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"Und zwischen all dem Chaos, fällt mir mit vierundzwanzig Jahren ein, dass es so scheint, als würde ich meine Frau nicht lieben." 2358 Words

Harry's POV


"So, woher kennst du Louis?", fragte mich Silas und drückte mir die nächste Bierflasche in die Hand.

Ich ließ mich ein wenig mehr in den Liegestuhl fallen und setzte den Flaschenhals an meine Lippen. Die bittere Flüssigkeit floss schnell meinen Rachen herunter und ich leckte mir einmal über die Unterlippe, ehe ich beide Hände um die Flasche schloss und kurz darüber nachdachte, was genau ich ihm jetzt sagen wollte. Er hatte mir eben bereits erzählt, dass er selten in Deutschland war, weil er ansonsten durch die ganze Welt reiste und ich konnte mir vorstellen, wie meine Augen alleine bei dem Gedanken daran, zu leuchten begannen. Seitdem Aurelia auf der Welt war, hatte ich Deutschland nicht mehr verlassen, dabei war dies damals auch immer mein Plan gewesen. Ich wollte zumindest für ein Jahr mal weg, einfach durchatmen.

"Er ist der Pfleger meiner Frau", antwortete ich dann doch. Er schien mir nicht wie ein Mensch, der andere verurteilt oder eine schlechte Meinung hat. "Sie liegt seit einem Jahr im künstlichen Koma und sie versuchen seitdem immer wieder, sie aufzuwecken, doch es kommt zu Komplikationen."

"Stimmt, er hatte mir geschrieben, dass er die Station wechseln musste, dabei war er da anfangs gar nicht erfreut drüber gewesen." Silas schien sich an die Nachricht zu erinnern und ein Lachen tauchte in seinem Gesicht auf, ehe er sich die langen, blonden Locken aus dem Gesicht strich, die mich ein wenig an meine erinnerten. Nur das er sie offen trug und damit aussah, wie ein Australischer Surferboy aus dem Bilderbuch; es stand ihm.

"Echt? Dafür war er aber immer sehr gut gelaunt und motiviert."

"Naja, es ist Louis. Er liebt diesen Job. Ich glaube tatsächlich, er hat noch nie von etwas anderem gesprochen. Während alle anderen Jungs immer Feuerwehrmann oder Polizist werden wollten, war er der festen Überzeugung, als Pfleger das Richtige für sich zu finden." Auch er nahm einen Schluck von seinem Bier, ehe er sich zurück lehnte und seinen rechten Knöchel auf dem Linken Knie ablegte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und obwohl dies sonst eher eine abwehrende Haltung war, kam es bei ihm kein Stück so rüber. Er musterte mich immer noch interessiert, doch bevor er etwas sagen konnte, fing mein Mund von ganz alleine an zu sprechen.

"Woher kennst du Louis denn? Abgesehen von Emil, meine ich."

"Ach, die beiden sind die besten Freunde seit dem Kindergarten. Daher habe ich ihn quasi aufwachsen sehen und er ist, wie mein zweiter Kleiner Bruder. Er war mir damals immer ein wenig lieber, als Emil, aber ich denke, dass kennt man ja. Ich bin froh, dass Louis ihn ein wenig aus seiner Schale geholt hat. Es hat einige Zeit gedauert, aber mittlerweile bleibt Emil eigentlich die ganze Zeit bei uns und das auch gerne und entspannt. Ansonsten ging das nur kurz und dann hat er sich mit einem Buch in seinem Zimmer verkrochen und Louis wäre ihm nach ein paar Stunden nachgekommen, um sich mit ihm zu unterhalten."

Während er so darüber sprach, merkte ich, wie ein warmes Gefühl meinen Körper durchfuhr. Er beschrieb Louis genau so, wie ich ihn mir vorstellte, dabei kannte ich ihn noch gar nicht so gut. Doch er bestätigte mir nur das Bild, dass Louis wirklich von Herzen ein guter Mensch war und es verwunderte mich, wie Recht Zayn doch immer haben konnte. Er wusste, wie Louis drauf war, obwohl er wahrscheinlich zusammengenommen in den letzten vier Jahren weniger Zeit mit ihm verbracht hatte, als ich in den letzten Wochen.

"Jemanden aus seiner Schale holen, kann Louis gut", gab ich also nur leise zurück und führte die Flasche erneut an meine Lippen, bis ich es nicht mehr zurückhalten konnte und meinen Blick zu Louis wandte. Dieser warf gerade den Kopf in den Nacken und schien über irgendwas zu lachen, was Niall gesagt hatte, welcher daraufhin ein wenig schmollte. Wie von selbst, wurde das leichte Grinsen auf meinen Lippen noch ein Stück größer und sobald ich wieder zu dem jungen Mann auf meiner rechten Seite sah, blickte ich in das schelmische Gesicht, welches eine Augenbraue nach oben zog.

Silas ging nicht näher darauf ein, sondern wechselte das Thema, indem er mich nach den Orten befragte, die ich gerne mal sehen würde. Bei denen, die er ebenfalls noch nicht besucht hatte, machte er fast sofort große Pläne, dass wir diese zusammen bereisen müssten und obwohl ich in meinem Kopf wusste, dass dies Schwachsinn war, nickte ich diese einfach ab.

Ich mochte Silas. Niall und Emil waren ebenfalls Freunde von Louis gewesen, die mich gut aufgenommen hatten, doch er war anders. Er schien genau zu wissen, dass er gut bei Menschen ankam, aber nicht im schlechten Sinn, sondern war damit einfach er selbst. Er wusste, dass er viel zu erzählen hatte, gab aber genauso viel Interesse zurück. Währenddessen warf er immer wieder irgendwelche wahllosen Dinge ein, um das Gespräch am laufen zu erhalten. Und trotz dessen, dass wir definitiv ein paar Drinks zu viel hatten, merkte er, dass ich nicht über meine Frau oder den Unfall sprechen wollte, also ließ er das Thema komplett unter den Tisch fallen. Ganz zu meinem Glück, denn so, wurde ich tatsächlich immer lockerer. Wobei das auch hätte am Alkohol liegen können.

Nachdem Marie und Ben sich in das Gespräch eingefügt haben und wir auf das Thema Liebe kamen, wurde es ein wenig aufwühlend für mich. Die Blondine lag in Bens Armen und dessen Hand strich immer wieder sanft über ihren Oberarm, während er ihr zwischendurch einen Kuss auf den Scheitel drückte. Fast jedes Mal, lief Marie Rot an und gab ihm daraufhin einen Kuss auf seinen Handrücken, während sie davon sprachen, dass es bei den beiden tatsächlich Liebe auf den ersten Blick war. Nachdem ich so ein Gespräch erst mit meiner Schwester geführt hatte, brachten sie mich darauf zurück, wie ich mich in diesem Moment gefühlt hatte.

Irgendwie waren alle anderen auch leiser geworden und hörten bei unserem Gespräch zu, während ich immer ruhiger wurde. Mein Blick fiel auf meinen Ehering und ich drehte diesen ein wenig an meinem Finger, ehe ich mir über mein Tattoo am Oberarm fuhr und mich dann zurück lehnte. Bei meinen nächsten Worten, fand mein Blick ganz von alleine den von Louis. Ich wusste, dass er dieses Thema schon öfter angesprochen hatte, aber nie eine Antwort von mir bekommen hatte, weil ich einfach nicht gerne von meiner Frau sprach. Dieses sollte ihm einen kleinen Hinweis auf das geben, was so in meinem Kopf abging.

Doch während ich ihn so ansah, schienen mir die blauen Augen vertrauter als jemals zuvor. Die Art, wie sich die Flammen darin widerspiegelten und die Wärme, die mich gleich besser fühlen ließen, brachten mich für einen Moment aus dem Konzept. Ich musste mich einmal räuspern, als sich ein Klos in meinem Hals gebildet hatte und ich ein unwohles Gefühl im Bauch spürte.

"Alles okay?" Silas' Blick fand meinen und ich nickte, ehe ich einmal seufzte und aufstand.

Für einen Moment schwankte ich hin und her, während ich merkte, dass mein Kopf kurz brummte. Ich grummelte und hielt mich einen Moment an Silas' Schulter fest, welcher verwirrt die Augenbrauen zusammengezogen hatte.

"Ich glaube, ich brauche einen Moment", murmelte ich dann, als die Gedanken in meinem Kopf zu viel wurden und der Surferboy nickte, ehe ich mich von ihm abstieß und in so schnellen Schritten zum Haus ging, wie mein betrunkener Körper mich tragen konnte.

Alles was ich gerade wusste, war, dass ich für einen Moment alleine sein musste. Ich musste durchatmen, denn irgendwas stimmte nicht mit mir und ich wusste nicht, ob es an dem Alkohol oder doch an etwas anderem lag.

Meine Füße trugen mich in den Kinoraum, den Silas mir vorhin noch erfreut gezeigt hatte und tatsächlich, war die Tür noch offen geblieben. Ich stieß sie also auf, bewegte mich in den dunklen Raum und sah auf die Fünf Stuhlreihen, die sich einfach dazu anboten, dass man sich für einen Moment auf sie fallen ließ. Mit einem tiefen Seufzer ließ ich mich nieder und schloss für eine Sekunde die Augen.

Die Luft im Raum war etwas stickig und trocken. Ein Staubkorn kitzelte auf meiner Nase und ich kräuselte diese, um mich davon zu befreien, ehe ich mir doch mit der Hand darüber fuhr. In meinem Kopf drehte sich alles und ich wusste nicht so recht, welchen Gedanken ich zuerst fassen sollte, als ich ein Klopfen hörte und mich zu der Tür umdrehte.

"Was machst du denn hier? Geht es dir nicht gut?" Louis' Blick wirkte ebenso durcheinander wie meiner und ich schüttelte den Kopf, weswegen er auf mich zukam und sich nach einem kurzen Zögern neben mich auf den Stuhl fallen ließ. "Willst du darüber reden?"

"Was meinst du?", fragte ich und drückte meinen Kopf mehr in die Lehne hinter mir, während ich die blauen Augen vor mir genau fixierte. Ich wollte jede Veränderung sehen, die darin stattfand und vor allem, wollte ich das Gefühl genießen, welches es in mir auslöste.

"Ich weiß nicht", murmelte er dann leiser und sah für einen Moment auf seine Hände, ehe er wieder aufblickte. "Was dich bedrückt? Ich meine, wie kannst du noch nie verliebt gewesen sein, wenn du verheiratet bist?"

"Verwirrt dich das?"

"Ja", Louis nickte.

"Mich auch." Für einen Moment war es still und ich wartete darauf, dass er mich wieder ansah. Dies dauerte jedoch einen Moment und er spielte lediglich mit dem roten Stoff an der Armlehne herum, woraufhin mein Blick auf seine Hände fiel, die so viel kleiner waren, als meine. Obwohl ich schon mitbekommen hatte, dass auch er tätowiert war, fiel es mir jetzt erst so richtig auf. Die kleinen Zeichnungen auf seinem Arm, die mich neugierig machten. Dann plötzlich, sah er mich wieder an und ich lächelte etwas, ehe auch dieses meine Lippen verließ und ich seufzte. "Olivia und ich waren damals nur befreundet", fing ich nun also an und Louis' Augen wurden größer. Er schien offensichtlich nicht damit gerechnet zu haben, dass ich mit ihm wirklich darüber sprechen würde.

"Nur befreundet?"

"Ja. Und in dieser einen Nacht.. wir hatten zu viel getrunken und irgendwie sind wir uns dann nahe gekommen. Danach hat sie sich Ewigkeiten nicht bei mir gemeldet, bis sie mit der Nachricht ankam, dass sie schwanger ist. Dann war es für mich klar."

"Was meinst du?", fragte Louis verwirrt. "Was war für dich klar?"

"Das ich sie heiraten werde." Wenn ich es so sagte, klang es dämlich, doch genau das, hatte ich mir damals gedacht und denke ich mir jetzt immer noch. "Ich wollte dieses Kind unbedingt und ich wollte es auch mit ihr. Ich wollte, dass dieses Kind eine funktionierende Familie hat, anders, wie ich sie gehabt habe. Doch da war nie mehr.. Ich dachte einfach, dass ich diese Phase übersprungen habe. Das die Autoren in Büchern und Filmen übertreiben und es diese starken Gefühle gar nicht gibt, die du für eine Person haben kannst. Ich dachte mir, okay, dass was wir haben wird wohl Liebe sein, weil ich war ja nicht unglücklich."

"Keine Schmetterlinge?" Louis' Stimme klang ungläubig und seine Augen wurden, sofern dies möglich war, noch ein wenig größer. Ich schüttelte den Kopf. "Oh." Louis' Mund war für einen Moment geöffnet. "Was denkst du dir denn jetzt?"

"Das ich irgendwas verpasst haben muss und.. was ich tue, wenn der Rest meines Lebens so bleibt. Silas wird irgendwann die ganze Welt bereist haben und ich? Ich werde hier in Deutschland hocken, einen Job machen, den ich nicht wirklich mag, eine Frau die im Koma liegt und kaum Freunde haben. Meine Inkompetenz, mich mit Leuten zu unterhalten mal ganz abgesehen."

"So ein Schwachsinn. Die Leute hier finden dich alle toll."

"Sie kennen mich ja auch nicht." Nun klang meine Stimme noch ein Stück härter und ich spielte wieder mit meinen Fingern. "Und zwischen all dem Chaos, fällt mir mit vierundzwanzig Jahren ein, dass es so scheint, als würde ich meine Frau nicht lieben."

"Jeder Mensch fühlt Liebe anders, Harry. Vielleicht hattest du mit deiner Theorie ja recht?" Louis' Stimme wurde zum Ende hin etwas höher und er versuchte, mir ein sicheres Lächeln zu geben. "Die einen fühlen es nunmal stärker als die anderen."

"Aber gar nichts? Niemand fühlt doch.. nichts?" Ich wurde frustriert und merkte, wie meine Stimmung immer mehr kippte. "Theoretisch ist mein Leben fertig, Louis. Und ich kann das Leben was ich aufgebaut habe, nicht wirklich leiden."

"Harry", nun wurde er etwas wütend. "Du hast eine wundervolle Tochter, die dich absolut vergöttert und alles wertschätzt, was du für sie tust. Du hast eine Familie, die dich bei allem unterstützt und immer für dich da ist. Es wäre wahrscheinlich nicht bei allen so klar gewesen, dass sie so einen Rückhalt bekommen. Und ganz nebenbei hast du auch noch Zayn und Amalia, denen du wichtig bist und die dich brauchen." Er setzte sich etwas mehr auf und bei seinem nächsten Satz, wurden seine Wangen etwas rot. "Und du hast mich. Du bist mir auch wichtig geworden, weißt du? Und ich finde dein Leben toll, du hast so viel geschafft. Mach dich nicht kleiner als du bist, Harry."

Mein Bauch flatterte, als er mir zum ersten Mal seit diesem Gespräch wirklich lange in die Augen schaute und den Blickkontakt hielt. Er schien mir wirklich beweisen zu wollen, dass er seine Worte ernst meinte und obwohl ich das wusste, war das Thema für mich noch nicht ganz durch. Ich glaubte nicht, dass ich es einfach so über mich ergehen lassen konnte und demnächst nicht mehr darüber nachdachte, nur weil ich am heutigen Tag recht tief ins Glas geschaut hatte.

"Du bist mir auch wichtig geworden", antwortete ich also einfach nur, da ich diese Konversation gerade nicht weiterführen wollte. "Ich glaube, ich will nach Hause."

"Dann fahren wir nach Hause", sagte er selbstverständlich. "Oder soll ich Zayn anrufen, damit er dich abholt?"

"Nein", ich schüttelte den Kopf. "Ich würde gerne noch ein wenig bei dir bleiben, wenn das in Ordnung ist. Ich möchte noch nicht alleine sein." Und ich wollte das Gefühl in meinem Körper noch für ein paar Momente länger genießen.

"Natürlich." Louis klang ein wenig atemlos, ehe er aufstand und mir die Hand hin hielt. "Wir gehen uns eben noch von den anderen verabschieden, na komm."

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Harry ist unzufrieden mit seinem Leben und möchte gerne noch Zeit mit Louis verbringen, so so 👀 was haltet ihr davon? 👀❤️

Was denkt ihr könnte noch passieren, wenn sie zu Louis gehen, wird überhaupt irgendwas passieren? 🤭❤️

Lots of love
Michelle &' Carina xx

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