Kapitel 5
Am nächsten Morgen spürte ich die weichen Pfoten von Pikachu auf meiner Wange. Er stupste mich liebevoll mit einem „Pika" an und ich öffnete meine Augen. „Morgen, Pikachu.", sagte ich, während ich mir den dem Schlaf aus den Augen rieb. „Wieso bist du eigentlich nicht in deinen Pokeball?" Er sah mich eindringlich an und meinte kurz: „Pika-ka." „Hab schon verstanden. Du hasst deinen Pokeball also.", lachte ich. „Na gut, du darfst natürlich heraußen bleiben." Pikachu leckte mir dankend meine Wange ab. Noch etwas verschlafen stolperte ich in das Badezimmer und betrachtete mich im Spiegel. Unter meinen braunen Augen trug ich leichte
Augenringe und ein paar Haare hatten sich aus meinem Zopf gelöst. Schnell band ich mir einen neuen. Dann fiel mein Blick auf mein zerfetztes Top und ich schürzte meine Lippe. „Pikachu? Wärst du so nett und bringst mir bitte meinen Rucksack?" Pikachu taumelte mit meinen Rucksack in das Bad und übergab ihn mir. „Vielen Dank.", bedankte ich mich, bevor Pikachu wieder abdampfte. Ich setzte mich auf den kalten Fliesenboden und wühlte in meinen schwarzen Rucksack herum. Eine Taschenlampe, eine Landkarte, ein Schlafsack, Geld, der Pokedex und die Pokebälle sammelten sich am Boden. Und schließlich fand ich nachdem ich suchte. Ein weißes Top. Warum mussten die Dinge, die man gerade brauchte, immer ganz unten im Rucksack liegen? Das war ein wirkliches Problem, um das sich die Politik kümmern könnte. Nein Spaß. Wahrscheinlich bin ich nicht die einzige mit diesem Problem.
Ich schlüpfte in das neue, weiße Top und warf mein altes in die Mülltonne. Den Rest, der sich auf den Boden sammelte, stopfte ich wieder zurück in den Rucksack und schloss die Zimmertür hinter mir. Mit Pikachu auf meiner Schulter, sprintete ich zum Frühstück.
Frisch gestärkt betraten wir das Tor zu Route 2. Uns erwartete ein Wald und eine hügelige Landschaft. Zu Mittag wurde es sehr heiß. Keuchend lehnte ich mich mit den Rücken gegen einen großen Baum und glitt zu Boden. „Ganz schön heiß heute, oder?", hörte ich eine mir bekannte Stimme. Ich schaute links und rechts, sogar hinter den Baum, aber fand niemanden. „Okay, wo steckst du?", fragte ich lachend und verschränkte die Arme. „Ich muss nur sicher gehen, dass du keine Äpfel bei dir hast.", rief eine Stimme, ebenfalls lachend zurück. Ich schaute grinsend in den Baumwipfel. N saß oberhalb von mir auf einen Ast, ließ die Füße baumeln und sah grinsend auf mich herab. „Komm runter, sonst fällst du noch vom Baum!", rief ich und kniff meine Augen etwas zusammen. Der Baum ließ einige Sonnenstrahlen durch sein dichtes Blätterdach rieseln und genau diese blendeten mich. „Hast du auch wirklich keine Äpfel bei dir?", fragte er noch einmal nach. Ich entdeckte ein kleines Schmunzeln auf seiner Lippe. „Ja und jetzt komm runter, du Spinner!", rief ich lachend. „Ja, Mami." „Also wirklich..", sagte ich gespielt empört. N stellte sich freihändig auf den bemoosten Ast. „Mann N, pass bitte auf!", rief ich etwas besorgt und machte einen Schritt vorwärts. „Süß wie du dir Sorgen machst!", rief er. "Emily macht sich um den guten, alten Natural Harmonia Gropius Sorgen." "Das ist dein vollständiger Name?", fragte ich und unterdrückte krampfhaft ein Lachen. Plötzlich verlor er das Gleichgewicht und rutschte zusätzlich auf den Moos aus. Mit wild ruderten Armen, lautem Aufschrei und in der Hoffnung sein Gleichgewicht wieder zu finden, flog er vom Baum. Anstatt mir Sorgen zu machen, lachte ich laut los und ging zu ihm. Das war zu viel für meine Nerven. „Mr. Harmonia, was habe ich Ihnen gesagt? Sie wissen doch, dass das Moos Wasser speichert und wenn man nicht genug acht auf sich gibt, dann kann man sich verletzen."
Er versuchte sich aufzusetzen und ich streckte ihm die Hand hin. „Der Spinner hätte auf dich hören sollen.", lachte nun er und zog mich auf den Boden. „Hey!", protestierte ich kichernd und boxte ihm in den Arm. Wir lagen beide am Boden und lachten. Ich versuchte krampfhaft etwas zu sagen, prustete aber immer wieder los, als ich den dämlichen Gesichtsausdruck von N sah. „Hast du dir wehgetan?", brachte ich schließlich hervor. Als ich in sein Gesicht sah, lachte ich erneut los. „Tut mir leid... haha.. es sah bloß zum Schreien komisch aus, wie du vom Baum gefallen bist." Nach gefüllten 20 Minuten Lachen, hatten wir Bauchschmerzen.
Wir lagen immer noch gemeinsam unter dem Baum im Gras. „Es ist heute so verdammt heiß.", seufzte ich, schloss die Augen und gab meine Hände unter den Kopf. „Ja.", meinte N und setzte ich auf. Seine Hände stützte er hinter seinen Rücken im Gras ab. „Los komm!", ruckartig stand er auf und zog mich gleich mit, als er los marrschierte. „Hey, was machst du?", fragte ich. Er antwortete nicht, bis wir an einem kleinen See waren. „Was machen wir hier?", fragte ich verwirrt und kletterte auf den schmalen Steg. N tat es mir nach. Ich drehte mich um und betrachtete den See. Das Wasser war wunderschön klar, glitzerte in der Sonne und die großen Bäume in der Umgebung spiegelten sich darin. „Na was wohl?", grinste N, gab mir einen Schubs und ich flog samt meinen Klamotten mit einem „Platsch" ins Wasser.
Noch unter Wasser dachte ich: „Na warte! Du weißt nicht, wie lange ich meine Luft anhalten kann!" Ich öffnete unter Wasser meine Augen und sah nach oben. Ich erkannte N etwas verschwommen, aber ich entdeckte sein typisches verschmitztes Lächeln, mit dem er herunter sah. Dieses verflog schnell, als ich nicht auftauchte. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. Er köpfelte zu mir in das Wasser und zog mich an die Wasseroberfläche. Ich schnappte nach Luft und lachte. „Emily, das ist nicht komisch!", meinte er ernst, ehe auch er zum Lachen anfing. „Du hast mich ausgetrickst." „Kleine Lehre.", grinste ich und drückte ihn unter Wasser.
Wir plantschten den ganzen Nachmittag wie kleine Kinder im See herum. Als sich der Himmel leicht rot-orange färbte, wanderten wir auf eine Anhöhe, auf der eine alte, groß gewachsene Eiche stand. Wir hatten einen wunderbaren Ausblick auf die hügelige Landschaft. Ich machte Feuer und setzte mich davor. Die Suppe, die mir Mom eingepackt hatte, brodelte im Topf. Ich teilte die Suppe auf zwei Teller auf und reichte N einen. Schweigend aßen wir unsere Teller leer und auch Pikachu und Ottaro futterten ihr Pokemonfutter in sich hinein. Sie legten sich mit ihren vollgeschlagenen Bäuchen ums Feuer und schliefen bald darauf ein.
Ich legte mich etwas abseits in das Gras und schaute zu den Sterne hoch. N gesellte sich zu mir. Er setzte sich, winkelte sein rechtes Bein an und legte seinen rechten Arm darauf ab. „Warum warst du so zornig, als Team Plasma in Gavina war?" Ich seufzte nur, ohne ihn anzusehen. Ich wollte ihm nicht schon wieder etwas Offenbaren, schließlich kannte ich ihn ja kaum. „Ich weiß, dass dich etwas belastet.", fügte er später hinzu, als ich seine Frage ignorierte. Er sah mich besorgt an. Auch ich sah ihn jetzt an. „Eine der Kerle hat Pikachu die Schnittwunde zugefügt.", sagte ich mit einem kurzen Blick zu Pikachu. „E-Er hat es mir gesagt." Ich senkte den Kopf. Ns Blick ruhte immer noch auf mir. „Das ist der Grund warum du so zornig bist, oder?" Ich nickte. „Und, wieso bist du besorgt und traurig?" Ich atmete tief ein. „Weil... ich...", ich brach ab und setzte mich auf. N legte beruhigend seine Hand auf meine Schulter und schenkte mir einen ebenso beruhigenden Blick. „Ich weiß nicht, was mit mir los ist.", sprudelte ich los. „Ich meine, ich verstehe Pokemon! Ich verstehe jedes verdammte Wort von ihnen! Ich dachte, das sei normal..." Ich brach ab und wandte meinen Blick von N ab. „.. . und dann kommt irgendein komischer Kerl und zerstört einem das Weltbild.", vollendete N meinen Satz. Hatte ich nicht dieselben Worte verwendet, um die Situation zu erklären? „Das macht mir Angst, okay?", meinte ich kopfnickend, stand auf und trat einige Schritte nach vorne. Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich sah in die stille Ferne. Der Mond versteckte sich zur Hälfte hinter dem Berg und auch die Sterne schienen heute schüchterner zu sein. Ein Lüftchen begann zu wehen und fuhr uns durch unsere Haare. Erst jetzt bemerkte ich, dass N hinter mir stand. Er drehte mich zu sich um, gab seine beiden Hände auf meine linke und rechte Schulter. Er sah mir tief in die Augen und ich sah in seine. Mir rollte eine Träne die Wange runter und N wischte sie mit seinen Daumen weg, während er sanft lächelte. „Es macht mir einfach nur Angst.", brachte ich noch leise hervor, bevor weitere Tränen über meine Wangen liefen. Ich legte meinen Kopf in meine Hände und weinte.
N nahm mich vorsichtig in seine Arme, so, als ob ich zerbrechliches Porzellan wäre. Ich legte meinen Kopf auf seinen Brustkorb und er stützte sein Kinn auf meinen Kopf ab. Eine Hand von ihm lag auf meinen Kopf, die andere lag auf meine Rücken. „Mit dir ist alles okay. Ich verstehe dass du Angst hast. Das ist neu für dich und wächst dir momentan einfach über den Kopf, aber niemand hält dich für Irre, ansonsten wäre ich das ja auch.", flüsterte er. Ich brachte ein kichern hervor, schluchzte dann aber wieder. Es stimmte. N war ein irrer Freak. „Gemeinsam schaffen wir das, ja? Ich lass dich nicht hängen." In seiner sanften Stimme lag so viel Ruhe, die sich irgendwie auf mich übertrug. „Danke N. Danke das du für mich da bist.", flüsterte ich. Er drückte mich etwas fester an sich, sodass ich leise sein Herz in seiner Brust pochen hörte.
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