31. Schuld?
Nach ihrer Flucht aus Ebenholz verbrachten die vier Flüchtigen die Nacht in Elenas ehemaligem Zuhause.
"Meine Dunkelhöhle", seufzte sie erfreut aus: "Und mein Moosbett gibt's auch noch!"
Valentin blickte schuldbewusst auf das Mädchen: "Hier hast du gewohnt? Oh Mann, das tut mir echt leid."
"Quatsch doch nicht, Vali", winkte sie ab: "Du kannst ja wohl am wenigstens dafür."
Tristans Blick fiel auf Elena: "Im Gegensatz zu mir kann Valentin wirklich nichts dafür."
Die Jugendliche verdrehte die Augen: "Aber du kannst auch nix dafür, Stani. Jetzt hört doch auf, jemandem die Schuld zuschieben zu wollen und seid wieder glücklich."
Da erhob Christa das Wort: "Im Grunde genommen bin ich schuld. Ich hätte damals im Kriegsrat die Entscheidung über das Dekret abwenden müssen."
Elena stöhnte aus: "Fängst du auch noch an! Jetzt im Ernst. Ich geb keinem von euch die Schuld. Valentin war ´ne arme Sau wegen mir. Tristan hat mir geholfen und Christa..."
"... Christa hätte die Entscheidung im Kriegsrat auch nicht abwenden können", vollendete der junge Leutnant und fügte an: "Ethan hat dafür gesorgt, dass der General glaubt, dass jedes einzelne Pokémon wichtig wäre. Und der wiederum hat es Raul so dargelegt. Es war immer Kanto."
"Genau! Ich hasse Kanto! Kanto ist Schuld", sprach das Mädchen als Schlusswort: "Aber hier drin findet uns kein Mensch. Also gute Nacht."
Am nächsten Morgen flogen die vier wie Christa vorgeschlagen hatte nach Teak. Die erste Zufluchtsstätte, die Tristan in den Sinn kam, war der Zinnturm. Tauboss und Noctuh landeten direkt davor. Er stieg von Tauboss ab und reichte Elena die Hand. Dankbar nahm sie seine Stütze an.
"Und jetzt?", fragte Valentin mit großen Augen, als er den Turm empor blickte.
Ohne anzuklopfen stieß Tristan das Tor des Zinnturms auf und trat gefolgt von den anderen drei ein. Es war sonst niemand hier.
Skeptisch sah er sich um.
Sein Blick haftete an Elena und er tröstete sie: "Dragoran hat sie in Sicherheit gebracht. Keine Angst."
Überrascht wich sie zurück: "Kannst du aufhören, meine Gedanken zu lesen?"
Tristan lächelte: "Die muss ich nicht lesen, wenn sie dir ins Gesicht geschrieben stehen."
Wenige Augenblicke später stand Franz der Weise in der Tür: "Wen haben wir denn da?"
Der schwarzhaarige Kerl zuckte zusammen und verneigte sich vor dem Alten: "Wir bitten um Verzeihung für unser ungeplantes Eindringen, aber das hier war der erste Ort, der mir in den Sinn kam."
Ob es jemanden gab, der noch geschwollener sprach?
Der alte Weise winkte ab: "Schon gut, junger Mann. Es wird die anderen mehr als erfreuen, dass Ihr alle hier seid."
Christa verneigte sich vor ihm: "Schön dich wieder zu sehen, alter Freund."
Franz hingegen umarmte die Mahagossin.
Nur ungern unterbrach Tristan die beiden, weshalb er ihnen einen Moment ließ.
Dann fragte er: "Sind meine Schwester und die anderen Bürgermeister hier?"
Der Weise nickte: "Ich hole sie her, wenn Ihr wollt. Als Besprechungsraum eignet sich das Erdgeschoss des Zinnturms ganz hervorragend."
Mit einem Lächeln nickte der junge Kerl und wandte sich dann zu Elena: "Siehst du, sie sind entkommen. Kein Grund zur Sorge."
Er nahm auf einer der Sitzbänke Platz, direkt daneben dem Mädchen. Sie legte ihren Kopf auf Tristans Schulter ab und schielte ihm ins Gesicht. Sein Blick fiel zu ihr hinunter.
"Danke für alles", flüsterte Elena: "Ich wüsst echt nicht, wie ich das ohne dich geschafft hätt."
Ohne ein Wort zu erwidern nahm er ihren Dank an, wenngleich der junge Mann alles gerne getan hatte. Er wollte sie in Sicherheit wissen und das Mädchen glücklich sehen.
"Tristan!"
Der junge Leutnant warf einen Blick über seine Schulter.
Ein breites Grinsen überkam ihn, als er seine Schwester in der Tür stehen sah: "Cecilia." Sein Blick wanderte hinter sie und er bemerkte: "Und Papa? Wie kommt es, dass du auch hier bist?"
Tristan sprang auf und fiel Cecilia und Isaak um den Hals.
Sein Vater klopfte ihm auf den Rücken: "Ich wollte helfen dich zu befreien, mein Sohn. Aber unsere liebe Christa war wohl früher dran."
Der junge Mann blickte auf seinen Untergebenen: "Nicht sie allein. Valentin war derjenige, der uns rausgeholt hat."
Mit erhobenem Zeigefinger betonte die Alte schnippisch: "Und dabei einen Höllenlärm verursacht hat."
Tristan ließ kein schlechtes Wort über seinen Kumpel kommen: "Dennoch war es mutig."
Schulterzuckend meinte Christa: "Ich hätte Schlüssel gehabt."
Mit erhobener Augenbraue entgegnete er: "Dann hättet Ihr früher kommen müssen."
Elena blickte in die große Runde der Bürgermeister, die allesamt in den Zinnturm strömten. Aber wo war Doro? Ihr suchender Blick blieb nicht unbemerkt.
Cecilia nahm das Mädchen beiseite: "Doro ist in Merbaum. Die erste Nacht nach unserer Flucht haben wir in Lorenz angebranntem Haus verbracht. Deine Schwester ist dort geblieben und hütet die Stadt. Aber Dragoran... hier."
Die Lady griff zu ihrem Gürtel und drückte Elena einen Pokéball in die Hand: "Doro hat ihn mir für dich mitgegeben. Sie meinte, er würde sowieso nicht auf sie hören. Außerdem könnte er uns bei unseren Befreiungsplänen behilflich sein."
"Danke", flüsterte Elena mit glasigen Augen.
Tristan erhob seine Stimme und es schallte durch den Raum: "Okay Leute, sind wir alle? Wir müssen euch etwas sagen."
Da er keine Widerworte hörte, fuhr er fort: "Ethan war der Kantonese, der im Militär eingeschleust war. Er hat gestern den Spezialball gestohlen und sich mit Lugia aus dem Staub gemacht. Kurzum; Kanto hat jetzt Lugia auf seiner Seite."
Cecilia seufzte aus: "Ich weiß. Lauron ist heute bei uns aufgetaucht und hat uns soeben darüber informiert."
Elena blickte auf die schwarzhaarige Frau und fragte mit verzogener Augenbraue: "Was ist denn ´n Lauron?"
Der braunhaarige Typ trat aus dem Schutz der Masse hervor und ließ seinen Kopf hängen: "Ich bin es, der Cecilia den Silberflügel geklaut hat. Für Ethan. Er hat mich beauftragt, ihn ihr abzunehmen."
"Mit dem Silberflügel findet er leicht Zugang zu Lugias Seele. Sprich; er kann es ohne Probleme kontrollieren und manipulieren", sprach Bernd enttäuscht und fügte an: "Da hätt ich mich besser auf die Kanto-Seite geschlagen. So wie´s aussieht, verlieren wir nämlich."
"Woah langsam. Stopp", sprach der Dieb: "Deswegen bin ich hergekommen. Ich möchte für Cecilia den Silberflügel zurückstehlen. Damals wusste ich noch nicht, dass Ethan ein Kantonese ist und hab mich deswegen von ihm beeinflussen lassen. Jetzt aber möchte ich meinen Fehler ausbügeln."
Bernd verzog fragend das Gesicht: "Und wie stellst du dir das vor? Dass du in Kanto einmarschierst, Ethan sofort findest und ohne Weiteres an ihn rankommst?"
Lauron zuckte mit den Schultern: "Es mag naiv klingen. Aber so in der Art... Außerdem muss ich es wenigstens versuchen."
Lorenz stand am Regal, wo dutzende alte Bücher nebeneinander aufgereiht standen: "Und wo willst du anfangen zu suchen?"
Franz schob den alten Merbaumer zur Seite und griff sich eines der Bücher. Er schlug es auf und blätterte. An einer Landkarte kam er zum Stillstand.
Der Weise fuhr mit seinem Zeigefinger über die Karte: "Ich kann zwar nur mutmaßen, wohin Ethan geflohen ist. Aber im Osten des Silberberges ist die blaue Stadt der kantonesischen Könige erbaut; Indigo."
"Weswegen sollte er ausgerechnet dorthin geflohen sein?", fragte Enkel.
Franz hingegen äußerte seinen Verdacht: "Als ich vor über 40 Jahren Lugia verscheucht habe, wollte der kantonesische König Artto es in seine Gewalt bringen. Vielleicht möchte Ethan seinem König ein Geschenk machen oder sich vor ihm profilieren? Natürlich kann ich es nicht versprechen, dass er wirklich dort ist. Aber wenn du nach ihm und dem Silberflügel suchen willst, so wäre das der Ort, an dem ich beginnen würde."
Lauron folgte gespannt den Worten des Weisen und versprach kleinlaut: "Wenn Ethan den Silberflügel immer noch hat, dann stehle ich ihn dir zurück, versprochen Ceci."
Sie verschränkte die Arme: "Das will ich auch hoffen. Nur wie willst du das anstellen?"
"Ich bin ein Dieb! Ich versteh mein Handwerk", betonte der braunhaarige Kerl.
Cecilia verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf: "Ein mieser Dieb. Bei mir hat es erst beim dritten Anlauf geklappt..."
Er reckte seine Hände seitlich weg und rechtfertigte sich: "Du hast mich halt aus dem Konzept gebracht? Sonst bestehle ich nie so Schönheiten."
Mit halbgesenkten Augenlidern zeigte sie ihm den Stinkefinger: "Fick dich und sieh zu, dass du die Feder zurückholst."
Aus der hinteren Reihe ergriff Vinzent das Wort: "Wenn du das so machen willst, dann brauchst du jemanden, der ein Pokémon fliegen kann."
Der Dieb blickte in die Reihe und seufzte: "Ja, das ist wahr. Mist."
Der Violaner trat mit Linda hervor: "Wir helfen dir."
Mit gerührten großen Augen sah Lauron auf die beiden: "Ihr wollt mich wirklich fliegen?"
Die junge Bürgermeisterin bestätigte mit einem Nicken: "Aber ja. Im Fall einer Gefahr kann uns Xatu sofort wegteleportieren."
Vinzent warf ein: "Und ich lass keine Kollegin alleine. Zu dritt werden wir das schon schaffen, oder nicht?"
Der Dieb zuckte mit den Schultern: "Hoffen wir´s."
Lauron verabschiedete sich mit einer Umarmung von Julius: "Ich bieg das wieder gerade."
Dann wandte er sich zu Cecilia und drückte ihr einen Handkuss auf: "Wünsch mir Glück."
Sie zog die Hand weg und prustete aus: "Ich wünsche dir kein Glück! Hättest du nur drei Gramm Gehirn, wären wir nicht in dieser Situation."
Die schwarzhaarige Lady wandte sich an ihre Bürgermeisterkollegen: "Passt bitte auf euch auf. Ich will nicht, dass euch was passiert."
Zuversichtlich nickte die blonde Frau: "Kein Problem. Wenn wir die Feder zurück haben, kommen wir wieder und dann holst du dir Lugia zurück."
"Dann wird aufgeräumt", fügte Vinzent an und trat nach draußen.
Vor dem Zinnturm entließen sie Xatu und Noctuh und hoben ab.
Zu zweit blickten Cecilia und Julius den dreien noch eine Weile hinterher, bis der Horizont sie verschluckte.
Skeptisch wandte sie sich zu ihrem Freund: "Du hast merkwürdige Kumpels, hat dir das schon mal einer gesagt?"
Julius seufzte: "Zumindest hat er einen guten Frauengeschmack. Wenngleich mir das überhaupt nicht schmeckt..."
Mit großen Augen wich die junge Lady zurück: "Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?"
Er warf einen stillen Blick auf sie.
Ihr klappte die Kinnlade nach unten: "Also doch?" Cecilia verweilte einen Moment in der Starre, prustete aus und lachte los: "Was ist los mit dir? Du bist doch nicht wirklich eifersüchtig auf diesen Idioten?"
Der junge Teaker lächelte ruhig, wandte sich von ihr ab und ging.
Verdutzt blickte sie ihrem Freund nach und das Lachen wich aus ihrem Gesicht. Die junge Frau stapfte ihm wenige Meter durch den Schnee hinterher.
Als sie unter sich waren, umarmte sie Julius von hinten und hielt ihn in einem Klammergriff fest: "Ich hab doch nichts gemacht. Warum bist du mir beleidigt?"
Er drehte sich zu ihr um und seufzte: "Ich bin dir doch nicht beleidigt."
"Warum redest du dann nicht mehr mit mir?", wollte Cecilia wissen.
"Ich rede schon mit dir. Aber ich hab Angst", verdrehte er die Augen. Noch bevor sie fragen konnte, fügte er von sich aus an: "Ich hab so Angst dich zu verlieren. So lang hab ich davon geträumt, mit dir zusammen zu sein. Und jetzt, wo mein Wunsch endlich in Erfüllung gegangen ist, kann ich es kaum glauben, dass es wahr sein soll und du mich auch willst..."
Die junge Lady legte eine Hand auf seine Wange: "Glaubst du wirklich, ich würde mir das antun? Eine Beziehung, in der die Familiengeschichte schlimmer ist als in jedem Drama? Glaubst du wirklich, ich wäre mit dir zusammen, wenn ich dich nicht aus tiefstem Herzen lieben würde? Denkst du, ich habe nicht gehadert? Schlaflose Nächte über das ja oder nein.
Wenn du glaubst, dass irgendein Idiot mich einfach so ausspannen kann, dann bist du wahrhaft ein Narr. Aber dann bist du mein Narr und du kannst eifern wie du willst. Mich wirst du trotzdem nicht mehr los."
Endlich entwich auch Julius ein Lächeln. Er umarmte und küsste sie.
Cecilias grobe, unhöfliche Art; ich kann ihren Hass auf Lauron gut verstehen. Und sie scheut sich nicht, einfach das zu sagen, was sie sich denkt^^
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