7. Eingeständnis

Merbaum brauchte endlich wieder mehr Papier! So veranlasste Elena, dass mehr Holzabfälle in Pressen zu Papier verarbeitet wurden. Sie sah an ihrer Schwester, dass sie in der Merbaumer Schule kaum etwas Neues lernte; es fehlte schlichtweg an Papier. Das waren die neuen, großen, ehrenwerten Aufgaben, die Elena als Bürgermeisterin zu erfüllen hatte.

"Papier", flüsterte sie und klatschte sich die Hand auf die Stirn, als ihr die Banalität ihres Tuns bewusst wurde.

Zwar trainierte sie immer noch mit den Einwohnern die Pokémon. Aber auch die Unterbringung von den mit angereisten Waisenkindern und deren Versorgung musste sie regeln. Immerhin hielt sie nicht viel von Kinderarbeit, sodass Erwachsene, die in keiner Verpflichtung zu den Waisen standen, diese mit versorgen mussten. Das erinnerte sie daran, woher sie selbst kam.

In Ebenholz wurde dafür ein ganzer Apparat an Amtsleuten vom Bürgermeister angeheuert, aber diese wollten bezahlt werden. In Merbaum gab es so etwas wie Geld noch nicht, sodass die Jugendliche erstmal alleine mit den Aufgaben betraut war.

Ihre Freizeit verbrachte Elena mit Dorothea und Theo. Oft saßen sie am Teich im Ortszentrum, wo Doro ihr goldenes Karpador schwimmen ließ. Es war ihr ganzer Stolz.

Theo hatte auf dem Weg in die neue Heimat ein Seeper gefangen. Dieses sprudelte nur über vor Energie und konnte einem ziemlich schnell auf den Geist gehen; ähnlich wie Dratini, als es noch ein Jungtier war.

Bei einem Kampf zwischen Karpador und Seeper gewann regelmäßig das goldene Pokémon. Seit der Fisch aktiv tackeln konnte, war ihm Seeper nicht mehr gewachsen. Zudem traf das blaue Pokémon mit seinen Attacken nicht, sodass Karpador keinerlei Schaden davon trug. In der Konsequenz musste Doro als Sieger hervorgehen.

Dennoch war Elena vom goldenen Karpador ihrer Schwester beeindruckt. Allein schon die Farbe war ungewöhnlich, dazu noch die Größe. Doro hatte bei der Aufzucht wirklich Talent bewiesen.

Als Elena sie deswegen lobte, winkte Doro nur ab und verwies auf jemand anderen: "Das hab ich gar nicht selber gemacht. Tristan hat mir dabei ja geholfen."

Tristan. Allein schon der Name rief Würgereize in Elena hervor. Kaum zu fassen, dass sie ihn wirklich gemocht und ihm vertraut hatte. Seit jenem Morgen, an welchem er Elena verlassen hatte, wollte sie ihn nur aus ihren Gedanken verbannen.

Aber es gelang dem Mädchen nicht. Sie assoziierte alles um sich herum mit Tristan. Alles erinnerte sie an ihn; die freie Natur, das Pokémontraining, ihre kleine Schwester, Städte, Essen, viel Essen...
Wie sollte sie jemals von ihm los kommen?

Für das Pokémontraining mit den Merbaumern riss sich die Bürgermeisterin zusammen. Wenigstens heuchelte sie Begeisterung vor, wenn den Neutrainern etwas gelang. Insgeheim aber wollte Elena nur ihre Ruhe.

Wie jeden Morgen vor einem langen Arbeitstag erkundete die Jugendliche die Umgebung außerhalb der Stadtmauer. Sie brauchte die Momente in der freien Natur, um nach einer langen Nacht, voll von Träumen mit Tristan, von ihm loszukommen.
Wieso nur war sie so besessen von ihm?

Mittlerweile hatte das Mädchen einen schönen Weg gefunden, der direkt am Fluss entlang führte. So war es für Dragonir ein leichtes, seiner Besitzerin zu folgen und bei der Wanderung dabei zu sein.
Der Weg stieg leicht an. Am Ende ihrer regelmäßigen Wanderung erreichte Elena einen Felsen, auf den sie sich setzte.

Obwohl der Großteil ihrer Tour durch den Wald verlief, war die Gegend am Ende kahl. Von einer Anhöhe aus konnte die Jugendliche auf das Dorf hinunter blicken, eingekesselt vom Wald.

Elena wandte sich zum Fluss hin und blickte auf die Berge, welche sich einige Kilometer weiter vor ihr erhoben. Sie war ein Freund davon, ihre Füße ins Wasser zu hängen, aber bei Schnee und Minusgraden mit Eisschollen auf dem Fluss verzichtete sie darauf.
Stattdessen fütterte das Mädchen ihr Dragonir mit ein paar Beeren und stützte ihren Kopf auf ihrer Faust ab.

Zusammengekauert saß sie auf dem Felsen und blickte auf ihr Pokémon: "Dann hast du eigentlich die ganze Zeit gewusst, wer Tristan war, oder? Hast du geahnt, dass er mich verlässt?"

Beschämt rollte sich Dragonir zusammen und blickte zu Boden. Es wusste also schon vorher Bescheid.

"Hey, das war doch kein Vorwurf. Außerdem kannst du nichts dafür, wenn er einfach abhaut! Oh Mann, wie ich ihn hasse", keifte sie für sich.

Dabei erntete sie einen traurigen Blick ihres Pokémons, was Elena nicht verborgen blieb.
"Jetzt sag bloß, du magst ihn?", fragte sie mit strenger Stimme.
Die Wasserschlange entrollte sich, nickte und legte den Kopf in Elenas Schoß.

Erst war sie erzürnt über die Antwort ihres Pokémons, legte dann aber eine Hand auf Dragonirs Kopf und streichelte es.
"Ich weiß, ich mag ihn auch", gestand die Jugendliche.

Ein Geräusch im Hintergrund ließ sowohl Dragonir wie auch Elena aufschrecken. Beide wandten sich um und suchten nach der Gefahr.
"Wer bist du? Zeig dich!", befahl das Mädchen entschlossen.
Früher hätte sie Angst gehabt. Mittlerweile wusste sie, wie man kämpft und Dragonir stand ihr immer zur Seite.

Theo stolperte hinter den Bäumen hervor und erhob abwehrend seine Hände: "Stopp, Stopp, nicht angreifen bitte..."

"Theo?", fragte Elena mit großen Augen: "Was machst du denn hier?"
Er stapfte durch den Schnee zu ihr: "He, das Gleiche könnt ich dich auch fragen."

"Ich bin halt gern hier. Aber du? Du verfolgst mich?", fragte die Jugendliche mit zusammengekniffenen Augen.

Der Junge seufzte aus: "Ja. Ja, du hast Recht. Ich hab dich verfolgt. Zufrieden?"
Sie schüttelte den Kopf: "Nee, nicht zufrieden. Warum rennst du mir nach?"

Er schob den Schnee beiseite und setzte sich neben Elena auf den Fels: "Ich bin´s nicht, der seit zwei Wochen jeden Tag vor Sonnenaufgang losmarschiert und erst zum Frühstück wieder heimkommt."

Die Jugendliche zuckte mit den Schultern: "Bin gern draußen. Außerdem; was geht´s dich an?"

"Ach Elena", sagte Theo resigniert: "Du bist meine beste Freundin. Natürlich geht´s  mich was an, was du treibst und warum du was treibst. Deine Wanderungen... Dir geht´s nicht gut, oder?"

Das Mädchen richtete sich auf und bekam das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen: "Mir geht´s  sehr gut. Es ist nur; dieses Bürgermeisteramt ist anstrengend. Ich habe davor noch nie Verantwortung getragen und jetzt? Jetzt bin ich für das Wohlergehen von über 600 Leuten zuständig. Was denkst du, wie es dir erginge?"

Der Junge lächelte sanftmütig: "Auch nicht so gut, natürlich", er stockte einen Moment und fuhr dann fort: "Aber das ist nicht der einzige Grund, der dich bedrückt, oder?"

Sie blickte in den Himmel und verdrehte die Augen: "Warst du schon mal verliebt?"

Theo zuckte wegen ihrer direkten Frage zusammen und warf einen Blick auf seine Kumpanin: "Wieso?" Er räusperte sich und gestand: "Ja, das war ich in der Tat."

"Aber offenbar wurde nichts drauß, oder?", bohrte Elena weiter nach.
Ihr Kumpel blickte zu Boden und schüttelte den Kopf: "Wie du siehst bin ich immer noch Single."
"Tut weh, oder?", fragte sie lapidar.
Er nickte: "Mhm."

Nach einem kurzen Moment ergriff Theo wieder das Wort: "Dann hat dich Tristan verlassen?"
Das Mädchen riss die Augen auf: "Wie kommst du auf sowas?"

"Naja", begann ihr Kumpel: "Du kommst hier strahlend und voller Glückseligkeit mit ihm an. Ihr seid während seines kurzen Aufenthalts unzertrennlich, obwohl ihr in den letzten Monaten mehr als genug Zeit miteinander verbracht habt. Du erzählst mir, dass ihr ein Paar wärt, aber am Morgen danach war er aus der Stadt verschwunden. Seitdem bist du niedergeschlagen und fragst mich nach meinem Liebesleben. Mir scheint es fast so, als wolltest du mit ihm abreisen, aber er ist dir zuvorgekommen."

Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und schüttelte den Kopf. War es wirklich so offensichtlich?

Theo legte einen Arm um sie und rieb ihren Rücken: "Ich konnte ihn noch nie leiden, aber was er gemacht hat, war das Beste für dich. Ich weiß, dass es momentan weh tut, aber das wird schon wieder, okay?"
Mit einem Kloß im Hals blickte Elena wieder auf: "Ist es denn bei dir wieder geworden?"

Der Junge grinste breit und nickte: "Ja, ehrlich gesagt schon. Seit ich kapiert habe, dass sie ein wirklich arrogantes Miststück ist, ist alles wieder okay."

Fragend verzog Elena ihr Gesicht: "Und wer war das?"
Wieder seufzte er aus: "Ach, das ist so peinlich. Und ich sag dir das jetzt nur, weil´s dir schlecht geht." Er erhob den Zeigefinger und mahnte: "Wehe du sagst irgendjemandem was davon!"

Elena, die Schweigsame, würde so etwas nie irgendwem erzählen. Vor allem wusste sie noch nicht einmal, wem sie davon erzählen sollte.
Für Theo war seine Kumpanin vertrauenswürdig genug, sodass er ihr sein Geheimnis anvertraute: "Mira. Es war Mira."

"Miranda?", fragte die Jugendliche mit großen Augen: "Die Mira, die neben mir in der Klasse saß?"
Ihr Kumpel nickte kurz.

Wieder vergrub Elena ihr Gesicht und schüttelte den Kopf: "Hättest du halt was zu mir gesagt; ich hätte mit ihr Platz getauscht."

Theo prustete aus: "Du bist meine beste Freundin. Ich kann dich doch nicht einfach eintauschen gegen ein Mädel, das ich gerade anspinne. Außerdem; was hätte das gebracht, wenn ich neben ihr gesessen wäre?"

"Ach, keine Ahnung... Das ist jetzt nur meine Meinung, aber ich glaub, dass die schon auch ein Auge auf dich geworfen hatte", schilderte die Jugendliche.

Der Junge wich zurück mit einem Grinsen und rieb sich den Hinterkopf: "Ach wirklich? Oh Mann. Vielleicht sollte ich sie doch besuchen."

Elena erhob sich und rückte ihre Kleidung zurecht: "Mach das, Theo. Aber ich muss jetzt langsam wieder zurück."
Er sprang auf: "Logo, ich komm mit."

So, vielleicht interessiert es wen, was Elena so treibt (ja, die gibt es auch noch :)
Mal sehen, wann sie ihren Ruf zum Abenteuer bekommt xD

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