Kapitel 9

Der Regen prasselte erbarmungslos auf Pikachu und mich herab. „Wo kommt denn dieser Regen her?", wunderte ich mich. Es regnete keine fünf Minuten, trotzdem sammelten sich schon große Pfützen am Boden. Der Boden war matschig und bei jedem Schritt, den ich weiter durch den Regen stürmte, spritzte die schlammige Erde in alle Richtungen davon. Schließlich kamen wir an einer Hütte vorbei, die einen ziemlich großen Garten besaß, der eingezäunt war. Ein altes Ehepaar saß in Decken eingewickelt auf der überdachten Terrasse und tranken einen Tee. Als sie mich vorbei rennen sahen, rief die Frau: „Warte! Komm, stell dich unter, bis der Regen vorbei ist!" Abrupt und leicht verwundert über die Hilfsbereitschaft blieb ich stehen, machte kehrt und hüpfte unter den Schutz des Terrassendaches. „Vielen Dank! Das ist wirklich sehr nett von Ihnen!", bedankte ich mich, als ich mir das Regenwasser aus den Haaren drückte.

Wir traten in das relativ große Wohnzimmer des Hauses ein. Die Frau machte mir einen Tee und verfrachtete mich auf die Couch. „Ich heiße Emily.", stellte ich mich vor und trank einen Schluck des Kräutertees. „Ich bin Cornelia und das ist mein Mann Henning." Die beiden strahlten mich an und ich lächelte zurück, nachdem ich an meinem Tee nippte.

„Wir betreiben hier eine Pokemonpension. Darum ist unser Haus auch so groß.", erklärte Henning, als ich mich umsah. „Pokemonpension?" „Wir trainieren hier Pokemon von Trainern. Einige Zeit später holen sie dann ihre Pokemon wieder ab. In den meisten Fällen jedenfalls.", fuhr Henning fort. Er sah etwas traurig aus. „Lassen Trainer ihre Pokemon auch für immer hier?", fragte ich und runzelte die Stirn. „Manche ja." „Ihr zwei müsst ja eine große Verantwortung für die Pokemon tragen. Bestimmt habt ihr viel Arbeit.", meinte ich und lenkte vom eigentlichen Thema ab. „Ja schon, aber mir und meiner Frau macht es richtig Spaß, mit den Pokemon hier zu arbeiten und sie groß zu ziehen.", erklärte mir Henning. „Wenn du willst, zeigen dir wir Morgen, was wir machen. Nur wenn du willst.", mischte sich Cornelia ein. „Das ist wirklich sehr nett von euch. Vielen Dank.", nahm ich das Angebot dankend an.

Ich schob mir gerade den letzten Rest von meinem Wurstbrot in den Mund, als Henning meinte: „So! Lasst uns die Pokemon versorgen gehen." Ich nickte zustimmend und Pikachu kletterte auf meine Schulter.

Wir gingen in den hinteren Teil des Raumes und betraten einen großen, hellen Raum. Die hintere Wand bestand aus Glas und so konnte man in den Wald sehen. Es lagen einige Matratzen am Boden, auf denen fünf kleine Pokemon schliefen. Links in der Ecke, war ein kleiner Spielplatz für die Pokemon eingerichtet. „Guten Morgen, meine Lieben!", weckte Cornelia die Pokemon auf, die zusammengerollt und eng aneinander gekuschelt auf den Matratzen schliefen. Schnell scannte ich die Pokemon im Pokedex ein und erfuhr, dass es sich dabei um Elezeba, Kiesling, Waumboll, Dusselgurr und einem Nagelotz handelte. „Na kommt. Zeit fürs Frühstück.", meinte Henning und klatschte einmal in seine Hände. Sie marschierten aus dem Zimmer. Ich ging ihnen hinterher, doch ich wurde von einem leisem Winseln aufgehalten.

Ich suchte das Zimmer ab und entdeckte hinter einer großen Zimmerpflanze zwei Augen, die mich traurig anblickten. „Nanu? Wer bist denn du?", wunderte ich mich und ging ein paar Schritte auf das Wesen zu. Je näher ich kam, desto mehr presste es sich gegen die Wand. „Das ist Yorkleff. Er ist etwas schüchtern anderen Leuten gegenüber.", hörte ich Cornelia hinter mir sagen. Erschrocken wirbelte ich herum. „Entschuldigung. Ich wollte dich nicht erschrecken." „Kein Problem. Darf ich noch etwas bei Yorkleff bleiben?" „Ja klar darfst du. Wenn du etwas brauchst, du findest uns draußen im Garten." Cornelia verschwand und ich drehte mich zu Yorkleff um. „Du bist einer von der schüchternen Sorte, hm? Aber das ist schon okay.", redete ich mit Yorkleff. Er sah mich immer noch todtraurig an. „Was ist los?", flüsterte ich und hockte mich hin. Irgendetwas stimmte mit diesem Pokemon ganz und gar nicht. „Kleff.", winselte er. „Doch du hast etwas. Komm, sag es mir. Vielleicht kann ich dir ja helfen." Ich lehnte mich gegen die Wand, streckte meine Beine aus und klopfte mit meiner linken Hand auf einen freien Platz neben mir. „York-leff.", begann er zögernd. „Dein Trainer? Was ist mit ihm?" Yorkleff setzte sich neben die Pflanze. „Yor-kleff-eff-kleff-Yorkleff." Er ging einige Schritte auf mich zu. „Was? Du bist schon zwei Jahre hier bei Henning und Cornelia? Aber wieso?" Yorkleff wagte weitere Schritte, setzte sich nun neben mich und erzählte weiter. „Dein Trainer hat dich hierher gebracht, weil du zu schwach für sein Team warst?" „Kleff, Yorkleff.", beendete er. „Hast du das gehört, als er das gesagt hatte?" Yorkleff nickte traurig und legte seinen Kopf auf meine Beine. Ich war fassungslos und musste die Worte wiederholen, um zu realisieren, dass das Yorkleffs Trainer wirklich getan und gesagt hatte. „Dein Trainer hat seinem Freund erzählt, dass du nutzlos und schwach bist, dich hierher gebracht hatte und dich dann nie wieder abholt, um dich so los zu werden?" Ich schluckte und atmete tief ein. Wie herzlos konnte man denn überhaupt sein? Wut stieg in mir auf. „Yorkleff.", riss mich das kleine Hundepokemon aus den Gedanken. „Schon gut.", ich zwang mich zu einem Lächeln. Yorkleff jetzt auch noch zu verunsichern, brachte ihm rein gar nichts. „Möchtest du mit den anderen Pokemon draußen spielen?", lenkte ich vom Thema ab.

Yorkleff stürmte durch die Tür hinaus in den Garten und ich gesellte mich zu Cornelia und Henning, die die Pokemon beobachteten. „Pika-ka?" „Klar kannst du mitspielen. Aber stell keinen Unfug an, ja?" Pikachu sprintete zu den anderen. „Ottaro und Felilou, kommt raus!" Ich warf die Pokebälle in die Luft und Felilou und Ottaro materialisierten sich vor mir. „Na los, geht spielen.", sagte ich zu ihnen und lächelte. Alle Pokemon spielte miteinander fangen und ich lachte, als Elezeba stolperte und alle anderen Pokemon darüber fielen. „Wie hast du das nur geschafft, Yorkleff hier heraus zu locken? Die ganzen zwei Jahre war er kein einziges Mal so glücklich wie jetzt.", wunderte sich Cornelia. Ich grinste, aber meine fröhliche Miene verflog wieder rasch. „Yorkleffs Trainer wird nicht wiederkommen, hab ich recht?" Henning und Cornelia schüttelten ihre Köpfe. „Das arme, kleine Pokemon.", seufzte ich. Kein Pokemon der Welt hatte es verdient, so behandelt zu werden, wie das kleine, flauschige Yorkleff. Henning und Cornelia fragten Kyurem sei Dank nicht nach, woher ich die Geschichte mit Yorkleff wusste. Sie hatten nur erwähnt, dass manche Trainer ihre Pokemon hierlassen, aber nie die Betonung auf Yorkleff gelegt. Deshalb wollte ich ihnen nicht erklären, wo ich die Geschichte mit Yorkleff her hatte.

Die Zeit verflog rasch und schon gab es Mittagessen. Gemeinsam aßen wir mit den Pokemon zu Mittag auf einer großen Picknickdecke. Nach dem Essen machte ich mich für die Abreise fertig. Schließlich musste ich auch einmal in Septerna City an gelangen. Henning, Cornelia und Yorkleff begleiteten mich zum Wanderweg vor ihrer Pension. Yorkleff winselte leise, als ich Henning und Cornelia die Hand schüttelte. Ich hockte mich hin und streichelte ihm den Kopf. „Hey! Wir sehen uns bald wieder." Es brach mir das Herz, Yorkleff so traurig zu sehen. Ich richtete mich auf, winkte den beiden Pensionisten kurz und wollte mich umdrehen, als Henning „Warte" rief. Leicht verwirrt drehte ich mich wieder zu den beiden um. „Wir denken, dass du Yorkleff mitnehmen solltest. Er hat dich wirklich sehr gerne und meine Frau und ich haben ihn noch nie so glücklich erlebt." Ich zog meine rechte Augenbraue hoch und sah dann zu Yorkleff, der mich erwartungsvoll an hechelte. „Na klar. Das wird bestimmt Klasse.", lächelte ich. Yorkleff bellte vor Freude, als Henning mir seinen Pokeball in die Hand drückte. „Dein nächstes Ziel ist bestimmt Septerna City, oder?" Ich nickte Henning freundlich zu. „Na dann, viel Erfolg auf deiner Reise.", sagte Cornelia. Ich bedankte mich bei den beiden und schon lief Yorkleff los. „Hey, warte! Du kannst doch nicht ohne mich los!", rief ich Yorkleff nach. Yorkleff bellte und ich sprintete ihm lachend hinterher.

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