Kartenspiel I

Nachdem das Internet wiederhergestellt worden ist, sitze ich an meinem Schreibtisch und surfe ein wenig im Internet. Nach einer halben Stunde zufälliger YouTube Videos bin ich mir der Gefahr von Chemtrails bewusst, hüte mich vor Repitloiden und suche den Eingang zur hohlen Erde. Außerdem habe ich auf blindekuh.de eine Do-It-Yourself Anleitung für einen Aluhut gefunden.

Als ich gerade zur Küche gehen will um mit meinem Vorhaben zu beginnen, stürmt Alex in die Wohnung.

"Die haben Albrecht!", ruft Alex mit weit aufgerissenen Augen in die Wohnung hinein.
"Bitte was?", rufe ich zurück.
"Der Idiot hat die Steinigung gestern tatsächlich durchgezogen!", lautet die Erklärung, die mir Alex präsentiert.
"Aha. Und nu?", frage ich etwas perplex.
"Albi sitzt jetzt im Knast wegen schwerer Körperverletzung!"

"Oha. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass das Gefängnis definitiv kein Ort ist, an dem man sich gerne aufhält", sage ich und gebe ein wenig mit meiner gesammelten Lebenserfahrung an.
"Du warst mal im Knast?", fragt Alex, sichtlich verwirrt.
"Jaja. Einmal", sage ich in belehrendem Ton. "Also... In Monopoly."

Alex und ich sind uns jedenfalls einig, dass wir Albrecht da rausholen müssen.
Selbstverständlich nicht aus Freundschaft oder einem anderen selbstlosen Grund. Wir wissen einfach, dass der Kerl uns bei der erstbesten Möglichkeit verpfeifen wird und wir sollten das tunlichst unterbinden.

In einer Nacht und Nebel Aktion begebe ich mich also mit Alex zur Polizeiwache um Albrecht aus der örtlichen Haftanstalt zu befreien. Selbstverständlich berufen Alex und ich uns auf unser ausgesprochenes Talent der Improvisation und begeben uns zum Vordereingang der Wache. Bevor wir diesen allerdings erreichen können, stellt sich uns eine Schranke in den Weg.

Zwei junge Polizistinnen nähern sich unserem Wagen.
"Sag jetzt bloß nichts falsches!", flüstert mir Alex vom Beifahrersitz zu.
Eine der beiden Damen lehnt sich durch das Fenster ins Wageninnere und mustert uns.

"Na, wissen eure Eltern, dass ihr noch so spät wach seid", sage ich und merke leider zu spät, dass ich über diesen Satz ein wenig länger hätte nachdenken sollen.
Alex schlägt mir auf den Hinterkopf.
"Nehmen sie meinen Fahrer nicht zu ernst", sagt Alex um die Situation unter Kontrolle zu halten. "Er hält sich für sehr witzig, wissen sie? Jedenfalls müssen mein Freund und ich zur Wache. Ich habe mein Portmonnaie in der Mensa vergessen und dort ist ein sehr wichtiger Ausweiß meiner Tochter drin, den sie heute Abend noch braucht! Und wenn sie ihn nicht bekommt, bin ich bestimmt wieder der schlechte Vater der...", Alex fängt an zu schluchzen. Bevor er weiterreden kann unterbricht ihn die Uniformierte Frau am Fenster: "Schon gut, ich weiß wie so etwas ist. Ich helfe ihnen auch beim suchen!"

Wir sind nun in der Mensa der Polizeiwache. So weit, so gut, aber dass die Frau uns begleitet war sicherlich nicht Teil von Alex seinem Plan. Wir hängen also zu dritt unter den Tischen und suchen eine Geldbörse, die nicht existiert.

"Und was jetzt? Wir müssen die alte loswerden! Und selbst dann wissen wir nicht wie wir zu Albrecht kommen können", flüstere ich Alex zu, als wir beide unter dem gleichen Tisch sitzen.
"Auf den Rettungswegplänen habe ich gesehen, dass man an den Zellen vorbei muss, um zu den Toiletten zu gelangen. Damit können wir arbeiten", flüstert Alex.
"Wenn wir das Portmonnaie hier nicht finden, sind wir aber auch geliefert!", flüster ich und bringe Alex meine Zweifel näher.
"Merk' dir nur, dass du gleich auf Toilette musst. Ich sorge dafür, dass die Dame mich nach draußen begleitet.", flüstert Alex.
"Entschuldigung, aber wenn wir den Ausweiß nicht bald finden, muss ich sie beide leider nach draußen geleiten.", sagt die Polizeibeamte.

Das die Dame immer misstrauischer wird ist selbst für mich offen einsehbar. Wenn wir nicht bald das Portmonnaie finden, sieht es düster für uns aus. Denn ohne weitere Fragen wird die uns nicht gehen lassen.

Doch Not macht erfinderisch und so kommt mir in genau diesem Moment eine Idee. Ich lege mein Portmonnaie in einem Moment der Unachtsamkeit seitens der Polizisten unter einen Tisch und mache Alex darauf Aufmerksam.

"Ach, da ist es ja!", ruft Alex voller Freude!
Er hebt den Geldbeutel auf und nimmt ihn an sich.

"Ich möchte nur auf Nummer sicher gehen: befindet sich der Ausweiß ihrer Tochter auch darin?", fragt die Polizistin, die wohl langsam merkt, welches Spiel wir hier spielen.

"Äh.. ja, natürlich!", Alex geht mit zittrigen Händen durch die Kartenfächer meines Portemonnaies.
"Mein Personalausweis... Führerschein... ja wo hatte ich den denn noch mal..."
Alex hat einen Gesichtsausdruck, der verraten lässt, dass sein Kartenhaus kurz davor ist, zu zerfallen.

"Ich meine den hattest du doch auf der inneren Seite im dritten Fach!", sage ich Alex.

Er hält einen Micky-Maus-Magazin-Agenten Ausweiß in der Hand. Meinen Micky-Maus-Magazin-Agenten-Ausweiß. Alex dreht sich zu mir um und sieht mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern.

"Na, da haben sie ja noch einmal Glück gehabt! Und ich dachte schon, sie wären zwei Hochstapler die die Polizeiwache hier einfach nur infiltrieren wollten. Sie wissen gar nicht, wie oft so etwas vorkommt!", sagt die Polizisten und lacht. Sie wirkt sichtlich erleichtert.

"Das kann ich mir gut vorstellen!", sage ich und lache mit. "Ich würde jetzt gerne kurz das WC aufsuchen wenn es ihnen nichts ausmacht."
"Klar, kein Problem! Einfach da vorne an den Zellen vorbei. Der Weg zum Ausgang ist von dort aus beschildert. Ich führe ihren Freund schon einmal nach draußen!", sagt die Polizistin, die uns nun scheinbar vollends vertraut. Als ich mich auf den Weg mache, nickt mir Alex noch kurz zu.

Da steh ich also nun. Alleine vor etwa dreißig Zellentüren. Ein Geruch von Alkohol, Tabak und Tzatziki zieht mich zu der Zelle hinten links am Gang. Es muss die von Albrecht sein.

Da der Staat die finanzielle Unterstützung der Polizei stark kürzen musste, lassen sich die Schlösser von außen relativ leicht knacken.
Jedenfalls hoffe ich das.

Ich hole mein Werkzeug, eine Büroklammer, aus meiner Hosentasche und setzt an das Schloss an. Ohne, dass ich etwas gemacht hätte, lässt sich die Tür ohne weiteres aufdrücken. Das Schloss scheint bereits manipuliert worden zu sein.

Ich drücke die Tür vorsichtig auf. Im inneren sehe ich nur eine Toilette, eine Sitzbank welche als Bett fungiert und ein großes "A" mit einem kreis drumherum an der Wand, welches offensichtlich vor kurzen mit Edding dort aufgetragen wurde.

Die einzelne Neonröhre, welche die Zelle mit kaltem Licht erhellt, flackert.

Ich gehe weiter in den Raum hinein. In der Mitte von dem "A" an der Wand klebt eine Karte, welche notdürftig mit einem Kaugummi befestigt wurde.

Ich reiße die Karte ab. Als ich den Text lese, der auf der anderen Seite geschrieben steht, wird mir klar, wo Albrecht ist.

"Du kommst aus dem Gefängnis frei. Gehen sie nicht über "Los" und ziehen sie keine 400 DM ein", darunter eine Unterschrift von Albrecht.

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