11. Der Befehl des Generals
5 Monate später
Elenas Desertion war gut ein halbes Jahr her. Die Fukanotrupps waren noch wochenlang unterwegs, um sie aufzuspüren. Da die Suche zu keinem Ergebnis führte, beschloss General Hermann den Tod der Deserteurin. In der Öffentlichkeit erzählte er, dass sie im Fluss ertrunken und davongespült worden war.
Alles eine Lüge, wusste Tristan. Insgesamt war die Flussgeschichte schlüssig, denn so war auch erklärt, weshalb die Fukano keine Fährte mehr von Elena fanden. Doch hätte nur einer von ihnen sein Gehirn angeschalten und sich daran erinnert, dass sie ein Dratini bei sich hatte, wäre diese Lüge zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Immerhin hätte das Pokémon seine Besitzerin sofort aus dem Wasser gezogen.
Tristan konnte das nur Recht sein; schließlich wurde die Suche nach Elena eingestellt, sodass er sich nicht mehr sorgen musste, dass sie vielleicht doch noch gefasst werden würde. Ihre Versorgung hingegen war aber nicht sichergestellt.
Wöchentlich schlich er deshalb in den Wald und warf ein Essenspaket für die Deserteurin ab. Dass sie noch lebte wusste er dann, wenn die Pakete beim nächsten Mal nicht mehr da waren. Das beruhigte den jungen Mann. Immerhin war sie da draußen ganz auf sich allein gestellt.
Manchmal informierte er das Mädchen per Notiz auch über die Dinge, die vor sich gingen; dass der General kein Gnadenersuchen stellen wollte oder dass die Suche beendet worden war.
Tristan wusste nicht, was er für Elena hoffen sollte. Sollte sie nach Ebenholz zurückkommen, würde sie verhaftet werden. Sollte sie im Wald bleiben, würde sie weiterhin in diesen unwirtlichen Umständen leben.
Ein Ende des Krieges war aber noch lange nicht in Sicht, sodass er sich langsam selbst fragte, wie es mit der Waldbewohnerin weitergehen sollte. Eine Antwort darauf sollte der junge Leutnant jäh erhalten.
An diesem warmen Sommermorgen im August marschierte Tristan durch Ebenholz zu seinem Büro im Rathaus. Die Einwohner hatten sich an die Soldaten gewöhnt. Der junge Leutnant wurde nicht mehr für seine bloße Anwesenheit verachtet.
In seinem Büro angekommen sichtete er wie immer die Post, die gekommen war. Darunter ein Befehl von General Hermann. Gelangweilt öffnete er den Briefumschlag mit seinem Dolch, holte das Papier raus und entfaltete es.
Was Tristan darauf lesen musste, war unfassbar. Er blinzelte mit den Augen, schüttelte den Kopf und las den Befehl wieder. Er legte das Papier weg, blickte zur Seite, nur um kurz danach wieder auf den Brief zu sehen und das Geschriebene erneut zu lesen.
"Hiermit verfüge ich, dass die Soldaten, deren Pokemon sowie sämtliches militärisches Zubehör mit sofortiger Wirkung aus Ebenholz abgezogen werden. Gezeichnet, General Hermann Schiner."
Der junge Leutnant las den Brief immer und immer wieder. Die Signatur war echt, das Siegel war echt. Es war tatsächlich eine Verfügung vom General. Aber wieso?
Da er den Befehl in keinster Weise verstand, griff er zum Hörer und klingelte bei Hermann durch, welcher unmittelbar ans Telefon ging: "General Hermann Schiner hier."
Tristan grüßte seinen Vorgesetzten: "Leutnant Avila am Apparat, General!"
Gespielt erfreut antwortete Hermann: "Ah, Tristan, wie kann ich dir weiterhelfen?"
Der junge Mann hörte in der Stimme, dass der General überhaupt keine Lust auf das Telefonat hatte.
Der schwarzhaarige Kerl hatte gelernt, immer Kontra zu geben: "Ich denke Ihr wisst, weshalb ich anrufe."
Dem General wuchs ein Heiligenschein: "Sprichst du von dem Befehl?"
Tristan verdrehte die Augen und fauchte: "Von was denn sonst? Natürlich geht's um den Befehl. Ihr wisst schon, dass Ihr vor einem halben Jahr den Bewohnern hier sämtliche Pokémon weggenommen habt? Und als Ersatz dafür wurde Ebenholz in eine Militärstadt verwandelt, um die Verteidigung der Stadt gewährleisten zu können?"
Hermann japste nach Luft.
Solche Töne kannte er von dem jungen Avila nicht: "Aber, aber Tristan! Die Soldaten werden an anderer Stelle gebraucht. Wir rechnen mit einem kantonesischen Angriff in der nächsten Zeit. Wir müssen vorbeugen und zuerst angreifen. Und dafür brauche ich deine Soldaten."
Der junge Leutnant wies seinen Chef zurecht: "Euch ist schon klar, dass Ebenholz eine Grenzstadt und damit besonders als Ziel für einen kantonesischen Angriff geeignet ist? Ihr dürft die Soldaten hier nicht abziehen. Eher im Gegenteil; Ihr müsst unsere Bestände hier sogar aufstocken anstatt sie abzubauen!"
Der General widersprach: "Sag du mir nicht, was ich zu tun habe! Die Soldaten werden abgezogen. Ich habe das so entschieden."
"Im Kriegsrat? Waren die Bürgermeister dabei? Soweit ich weiß ist Jonas in der letzten Zeit kein einziges Mal in Dukatia gewesen", kritisierte der junge Leutnant.
Hermann brach in künstliches Gelächter aus: "Aber das ist doch keine Entscheidung für den Kriegsrat. Das ist die Entscheidung der Armee, von mir und meinen Offizieren. Und du hast meine Befehle auszuführen und nicht zu hinterfragen, damit das klar ist!"
Der General knallte den Hörer genervt auf die Gabel. Gut, so beendet man also Krisengespräche, dachte der schwarzhaarige Kerl.
Was Hermann wirklich im Schilde führte und wo Tristans Soldaten so dringend gebraucht wurden, konnte er nicht mehr in Erfahrung bringen. So blieb er ratlos sitzen.
Dann entschied der junge Leutnant, seine Schwester anzurufen. Er wollte sie fragen, ob sie vielleicht was von deren Vater wusste. Aber auch Cecilia hatte keine Ahnung, was vor sich ging.
Stattdessen fragte die Lady nach: "Und jetzt soll es kein Militär mehr in Ebenholz geben, nichts? Das finde ich ja schon einen Hammer. Vor allem wäre das doch auch interessant für den Kriegsrat?"
Da Cecilia aber auch über nichts Bescheid wusste, verabschiedete er sich von ihr und meinte, er würde noch seinen Vater anrufen und ihn fragen.
Zuletzt klingelte Tristan bei seinem Vater durch. Er würgte umgehend alle belanglosen Fragen ab und versuchte Isaak auszuhorchen. Er musste wissen, ob sein Vater was über den Abzug der Truppen aus Ebenholz und dessen Hintergründe wusste.
"Aber mein Sohn, woher soll ich denn wissen, was sich General Hermann dabei dachte?", antwortete Isaak, noch scheinheiliger als Hermann zuvor.
Tristan hatte keine Lust auf die Lügen seines Vaters und seufzte: "Bitte, lüg mich nicht an. Hermann ist ja wohl dein bester Kunde; sowas verbindet. Ich werfe dir das nicht vor. Mir ist es egal, wie sehr du mit ihm zusammen arbeitest. Wenn eure Zusammenarbeit aber Auswirkungen auf elementar wichtige Entscheidungen in einem Krieg haben, geht es mich sehr wohl was an. Also erzähl; was weißt du darüber."
Isaak stammelte verwirrt in den Hörer: "Na, nichts, Junge, ich weiß nur, dass er deine Soldaten an anderer Stelle braucht, verstehst du?"
Verschärft fragte Tristan nach: "Wo? Wo werden sie gebraucht?"
Isaak traf nur eine schwammige Aussage: "Das hat er mir auch nicht gesagt, bitte. Das musst du mir glauben. Er hat nur gemeint, dass es wohl ein ziemlich großes Ding wird, was er noch geheim halten will."
Er hörte seinem Vater die Verzweiflung an; offenbar hatte er tatsächlich alles gesagt, was er wusste: "Danke für das Gespräch, Vater. Ich für meinen Teil werde Ebenholz aber sicher nicht verlassen. Und meine Soldaten auch nicht."
Daraufhin verfiel Isaak in Panik: "Nein, Tristan, tu mir das nicht an! Du weißt, wie explosiv Hermann darauf reagieren würde. Komm seinem Befehl bitte nach! Ich will dich nicht im Kerker besuchen müssen."
Tristan haute auf den Tisch: "Ich kann die Stadt nicht ohne Verteidigung zurücklassen. Verstehst du das? Du kannst für mich ja gleich mal beim König für ein Gnadenersuch anfragen, wenn du willst. Aber ich werde nicht von hier weg gehen."
Sein Vater bettelte ihn an: "Bitte mein Sohn, verlasse diese Stadt einfach und komm nach Dukatia. Seit wann bist du denn so widerspenstig? Ich erkenne dich gar nicht wieder..."
Tristan glaubte, so etwas wie Bedauern in den Worten seines Vaters herauszuhören. Für den jungen Mann fühlte es sich richtig gut an, nicht nur hörig zu folgen, sondern eigene Entscheidungen zu treffen. Von seinem Entschluss abweichen? Niemals!
"Ich bleibe hier. Und wenn ich deswegen eingesperrt werde, dann bitte! Ich handle nach bestem Gewissen. Wenn sich daran jemand stört, dann gehe ich in den Kerker. So sei es."
Ohne auf die Reaktion seines Vaters zu warten, legte er seinen Hörer auf die Gabel.
Wie jeden Tag studierte er die Zeitung. Auf den Inhalt konnte sich Tristan nicht richtig konzentrieren. Stattdessen dachte er darüber nach, was wohl sein unmittelbarer Vorgesetzter, Offizier Ethan, dazu sagen würde.
Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er nie mit ihm telefoniert hatte. Der schwarzhaarige Kerl legte die Zeitung beiseite und kramte daher in den Schubladen seines Schreibtisches herum, um ein Telefonnummerverzeichnis des Militärs zu finden.
Obwohl Tristan alles fein säuberlich sortiert hatte, fand er es nicht. Weiter suchte er im Regal an der Seite des Schreibtisches. So viele Ordner, so viel Kram. Bei allem, was Tristan bewegte, flog eine Staubwolke davon und er nieste.
Hier sollte er vielleicht doch mal wieder putzen. Der junge Mann musste über sich selbst lachen. Vor nicht ganz einer halben Stunde fasste er den Entschluss, sich dem Befehl des Generals Hermann zu widersetzen. Zum allerersten Mal in seinem Leben folgte er damit nicht dem, was ihm jemand befohlen hatte. Und jetzt stand er vor seinem Regal und machte sich über zu viel Staub Gedanken.
Er sprach ein Lob zu sich selbst: "Du weißt, was die echten Probleme sind, Tristan."
Gedankenverloren machte er sich an seine neue sehr wichtige Aufgabe und begann damit, die Papiere, Akten und Regale zu entstauben. Der junge Leutnant kam gut voran und erfreute sich über die fortschreitende Sauberkeit seines Büros. Jetzt hatte er sich aber eine kleine Pause verdient.
Krach tönte vom Treppenhaus. Jemand rumpelte in den ersten Stock hinauf. Im Flur waren rasende Schritte zu hören. Plötzlich wurde Tristans Bürotüre aufgerissen. Der Bürgermeister von Ebenholz stürmte hinein. Jonas atmete schwer und lehnte sich gegen den Tisch, ließ sich dann in den Besucherstuhl fallen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
Der schwarzhaarige Kerl wandte sich um und erkannte einen abgehetzten Bürgermeister vor sich.
Der Besucher blickte voller Verzweiflung auf den Leutnant, japste nach Luft und schüttelte den Kopf: "Leutnant, schlechte Neuigkeiten!"
Tristan war erstaunt über die Besorgnis seines Gegenübers. Eigentlich kannte er Jonas als einen reservierten Chameur, den nichts aus der Ruhe brachte.
Mit Sorgen fragte er: "Was ist los, Jonas?"
"Ich war grade auf Aufklärungsflug mit Panzaeron. Tristan. Die stehen so gut wie vor unserer Tür."
Den Stahlvogel namens Panzaeron, der an jedem Flügel eine silberne und drei rote Klingen hatte, nutzte der hiesige Bürgermeister des Öfteren für Beobachtungsflüge solcher Art.
Der junge Leutnant wollte doch nur zusammenhängende Sätze und eine Erklärung: "Wer denn?"
Natürlich konnte er sich denken, wen der Bürgermeister meinte.
Wahrhaben wollte Tristan es aber nicht, sodass er sich zu seinem Gegenüber über den Schreibtisch beugte und eindringlicher fragte: "Wer steht vor unserer Tür?"
Jonas schluckte und ließ den Kopf hängen: "Kanto marschiert auf! Und das mit einer Armee, so groß, das habe ich noch nie gesehen!"
Auf seine Worte hin bekam der junge Mann einen Adrenalinschub. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Zumindest aber konnte er sich auf Jonas Einschätzung verlassen.
"Was? Wir müssen... uns vorbereiten. Rüsten, kämpfen!", rief Tristan aus und erhob sich mit geballter Faust aus seinem Sessel.
Jonas stolperte auf und fing den jungen Leutnant mit einem Arm ab: "Du glaubst nicht, was ich noch gesehen habe."
Verdutzt blieb Tristan stehen und sah in die schockierten Augen seines Gegenübers. Er wartete, bis Jonas von alleine weitersprach.
"Deine Soldaten haben die Heißluftballone hergerichtet und sind zum Abflug bereit. Ist wohl jemand gekommen und hat sie zur Abreise aufgefordert."
Tristan flüsterte: "Das waren Hermanns Männer aus Dukatia... Er wollte ganz sicher gehen, dass die Soldaten von hier abgezogen werden."
"Was?", fragte Jonas mit fragendem Blick.
Tristan winkte ab: "Das erkläre ich dir später. Wir müssen los. Lass uns sehen, ob wir noch Leute für die Verteidigung haben oder ob wir gleich die ganze Stadt evakuieren."
Jonas räusperte sich und schüttelte den Kopf: "Es gibt keine zwei Optionen, Tristan. Die Armee, die ich sah, war so groß, dass du selbst mit deinen 50 Männern, die hier regelmäßig stationiert waren, keine Chance hättest. Und jetzt, wo ein Teil bereits in der Luft auf dem Weg nach Dukatia ist, würdest du diese Stadt niemals verteidigen können."
Der Leutnant raufte sich die Haare: "Und jetzt? Sollen wir Ebenholz kampflos aufgeben, oder was? Du bist der Bürgermeister hier, was denkst du?"
Jonas fasste traurig einen Entschluss: "Lass uns die Stadt evakuieren. Wir würden zu viele Tote riskieren, es hätte keinen Sinn."
Tristan hörte das Bedauern in der Stimme des Bürgermeisters. Es musste eine schwierige Entscheidung für ihn gewesen sein, seine eigene Stadt dem Untergang zu weihen.
"Gut, dann lass uns die Glocken läuten, damit sich die Einwohner am Marktplatz versammeln, von wo aus wir sie aus der Stadt führen können", meinte Tristan.
Kurz blickte sich der Leutnant in seinem Büro um und fand die zusammengerollten Landkarten im Regal, welches er gerade noch abgestaubt hatte. Er wusste nicht, was darauf verzeichnet war. Aber er hoffte auf irgendeine nützliche Karte mit dem Gebiet um Ebenholz.
Momentan hatte Tristan keine Ahnung, über welchen Weg er die Einwohner evakuieren sollte: "Hast du eine Idee, über welchen Pfad wir am schnellsten aus der Stadt rauskommen?"
Jonas zuckte nur mit den Schultern und wusste keine Antwort darauf. Als Bürgermeister sollte er das eigentlich schon wissen, dachte der schwarzhaarige Kerl für sich.
"Du trommelst die Leute zusammen und bringst sie zum Marktplatz. Ich schau derweil zur Kaserne und suche einen geeigneten Fluchtweg", befahl der Leutnant.
Er klemmte die Landkarten unter seinen Arm und sprang auf Arkani.
Tausende Gedanken schossen ihm durch den Kopf; wer sabotierte die Verteidigung? Warum wird Ebenholz kampflos aufgegeben? Warum sollten tausende Unschuldige sterben?
Doro!
Tristan musste das Kind warnen, und zwar sofort! Das war etwas, wo er sich nicht auf Jonas verlassen wollte.
In Windeseile rannte Arkani zum Waisenhaus im Nordosten. Gerade, dass Tristan nicht mit der Tür ins Haus fiel, stürmte er in den Speisesaal.
Abgehetzt rief er: "Doro!"
Im Erdgeschoss hatten sich bereits viele Kinder zum gemeinsamen Frühstück zusammengesetzt; deren Blicke hatte Tristan sicher. Die Zehnjährige drehte ihren Kopf in seine Richtung; ungläubig, ihn hier zu sehen.
Sie stand auf und ging zu ihm: "Hallo Leutnant, was machst du denn hier?"
Er erklärte so viel wie nötig: "Die Stadt wird bald angegriffen. Kannst du dein Zeug packen und zur Kaserne kommen? Und bring die Bolcas mit. Ich muss mit der Heimleiterin reden."
Die Kleine nickte bedächtig und verschwand.
Er knallte die Tür auf und stürmte in das Büro der Leiterin. Abgehetzt informierte er sie über den Angriff sowie die geplante Evakuierung. Erst war die Dame nicht überzeugt von Tristans Warnung.
Doch kümmerte er sich nicht weiter um sie: "Von mir aus; dann glaubt Ihr mir eben nicht. Die Kinder kommen aber mit mir."
Plötzlich bekam der junge Leutnant doch die Unterstützung der Dame. Sie sicherte ihm zu, mit den Kindern wie gewünscht vor der Kaserne zu erscheinen.
Arkani rannte in den Norden zur Kaserne, die etwas außerhalb der Stadt war. Auf dem Weg dorthin sah der junge Leutnant bereits Heißluftballone in die Luft steigen, genau wie Jonas berichtet hatte. Er glaubte, dort einige seiner Männer sehen zu können. Stolpernd stürmte er den Flur der Kaserne.
Sehnsüchtig wurde er von Valentin und Kasimir in Empfang genommen: "Tristan, endlich!"
"Valentin, was ist hier los?" fragte Tristan: "Wo kommen die Ballone her?"
Mit entschlossenem Schritt gingen sie in den Speisesaal, wo er auf einen Tisch hoffte, der groß genug für seine Landkarten war.
Seine beiden Untergebenen rannten ihm nach: "Es war kurz nachdem du in die Innenstadt bist. Sie landeten hier auf unserem Übungsplatz und Offizier Ethan teilte den neuen Befehl mit, dass wir heute alle Ebenholz verlassen werden. Zwei Ballone sind bereits abgehoben, der dritte wird gerade beladen. Leutnant, hast du deine Sachen. Wir müssen los."
Tristan klärte Valentin und Kasimir auf: "Stop, nicht so voreilig. Ich hab den Befehl schriftlich bekommen und kurz darauf kam der Bürgermeister in mein Büro. Er hat gesehen, dass Kanto mit einer riesigen Armee vor den Toren der Stadt steht und in den nächsten Stunden angreift."
Der rothaarige Soldat riss in einem Schock seine Augen weit auf: "Was, aber wieso werden wir dann abgezogen? Wir müssen doch kämpfen!"
"Jonas hat gesagt, dass der Angriff zu verheerend sein würde und dass wir paar Männer ihm nicht standhalten könnten."
Kasimir fiel ihm ins Wort, wütend und verzweifelt zugleich: "Aber was ist dann mit den Einwohnern hier? Werden die den Kantonesen zum Fraß vorgeworfen oder warum evakuiert die niemand?"
Der Leutnant seufzte aus und verriet seinen Plan: "Dasselbe hab ich mich auch gefragt. Aber ich bin nicht gewillt, Unschuldige sterben zu lassen, auch wenn sie uns nicht mögen. Oder wie seht ihr das?"
Valentin ballte zwei Fäuste und wirkte hochmotiviert: "Na, das werde ich nicht zulassen. Tristan, ich erwarte deine Befehle. Was sollen wir tun?"
Der Leutnant lächelte. Auf eine seltsame Art und Weise mochte er Valentin und Kasimir. Im letzten halben Jahr wurden sie seine engsten Vertrauten. Vertraute, deren Vertrauen Tristan missbraucht hat, indem er sie angegriffen hatte. Ein schlechtes Gewissen hatte der junge Mann schon wegen dieser Sache, aber es war ja nicht persönlich gemeint.
Der schwarzhaarige Kerl sprach seine Frage mehr als Warnung aus: "Du weißt schon, dass das Desertion ist, sich den Befehlen des Generals zu widersetzen und dass du dafür in den Kerker wanderst?"
Aber Valentin war so überzeugt von der Sache, dass ihn nichts mehr hätte umstimmen können: "Wir widersetzen uns ja nicht seinem Befehl. Wir bauen ihn nur aus..."
"Genau, gutes Argument", nickte Kasimir.
Tristan öffnete die Tür zum menschenleeren Speisesaal, ging zum größten Tisch, den er fand und rollte darauf seine Landkarten aus.
"Gut, wir müssen nur kurz einen Fluchtweg festlegen, damit wir die Leute zu diesem Ausgangspunkt schicken können. Ihr nehmt dann die Ponita, falls noch welche da sind, reitet durch die Stadt und sagt den Leuten, wo sie hin müssen. Jonas müsste auch noch unterwegs sein und versucht, alle zum Marktplatz zu rufen."
Tristan inspizierte eine Karte nach der anderen, eine war uninteressanter als die nächste.
"Was machst du in der Zwischenzeit, Leutnant?", fragte der rothaarige Kerl gespannt.
"Ich werde unsere Deserteurin aus dem Wald holen", gab der Leutnant als Antwort in einer solchen Selbstverständlichkeit, dass Valentin stumm blieb.
Jedoch mischte sich Kasimir ein: "Was? Aber wir suchen sie jetzt seit ´nem halben Jahr und haben sie nicht gefunden? Warum solltest du sie finden?"
"Sie wird sich mir freiwillig anschließen, wenn die kantonesischen Truppen alles kurz und klein geschlagen haben, denke ich mal", erfand Tristan eine neue Ausrede, ohne den Blick von den Landkarten zu lösen.
Wie schnell ich doch immer lügen kann, dachte er.
"Endlich, hier!"
Ein Freudenruf Tristans hallte durch den Speisesaal, als er eine Karte mit der näheren Umgebung der Stadt gefunden hatte. Dahinter fand er eine Karte der Region im Nordosten Johtos.
"Das sieht doch gut aus. Also, was haben wir da? Dunkelhöhle im Südwesten; da kommen die Kantonesen her, das geht nicht. Gebirgspfad nach Osten, da rennen wir nach Kanto..."
Kasimir deutete auf einen Punkt: "Eispfad! Hier!"
Tristan inspizierte den Ort, den der junge Soldat vorschlug: "Im Nordosten von Ebenholz, das ist quasi bei uns ums Eck. Und wo führt er hin?"
Der Leutnant glich die Karten miteinander ab: "In den Westen; wir kämen auf der anderen Seite der Gebirgskette raus. Das ist unbewohntes Gebiet und dahinter liegt Mahagonia. Nehmen wir, gut gemacht."
Das Trio verließ den Speisesaal.
Auf dem Flur befahl Tristan zum Abschluss: "Schließt euch Jonas an und versucht, so viele Leute wie möglich zu erreichen. Sie sollen alles Lebensnotwendige zusammenpacken und dann zur Kaserne kommen. Wenn ich nicht schnell genug zurückkomme und ihr entweder schon alle habt oder die Truppen bereits angreifen, dann geht ohne mich. Ich finde schon einen Weg, um zu euch zu kommen. Alles klar?"
Im Chor antworteten die jüngeren: "Zu Befehl Sir."
Während sich die beiden auf den Weg zu den Ställen machten, hievte Tristan sich wieder auf sein Arkani: "Na dann mal los, Kumpel."
Heute war es wieder ein längeres Kapitel (manchmal ergibt es sich nicht anders).
Ja, es tut sich was in Ebenholz! Jetzt muss der liebe Stani nur noch seine Deserteurin heimholen und schon ist alles gut; Elena wieder mit Doro vereint, bis ans Ende ihrer Tage :)
*Hust* *Als Autor/in braucht man eine gewisse sadistische Ader, um seinen Charakteren immer wieder schlimme Dinge anzutun XD Das tut mir manchmal sehr Leid, aber sonst käme ja nie ein Roman zustande.*
Ich hoffe ihr habt Spaß beim Lesen; auch wenn ich nur eine Hand voll Leser bediene, ich freue mich wirklich über jeden einzelnen Read/Vote und dass ihr meine Geschichte bis hierher verfolgt habt. Ein herzliches Dankeschön!
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