irgendwie den Kloß in meinem Hals runterschlucken, während ich einfach froh war, dass so früh am Morgen kaum jemand in der Bahn saß.
Ich beobachtete den Physiotherapeuten gerade dabei, wie er ein paar Übungen mit Olivia ausführte, während mir zum ersten Mal so richtig klar wurde, dass sie tatsächlich wieder wach war. Also so richtig. Und sie hatte kaum irgendwelche nachweislichen Schäden davon getragen, hingegen aller Erwartungen der Ärzte. Ihr fehlte zwar komplett die Bewegungsfähigkeit in den Beinen, da sie sie aber noch spürte, war es nicht einmal ausgeschlossen, dass sie sie eventuell wieder erlangen würde.
Abgesehen davon war ihre Genesung bislang wirklich außerordentlich gut verlaufen und ich konnte gar nicht anders als mich darüber zu freuen. Ich wusste, dass jeder hier auf der Station insgeheim eigentlich damit gerechnet hat, dass es ganz anders sein würde, falls sie erwacht und nun waren alle umso erleichterter, dass es für sie doch so gut gelaufen ist. Ich hingegen war sowieso die ganze Zeit über in der ich nun schon hier auf der Station war positiv gewesen, was auch Kim und Marc häufiger ansprachen, denn auch die beiden waren sich in der Zeit zuvor nicht mehr so sicher gewesen, was sie denken und hoffen sollten.
Die beiden waren immer so herzlich und so dankbar jedes Mal wenn wir uns begegneten, was mir nur einen Stich ins Herz versetzte, denn irgendwie hatten Harry und ich auch die beiden betrogen. Ob sie wohl noch immer so positiv von mir denken würde, wenn sie davon wüssten? Wohl eher kaum.
Ich schluckte, als ich merkte wie sich bei meinen Gedanken wieder ein unangenehmes Gefühl in meiner Brust ausbreitete und mein Herz unruhig in dieser schlug. Mein Blick legte sich prüfend auf Olivias Gesicht, denn ich war hier um sie und den Therapeuten zu unterstützen und einzugreifen, falls etwas sein sollte.
Plötzlich bemerkte ich, dass sie ein wenig angespannt wirkte und ich ließ meinen Blick auf den Monitor wandern, der allerdings nichts auffälliges anzeigte. Dann fiel mein Blick auf ihr rechtes Bein, welches gerade nicht von dem Therapeuten beansprucht wurde. Ihr Krankenhauskleid war auf dieser Seite hochgerutscht und Olivia hatte es scheinbar auch gemerkt und fühlte sich dabei nicht wohl. Ich schob das Kleid vorsichtig wieder an Ort und Stelle und spürte kurz darauf ihre Hand die sich zaghaft auf meine legte und sanft zudrückte. Mein Blick huschte zu ihrem Gesicht, sie lächelte mich an, doch aus dem Lächeln wurde plötzlich ein leicht gequälter Ausdruck und ich warf einen Blick auf den Therapeuten, der aber so vertieft in seine Arbeit war, dass er nichts mitbekam. Der Monitor zeigte nun auch einen steigenden Puls an, was ebenfalls darauf hindeutete, dass sie gerade scheinbar Schmerzen hatte.
"Sollte die Übung ihr Schmerzen bereiten?", fragte ich mit Nachdruck, jedoch keineswegs vorwurfsvoll. Ich wusste, dass einige Übungen wehtaten, was aber sein musste. Doch bislang hatte ich nicht mitbekommen, dass Olivia schon bei dem Stadium angekommen war, wo ihre Nerven so gereizt wurden, dass es schmerzte. Der Therapeut hob alarmiert seinen Kopf und schüttelte diesen dann.
"Nein, sollte es eigentlich nicht. Dann höre ich jetzt hier auf Frau Styles. Wir versuchen es morgen erneut, ja?" Sein Blick wirkte nachdenklich und mir war klar, dass das kein gutes Zeichen war.
Der Therapeut sammelte seine Sachen zusammen und verabschiedete sich schließlich. Olivia hatte noch immer ihre Hand auf meiner platziert und auch sie schien gemerkt zu haben, dass ihr Therapeut nicht zufrieden war, denn in ihrem Blick lag Angst und auch Irritation. Ich legte meine andere Hand auf ihre und drückte diese, während ich sie sanft anlächelte. Ihre Augen huschten nervös über mein Gesicht und ihre Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen.
"Hey, schon gut. Keine Panik Olivia. Geben Sie ihrem Körper ein wenig mehr Zeit, ja? Er macht gerade so viel, es ist nicht schlimm, wenn etwas nicht gleich funktioniert. Schauen Sie mal, sie haben doch bemerkt, dass das Kleid hochgerutscht ist, oder?", fragte ich sie und konnte daraufhin ein zaghaftes Nicken als Antwort wahrnehmen. "Das hätten sie vor ein paar Tagen noch nicht, aber die Nerven in ihren Beinen werden schon wieder empfindlicher, das ist gut."
Ich schenkte ihr erneut ein Lächeln und sie nickte, dieses Mal deutlicher. Ihre Stirn entspannte sich wieder und sie drückte meine Hand einen Moment lang, als die Tür plötzlich aufging und uns beide dazu brachte den Kopf in die Richtung zu drehen. Ich konnte nicht verhindern, dass mein Körper sich ein wenig anspannte und entfernte meine Hände schließlich, ehe ich nach dem Tablet griff und mich kurz räusperte.
Harry blieb einen Augenblick lang in der Tür stehen, ehe er diese hinter sich schloß und seine Arme vor der Brust verschränkte.
"Hallo Harry", gab ich freundlich von mir und wandte meinen Blick dann wieder zu Olivia. Harry begrüßte mich ebenfalls leise, ehe er sich auf die andere Seite des Bettes stellte.
Ich atmete tief durch und setzte dann erneut ein Lächeln auf, welches dieses Mal allerdings weniger echt war, aber das würde man mir sicherlich nicht anmerken. Gerade in den letzten Tagen hatte ich das falsche Lächeln und die Freundlichkeit in meiner Stimme noch ein wenig mehr perfektioniert, sodass zumindest Olivia nichts mitbekommen sollte. Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubte hier so in einem Raum mit Harry zu stehen und ich am liebsten heulen wollte, wenn ich sah, wie er nach ihrer Hand griff und sanft über diese strich. Zum Glück gab es nicht oft solche Momente, dennoch tat jeder einzelne unfassbar weh. Er war mir so nah und doch so fern, damit konnte mein Herz nicht umgehen, ohne unangenehm zu ziehen.
"Wenn etwas sein sollte, Anita wird gleich da sein. Oh und die Atemtherapie findet gleich um halb 3 statt. Morgen möchte Dr. Schulz die Therapie gerne draußen im Park machen, er ist der Meinung die Luft wäre nirgendwo so frisch und gut, wie in einem Park voller Bäume. Da könnte dann eventuell auch Aurelia kommen. Ich weiß leider noch nicht wann, aber Anita sollte es heute im Laufe des Tages erfahren, sie sagt dann Bescheid", erklärte ich und spürte erneut Olivias Hand die nach meiner freien griff und diese leicht drückte. Ihre Augen fingen an zu strahlen und ich schenkte ihr ein, wenn auch kurzes, aufrichtiges Lächeln, ehe ich mich vom Bett entfernte, ohne Harry noch einmal anzusehen und mich zur Tür begab.
Bevor ich allerdings aus dem Zimmer verschwinden konnte, stoppte mich Harrys Stimme, die in mein Ohr durchdrang und eine Gänsehaut auf meinem Körper auslöste.
"Danke Louis." Ich drehte mich noch einmal um, schaffte es aber nur für den Bruchteil einer Sekunde ihn wirklich anzusehen.
"Kein Problem, das ist mein Job", gab ich zurück und verschwand schließlich aus dem Zimmer.
*****
"Lou, was machst du da?", fragte Emil mich, nun schon zum zweiten Mal, während ich mit der Bierflasche in meiner Hand spielte.
Eigentlich hatte ich heute definitiv zu viel Bier gehabt, denn Noél und ich hatten schon angefangen zu trinken, bevor wir in der Bar waren. Ursprünglich nur um zu feiern, dass wir es tatsächlich geschafft hatten seine Wohnung soweit fertig zu kriegen, ohne uns dabei zu töten. Aber dann hat es mir zu gut gefallen, mich nicht mehr so leer und traurig zu fühlen, weswegen ich eventuell nicht mehr aufhören wollte zu trinken.
Jetzt saß ich also in der Bar und versuchte Emils eindringlichen Blick auszuweichen, während Noél auf dem Klo verschwunden war und vor ein paar Sekunden Harry ziemlich überstürzt die Bar verlassen hatte. Ich bereute schon jetzt, dass ich mich an diesem Freitag dazu entschlossen hatte in die Bar zu gehen, nachdem ich sowieso schon den ganzen Tag emotional aufgewühlt war. Irgendwas hatte der Vormittag mit Olivia und später auch die Begegnung mit Harry ausgelöst, was dazu führte, dass ich dachte nur mit Alkohol klar zu kommen, ohne ein einziges Wrack zu sein.
"Nichts, was soll ich schon machen?", fragte ich, vielleicht ein wenig zu genervt.
Aber ich hatte schon lange die Kontrolle über meine Gefühle und meine Taten verloren, nachdem ich eindeutig zu viel Alkohol in mein Blutkreislauf hab fließen lassen. Zumindest versuchte ich mir das einzureden, um für mich selber eine Erklärung zu haben, wieso ich meinte mich an Noél ranzumachen. Eine Erklärung, die definitiv nichts damit zu tun hatte, dass ich Harrys Blick ganz deutlich auf mir gespürt habe und genau wusste, dass er zusieht.
"Mit Noél? Du.. das ist nicht gut Lou. Das machst du doch nur weil Harry da ist.. oder? Du willst das doch gar nicht." Er klang tatsächlich ein wenig böse, zumindest fühlte es sich so an und ich merkte, wie sich meine Hände zu Fäusten ballten.
Was dachte er, könnte er mir sagen? Ich schnaufte und lachte sarkastisch auf, ehe ich die Bierflasche leerte und dann Emils grüne Augen versuchte zu fixieren. Er hatte genau den Punkt getroffen, für den ich eine andere Erklärung versuchte zu finden und das machte mich wütender, als es sollte und ihn damit zur Zielscheibe, dieser Wut.
"Was weißt du schon? Als ob du so viel Ahnung hast vom Leben?!" Emils Gesicht verzog sich ein wenig bei meinen Worten und ich konnte ihm, auch so betrunken wie ich war, noch ansehen, dass ich ihn damit verletzt hatte.
Doch da war in dem Moment kein Platz in mir um mich deswegen schlecht zu fühlen. Der Alkohol hatte das erreicht was ich wollte, er dämpfte alle Gefühle in mir und brachte mich dazu, nicht viel nachdenken zu können.
In diesem Moment machte Noél sich bemerkbar und blickte verwirrt zwischen uns beiden hin und her. Wie lange stand er da schon? Mein Kopf fing an unangenehm zu pochen und alles in meinem Blickfeld drehte sich plötzlich.
"Kann ich mit zu dir?", fragte ich ihn und er zog fragend seine Augenbrauen zusammen, nickte allerdings schon währenddessen. Ich versuchte aufzustehen, aber weil alles vor meinen Augen verschwamm und mir schwindelig wurde, ließ ich mich wieder auf das Polster fallen und schloss meine Augen für einen Moment.
"Komm", hörte ich Noél sagen und ehe ich mich versah hatte er mich unterm Arm gepackt und auf die Beine gezogen. Ich stöhnte gequält auf und klammerte mich noch mehr an ihn, als sich erneut alles viel zu sehr drehte und ich ein wenig schwankte. Er legte seinen Arm um mich und stützte mich an der Hüfte, während ich meinen Blick senkte und irgendwie versuchte halbwegs normal zu laufen.
Bei der Haltestelle angekommen ließ ich mich auf einer Bank nieder und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich spürte wie Noél sich neben mir platzierte und mich mit der Schulter anstupste.
"Du hast Emil glaub ich ein wenig verletzt gemacht." Ich hob meinen Kopf und blickte ihn verständnislos an. "Das solltest du echt fixen Louis, er sah ziemlich fertig aus nach deinen Worten."
Ich seufzte laut und schüttelte meinen Kopf, bevor ich gerade ansetzen wollte auch ihn in die Schranken zu weisen. Er kam mir allerdings zuvor, in dem er mir leicht aufs Knie klatschte und dann ebenfalls den Kopf schüttelte.
"Hör zu, bevor du dich jetzt aufregst. Ich verstehe, was das sein sollte und was du vermutlich erreichen wolltest und vielleicht auch warum. Aber das ist der falsche Weg, so hast du es für Harry und für dich nicht leichter gemacht. Du wusstest, dass du damit eine Reaktion von ihm bekommst, aber das ist doch keine Reaktion, die du dir wünscht, wenn du wirklich drüber nachdenkst? Ich weiß denken ist gerade eher weniger drin so viel wie du gesoffen hast, aber morgen wird es dir mit Sicherheit auch klar sein. Egal was war, ihn eifersüchtig zu machen, bringt niemandem was, auch dir nicht, oder fühlst du dich jetzt besser?"
"Ist ja auch nicht so als hättest du nicht mitgemacht", gab ich schnippisch von mir und ignorierte dabei alles was er gerade gesagt hatte, obwohl mir auch betrunken klar war, dass er recht hatte. Die Aktion war dumm gewesen und ich fühlte mich jetzt nur beschissener, vor allem wenn ich Harrys verletzten Blick vor mir sehe und dann auch noch Emils. Wie viel konnte man an einem Abend bitte anrichten? Ganz sicher könnte ich das nicht einfach auf den Alkohol schieben, den hatte ich schließlich bewusst getrunken.
"Ja, anfangs war es auch ein wenig amüsant, bis ich gemerkt habe, was du vor hast. Ich bin abgehauen, bevor du zu weit gegangen bist, aber ich wollte dich dabei jetzt auch nicht bloß stellen, also hab ich meine Klappe gehalten. Ich denke du weißt selbst wie dumm das war, das brauchte ich dir in dem Moment nicht sagen. Ich will im übrigen auch echt ungern benutzt werden."
Wie als ob all meine Gefühle und Emotionen alle auf einmal wieder gekommen waren, zuckte ich zusammen und schlug mir erneut die Hände vors Gesicht, als ich ein Schluchzen nicht verhindern konnte. Der Alkohol in mir schien all das noch zu verstärken und mein Kopf dröhnte, während mein Herz sich immer wieder schmerzhaft zusammenzog. Dabei wollte ich mich doch nicht mehr so fühlen, wenigstens eine Weile lang. Letztendlich hatte es aber alles nur verschlimmert, was mir auch hätte klar sein können, wenn ich schonmal dabei bin ehrlich zu mir selbst zu sein. Während ich also stumm vor mich her weinte und irgendwie versuchte mich zu sortieren und wieder klarzukommen, blieb Noél einfach neben mir sitzen und reichte mir ein Taschentuch.
"Tut mir leid..", hauchte ich leise, als ich mich wieder ein wenig gefangen hatte. Er winkte nur ab und stupste mich erneut mit der Schulter an, bevor er mich aufmunternd anlächelte.
"Du hast es schon mal geschafft drüber hin weg zu kommen, dass ein Arschloch dir das Herz gebrochen hat, das wirst du auch nochmal schaffen, da bin ich mir sicher."
Wenig später stütze er mich auf der Treppe, die ich dann doch noch nicht alleine schaffte, obwohl ich mich durchs Weinen schon fast wieder nüchtern fühlte.
"Fuck", gab ich dann erschrocken von mir, während Noél gerade die Tür aufschloss.
"Pscht, ich will die Nachbarn nicht direkt alle verärgern!", zischte er leise, bevor er mich hinter sich in seine Wohnung zog und die Tür hinter mir schloss. "Was ist denn?"
"Du hast noch kein Sofa", stellte ich fest und er hob fragend eine Augenbraue.
"Und?"
"W-wo.. wo soll ich schlafen?" Er fing leise an zu lachen, bevor er kopfschüttelnd seine Schuhe von den Füßen streifte und mir andeutete, dasselbe zu tun.
"In meinem Bett, oder willst du auf dem Boden schlafen? Mach ich ganz sicher nicht."
"Mit dir?", fragte ich unnötigerweise nochmal nach, was ihn erneut zum lachen brachte.
"Nein, neben mir. Du kannst aber auch gerne den Boden nehmen, kein Problem." Ich verdrehte meine Augen und stöhnte genervt. „Stöhn nicht so laut Lou." Ein leises 'Idiot' murmelnd folgte ich ihm schließlich in sein Schlafzimmer und setzte mich etwas zögerlich auf die eine Seite. Er warf mir ein T-Shirt zu, welches ich kritisch beäugte.
"Das sieht aus wie meins", stellte ich fest.
"Ups, ja jetzt kriegst dus wieder, kannst du behalten."
Bevor ich etwas erwidern konnte verschwand er schon im Bad. Nachdem auch ich mich bettfertig gemacht hatte, starrte ich nun in die Dunkelheit, die mich umhüllte und versuchte meine kreisenden Gedanken irgendwie abzustellen. Es dauerte ewig bis ich geplagt von Schuldgefühlen schließlich doch in den Schlaf fand.
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Hihi wir haben euch ein bisschen verarscht :3
Lou und Noél haben natürlich nicht miteinander geschlafen. Ein bisschen Stolz hat unser Arschloch mit Herz dann doch 🥰 Das wissen natürlich alle anderen nicht.. Was denkt ihr, wie die Freundesgruppe reagieren wird?
Lasst uns was kleines da und vielen Dank für Euer Dabeisein ♥️
Lots of love
Michelle &' Carina xx
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