37. Kapitel

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Taehyung:

Müde setzte ich mich auf, als ich das leise Geräusch der zufallenden Tür hörte. Jungkook war gerade aus meiner Wohnung gestürmt. Gähnend rieb ich mir die Augen und überlegte, ob ich ihm hinterhergehen sollte, doch dann sah ich, wie in seiner Wohnung das Licht anging.

Eilig setzte ich meine Brille auf und sah stirnrunzelnd zu, wie Jungkook sich hektisch anzog. Jede Bewegung schien entschlossen und zielgerichtet, als ob er genau wüsste, wohin er musste. Mein Herz schlug schneller, während ich beobachtete, wie er sich seinen Motorradhelm schnappte und die Wohnung verließ, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

"Warum gehst du so spät noch weg?", flüsterte ich leise ins Nichts, meine Stimme war kaum mehr als ein Atemzug. Dann hörte ich das tiefe Brummen seines Motorrads, das durch die stille Nacht schnitt. Ein Gefühl der Leere überkam mich, als ich ihn davonfahren hörte und ich ließ mich seufzend zurück ins Bett fallen.

Ich starrte an die Decke, während sich meine Gedanken überschlagen. Schlafen konnte ich jetzt sowieso nicht mehr. Jungkook hätte wenigstens etwas sagen können... Ich wollte nicht kontrollierend oder besitzergreifend wirken, aber es fühlte sich merkwürdig an, wenn er mich mitten in der Nacht einfach so allein ließ. Klar, wir waren noch nicht lange zusammen und es war wohl auch nicht normal, in der Anfangsphase einer Beziehung jede Minute miteinander zu verbringen. Aber dennoch...

Ein Teil von mir verstand, dass man zu Beginn einer Beziehung nicht immer die volle Wahrheit sagte, dass man noch vorsichtig war, sich nicht komplett öffnet. Doch Jungkook hätte mir doch wenigstens Bescheid geben können. Es ging mir nicht einmal darum, wohin er ging oder was er tat – es war die Art, wie er einfach verschwand, ohne ein Wort.

Ich spielte mit dem Gedanken, ihm eine Nachricht zu schreiben, aber ließ es dann doch bleiben. Stattdessen stand ich auf und ging in die Küche, um mir ein Glas Wein einzuschenken. Vielleicht würde das helfen, die Unruhe zu vertreiben, die sich in mir ausgebreitet hatte.

Mit dem Glas in der Hand setzte ich mich im Schneidersitz auf mein Bett, mein Blick wanderte zurück zu Jungkooks dunkler Wohnung. Die Einsamkeit kroch erneut über mich hinweg, diesmal stärker als zuvor. Die Tränen, die sich in meinen Augen sammelten, waren ein stummer Zeuge dieser unerklärlichen Sehnsucht. Es war absurd, wie sehr ich ihn vermisste, obwohl er erst vor wenigen Minuten gegangen war. Die Leere in mir war überwältigend.

Um mich abzulenken, stand ich auf und setzte mich an meinen Arbeitstisch. Ich schlug die Mappe auf, die dort lag und starrte auf die Notizen zu den mysteriösen Mordfällen, die mir seit Wochen keine Ruhe ließen. Diese verdammten Buchstaben... Sie ergaben keinen Sinn.

"JJ, JW, MY...", murmelte ich, während ich die Abkürzungen wieder und wieder durchging. "Jjjwmy? Mywjjj? Jjmyjw? Bescheuert..."

Plötzlich weiteten sich meine Augen, als eine Theorie in meinem Kopf Gestalt annahm. Ich griff hastig nach einem Schmierzettel und begann, meine Gedanken aufzuschreiben.

"JJ – Jeon Jungkook... JW – Jackson Wang... MY – Min Yoongi... Fehlen noch KN und KT... Wenn beim nächsten Leichenfund KN oder KT steht, dann hat das irgendetwas mit unserer Wache zu tun... Aber was?", flüsterte ich, meine Stimme zitterte vor Aufregung und Besorgnis. Ich zog die Bilder der Leichen näher heran und studierte sie erneut, suchend nach dem roten Faden, der alles zusammenhielt.

Alle diese Männer waren im Knast gewesen... und trotzdem hatten sie ihr Unwesen getrieben. Hatte sie jemand aus dem Weg geräumt, weil sie zu gefährlich geworden waren? Aber etwas stimmte nicht. Drei unterschiedliche Methoden, drei verschiedene Todesarten – das passte einfach nicht. Kein Mörder, der es genoss zu töten, wechselte so oft seine Methode. Ein Psychopath entwickelte eine Vorliebe, eine bestimmte Art zu töten, die ihm Befriedigung verschaffte. Sie ändern ihre Vorgehensweise vielleicht ein- oder zweimal, aber drei Mal in nur zwei Monaten? Das war einfach unlogisch...

Und Taehyun...? War er möglicherweise auch eines ihrer Opfer geworden? Hatte er ihnen zu nah auf die Pelle gerückt?

"Es ist zu spät, um daran zu denken, Taehyung...", murmelte ich und schloss die Akte wieder. Ich nahm einen tiefen Schluck Wein, der die Bitterkeit in meinem Hals nur kurz zu überdecken vermochte und griff nach meinem Handy.

Zögernd starrte ich auf die Tastatur, meine Daumen schwebten unschlüssig darüber. Was sollte ich ihm schreiben? Ein einfaches "Wo bist du?", klang zu fordernd, vielleicht sogar anklagend. "Warum bist du abgehauen?" konnte ich auch nicht bringen...

Ich seufzte und ließ meine Finger schließlich doch über die Tasten fliegen, tippte eine Nachricht ein, änderte sie, tippte weiter, bis ich endlich den Mut fand, auf Senden zu drücken.

My boyfie👨‍❤️‍💋‍👨🖤

Uhm... Schatz? Ich mach mir
sorgen... Ich bin eben ohne
dich aufgewacht....
02:39 Uhr

Nachdenklich beobachtete ich, wie Jungkook kurz online kam, meine Nachricht las und dann sofort wieder offline ging. Ein leises Gefühl der Besorgnis kroch in mir hoch, während ich meinen Kopf zur Seite neigte.

"Habe ich etwas falsch gemacht? Oder etwas Falsches gesagt?", murmelte ich leise zu mir selbst und versuchte verzweifelt, unseren Abend im Kopf noch einmal durchzugehen. Was war schiefgelaufen?

Als er mir erzählt hatte, dass er aus Nordkorea geflohen war, hatte mich das im ersten Moment schockiert. Ich hatte noch nie zuvor einen Flüchtling getroffen. Doch schlimm fand ich es nicht – im Gegenteil, es machte ihn nur noch faszinierender. Jungkook war schon immer eine komplexe, rätselhafte Person für mich gewesen, aber diese Offenbarung war ein weiteres Puzzleteil, das ihn greifbarer machte. Für mich war er etwas ganz Besonderes.

Der Rest des Abends war ruhig verlaufen: Wir hatten zusammen gegessen, etwas ferngesehen und waren dann ins Bett gegangen. Nichts Ungewöhnliches, nichts, was seine plötzliche Flucht in die Nacht erklären würde. Ja, wir hatten ein wenig geknutscht, aber mehr war nicht passiert. Was also trieb ihn dazu, so abrupt aufzubrechen? Oder war es vielleicht doch etwas, das nichts mit mir zu tun hatte?

Seufzend legte ich mich wieder ins Bett und schaltete das Licht aus, obwohl ich wusste, dass es schwer sein würde, einzuschlafen. Meine Gedanken kreisten weiter um Jungkook, während sich eine stille Traurigkeit in mir ausbreitete. Ein paar stumme Tränen rollten über meine Wange, während ich hoffnungsvoll zu seiner dunklen Wohnung hinüberblickte. Doch natürlich blieb das Licht aus, und schließlich übermannte mich die Erschöpfung.

Irgendwann, vielleicht eine Stunde später, spürte ich, wie sich jemand hinter mich legte. Der vertraute Geruch von Rauch und Alkohol drang an meine Nase und ich wusste sofort, dass es Jungkook war. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und kuschelte mich an seinen kalten Körper. Seine Anwesenheit beruhigte mich – es war mir egal, dass er nach Alkohol stank. Hauptsache, er war wieder bei mir.

"Tut mia leid, Baby... Isch musste gaaaaanz dringend was erledigen...", nuschelte Jungkook betrunken, seine Stimme schwer und undeutlich. Ein Stirnrunzeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.

"D-du hast mich ernsthaft allein gelassen, um saufen zu gehen?", fragte ich traurig, legte aber trotzdem meinen Kopf auf seine Brust. Ich konnte einfach nicht anders – ich brauchte seine Nähe, so sehr, dass es fast wehtat.

"Nein, Schatz... Isch musste meinem Bruda helfen... Und er hat misch auf einen Drink eingeladen... Ich vertrag nischt viel..." , antwortete Jungkook, seine Worte etwas klarer, aber immer noch verschleiert vom Alkohol. Seine Erklärung beruhigte mich ein wenig, doch die Müdigkeit forderte ihren Tribut, und ich entschied mich, das Thema ruhen zu lassen. Ich wollte nur noch schlafen, die Verwirrung und den Kummer hinter mir lassen.

"Ich liebe dich, Taehyung... Ich werde alles dafür tun, dich zu beschützen... Auch wenn ich mich vor dich stellen muss...", murmelte er plötzlich, seine Stimme überraschend ernst und klar, ohne den alkoholgeschwängerten Akzent von vorher.

Ich kuschelte mich dichter an seinen Körper, grummelte leise und schlug seine Hand weg, als er versuchte, sie auf meinen Hintern zu legen. Seine Worte hatten mich berührt, doch sie hinterließen auch ein seltsames, beunruhigendes Gefühl in meinem Bauch. Was meinte er damit? Und warum klang er plötzlich so nüchtern?

Mit einem schweren Seufzer schloss ich die Augen und versuchte, den Knoten in meinem Magen zu ignorieren. So sehr ich es auch wollte, ich konnte Jungkook einfach noch nicht vollständig vertrauen... und das nagende Gefühl, dass etwas nicht stimmte, ließ mich nicht los, selbst als der Schlaf mich endlich übermannte.

°°🚔°°

Danke für's Lesen <3

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