21. Heimkehr

Nach vier Tagen aufwärts stand das Heer wenige Kilometer vor Ebenholz. Ein letztes Mal schlugen die Soldaten ihr Lager auf, bevor sie die letzte johtolesische Stadt aus den Klauen der Kantonesen befreien würden.

Tristan gesellte sich mit Valentin und Lorenz zum Lagerfeuer der acht Bürgermeister, die einen Sitzkreis darum gebildet hatten. Er wandte sich zu dem alten Ebenholzer, dessen Falten im Licht der Flammen besonders gut zu erkennen waren: "Und, was ist das für ein Gefühl, wenn man weiß, dass man morgen seine Heimatstadt angreifen wird?"

Lorenz spitzte seinen Mund: "Keine Ahnung. 'N gutes? Ist das normal? Ach ja, was ich noch sagen wollt; Danke, dass ihr mich aufgenommen habt. Draghi ist ja nicht so stark wie eure Pokémon, aber für mich ist es 'ne Ehre, Ebenholz zurückzuerobern."

Albert zog eine Augenbraue hoch und gab seinen Senf dazu: "Du warst halt schon immer scheiße."
Sein alter Freund knirschte die Zähne: "Hätt ich mein Onix noch, würd ich dich fertig machen."
Darauf blieb der Azaleaner still.
Lorenz bedauerte weiterhin: "Ich hätt's machen sollen wie uns're Deserteurin. Die hatte absolut Recht. Oh wie ich mein Onix vermisse."

Tristan blickte mit großen Augen auf den Alten. Erst zwei Mal hatte er ihn sentimental erlebt; als er von Elenas Vergangenheit erzählt hatte und jetzt, in diesem Moment.

Noch eine ganze Weile saß er schweigend am Feuer. Der junge Mann lauschte nur den Gesprächen der anderen, hatte selbst aber nichts zu sagen. Seine Gedanken hingen woanders. Ebenholz.

Ob sich Elena darüber freuen würde, wenn sie wüsste, dass die Stadt befreit werden würde? Würde sie mit ihm reden? Nur einmal müsste sie ihm noch zuhören. Ob er überleben würde? Tristan vermisste sein Mädchen. Schweren Herzens und unglücklich löste er sich von der Runde. Er ging in sein Zelt, das er, seit Julius und Cecilia fest zusammen waren, für sich alleine hatte.

Schon früh kroch Tristan aus seinem Zelt, hinein in den Dunst des Morgens, und suchte die Versorgung auf. Er hatte zwar keinen Hunger, aber vielleicht wäre es seine Henkersmahlzeit. Die konnte er sich nicht entgehen lassen.

Auch sein Arkani bekam Frühstück, kam dann jedoch wieder in den Pokéball zurück. Erst draußen auf dem Schlachtfeld sollte es wieder raus kommen. Es musste seine Kräfte schonen. Sorgfältig legte der junge Kerl seine Rüstung an. Er reihte sich ein und gemeinsam mit seinen Kameraden marschierte er auf Ebenholz.

Wie zu erwarten war, hatten sich sämtliche Kantonesen, die über Johtos Städte verteilt waren, nach Ebenholz zurückgezogen und leisteten erheblichen Widerstand in Form von Fernkampfangriffen wie Flammenwurf, Hydropumpe und Donnerblittz.

Luftangriffe der drei johtolesischen Flugtrainern fanden statt und lockten die Verteidiger mehr und mehr aus der Reserve. Die Stadtmauer wurde von Rizeros, Despotar und weiteren Brutalpokémon niedergerissen. So kam eine geballte Ladung an verteidigenden Feinden auf das Schlachtfeld gerannt.

Entschlossen blickte Tristan der Angriffswelle entgegen, sein Schwert vor sich haltend. Arkani zündete schon aus der Ferne manch Gegner an, bis es von einem Turtok gestoppt wurde. Dieses wiederum wurde von Valentin und seinem Bisaknosp angegriffen, wobei das Pflanzenpokémon auch noch Hilfe von einem Waaty bekam.

Pokémon gegen Pokémon, Mann gegen Mann, Hieb um Hieb. Die Kantonesen waren nicht kleinzukriegen. Warum dauerte es nur so lange, bis Tristan einen Kampf für sich entscheiden konnte? Fast schien es so, als wären die stärksten Soldaten auf ihn angesetzt worden. Gerade schnitt er einem feindlichen Soldaten die Kehle durch, so wurde bereits die nächste Schar losgelassen.

Der junge Leutnant seufzte auf und verdrehte die Augen. Wenn das hier so weitergehen würde, würde er den Tag nicht überleben. Schon jetzt schmerzten seine Armmuskeln und verkrampften sich. Und die Anzahl an Feinden war augenscheinlich unerschöpflich.

Teak war leicht zu verteidigen. Die reibungslose Befreiung Violas hatten sie Lugia zu verdanken. Rosalia war durch den General befreit worden und Borkia war unlängst zerstört.

Es war klar, dass die Kantonesen alles in die Waagschale werfen würden, um ihren letzten und einzigen Stützpunkt in Johto zu halten. Aber dass diese Schlacht zur Rückeroberung Ebenholz sich so unendlich lang ziehen würde, hatte Tristan nicht geahnt.

Arkani hielt sich tapfer und setzte weitere Feinde in Flammen. Doch es waren zu viele. Das einst geschlagene Turtok rappelte sich wieder auf.

Einen Moment später riss Tristan seine Augen weit auf, als sein Feuerhund an ihm vorbei flog und dieser meterweit zurückgeschleudert wurde: "Kini!"

In Angst eilte er in Richtung Arkani, dessen Fell pitschnass war; die Kampfkröte hatte mit Hydropumpe angegriffen. Wasserattacken konnte der Feuerhund noch nie ab.

"Oh nein Kini", keuchte der schwarzhaarige Kerl, während er schwerfällig durch den Schlamm stapfte: "Das wird schon wieder."

Im Reflex griff der junge Trainer zum Gürtel, wo sich sein Pokéball befand. Doch bevor er diesen greifen konnte, ging ein Schlag auf seine Schulter nieder.

Trotz der Rüstung erschütterte der Hieb die Muskeln seines gesamten Armes, sodass der wie ein lebloser Bestandteil des Körpers nach unten baumelte. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper und Tristan knirschte die Zähne.

Sofort sah er sein Blut auf den Boden tropfen; der Angreifer hatte einen Spalt in der Rüstung genutzt und genau dort hineingeschlagen, wo er eine ungeschützte Stelle treffen würde.

Hatte er Tristan gar den ganzen Arm abgeschlagen? Ein wenig zuckten seine Finger noch, weswegen der Arm wohl nicht ab war. Doch konnte der junge Kerl keine Bewegung mehr verkraften und das schummrige Gefühl einer herannahenden Ohnmacht betäubte seine Sinne.

Wie sollte er sich jetzt noch gegen diesen Kantonesen wehren, der schon wieder ausholte und dieses Mal wohl seinen Kopf treffen wollte?

Welch Glück, dass Tristan seinen Pokéball zuvor nicht greifen konnte. Aus dem Hintergrund sprang Arkani vor Tristan und biss dem Feind die Kehle durch. Langsam atmete der junge Leutnant aus und sah auf seinen sterbenden Gegner.

Erst jetzt begriff er, wie er davon gekommen war. Wieder einmal verdankte er seinem Pokémon sein Leben; selbst hätte er sich niemals helfen können. Mit einem Kloß im Hals wandte er sich zu dem Feuerhund: "Danke mein Kleiner."

Dabei sah er die zittrigen Beine seines Pokémon. Nur mit letzten Kräften konnte es sich noch aufrecht halten; eine Leistung, die der junge Leutnant nicht zu vollbringen vermochte.

Seine Sicht verschwamm und er taumelte verloren auf dem Schlachtfeld, bis er auf seine Knie fiel.

Doch auch das kostete zu viel Kraft und der schwarzhaarige Kerl landete auf seinem Rücken, direkt neben ihm fiel sein Arkani zu Boden.

Sein Blick richtete sich gen Himmel. Ein schöner hellblauer Himmel war es an diesem frühen kalten Dezembermorgen; sein wohl letzter Morgen in diesem Leben.

Den nächsten angreifenden Kantonesen könnte weder er noch sein Arkani abwehren. So musste sich Marco in seinen letzten Stunden auf dieser Erde gefühlt haben. Wohlwissend, dass es bald zu Ende gehen würde, dachte Tristan an seinen guten Freund.

Seine Augenlider wurden immer schwerer und alles um ihn herum wurde immer dunkler. Sein letzter Gedanke galt seinem Mädchen. Selbst jetzt, wo der junge Mann im Sterben lag, bekam er sie nicht aus seinem Kopf. Tristan hatte vollends resigniert.

Doch dort am Himmel, ein oranges Pokémon. Ein verzweifelts Lächeln huschte über sein Gesicht; jetzt hatte er Halluzinationen auch schon! Oder war dieses Vieh echt?

Und auf wessen Seite kämpfte es? Die Geräusche um ihn herum wurden immer dumpfer. Dennoch bildete er sich ein, einen bestimmten Befehl von dort oben zu hören: "Dragoran, Hyperstrahl!"

Die Stimme kam dem jungen Mann verdächtig bekannt vor. Dragoran; die mächtige Endentwicklung, die aus Dratini wurde. Marcos Dratini, das jetzt Elena gehörte. Diese Stimme...

Sein Herz sprang schon in die Höhe. War es wirklich Elena? Oder wurden seine Halluzinationen, die im das Hinübertreten in das Jenseits erleichtern sollten, nur intensiver?

Mit aller Macht kämpfte Tristan gegen die Schwere seiner Augenlider. Der Gedanke, dass Elena hier sein könnte, ließ ihn neue Hoffnung schöpfen. Er musste es wissen! Seinen bleischweren Kopf hob er an und blickte auf eine Schar kantonesischer Soldaten, die auf ihn zustürmten. Also war er doch gleich tot?

Doch deren Angriff endete abrupt, als eine Explosion vor ihren Füßen einschlug, welche die Soldaten zurückschleuderte. Wer auch immer dafür verantwortlich war, hatte ihm gerade ein paar Minuten mehr auf dieser Erde geschenkt.

Erleichtert ließ der junge Leutnant seinen Kopf wieder auf den Boden fallen. Mit offenem Mund keuchte er schwer ein und aus. Diese Schmerzen, zum Ho-Oh...

"Draco-Meteor, los!" schrie die Stimme erneut. Die nächste Mädchenstimme war zu hören: "Garados, Nassschweif."
Ein rotes mächtiges Ungeheuer holte mit seiner Schwanzflosse aus und schlug auf die Reihe der anrennenden Männer ein. Keinem einzigen gelang das Durchdringen.

Dieser Angriffskraft hatten die kantonesischen Truppen nichts entgegenzusetzen. Manche liefen zurück in die Stadt, andere rannten in den Osten; nach Hause nach Kanto.
Ob sie je dort ankommen würden? Besser die Flucht versuchen als den sicheren Tod auf dem Schlachtfeld finden.

Ein großer hellorangene Drache landete neben dem Verletzten. Die Trainerin sprang von ihrem Pokémon und ging neben Tristan auf die Knie.

"Stani", kreischte sie und richtete ihn an seinen Schultern packend auf. Wie ein nasser Kartoffelsack sank der junge Mann auf Elenas Brust.

Sie hielt ihn fest im Arm und weinte bitterlich, während Dragoran weitere Angriffe abwehrte. Dann aber zog sie ihn auf seine Beine: "Los komm, ich bring dich zum Sanitäter."

Der Kerl deutete hinter sich und wollte etwas sagen, aber er brachte keinen Ton mehr heraus. Elenas Blick folgte seinem Finger: "Ja klar nehmen wir Arkani mit, hier."

Sie griff Tristans Pokéball und sandte Arkani zurück. Elena zog ihn auf Dragorans Rücken und hielt ihn fest. Der Drache hob ab und schoss durch die Luft, denn dieses Mal ging es wirklich um Leben und Tod.

So, da haben wir es: Die Zusammenführung von Tristan und Elena... Die ist jetzt vielleicht nicht so gelaufen, wie man sich das wohl wünschen würde, aber zumindest treffen sie sich nochmal (bevor Stani dann stribt. Oder auch nicht. Okay, das ist gemien, sorry. Ich hoffe, ihr könnt es mir verzeihen).

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