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Ich saß auf einem Baumstumpf und schaute einfach geradeaus. Blue war gegangen, weil er Gefahr gespürt hatte, und er wollte schauen was es war und woher es kam.
Ich schaute umher, sah den Bäumen zu, wie sie ihm Wind tanzten und hörte einen kleinen Igel der auf dem Waldboden umher tapste.
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf all das. Dylan hatte zu mir gesagt, ich solle versuchen, die Natur nicht nur mit meiner Wut zu kontrollieren, sondern sie zu fühlen. Ich war mit ihr verbunden. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, doch ich schaffte es nicht. Mir gingen zu viele Gedanken im Kopf umher.
Auch wenn der übernatürliche Krieg, der tobte und den nur ich beenden konnte, eigentlich das größte Problem war, war es Dylan, der immer wieder in meinen Gedanken umher spukte.
Wir hatten uns geküsst. Ich war ihm so nahe gekommen, wie sonst keinem vor ihm und auch wenn ich ihn nur so kurz kannte, kam es mir vor, als ob ich schon alles über ihn wusste. Das stimmte natürlich nicht. Um ehrlich zu sein, wusste ich so gut wie nichts über ihn. Doch trotzdem war es mir komischerweise genug.
Zum ersten mal verstand ich das ganze Liebesgedöns, dass ich bisher nur in Büchern gelesen hatte. Ich verstand wie einem eine Person so sehr den Kopf verdrehen konnte, dass man alles hinterfragte.
Doch war das gut? Vor allem in solch einer Situation?
Es war was anderes, wenn man ein normales Mädchen war, dass sich nicht auf einen übernatürlichen Krieg vorbereiten musste, von dem hunderte vielleicht sogar tausende von Leben abhingen.
Doch wenn ich meinen Büchern glauben schenken sollte, dann brachte es ganz eindeutig nichts, einfach so zu tun als wäre nichts und versuchen seine Gefühle zu unterdrücken.
Hatte ich denn Gefühle für ihn? Ich meine klar hatte ich dass, aber liebte ich ihn? Stand ich auf ihn? Oder mochte ich ihn einfach nur?
Ich hörte mich echt an wie ein zehn jähriges kleines Mädchen, dessen Klassenkamerad ihr einen Lollie geschenkt hatte. Mit dem unterschied, dass das kleine Mädchen nicht daran Schuld sein konnte, wenn tausende Menschen ihr Leben verlieren.
In solch einer Situation, wünschte ich mir wirklich eine beste Freundin. Ich hatte noch nie eine gehabt, doch wusste ich aus den Filmen, dass sie immer für einen da war und die besten Ratschläge gab. Doch selbst wenn ich eine beste Freundin hätte, würde ich sie denn in das alles hier mit reinziehen wollen und damit vielleicht sogar ihr leben gefährden? Definitiv nicht. Ich würde das für niemanden wollen.
Trotz all den Warnungen in meinen Büchern, beschloss ich, nicht mehr über Dylan nachzudenken. Ich konnte immer noch mit ihm reden wenn wir in der... wie war das noch gleich? Ach ja ... „sicheren Basis" waren. Da würde ich mich hoffentlich auch sicherer fühlen und nicht denken, dass ich jeden Moment von hinten erdolcht werden würde wie in The Vampire Diaries.
Ich bemerkte jetzt erst, dass ich immer noch die Augen geschlossen hatte und machte sie schnell auf. Wie in einem Film drehte ich mich um, um mich zu vergewissern, dass niemand hinter mir stand. Ich atmete erleichtert aus als ich nur ein kleines Eichhörnchen auf einen Baum huschen sah.
Plötzlich hörte ich ein schnelles Getrampel auf dem Waldboden ungefähr 400 Meter von hier entfernt. Fragt mich nicht wie ich das hören konnte und mir so sicher war, wie weit es entfernt war. Gerade in dem Moment kam Dylan vom Holz suchen wieder zurück und Blue sprang aus dem Gebüsch.
„Die Shallows, sie kommen", sagte er aufgebracht und schaute mich an, „ sie wollen dich schnappen bevor du zu deinen Eltern kommst."
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