46. Kapitel

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Jungkook:

Mein rechtes Bein wippte unruhig, der Rhythmus getrieben von der Mischung aus Wut und Sorge, die in mir brodelte. Seit Stunden saß ich hier, gefangen in diesem unbequemen Stuhl, die Arme fest vor der Brust verschränkt, und starrte ins Leere, als könnte ich dort irgendeine Antwort finden. Die Ereignisse der letzten Tage hatten sich wie ein düsterer Nebel in meinem Kopf festgesetzt, der einfach nicht weichen wollte.

Hätte ich Taehyung nicht allein gelassen, wäre das alles nie passiert. Er hätte sich nicht bis zur Bewusstlosigkeit betrunken, und ich müsste jetzt nicht hier sitzen und um sein Leben bangen. Doch stattdessen ließ ich mich von meinem Bruder in seine verdammten Probleme hineinziehen. Diese verfluchte Lieferung, die er bekommen sollte und die nun angeblich zu spät war, trieb ihn fast in den Wahnsinn. Er glaubte wirklich, wir hätten es vermasselt. Wenn ich Taehyung nicht allein gelassen hätte, wäre er gekommen und hätte ihn gefunden. Genau damit hatte er mir gedroht. Und ich wusste genau, dass Jeongguk keine Sekunde zögern würde. Ein Zucken seines Fingers, und eine Waffe wäre schneller gezogen, als ich blinzeln könnte. Tae war in Gefahr – und ich konnte das nicht zulassen.

"Kommissar Jeon, die Besucherzeiten sind leider vorbei. Ich werde Sie sofort benachrichtigen, sobald Ihr Freund aufwacht.", unterbrach plötzlich eine Krankenschwester meine Gedanken. Ihr Ton war freundlich, aber bestimmt. Ich wandte ihr einen kühlen Blick zu, der all die Stunden der Anspannung und des Frustes widerspiegelte. Ob ich nun die ganze Nacht hier gewesen war oder noch eine weitere blieb, sollte ihr doch egal sein.

"Ich gehe nirgendwo hin. Ich bleibe bei meinem Partner. Mir ist es scheißegal, ob Sie ein Problem damit haben. Rufen Sie doch meinen Chef an, wenn es Ihnen nicht passt.", entgegnete ich ihr mit einer tiefen, fast bedrohlichen Stimme. Die Krankenschwester seufzte genervt, bevor sie das Zimmer verließ, anscheinend entschlossen, sich nicht weiter mit mir anzulegen.

Mein Blick glitt sofort zurück zu Taehyung, der reglos und blass im Bett lag, eine Infusion an seinem Arm befestigt. Sein Gesicht war fast gespenstisch weiß, die Lippen trocken und rissig, und seine Nase tropfte unaufhörlich. Ich konnte den Moment noch immer klar vor Augen sehen, als er im Schlafzimmer zusammenbrach. Ohne zu zögern, hatte ich ihn in meinen Armen gepackt und direkt ins Krankenhaus gebracht. Die Diagnose war vernichtend: Alkoholvergiftung. Der Gedanke, dass er seine Karriere als Polizist verlieren könnte, quälte mich. Ein Alkoholiker in unseren Reihen? Das wäre das Ende seiner Laufbahn. Taehyung trank oft – zu oft. Er musste das in den Griff bekommen, bevor es zu spät war.

Meine Gedanken wurden durch das Vibrieren meines Handys unterbrochen, das in meiner Hosentasche summte. Genervt zog ich es heraus und sah, dass es mein 'Chef' war – wobei eher ich sein Chef war, wenn man es genau nahm.

"Was?!", bellte ich in den Hörer, während mein Blick wieder auf Taehyung fiel, der weiterhin leblos wirkte, sein Gesicht noch blasser, als ich es mir hätte vorstellen können.

"Warum ruft mich das Krankenhaus an und sagt, dass du dich nicht an die Besucherzeiten hältst? Was zum Teufel machst du überhaupt im Krankenhaus?!" Yoongis Stimme war scharf, und ich konnte die Gereiztheit darin spüren. Ein weiterer Grund, genervt zu sein.

"Ich musste Tae ins Krankenhaus bringen, weil er zu viel gesoffen hat... und ich kann ihn nicht allein lassen, Yoongi. Du weißt doch, was er für Panik bekommt, wenn er allein in einem Krankenhaus voller Ärzte aufwacht. Nein, ich bleibe hier.", antwortete ich, meine Stimme fest und unnachgiebig. Die Vorstellung, dass Taehyung aufwachte und niemand da war, jagte mir kalte Schauer über den Rücken. Ich würde ihn nicht im Stich lassen. Nicht jetzt.

"Was? Er hat zu viel... Warum?"

"Weil ich es vermasselt habe, okay? Jetzt nerv mich nicht und mach deinen verdammten Job! Jeongguk geht mir schon auf die Nerven wegen seiner scheiß Lieferung, die vor einer Woche hätte ankommen sollen!" Ich beendete das Gespräch abrupt, bevor er noch weiter fragen konnte, und rückte näher an Taehyung heran, seine kalte Hand in meine nehmend.

Um die Zeit totzuschlagen, scrollte ich ziellos auf meinem Handy herum, antwortete auf ein paar belanglose Nachrichten und landete schließlich bei TikTok. Eine Stunde verging, in der ich mich von den endlosen Videos ablenken ließ, bis mich plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel aus meiner Trance riss. Taehyung hatte mir seine Hand entzogen.

Sofort legte ich das Handy beiseite und setzte mich aufrechter hin. Meine Augen verfolgten, wie er sich langsam regte, sich die Augen rieb und sich müde im Zimmer umsah. Mein Herz machte einen Sprung, als er endlich wieder zu Bewusstsein kam.

"Fuck... Was ist passiert?", fragte Taehyung, als er mich bemerkte, und versuchte, sich mühsam aufzurichten. Seine Augen waren trüb, als hätte er die letzten Stunden in einem dunklen Abgrund verbracht.

"Du hast dich fast zu Tode gesoffen. Du hast eine Alkoholvergiftung. Ich hab dich ins Krankenhaus gebracht.", erklärte ich leise, bemüht, die Besorgnis in meiner Stimme zu unterdrücken. Taehyung ließ sich mit einem tiefen Seufzen zurück in die Kissen fallen, seine Hand wanderte zu seinem pochenden Kopf.

"Scheiße... Es tut mir wirklich leid... Ich wusste einfach nicht mehr weiter–"

"Psshh... Schon gut, Baby. Wirklich. Es ist ja nichts Schlimmes passiert.", unterbrach ich ihn sanft, während er sich unruhig auf dem Bett drehte. "Drückst du gleich mal den Knopf da? Damit die Schwester weiß, dass du wach bist." Doch statt dem nachzukommen, legte Taehyung seine Hände auf die Augen, als könnte er sich vor der Realität verstecken.

"E-es tut mir so leid... Ich bin so blöd... Und zickig... Und dickköpfig..." Seine Stimme brach, und bevor ich reagieren konnte, begannen die Tränen unkontrolliert über sein Gesicht zu strömen. Ohne zu zögern, zog ich ihn in meine Arme, hielt ihn fest, als könnte ich damit all seine Ängste und Schmerzen vertreiben.

"Schatz, es ist okay... Trink bitte einfach nicht mehr..", flüsterte ich ihm ins Ohr und strich ihm sanft über den Rücken. "Deine Probleme lösen sich nicht in einem Glas Wein auf. Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht..." Taehyung vergrub sein Gesicht in meiner Schulter, seine Hände klammerten sich verzweifelt an mich, als wäre ich der einzige Halt in einem tosenden Sturm.

"Ich wollte nicht so viel trinken... Ich hab nur nicht mehr auf mein Limit geachtet... Ich mach das nie wieder, versprochen! Verlass mich bitte nicht..." Seine Worte waren kaum mehr als ein verzweifeltes Flüstern, die Angst in seiner Stimme schnürte mir die Kehle zu.

"Ich verlass dich nicht... Dafür liebe ich dich zu sehr...", murmelte ich, versuchte, ihm ein beruhigendes Lächeln zu schenken, doch es fühlte sich falsch an, unecht. Und nur wenige Sekunden später verschwand das Lächeln wieder, und ich hielt ihn einfach nur fest.

Es tat mir so leid... Ihn anlügen zu müssen. Ihm ein so entscheidendes Detail zu verschweigen. Wie würde er reagieren, wenn er herausfände, was ich wirklich war? Ein Mörder, ein Lügner, ein Betrüger... Er würde mich hassen. Er würde mir nie wieder in die Augen sehen können. Er würde alles bereuen, was wir geteilt haben... und mir das Herz brechen, so wie ich seines brechen werde.

"Schatz? Ich will nach Hause..." Taehyungs Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, brüchig und schwach. Ich löste mich von ihm und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn, spürte die kühle Haut unter meinen Lippen.

"Ich weiß..." Ein Seufzen entkam mir, während ich den Knopf drückte, damit diese Krankenschwester kommen und dem Arzt Bescheid geben konnte. Die Minuten verstrichen zäh, bevor sie schließlich das Zimmer betrat, das Gesicht genervt, bevor sie Taehyung sah und ein falsches Lächeln aufsetzte.

"Sie sind wach! Wie schön! Ich hole sofort den Arzt. In der Zwischenzeit können Sie ja Ihrem Freund ans Herz legen, nach Hause zu gehen, da die Besucherzeiten längst vorbei sind.", sagte sie mit einer falschen Süße in der Stimme und ließ uns dann wieder allein.

"Schatz, du musst gehen... Ich krieg das schon–"

"Okay. Dann lass ich dich allein. In einem Krankenhaus voller Ärzte, die sich brennend für deinen Arsch interessieren... Bist du bescheuert? Ich bleibe! Mir egal!", schnitt ich ihm sofort das Wort ab. Die Erleichterung in seinem Gesicht, als er meinen Entschluss hörte, war fast greifbar, und ohne zu zögern zog er mich an meinem Arm zu sich und klammerte sich fest.

Mit jedem Moment wuchs das schlechte Gewissen in mir, drohte mich zu erdrücken. Ich hoffe nur, dass er unsere Beziehung nicht bereuen würde... Ich liebtr Tae wirklich, und ich würde alles tun, um ihn zu schützen. Egal, was er entschied, wenn die Wahrheit ans Licht kam – ich würde jede seiner Entscheidungen akzeptieren.

Aber tief in meinem Inneren hoffte ich, dass ich zumindest einmal in meinem Leben Glück haben würde... Denn ich hatte bereits einen Plan, falls Tae bei mir bleiben möchte. Doch davon konnte ich ihm nichts erzählen... Noch nicht.

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Ein wenig müsst ihr euch noch mit der Action gedulden... Aber etwas viel fluff und filler sind ja auch nicht schlecht, oder?

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