Kapitel 25


"Was haben die alle für ein Problem mit Tae?"

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Schweigend saß ich mit Familie Kim am Esstisch, während sie sich wie immer rege unterhielten. Nur Tae stocherte niedergeschlagen in seinem Reis herum. Nachdem auch er heute Mittag die ganzen, eher unschönen Kommentare unter Kookies Post gesehen hatte, war er so. Ich konnte verstehen, dass die Worte unserer Mitschüler ihn mitnehmen. Als Nerd und Loser betitelt zu werden, war nicht schön.

Seit wir wieder zuhause waren, hatte mein Cousin kaum ein Wort gesagt und nur alleine in seinem Zimmer gesessen. Je mehr ich mit bekam, desto klarer wurde mir, dass Tae es in der Schule wohl echt nicht leicht hatte. Immer alleine, weil keiner sich die Mühe machen wollte den schüchternen Jungen kennenzulernen, zu ängstlich um den Mund auf zu machen und von den Rowdys rumgeschubst und geärgert.

Aber es wunderte mich gar nicht. Tae wurde von seiner Familie dermaßen in Watte gepackt, dass er nie gelernt hatte, wie man für sich selbst einstand. Wie man sich verteidigt. Er kapselte sich lieber weiter ab und hoffte einfach, dass es aufhören würde. Zumindest war das mein Eindruck von dem ganzen.

Aber das war sein Problem. Sein Leben, nicht meines. Ich hatte genug eigene Sorgen.
Ich blickte zu meinem Cousin auf, der in sich zusammen gesunken auf sein Essen starrte. Der dünne Rollkragenpullover verdeckte die Spuren, die Kookie auf seinem Hals hinterlassen hatte.

"Taehyung. Bärchen, ist alles in Ordnung? Du hast dein Essen kaum angerührt.", fragt seine Mutter hörbar besorgt. Kaum merklich schreckte mein Nebenmann zusammen, als er angesprochen wurde und hob seinen Blick.

Nun lagen alle Augen fragend auf dem Jüngsten.
"J-ja...alles okay, ich...bin nur nicht wirklich hungrig.", sagte er und wirkte auf mich ein wenig nervös.

"Kann ich...vielleicht schon aufstehen?", fragte er vorsichtig. Seine Eltern warfen sich einen kurzen Blick zu, bis sie schließlich nickten und ihn gehen ließen. Schneller als ich gucken konnte, war Tae nach oben verschwunden.

"Jimin. Ist Gestern irgendwas passiert?", wollte mein Onkel nun von mir wissen. Ich erwiderte seinen Blick und überlegte, was ich nun tun sollte. Allerdings war es nicht meine Aufgabe, ihnen von den Problemen ihres Sohnes zu erzählen. Sie sollten es nicht von mir erfahren, vermutlich würde das für nur noch mehr Probleme sorgen.

Also tat ich das, was ich am besten konnte.

"Nein, nichts besonderes.", sagte ich ganz locker.

Ich log.

~~

Mit verschränkten Armen lehnte ich mich auf der Couch zurück. Tante Eunji hatte mir nach dem Essen gesagt, dass sie mit mir reden wollte, weshalb wir nun zu zweit im Wohnzimmer saßen. Ich wusste nicht, was nun wieder das Problem war, da ich definitiv nichts angestellt hatte, aber dennoch hatte ich dieses Gespräch gerade echt übrig.

"Deine Mutter hat mich gestern angerufen, Jimin.", fing sie das Gespräch an. Sofort verfinsterte sich mein Gesichtsausdruck noch ein bisschen mehr.

"Sie macht sich Sorgen, weil du all ihre Anrufe und Nachrichten ignorierst.", sagte sie und sah mich dabei so übertrieben besorgt an. Ja, ich hatte die Anrufe meiner Mum jedes Mal weggedrückt und ich hatte auch keine ihrer Nachrichten gelesen, geschweige denn beantwortet.

Ich wollte schlichtweg nicht.

Ich hatte ihr nichts zu sagen und ich wollte ihre schleimigen Lügen, dass sie mich liebt und vermisst, dass sie sich Sorgen macht, nicht hören. Ich würde es nicht ertragen.

"Willst du nicht mal mit ihr reden?", fragte meine Tante, was ich aber sofort abwehrte.
"Nein!", kam es sehr bestimmt von mir. Und meine Meinung würde sich auch nicht ändern lassen.

"Sie würde sich aber freuen, deine Stimme zu hören und zu wissen, wie es dir geht.", versuchte sie, mich umzustimmen. Ein ungläubiges Schnauben kam mir über die Lippen. Ich konnte nur den Kopf schütteln.

"Das hätte sie sich überlegen sollen, bevor sie mich losgeworden ist.", brummte ich wütend.
"Jimin, das stimmt doch nicht. Sie wollte dich doch nicht loswerden. Meine Schwester war der Meinung, dass ein Tapetenwechsel dir mal gut tun würde. Sie wollte nur das Beste für dich.", sagte sie und ich konnte nicht anders als los zu lachen. Das war doch ein blöder Witz.

"Das ist doch Bullshit!", sagte ich ein wenig lauter als beabsichtigt. Aber langsam wurde die Wut in mir immer größer und ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Aufgebracht stand ich auf, da ich nicht länger still rumsitzen konnte.

"Mein Bestes, dass ich nicht lache! Sie hatte nur keinen Bock mehr, sich mit mir rum zu schlagen. Scheinbar glauben alle, es wäre 'das Beste für mich', wenn sie mir einfach wegschmeißen, sobald sie die Schnauze voll haben!", redete ich mich immer mehr in Rage.

"Mein Vater wollte mich nicht, meine Mum will mich nicht mehr und mein Ex wollte mich scheinbar nie. Aber who cares?! Mit mir kann man es ja machen! Das Beste für alle wäre es gewesen, wenn ich nie geboren worden wäre!", brüllte ich richtig.

"Soll sie doch zur Hölle fahren und ohne mich glücklich werden! Ich brauche sie nicht.", sagte ich stur. Es tat weh. So unsagbar weh.

Ich spürte, wie es mir immer schwerer fiel, die Trauer und den Schmerz zurückzuhalten und hinter meiner Wut zu verstecken. Ich wollte mir die Blöße aber nicht geben, jetzt vor meiner Tante zu heulen wie ein Baby. Verzweifelt biss ich mir auf die Unterlippe und rannte aus dem Wohnzimmer. Auf dem Weg nach oben konnte ich die ersten Tränen nicht mehr zurückhalten, die sich aus meinen Augen stahlen.

Fast stieß ich mit Jin zusammen, doch ich ging einfach an ihm vorbei, ohne den Älteren zu beachten. Ich wusste nicht, wie viel er gehört hatte, aber das war mir gerade auch echt egal. Ich flüchtete in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir ins Schloss, bevor ich zusammenbrach.

Kraftlos ließ ich mich an die Tür gelehnt zu Boden sinken. Meine Beine zog ich eng an meinen Körper. Ich vergrub mein Gesicht an meinen Knien und legte meine Arme schützend um mich, als das erste Schluchzen aus mir herausbrach. Unaufhörlich liefen die Tränen und wurden gierig von dem Stoff meiner Hose aufgesaugt.

Ich hasste dieses Gefühl, das ich gerade hatte. Das Gefühl, von niemandem gebraucht zu werden. Das es niemanden interessieren würde, wenn ich einfach nicht mehr da wäre. Egal wie oft ich versucht hatte, es ab zu schütteln. Es war so präsent in mir.

Mein bitterliches Schluchzen verstummte, als es leise an meiner Tür klopfte.
"Jimin? Möchtest du darüber reden?", erkannte ich Jins ruhige Stimme. Nur war mir gerade absolut nicht mehr zum Reden zumute.

"Verschwinde!", fuhr ich ihn mit gebrochener Stimme an. Dabei konnte der Ältere überhaupt nichts für meinen Zustand.
Aber mein Schmerz war gerade viel zu stark, um vernünftig zu sein. Jedoch schien mir Jin dies auch nicht übel zu nehmen.

"Okay. Wenn du es dir anders überlegst, ich bin in meinem Zimmer.", sagte er noch, bevor ich hören konnte, wie sich Schritte entfernten. Ich war dankbar, dass er sich mir nicht aufdrängte. Und auch wenn ich es nicht nutzte, war es nett von ihm, mir seine Hilfe anzubieten.

~~

Müde lag ich in meinem Bett und scrollte einfach nur durch Instagram. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis ich mich beruhigen konnte. Nachdem ich alles rausgelassen hatte, fühlte ich mich so unglaublich erschöpft. Morgen war wieder Montag und ich hatte so gar keinen Bock auf Schule, sodass der Gedanke einfach zu schwänzen immer verlockender wurde. Sollten sie mir doch wieder Hausarrest aufdrücken. Es war mir egal.

Tante Eunji hatte nochmal versucht mit mir zu reden, doch auch sie hatte ich weggeschickt. Ich hatte niemanden sehen wollen. Deswegen seufzte ich auch genervt, als es erneut an meiner Tür klopfte.

"WAS?!", fragte ich laut. Ich blickte auf, als die Tür sich öffnete und Tae seinen Kopf in mein Zimmer steckte.
"Kann ich...rein kommen?", fragte er vorsichtig.

"Wenn es sein muss...", sagte ich und sah wieder auf mein Handy. Ich hörte, wie die Tür sich wieder schloss und im Augenwinkel sah ich, wie Tae vor meinem Bett rum stand. Wieder musste ich seufzen und setzte mich schließlich auf.

"Steh nicht da, wie bestellt und nicht abgeholt...setz dich.", forderte ich ihn auf, was er auch sofort tat. Abwartend sah ich ihn an. Unsicher spielte Tae mit seinen Fingern, bevor er mich ansah.

"Kann ich...dich was fragen?", wollte er leise wissen.
"Ich nehme an, deswegen bist du hier. Also spucks schon aus.", sagte ich und zuckte leicht mit den Schultern. Immerhin schien er nicht über das reden zu wollen, was vorhin passiert war.

"I-Ich ähm...k-kannst...du mich cooler machen?", brachte er stotternd heraus. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen.
"Was?", war alles, was mir gerade dazu einfiel. Das hatte ich nicht kommen sehen, aber ich konnte mir gut denken, was Tae zu diesem Gedanken gebracht hatte.

"Naja. Du hast die ganzen Kommentare doch auch gelesen.", nuschelte er leise. Ich konnte zusehen, wie er immer mehr in sich zusammen sank.
"Sie lachen über mich. Ich will...Jungkook nicht schaden, wenn...er mit mir gesehen wird.", fügte er niedergeschlagen hinzu. Ich nickte verstehend, auch wenn er es gar nicht sah.

Er wollte seinem Crush gerecht werden. Mithalten. Das konnte ich gut verstehen. Jungkook hatte einen Ruf an der Schule. Er war der beliebte und coole Typ, mit dem jeder befreundet sein wollte und dem jedes Mädchen hinterher rannte. Der Jüngere könnte jeden haben und das wusste Tae genau so gut wie ich.

"Ich kann dich cooler aussehen lassen, aber an deinem Auftreten kann ich nichts ändern, Tae. Das musst du schon selber machen.", sagte ich bestimmt. Sofort sah mein Cousin mich überrascht an. Vermutlich hatte er schwer damit gerechnet, dass ich ihm nicht helfen würde.

"W-Wie?", wollte er wissen.

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5/6

Oh man...
So viel Drama ^^'

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