32. So nah und doch so fern

Achtung Kitschalarm :)

Isabella zerhackte die getrockneten Kräuter und verarbeitete sie mit einer Bitterwurzel zu Pokémonmedizin. Die Apotheke, in welcher sie seit zwei Wochen mit half, war zwar klein, hatte aber ein stolzes Sortiment an Pokémonmedizin zu bieten. Sorgfältig und ordentlich war alles in Gläsern aufbewahrt und in Holzschubern untergebracht.
Ein schummriges Licht erhellte den Raum. Mit einer weißen Schürze bekleidet und zusammengebundenen Haaren räumte sie die Medizin seelenruhig in die dafür vorgesehenen Fächer und Gläser ein.
Dann machte die Lady die nächsten frischen Kräuter zum Trocknen bereit. Gedankenverloren schnürte sie die grünen Pflänzchen zusammen. Ihre neuen Aufgaben gefielen ihr; welch Glück, dass die Persimbeeren nicht geholfen haben.
Die Tür öffnete sich und die Eingangsglocke erklang.

Erwartungsvoll blickte Isabella in den Türrahmen um ihren nächsten Kunden zu begrüßen.
Der aber blieb mit offenem Mund stehen und hielt wie in Starre die Türklinke fest. Sein Begleiter prallte ihm direkt gegen den Rücken.
Erstaunt, was mit dem Kerl vor ihr los war, fragte sie: "Kann ich Euch helfen, Sir?"
Die Lippen des dunkelblonden Mannes bebten und er krächzte: "Cecilia?"
Da er sie mit einem Namen benannte, wurde es für die Lady interessant. Sie musterte ihr Gegenüber von oben bis unten. Tatsächlich schien er ihr vertraut zu sein.
Ihren Blick ließ sie nicht von dem dunkelblonden Mann ab: "Ihr wisst, wer ich bin?"
Sein Begleiter warf ein: "Ist sie das? Kein Wunder, nach der hätte ich auch gesucht." Dabei grinste er verstohlen und wandte sich sofort wieder ab.
Der Kerl nickte auf ihre Frage: "Erkennst du mich nicht? Ich bins, Julius."
Verlegen sah Cecilia zur Seite weg und gestand: "Ich muss dich leider enttäuschen. Ich hab keine Ahnung wer ich bin oder wer du bist oder woher ich überhaupt komme."
"Du bist vor über drei Wochen verschwunden. Ich hab gedacht, du wärst tot", keuchte der junge Mann mit bibbernder Stimme und hielt sich anschließend die Hand vor seinem Mund. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Der Begleiter reagierte zur Abwechslung sensibel. "Ich lass euch lieber mal allein", sprach er und verschwand zur Tür hinaus.

Die schwarzhaarige Lady erkannte, wie nahe ihrem Gegenüber das alles ging. Julius stützte sich am Thresen ab und japste nach Luft; er war kurz vor einer Ohnmacht.
Sie kam hinter der Theke hervor und legte erst eine Hand auf seine Schulter. Mitleidig sah sie ihn an. Julius fuhr hoch und erwiderte ihren Blick. Sein Ausdruck? In etwa so, als hätte er einen Geist gesehen. Cecilia hielt inne, ging dann einen weiteren Schritt auf ihn zu.
Dieser Kerl konnte sein Glück kaum fassen. Als er endlich begriff, dass sie tatsächlich vor ihm stand, fiel Julius ihr um den Hals. Tränen der Erleichterung liefen über sein Gesicht und er drückte sie fest an sich.

Die junge Dame ließ ihn einfach machen. Sie freute sich für diesen Mann, der sich ihr als Julius vorgestellt und sie wiedergefunden hatte. Aber irgendetwas Vertrautes hatte er an sich. Ein leises Wimmern hörte sie von ihm. Dass sie einem Menschen auf der Welt so viel Freude bereiten konnte?
Minutenlang verharrten die beiden in ihrer Umarmung. Sie würde es nicht wagen, diese aufzulösen und wartete stattdessen, bis der junge Mann dies tat.

"Was ist mit deinem Rizeros?", wollte Julius wissen, während er sie immer noch im Arm hielt.
Die Frage nach ihrem Pokmeon sprach dafür, dass er die schwarzhaarige Lady wirklich von früher kannte. "Das ist zum Glück bei mir. Hab ich mehrere Pokémon oder nur Rizeros?"
Er schüttelte lächelnd den Kopf: "Du hast nur eines."
Da Julius gar nicht mehr von ihr abließ, kamen Cecilia seltsame Gedanken. Aber sie musste Gewissheit haben: "Du, Julius?" Sie stockte und fuhr schüchtern fort: "Sind wir eigentlich ein Paar oder sowas?"
Immer noch in der Umarmung gefangen spürte Cecilia ein Kopfschütteln.
"Nein. Nein, leider nicht", seufzte er aus.
Sollte sie das hören oder doch besser überhören? Rutschte es ihm versehentlich raus oder musste er dazu seinen ganzen Mut zusammen nehmen?
Ihre Neugier packte sie: "Wie meinst du das; leider nicht?"
"Na, wie ich es sagte..." Julius griff sie an ihren Schultern und blickte ihr ins Gesicht: "Ich mag dich seit Jahren. Aber ich hab es nie geschafft, dir das zu sagen."

Sein Geständnis trieb Cecilias Puls in die Höhe. Was sollte sie jetzt tun? Sie wusste doch überhaupt nicht, ob sie ihn ebenso mochte. Nur eine leise Ahnung; ein vertrautes Gefühl von Geborgenheit... Dieses Empfinden könnte aber auch an seinem herzerwärmendem Geständnis liegen.
"Ich", stammelte sie: "Ich, äh, Julius..." Wortwörtlich war sie sprachlos.
Sanft strich er ihr über die Wange: "Du musst nicht antworten. Es ist nur so, dass ich mir geschworen habe, bei unserem nächsten Wiedersehen reinen Tisch zu machen."
Die Lady griff nach seiner Hand und erklärte: "Glaub mir; ich wüsste zu gerne, ob ich dich auch auf diese Weise mag." Sie kaute auf ihren Lippen: "Aber ich erinnere mich einfach an nichts."
Er legte seine Wange auf ihre und flüsterte ihr ins Ohr: "Ich kann warten. Und ich werde weiter warten. Wenn es sein muss auf ewig."
Sein Geständnis war so unreal, aber es löste in Cecilia eine wohlige Wärme aus.

Sie wich zurück und bat ihren Verehrer: "Kannst du mir ein paar Dinge aus meinem Leben erzählen?"
Wie könnte er ihr je einen Wunsch abschlagen?
"Du bist in der Hauptstadt Johtos Bürgermeisterin und hoch angesehen. Mit Rizeros bist du unschlagbar. Wir haben zusammen die Königsfamilie vor einem Putsch gerettet. Du bist zurückgeblieben, um die Rebellen aufzuhalten. Im Nachhinein habe ich mir unzählige Male Vorwürfe gemacht, dass ich bei dir hätte bleiben sollen. Du verehrst außerdem Ho-Oh, genau wie ich."
Julius erzählte ihr noch weitere Dinge. Der junge Mann hatte seinen Begleiter vor der Tür ganz vergessen. Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, waren sie sich einig, sich mit Bernd und Barbara zusammenzusetzen.
Cecilia brachte die beiden Besucher mit in Barbaras Wohnung und rief: "Barbara? Wir haben Besuch. Einer von ihnen kennt mich!"
Die Alte kam aus dem Wohnzimmer.
"Oh wirklich? Das ist ja wunderbar! Kommt alle rein, ich mach uns Tee!", sagte sie und winkte alle zu sich. Dann blickte sie kritisch auf den Gebräunten: "Bitte sag mir, dass der da nicht dein Bekannter ist!"
Der Seemann war perplex sowie künstlich erzürnt: "Hay! Was hast du gegen mich, Barbara? Wo wir uns doch so gut verstehen!"
"Ja ja Bernd. Ins Amt des Kapitäns hast du dich geschmiert, das ist ein offenes Geheimnis!", feixte die Alte.

Sie nahmen am Esstisch Platz, während die Oma Wasser aufkochte.
Für die schwarzhaarige Lady standen noch einige offene Fragen im Raum: "Wie hast du mich eigentlich gefunden?"
"Es war so ein Gefühl. Deine Mutter war von den freien Städten. Ich dachte, du hast hier Zuflucht gesucht, aber..." Julius biss sich auf die Lippen.
Bernd gab seinen Senf dazu und beugte sich fast ganz über den Tisch: "Aber so eine Flucht konnte niemand planen! Du bist in den Sturm vom 18.09. hinein geraten und die Strömung hat dich hier ausgespuckt!"
Barbara trat mit dem Wasserkessel an den Tisch und gab zu bedenken: "Aber Isabella, ich meine Cecilia, ist hier erst am 29ten aufgetaucht."
Julius Mund blieb offen stehen: "Am 29ten September? Was hast du in der Zwischenzeit gemacht und wo warst du?"
Die schwarzhaarige Lady zuckte mit den Schultern und antwortete belustigt: "Du bist witzig. Woher soll ich das wissen?"

Die alte Gastgeberin sprach eine Mutmaßung aus: "Könnte es sein, dass du auf dem Weg hierher auf einer der vier Strudelinseln Halt gemacht hast?"
Bernds gespannter Blick fiel auf Barbara: "Das würde ja bedeuten, dass..."
"Was?", fragte Cecilia.
Der Gebräunte vollendete seinen Gedanken: "Bist du dort vielleicht dem silbernen Drachen begegnet?"
Die schwarzhaarige Lady schüttelte den Kopf: "Ich hab keine Ahnung."
"Zumindest werden diese Inseln auch als die Heimat des silbernen Drachen beschrieben. So richtig weiß das aber niemand", gab der Kapitän zu bedenken.
Barbara gab den Hinweis: "Es gibt viele alte Legenden und Mythen, die sich um einen Drachen tief unter den Inseln ranken. Aber dieses Wissen ist längst vergessen."
Bernd erhob die Hand und widersprach mit einem Grinsen: "Hay, nicht ganz, meine Liebe! In Oliviana haben wir eine Bibliothek mit uralten Büchern. Vielleicht kannst du dort was finden und Licht ins Dunkel über deinen Verbleib bringen."
Cecilia wich zurück: "Dann soll ich Anemonia wieder verlassen? Ich weiß doch noch nicht mal, wer ich bin."
Die Gastgeberin lächelte: "Irgendwann musst du mich sowieso wieder verlassen, Cecilia. Das heißt nicht, dass du hier nicht willkommen bist. Aber wie wir heute erfahren haben, bist du wichtig für Johto. Also reise ab und finde heraus, was mit dir passiert ist. Vielleicht erinnerst du dich dann auch an dein Leben."

Barbara hatte Recht. Cecilia konnte nicht ewig hier bleiben. Sie musste herausfinden, wer sie war.  Und wenn hier schon ein Julius aufgeschlagen war, der sich ihr voller Freude an den Hals warf und überglücklich war, sie gefunden zu haben, dann sollte sie ihn wohl auch begleiten.
Dennoch wandte sie sich zu ihm: "Hast du überhaupt Lust, mit mir tagelang in einer Bibliothek zu sitzen und am Ende vielleicht erfolglos zu bleiben?"
"Wenn ich dafür mit dir zusammen sein kann", schmeichelte er.

Am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang nahm die schwarzhaarige Lady voller Dankbarkeit Abschied von ihrer fürsorglichen Gastgeberin. Barbara war zu Tränen gerührt; offenbar hatte sie die Zeit mit der jungen umgänglichen Dame sehr genossen.
"Komm mich mal wieder besuchen, Kind", sagte die Alte gerührt und winkte zum Abschied.
Cecilia nickte mit einem Lächeln: "Versprochen!"

Ich hoffe, es war nicht zu krass kitschig XD Aber Julius hatte endlich den Arsch in der Hose, sich zu trauen. Leider zu einem beschissenen Zeitpunkt :D Aber was soll´s, jetzt sind sie mal zusammen unterwegs.

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