Kapitel 103
Entscheidungen.
Eine bewusste oder unbewusste Wahl zwischen mehreren sich unterscheidenden Alternativen. Wir treffen sie auf Grund von unseren Präferenzen, Vorlieben, Wünschen oder Träumen. Sie können spontan, emotional, ganz zufällig oder total rational erfolgen. Doch jedes Mal erhoffen wir uns das für uns bestmögliche Ergebnis.
Leider treffen wir nicht immer die richtigen Entscheidungen im Leben. Wir machen Fehler. Vertrauen den falschen Menschen und lassen uns beeinflussen. Doch das Wichtigste ist es, am Ende aus diesen Fehlern zu lernen. Eine Lektion aus unserem Scheitern zu ziehen und den Willen zu haben, es besser zu machen.
Das schwerste ist es, sich überhaupt einzugestehen, dass man etwas falsch gemacht hat. Dass das eigene Verhalten unangebracht war, oder dass man ungerecht zu anderen Personen war. Es erfordert Mut. Doch nur wenn man diesen Schritt wagt, kann man sich in die richtige Richtung bewegen. Es ist nicht leicht. Oh, nein!
Doch der leichte Weg ist nie der richtige.
"Okay, Schüler. Für den ersten Tag soll das genügen. Ihr könnt nach Hause gehen. Sollte noch jemand Fragen haben, oder etwas brauchen, ihr findet mich im Sekretariat.", verkündete Frau Lee zufrieden. Kaum hatte sie die Klasse entlassen, sprangen alle von ihren Stühlen.
Ich sah neben mich. Kookie drehte seinen Kopf ebenfalls in meine Richtung und grinste mich mit seinem breiten Bunny Smile an. Ich hatte mein Vorhaben, das Schuljahr zu wiederholen, wirklich umgesetzt. Vielleicht hätte ich sogar irgendwie durch die Abschlussprüfungen kommen können, aber das Zeugnis wäre trotzdem Mist gewesen.
Es war das Beste, was ich tun konnte, einfach noch ein Jahr dran zu hängen und mich dieses Mal auch wirklich zu bemühen. Immerhin ging es um meine Zukunft und ich wollte auf keinen Fall für immer auf Yoongis, Hobis oder Mums Tasche liegen. Ich war mir noch immer nicht sicher, was ich eigentlich mal machen wollte. Aber ein vernünftiger Abschluss wäre ein Anfang. Dann hatte ich wenigstens eine Wahl.
Wir packten unsere Sachen zusammen und verließen zusammen mit den anderen das Klassenzimmer. Außerdem war der Gedanke, zusammen mit Kookie die Schulbank zu drücken, gar nicht so schlecht. Ich schwang meinen Arm um seine Schultern und zwang den großen Kerl damit etwas in die Hocke, während ich mich lang machen musste.
"Und? 'Kapitän des Lacross Teams'! Was steht bei dir heute noch so an?", wollte ich fröhlich wissen. Wir hatten den ersten Schultag hinter uns gebracht. Die Sommerferien waren nur so an uns vorbei geflogen. Doch wir hatten sie gut genutzt.
Wir waren oft als Gruppe unterwegs gewesen, haben Ausflüge gemacht und sogar eine Woche Urlaub in Busan. Ich hatte das Meer und meine Heimat vermisst und es mir nicht nehmen lassen, meine Freunde dort herumzuführen. Doch nun rief der Ernst des Lebens wieder nach uns. Und dieses Mal wollte ich meine Zeit nicht verschwenden!
"Weiß nicht. Tae hat heute seinen Uni Einführungstag, von daher wird es bei ihm vermutlich später.", dachte er laut nach. Der Blick dabei irgendwie ins Nichts gerichtet, kratzte er sich leicht an der Wange.
Tae studierte nun Fotografie. Mein lieber Cousin hatte sich lange damit verrückt gemacht, was er tun wollte und sich all seine Möglichkeiten vor Augen geführt. Letztendlich hatte er sich dafür entschieden, seine liebste Beschäftigung auch zu seinem Job zu machen. Ich wünschte ihm wirklich, dass er den Spaß daran nie verlieren würde.
Kookie und ich blieben vor dem Schwarzen Brett stehen und ich ließ wieder von ihm ab, da diese Haltung für uns beide langsam unbequem wurde. Unzählige Aushänge und Listen waren an das Brett gepinnt, welches jede Art von wichtigen Infos für die Schüler bereit hielt. Wenn man sich denn die Zeit nahm, da auf mal drauf zu gucken.
So hingen da auch die Anmeldelisten für alle Clubs und Sportteams und dergleichen. Interessiert überflog der Jüngere diese und grinste zufrieden.
"Und? Haben sich schon welche eingetragen?", fragte ich interessiert. ich betete mein Kinn auf Kookies Schulter, um über diese hinweg zu linsen.
"Die Jungs, die vom alten Team noch übrig sind, haben sich alle wieder eingeschrieben und auch ein paar Neue. Es ist gut, wenn wir ein paar Ersatzspieler haben.", nickte er.
"Wann ist das Probetraining?", wollte ich wissen und blickte meinen Freund von der Seite her an. Er verrenkte sich halb den Hals, um meinen Blick zu erwidern.
"Nächsten Dienstag. Wieso? Willst du dich auch anmelden?", neckte er mich mit einem frechen Schmunzeln auf den Lippen.
"Um Himmels Willen, nein! So gern ich auch zugucke, ist das kein Sport für mich.", schüttelte ich den Kopf und wandte mich zum Gehen.
"Dann vielleicht eher eine Tanzgruppe?", schlug er vor und ich wurde hellhörig. Erneut glitt mein Blick auf das Schwarze Brett vor uns. Und tatsächlich hing dort auch eine Liste für eine Tanzgruppe, in der erst zwei Namen standen. Vielleicht wäre ein Hobby neben der Schule gar keine schlechte Idee.
~~
"Ich bin zuhause!", rief ich, als ich die Wohnung betrat. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und in meine Schlappen, ehe ich ins Wohnzimmer tippelte.
"In der Küche.", bekam ich auch gleich eine Antwort und folgte der mir bekannten Stimme. Mit einem breiten Lächeln schlich ich mich an, schlang meine Arme um den trainierten Körper und schmiegte mich an Hobis breiten Rücken.
"Mhh~", gab ich genüsslich von mir und erntete dafür nur ein Kichern von dem Größeren.
"Wie war dein erster Tag wieder in der Schule, Minie?", fragte er interessiert und rührte dabei weiter in der Pfanne herum. Ich störte mich nicht an den ständigen Bewegungen und schloss einfach meine Augen.
Seit zwei Wochen wohnte ich bereits mit meinen beiden Partnern zusammen. Wir waren noch nicht mal ein Jahr zusammen und viele würden das vermutlich als überstürzt bezeichnen, doch als das Thema bei uns aufkam, machten Yoongi und Hobi meine Zweifel ziemlich schnell zunichte.
Sie wollten mich bei sich haben, so sehr, wie ich bei ihnen sein wollte. Es hatte die beiden auch nicht viel Mühe gekostet, meine Mum von der Idee zu überzeugen. Sie liebte die beiden wie ihre eigenen Söhne und laut ihr taten sie mir gut. Wie recht sie damit doch hatte!
Wir teilten uns die Hausarbeit und hatten sogar einen richtigen Plan erstellt, wer was zu tun hatte. Und wenn ich mich mal nicht daran hielt, oder versuchte, mich zu drücken, traten sie mir mit Freude in den Arsch. Sie halfen mir also nicht nur mich selbst zu lieben, sie sorgten auch noch dafür, dass ich endlich selbstständiger wurde. Es war wohl an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen.
"Gut. Erstmal nur viel organisatorisches. Der richtige Unterricht geht erst morgen los. Kookie und ich sitzen sogar nebeneinander.", erzählte ich glücklich.
"Das freut mich für dich.", sagte er ehrlich und ich musste Hobi nicht ansehen, um zu wissen, dass er lächelte.
Der Dunkelhaarige hatte noch eine Woche frei, ehe auch für ihn die Uni starten würde. Zu meinem Erstaunen, hatte er sich für ein Studium auf Lehramt entschieden. Sport und Koreanisch. Eine interessante Kombination, aber es passte zu ihm und ich konnte mir Hobi sehr gut mit Kindern vorstellen. Er wird sicherlich mal der coole Lehrer, zu dem alle rennen, wenn sie ein Problem haben.
"Wann kommt Yoongi nach hause?", fragte ich hoffnungsvoll und löste mich endlich wieder von Hobi, sodass er sich wieder vernünftig bewegen konnte.
"Oh, der ist schon seit einer Weile wieder da. Hat sich die Arbeit mit nach Hause genommen und sitzt in seinem Studio.", teilte er mir mit einem Kopfnicken in Richtung Flur mit.
Mit funkelnden Augen sah ich ihn an, ehe ich mich rum drehte und den Flur runter huschte. Ich klopfte an die Tür, bekam aber keine Antwort. Also öffnete ich sie einfach ein Stück und steckte meinen Kopf hindurch. Es war dunkel bis auf die Lampe, die auf seinem Schreibtisch brannte und den beiden Bildschirmen, auf denen er seine Programme offen hatte.
Mit den dicken Kopfhörern auf den Ohren und dem Rücken zur Tür, bekam Yoongi mich gar nicht mit. Grinsend ging ich also zu ihm und legte einfach meine Arme um seinen Hals. Leicht spürte ich den Älteren unter mir zusammen zucken und sein Kopf drehte sich ruckartig in meine Richtung.
"Mein Gott, Jiminie! Erschreck mich doch nicht so.", motzte er und zog die Kopfhörer von seinen Ohren. Kichernd küsste ich seine Wange.
"Entschuldige, aber das hat sich gerade so angeboten.", lächelte ich unschuldig.
"Wie lang bist du schon da?", wollte er wissen und suchte mit seinem Blick nach der Uhr.
"Gerade erst gekommen. Und du?", gab ich die Frage zurück.
"Ich habe heute um 12 schon Schluss gemacht. Beziehungsweise kann ich den Rest auch hier machen.", antwortete er und ich nickte leicht verstehend. Mein Blick huschte über die beiden Bildschirme, auf dem verschiedene Programme geöffnet waren, in denen Yoongi wohl gerade einen Song bearbeitete.
Seit Anfang des Jahres hatte der nun Schwarzhaarige schon einen Job bei einem der vielen Entertainments hier in Seoul. Er tat genau das, was er liebte und das auch unheimlich gut, wie ich fand. Auch wenn ich in seine Arbeit nie mal rein hören durfte. Ich musste immer warten, bis die Songs offiziell auf den Markt kamen.
Lächelnd fuhr ich mit einen Hand durch Yoongis länger gewordene Haare. Ich hatte das Silber an ihm richtig heiß gefunden, aber jetzt gefiel er mir noch besser! Wissend grinste er mich an, als meine Augen etwas zu lange an seinem Seitenprofil gehangen hatten.
"Essen ist fertig!", rief Hobi plötzlich aus der Küche und ich ließ von dem Älteren ab. Zusammen setzten wir uns an den gedeckten Tisch und jeder erzählte von seinem Tag. Wir alberten rum und lachten zusammen. Ich fühlte mich einfach rundum wohl.
Zu wissen, dass es einen Ort gab, an den man gehörte und zu dem man immer zurückkehren konnte, fühlte sich toll an. Eine wohlige Wärme machte sich in meiner Brust breit, als ich die beiden Männer mit all der Zuneigung betrachtete, die ich für sie empfand.
Nun wusste ich, wie es sich anfühlte, eine richtige Familie zu haben.
Geliebt zu werden und erwünscht zu sein.
Ich war endlich zuhause!
Ende
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5/6
Okay, jetzt dürft ihr weinen! :D
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