Kapitel 5


Ich staunte nicht schlecht, als wir vor dem dicken SUV standen. So ein Auto hatte ich nicht erwartet. Lange konnte ich den BMW aber nicht bewundern, da meine Tante mir meinen Koffer abnahm und ihn in den Kofferraum verfrachtete. Ich schmiss meinen Rucksack und die Umhängetasche achtlos mit hinein, bevor ich auf die Beifahrerseite ging und einstieg. Auch meine Tante stieg ein, nachdem sie die Heckklappe geschlossen hatte und schnallte sich an. Ich tat es ihr gleich.

Neugierig wanderten meine, von der Sonnenbrille immer noch verdeckten Augen durch den Wagen. Sie mussten ja ganz schön Geld haben, wenn sie sich so ein Auto leisten konnten. Eingebautes Navi, Rückfahrkamera, Sitzheizung...
Mum's Auto hatte nicht mal eine scheiß Klimaanlage!

"Wie war die Zugfahrt?", riss mich Eunji aus meinen Gedanken. Versuchte sie jetzt Smalltalk mit mir zu führen? Wie lästig...
"Keine Ahnung. Hab sie verschlafen...", antwortete ich knapp und sah aus dem Fenster. Ich war wenig scharf darauf ihr zu erzählen, wie mein Tag war. A ging es sie nichts an und B hatte ich nichts schönes oder nettes zu berichten. Seit Gestern war alles einfach nur scheiße!

"Na, dann ist wenigstens die Zeit schnell verflogen, nicht?, fragte sie lächelnd.
"Hmm.", brummte ich leise. Es war alles, was ich darauf erwiderte, bevor ich mein Kinn in meiner Hand abstütze.

Sie schien geschnallt zu haben, dass ich keinen Lust hatte zu reden, da sie nicht weiter fragte oder versuchte ein Gespräch anzufangen. Die gesamte Fahrt über starrte ich still aus dem Fenster und betrachtete die an mir vorbei rauschenden Gebäude. Busan war schon nicht klein, aber Seoul war wirklich riesig. Ich wusste nicht wie ich dieses unangenehme Gefühl beschreiben sollte, welches ich dabei empfand nun hier zu sein.

Als wir unser Ziel endlich erreichten, stiegen wir, immer noch schweigend, aus dem Wagen. Mein Blick glitt über das riesige Haus. Ich konnte mich nur vage an meinen letzten Besuch hier erinnern, ich hatte vergessen in was für einer Villa sie wohnten. Ich kam nicht umhin mich noch unwohler zu fühlen. Ich nahm meinen Koffer und meinen Rucksack, wobei Tante Eunji mir die Umhängetasche ab nahm und zur Tür ging.

Leicht zuckte ich zusammen, als das Auto neben mir sich ganz von alleine abschloss und dabei mehrmals piepte. Seufzend folgte ich ihr zur Haustür, welche sie bereits auf schloss.
"So. Komm rein, Jimin. Fühl dich bitte ganz wie zuhause.", strahlte meine Tante mir entgegen und betrat mit mir zusammen das Haus. Ich sagte nichts und sah mich nur kurz im Flur um, bis mein Blick an den beiden jungen Männern hängen blieb.

Ohne, dass sie es sehen konnten, musterte ich sie von oben bis unten. Während der etwas größere, eine typische koreanische Schönheit, mich freundlich anlächelte, wirkte der kleinere ziemlich nervös und irgendwie schüchtern. Sein Aussehen war eher unscheinbar und unauffällig. Erst als auch noch der dritte der Brüder die Treppe herunter kam, löste ich meinen Blick von den Beiden.

"Ah, dann hab ich doch richtig gehört.", sagte er lächelnd und zeigte uns damit seine Grübchen. Auch ihn musterte ich kurz. Er war zwar nicht so breit gebaut, wie der erste, aber dafür ganz schön trainiert. Trotzdem sahen sie alle drei aus, als könnten sie keiner Fliege was zuleide tun. So richtige Softis eben...

"Also Jimin. Ich weiß nicht, ob du dich noch an sie erinnern kannst, aber dass sind meine Jungs.", fing Tante Eunji an, weshalb ich kurz zu ihr sah. Tatsächlich kannte ich ihre Namen noch, das war aber auch alles.
"Mein ältester Sohn, Seokjin.", deutete sie auf den größten.
"Freut mich sehr, Jimin.", strahlte er mir entgegen und hob seine Hand um kurz zu winken.
"Namjoon, der zweitälteste.", fuhr sie mit dem soeben dazu gestoßenen fort.
"Schön, dass du hier bist.", begrüßte er mich und nickte mir kurz zu. Ist ja nicht so, als hätte ich eine Wahl gehabt.
"Und Taehyung, mein Jüngster.", beendete sie die Vorstellrunde.
"H-Hallo.", stotterte er leise und spielte sichtlich nervös mit seinen Fingern.

Oh mein Gott, kann dem mal jemand ein bisschen Selbstbewusstsein schenken? Das kann man ja nicht mit ansehen.
"Hey...", erwidere ich einfach, da ich nicht wirklich was zu sagen hatte.

"Willst du deine Sonnenbrille nicht abnehmen? So hell ist es hier drinnen nun auch nicht.", merkt meine Tante an. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass sie zu den Menschen gehören, die sowas unhöflich finden wenn man sich vorstellt. Man soll sich in die Augen schauen können und so einen Scheiß.

All ihre Blicke lagen auf mir, weshalb ich ergeben seufzte. Da ich keinen Bock hatte, gleich nach meiner Ankunft hier Stress zu provozieren. Der kommt vermutlich früher als sie alle glauben. Ich nehme die Sonnenbrille ab und hänge sie mir vorne an mein Shirt. Offenbarte damit meine immer noch, vom ganzen heulen Gestern, geröteten und geschwollenen Augen. Ich sah buchstäblich beschissen aus.

Sie alle bemerkten es, dass sah ich an ihren Ausdrücken, doch zu meiner Erleichterung sagte keiner was.
"Wo kann ich mein Zeug hin packen?", fragte ich schnell und wandte mich meiner Tante zu. Ich wollte mich ihren blöden Blicken nicht länger aussetzen als nötig.

"Natürlich, komm erstmal richtig an und pack aus. Bärchen, zeigst du Jimin sein Zimmer?", sagte sie und wandte sich an einen ihrer Söhne. Natürlich war es Taehyung, der auf diesen Spitznamen hörte. Wunderte mich nicht wirklich. Hastig nickte dieser und nahm mir ohne zu fragen meine Tasche ab.

"Komm mit.", nuschelte er leise und nickte Richtung Treppe.
"Ich helf dir mit dem Koffer.", bot Namjoon freundlich an und nahm mir diesen ab. Kurz blinzelte ich erstaunt. Ich hatte gefühlt all meinen Besitz in diesen Koffer gestopft und er hob ihn einfach hoch, als wären da nur Federn drin. Wortlos streifte ich mir die Schuhe von den Füßen und folgte den Beiden nach oben.

Sie führten mich in ein riesiges, sehr minimalistisch eingerichtetes Zimmer. Außer dem großen Doppelbett, einem Schreibtisch, einer Kommode und dem Kleiderschrank, war nichts in diesem Zimmer. Ein bisschen Deko, die es gemütlicher machen sollte, aber nichts persönliches oder der gleichen. Dennoch sah es gemütlich aus und war gut doppelt so groß, wie meine kleine Abstellkammer zuhause. Namjoon stellte meinen Koffer ab, bevor er mich mit Taehyung alleine ließ.

"D-Das hier ist eigentlich ein Gästezimmer, aber...j-jetzt ist es deins.", klärte er mich auf, worauf ich nur nickte. Ich legte meinen Rucksack auf dem Schreibtisch ab und sah meinen Cousin an. Musste ich ihm noch sagen, dass er jetzt abhauen konnte, oder checkt er das auch selbst? Allerdings sah er so aus, als ob er noch etwas sagen wollte. Abwartend zog ich eine Augenbraue hoch. Verunsichert fummelte mein Gegenüber an dem Saum seines T-Shirts herum und wich meinem Blick immer wieder aus.

"A-Also...ich...du ähm... W-Wenn du über irgendwas....reden willst, also...d-du kannst...immer...", stotterte er vor sich hin.
"Hey...", unterbrach ich dieses Trauerspiel vor mir und zog seine Aufmerksamkeit damit sofort auf mich. Mit großen Augen sah er mich an.
"Ich habs verstanden, okay? Aber ich will nicht darüber reden...", machte ich ihm gleich klar. Ich drehte mich um und öffnete meinen Rucksack um anzufangen auszupacken.

"N-natürlich. Sag bescheid, wenn du etwas brauchst.", nuschelt Taehyung noch unsicher, bevor er mein neues Zimmer schließlich verließ. Niedlich, dass er sich Sorgen um jemanden macht, denn er doch gar nicht kennt. Selbst wenn wir verwandt miteinander sind. Seufzend fahre ich mir einmal durch die Haare. Ich ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und schaue auf den Bildschirm. Nichts.

Hyunjin hatte weder auf meine Anrufe noch auf meine Nachrichten reagiert. Stattdessen hatte er mich sogar blockiert. Was hatte ich nur getan, dass er mich plötzlich so von sich stößt? Ich hatte doch immer nur versucht es ihm recht zu machen. Habe alles getan was er von mir verlangt hatte und das ist der Dank. Er 'verschenkt' mich an seine Freunde, als wäre ich ein Spielzeug. Lässt mich dann einfach so fallen und ersetzt mich durch diese....

Frustriert knirsche ich mit den Zähnen, ehe ich hastig meinen Kopf schüttle. Ich will nicht mehr daran denken! Nicht an IHN und auch nicht an die letzten Tage. Ich will es einfach noch vergessen. Langsam mache ich mich daran alles auszuräumen, um mich wenigstens ein bisschen ab zu lenken.

Wenn das doch nur so einfach wäre.

~~

Grummelnd lasse ich mich auf das Bett fallen, nachdem ich von dem ach so tollen 'Happy-Family-Abendessen' wieder in meinem Zimmer war. Bei diesem hatte dann auch mein Onkel mich noch ordentlich begrüßt, da er erst kurz vorher von der Arbeit nach Hause kam. Und das an einem Samstag.

Während des Essens, hatte ich stumm ihren Gesprächen gelauscht und nur knapp geantwortet, wenn ich etwas gefragt wurde. Ich hatte nicht vor ihnen meine Lebensgeschichte zu erzählen. Als würde die auch irgendjemanden interessieren.

Als nach dem essen, plötzlich Seokjin und Namjoon die Küche aufgeräumt haben, war ich irgendwie verwirrt. Warum macht man freiwillig die Hausarbeit wenn die Eltern doch da sind. Meine Mum hat sich immer um all das gekümmert, das war doch nicht meine Aufgabe.

Ich wollte gleich hoch gehen, jedoch wurde ich von meiner Tante aufgehalten. Sie und mein Onkel wollten noch ein paar Dinge mit mir 'besprechen', weshalb wir anschließend nur zu dritt am Esstisch gesessen hatten.

Das Gespräch lief darauf hinaus, dass sie mich über ihre 'Regeln' hier im Haus aufgeklärt hatten. Was damit anfing, dass ich mich absofort auch im Haushalt beteiligen sollte. Putzen, Wäsche waschen und all den Scheiß. Wer bin ich? Die Putzfrau, oder was?!
Meine Cousins waren für die Obere Etage zuständig und nun wohl auch ich.

Und weil das noch nicht schlimm genug war, ging es gleich damit weiter, dass ich unter der Woche spätestens um 22 Uhr zuhause zu sein hatte. Sogar Alkohol hatten sie mir verboten! Ich durfte zwar am Wochenende ausgehen, aber auch da nur bis um 24 Uhr. Was ist das bitte für ein schlechter Witz? Nur weil ich erst 17 bin, krieg ich ne Ausgangssperre aufgebrummt, oder was?!

Immer wieder hatten sie mir versichert, dass ich alles durfte, was ihre Söhne auch durften. Aber was blieb denn da noch über, wenn sie einem doch alles spaßige verbieten.

"In diesem Haus, erwarten wir Respekt und Ehrlichkeit.", äffte ich meine Tante angepisst nach. Ich kam mir vor wie in einem Gefängnis! Es fehle nur noch, dass sie meine Schritte überwachten, oder mein Handy orten würden. Zutrauen würde ich es ihnen nach dieser Ansage. Seufzend legte ich einen Arm über meine Augen und lag eine Weile einfach still da. So lange bis sich ein kleines Grinsen auf meine Lippen schlich.

Mal sehen wie ernst sie all diese Vorschriften wirklich meinen.


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Oh Jiminie...was machen wir nur mit dir, hm? ^^'

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