24. Angriff der Killerbären
Im Schutz der Bäume trug Arkani sein Herrchen sowie dessen Begleiterin immer weiter die sanften Hügel hinauf. Im Gegensatz zu Tristan beschäftigten Elena die auf sie stattgefundenen Angriffe immer noch. Kanto wie Johto hatten es auf das Duo abgesehen.
"Aber warum verfolgt Kanto uns immer noch? Doch nicht wegen dem bisschen gestohlenen Zeug. Und wie haben die uns gefunden? Nach Borkia gabs doch auch keine Probleme", stöhnte Elena.
Fragen, auf die auch Tristan keine Antwort wusste und er deswegen schwieg.
Im Nachhinein wäre es dem Mädchen am liebsten gewesen, sie hätte nie Sachen von Kanto gestohlen. Kleidung inklusive Pelz, Schlafsack, Zelt; alles war vom feinsten und nagelneu. Aber ob es das wert war, dafür in ständiger Angst vor Flammensäulen leben zu müssen?
Die Sonne ging unter. Mitten im Wald wies Tristan sein Pokémon an, stehen zu bleiben. So kümmerte er sich frühzeitig um ein Lagerfeuer und um die Essenszubereitung.
Trotz des Fisches zu Mittag äußerte er seinen Unmut: "Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich hab Hunger."
Wie man nur so viel fressen kann und immer noch so dürr ist, fragte sich Elena kopfschüttelnd.
Bevor die Nacht einbrach, löschte ihr Begleiter das Feuer und erläuterte sein Tun: "Nur um sicher zu gehen, dass weder die Johtolesen noch der Glurakmann uns findet."
Doch sollten alle seine Vorsichtsmaßnahmen umsonst sein. Hinter den Büschen raschelte es.
"Hallo Leute!", tönte es freundlich.
Tristan wandte sich um und kniff die Augen zusammen: "Jonas? Wo kommst du so spät noch her?"
Der Bürgermeister gesellte sich wie selbstverständlich zu den beiden: "Na, wo werde ich wohl gewesen sein? Ich hab euch gestern nicht gefunden. Bin dann raus aus Rosalia und hab mir ein zweites Pokémon gefangen. Schaut mal!" Er grinste breit. Aus dem Pokéball, welchen er hervorholte, kam ein kleiner Bär raus.
"Teddiursa!", rief das Pokémon fröhlich.
Elena klatschte sich die flache Hand auf die Stirn: "Du... Du hast 'n scheiß Teddiursa?"
"Ja, ich hab ein Teddiursa!", bestätigte Jonas und schwärmte: "Ist er nicht total süß? Seine Knopfaugen, sein Fell, total flauschig. Ich hab ihn gesehen, oh mein heiliges Lugia, er ist ja sowas von süß!"
Die Jugendliche verzog beide Augenbrauen: "Süß; na toll. Du weißt schon, dass du damit den Hass der Ursaring auf dich gezogen hast?"
Voller Entsetzen starrte Jonas auf das Mädchen, dann auf den Leutnant, der beipflichtend nickte: "Ist so. Ursaringmütter werden sehr aggressiv, wenn es um ihren Nachwuchs geht. Und da du gerade ein Junges von irgendeiner Mutter gestohlen hast... Naja... Sagen wir so; wir könnten Probleme bekommen."
Er erzählte dies in einem solch gleichgültigen Tonfall, als ginge es ihn überhaupt nichts an. Ebenso blieb Elena völlig ruhig und desinteressiert.
Jonas raufte sich die Haare: "Was? Ja und was soll ich jetzt machen?"
"Du hast dir grade deine Schmalzlocke ruiniert", spottete das Mädchen, als hätte der Bürgermeister keine anderen Probleme.
Tristan fragte zurück: "Wie? Was sollst du machen? Du kannst nur von hier verschwinden oder dich zerfleischen lassen."
"Das wird ja immer noch schlimmer!", rief Jonas aus und ließ seinen Kopf hängen.
Der junge Leutnant war genervt vom neuen Besucher: "Jetzt beruhige dich doch erstmal! Mit deiner Hysterie machst du ja den ganzen Wald nervös. Kein Wunder, wenn die Bären uns finden."
"Zur Not laufen wir halt weg", zuckte Elena mit den Schultern.
Mit glasigen Augen blickte der braunhaarige Bürgermeister in die Runde und fragte unter leichtem Schluchzen: "Dann muss ich mein Teddiursa nicht mehr hergeben?"
"Teddi?", gab das Pokémon von sich und blickte fragend auf seinen Besitzer.
Elena nickte; die Ursaring waren so oder so wütend auf ihn.
Da grinste der Bürgermeister über beide Ohren: "Wirklich? Ist das dein Ernst?"
Ohne auf seine weitere, aus ihrer Sicht dumme, Frage einzugehen, fügte das Mädchen vorwurfsvoll an: "Ich hätt mich auch gefreut, wenn sich jemand für mein Dragonir so eingesetzt hätte. Im Kriegsrat zum Beispiel. Oder wenn ein gewisser Bürgermeister im letzten halben Jahr mal meine Begnadigung unterstützt hätt. Aber tja, das kann man wohl nicht erwarten."
Jonas Grinsen wich aus seinem Gesicht. Sein Blick richtete sich reuevoll auf den Boden: "Es tut mir leid, dass ich nichts für dich getan hab, Elena. Aber beim nächsten Mal, wenn ich dir irgendwie helfen kann, werde ich das tun. Versprochen."
"Man soll nichts versprechen, was man nicht halten kann", entgegnete das Mädchen und erhob sich vom Baumstamm.
Tristan schoss eine andere Frage in den Sinn: "Aber Jonas, hat man dir das nicht in der Schule beigebracht, dass man sich von Teddiursa fernhalten sollte? Ich mein, das lernt man doch in jeder Schule in ganz Johto."
"Ich...", begann der Ebenholzener und kaute auf seinen Lippen: "Ich... Ich hab das wohl irgendwie vergessen."
Jetzt schlug sich auch Tristan seine flache Hand auf die Stirn und schüttelte den Kopf: "Sowas vergisst man doch nicht. Hast du da geschlafen?"
"Ähm tja, wahrscheinlich", stammelte der stolze Teddiursatrainer, welcher seinen kleinen Bären auf den Arm nahm und nicht mehr los ließ.
"Ursa!", schrie ein Pokémon in der Ferne auf.
Tristan erhob sich ebenso vom Baumstamm: "Sieht so aus, als bekämen wir jetzt schon Besuch."
Jonas hingegen rührte sich keinen Millimeter mehr, als er den Laut der Ursaringmutter hörte.
Der schwarzhaarige Kerl warnte: "Arkani, mach dich bereit."
Sein konzentrierter Blick schweifte über die dunkle Wand aus Bäumen und Sträuchern und er kaute auf seinen Lippen: "Wo bist du nur?"
Äste knackten im Unterholz und sofort deutete Tristan in jene Richtung: "Flammenwurf dorthin!"
Arkanis Angriff ging jedoch ins Leere. Mit seinem Schweif erzeugte der Feuerhund Funken und lenkte sie zu den Bäumen. Die Glut flog und fiel zu Boden. Der junge Mann erkannte die Silhouette des Ursarings, das bedrohlich nahe gekommen war.
Das überraschte selbst ihn, behielt aber einen kühlen Kopf: "Nochmal Flammenwurf, schnell!"
Arkani hatte das Bärenpokémon gesehen und attackierte es mit einem Volltreffer. Die Wut, die in Ursaring kochte, gab ihm Kraft zum weiter kämpfen. Außerdem hatte es sämtliche Ursaring im Tal zusammengerufen. Nach und nach kamen diese zum Vorschein und Augen blitzten in der Glut auf.
Tristan warf einen Blick über seine Schulter und fragte höflich: "Ähm, Elena? Kannst du mir hier mal helfen?"
Da klopfte sich das Mädchen ihre Kleidung zurecht und rief Dragonir zu Hilfe: "Los, Eisstrahl!"
Immerhin konnte der Drache die Ursaringgruppe festfrieren. Dies hinderte die Bären aber nicht daran, einen saftigen Hyperstrahl auf das Trio und ihre Pokémon zu entfesseln.
Der junge Leutnant wandte sich zur Gruppe: "Ich will ja nichts sagen, aber ich glaub, davon laufen wäre jetzt auch eine Möglichkeit... Los!"
Elena packte ihren Rucksack, ebenso Tristan. Noch während die beiden rannten, holten sie ihre Pokémon zurück in den Pokéball.
Jonas mit seinem Teddiursa auf dem Arm lief hinterher: "Ich könnte dich zurücklassen, aber ich will nicht."
Auf einer Lichtung im Wald blickte das Trio hinter sich und hörte keinen Mucks mehr.
Das Mädchen konnte dieser Ruhe nicht trauen: "Sind die noch festgefroren?"
Tristan starrte in die Dunkelheit: "Wäre möglich. Dragonir ist ziemlich stark geworden. Seine Eisattacke ist bestimmt nicht zu unterschätzen."
"Und doch klappt es nicht, diese verdammten Ursaring zu schlagen", haderte Elena.
Er winkte ab: "Da kannst du nichts dafür. Es ist in ihrer Art, komplett durchzudrehen, wenn es um ihre Kinder geht. Da helfen auch Volltreffer nichts."
"Hast du den Hyperstrahl gesehen, den die auf uns losgelassen haben? Das ist doch Wahnsinn!", beschwerte sie sich.
Ein normales Pokémon war, nachdem es mit einem Hyperstrahl angegriffen hatte, nicht mehr so schnell in der Lage, eine weitere Attacke einzusetzen. Nur die wütenden Ursaring kümmerte dies wenig.
"Kann ich Teddiursa trotzdem behalten?", fragte Jonas mit aufgesetztem Dackelblick.
Der junge Leutnant seufzte: "Morgen sind wir aus dem verfluchten Tal sowieso draußen. Dann verlieren sie hoffentlich auch Teddiursas Fährte und wir sind wieder in Sicherheit."
Die Jugendliche stellte Überlegungen an: "Ich bin dafür, dass wir heute Nacht irgendwo am Wasser schlafen. Vielleicht riechen sie uns dann nicht."
Auch Tristan dachte nach, was am besten wäre und kam zum Schluss: "Lasst uns heute schon vor Viola schlafen. Wilde Ursaring mögen die Stadt nicht. Vielleicht verlieren sie dort unseren Geruch."
Der junge Mann holte sein Arkani wieder raus, welches voran lief und dem Trio als Beleuchtung diente. Mit seinem Geruchssinn konnte es den Weg zur Stadt im Dunkeln finden, ohne sich zu verlaufen. Und so blieb der Feuerhund wenige hundert Meter vor der Stadtmauer Violas stehen und zeigte an, dass das Ziel erreicht war.
Weder Elena noch Tristan ahnten, was gleich geschehen würde.
Jonas kaute sich auf den Lippen, spuckte dann aber aber aus, was ihn belastete: "Also wenn wir schon mal hier sind, so kurz vor der Stadt..."
Das Mädchen wandte sich zu ihm und fiel ihm direkt ins Wort: "Jetzt sag bloß nicht, du lässt uns mit diesen scheiß Killerbären alleine?"
Sie stützte ihre Hände in die Hüfte und starrte auf den Bürgermeister.
"Ich", stotterte er: "Ich kann doch eh nichts ausrichten. Ich bin hier praktisch wehrlos."
"Ach ja", erhob Elena ihre Stimme und begann wild zu gestikulieren: "So wehrlos, dass du mit deinem hässlichen Knuffelbären zu uns kommst und wir dich beschützen sollen. Aber sobald du eine bessere Wahl hast, lässt du deine Leute hängen und machst dich aus dem Staub."
Abwehrend erhob Jonas die Hände und beschwichtigte: "Ich dachte nur, ich... Ich kann natürlich auch hier bleiben."
"Nein", keifte die Jugendliche und deutete mit dem Zeigefinger in das Dunkel: "Du verpisst dich sofort, du verdammter Bastard! Und glaub ja nicht, dass ich dir noch einmal den Arsch rette, du Hässlicher."
"Elena, beruhige dich doch", sprach der Ebenholzener.
"Ich bin ruhig!", schrie das Mädchen aus und stampfte auf den Boden: "Und jetzt hau ab du Arschloch!"
Bevor Jonas reagieren konnte, befahl Elena ihrem Dragonir mit Aquaknarre auf ihn zu schießen. Jedoch konnte der Bürgermeister entkommen, ehe ihn das Wasser traf. Springende Schritte über das Laub waren zu hören.
Eine letzte Warnung rief sie ihm hinterher: "Und lass dich nie wieder sehen!"
Tristan konnte sich bei alledem ein Grinsen nicht verkneifen. Er hätte es zwar diplomatischer ausgedrückt, jedoch trafen Elenas Worte genau seine Gedanken. Insgeheim war er aber froh, dass Jonas weg war.
Ihren Standort änderten die beiden und gingen ein Stück zurück in den Wald. Östlich von Viola erhob sich das Gebirge wieder in den Himmel. Ein Felsvorsprung bot Sicherheit. Dennoch bauten die beiden das Zelt als Kälteschutz auf.
Währenddessen räusperte sich der junge Leutnant: "Danke, dass du ihn verscheucht hast. Er ist ein Arschloch sondergleichen. Es ist gut, dass er mal eine Abreibung bekommen hat."
"Der hat's echt nicht anders verdient!", betonte seine Begleiterin.
Tristan schmunzelte: "Da geb ich dir vollkommen Recht. Nur hätte ich nicht gedacht, dass du so, sagen wir, leidenschaftlich sein kannst."
Elena prustete aus: "Ja, sieht man mal. Damit ich mal so ausraste, muss es echt übel sein. Im Gegensatz zu meinem Bruder; der hatte immer sofort Wutanfälle."
"Mhm", entgegnete er, ohne auf ihre Worte näher einzugehen: "Jedenfalls gut, dass du dich um Jonas gekümmert hast."
Nachts erwachte der junge Mann vom Bibbern seiner Begleiterin. Im fahlen Licht des Mondes konnte er durch den Zeltstoff seinen eigenen Atem sehen. Dafür, dass sie als Ebenholzenerin die Kälte eigentlich gewohnt sein sollte, hielt sie nicht grade viel aus. Ihre Zähne klapperten und sie kauerte sich krampfhaft zusammen.
Fragend verzog er sein Gesicht: "Alles gut bei dir?"
Ohne sich zu bewegen stotterte die Jugendliche: "J-ja. Wa-was soll sein?"
"Also ich will ja nicht aufdringlich sein...", begann Tristan mit trockener Kehle: "Aber rutsch halt zu mir rüber. Ich fress dich schon nicht."
Nachdem er fertig gesprochen hatte, räusperte er sich in der Hoffnung, Elena hätte seinen Vorschlag überhört. Das Mädchen wandte sich jedoch zu ihm und zwei glänzende Augen starrten ihn wortlos an - zunächst.
"Bei den rauen Mengen, die du weg haust; sicher?", spottete sie, rutschte dann aber den halben Meter Abstand, den die beiden immer zwischen sich gelassen hatten, zu ihm auf.
"Und nicht fummeln!", drohte Elena mit erhobenem Zeigefinger.
"Versteht sich von selbst", wehrte Tristan ab.
Als er mit dem Sonnenaufgang erwachte, war Elenas Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Nachdenklich verzog er die Augenbrauen, beließ es aber dabei. Der junge Kerl seufzte aus und schloss noch einmal die Augen.
Wenig später gähnte Elena. Endlich konnte der junge Mann aufstehen, ohne seine Begleiterin zu wecken. Noch einmal blickte er ihr direkt ins Gesicht, als sie die Augen öffnete. Wenige Sekunden verharrte Elenas Blick auf Tristan, bis sich ihre Augen weiteten und sie sich hektisch aufrichtete.
"Oh mein Waldpatron", sprach sie und hielt sich ihre Hand vor den Mund.
Tristan verzog fragend das Gesicht: "Was denn?"
Beschämt kauerte sich die Jugendliche noch fester in ihren Schlafsack: "Haben wir die ganze Nacht so gepennt?"
Er zuckte mit den Schultern und verstand ihre Aufregung nicht: "Möglicherweise. Und? Ich hab nicht gefummelt, wie du gesagt hast."
Sichtlich angewidert gab sie von sich: "Unsere Gesichter waren nur 'n paar Millimeter voneinander entfernt. Und du fragst, was daran so schlimm sein soll? Das ist ekelhaft!"
"Warum? Sabberst du nachts und ich hätte darin ertrinken können, oder was? Paare tauschen ihren Sabber sogar bewusst aus, stell dir vor. Werde mal erwachsen", gab Tristan von sich und kroch aus dem Zelt.
Verhöhnend rief die Jugendliche hinterher: "Mein Sabber gehört mir! Und du bekommst ihn sicher nicht!"
Fröhlich erhob er seine Hände und sang zurück: "Will ihn auch gar nicht!"
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