18. Eine erschütternde Erleuchtung
Ponita war nicht für die Kletterpartien rund um den Kesselberg geeignet. Mit seinen harten Hufen rutschte es immer wieder an den glatten Felsen ab. Arkanis weiche Pfoten waren schon besser für dieses Terrain geeignet, dachte Elena.
Sie verdrehte die Augen, als sie, mal wieder, Tristans Werk in den Himmel hievte. Andererseits hatte er sein Pokémon auch bestens im Griff und gut trainiert. Nein; Elena sah nichts durch einen rosaroten Schleier, durch den sie keine Fehler mehr an ihrem Angebeteten wahrnehmen konnte!
Die steilen Wanderwege übernahm die Jugendliche selbst und holte Ponita in den Pokéball zurück. Selbst laufen war so anstrengend. Dazu auch noch der Regen... Warum regnete es hier eigentlich? Es war Ende Dezember. In Ebenholz und auch in Merbaum fiel schon seit spätestens Anfang November Schnee. Eine merkwürdige Gegend war das hier...
Auf weiter Flur trieb das Mädchen ihr Feuerpony per Galopp über die Felder. "Wenn du nicht mehr kannst, dann hör einfach auf, okay?", wies Elena das Pokémon an. Sie wollte Ponita ja nicht quälen.
Irgendwie hatte die Jugendliche das Pony lieb gewonnen. Es war nicht nur nützlich hinsichtlich des Reitens und des Feuer legens. Es war auch liebenswert.
Obwohl Elena es noch nicht lange bei sich hatte, suchte das Flammenpferdchen die Nähe zur Trainerin. Es legte sich auch zu Elena ins Zelt, wenn es wahrhaft zu kalt war und wärmte sie.
"Du bist voll süß", schwärmte sie und kraulte Ponita an seiner Flammenmähne: "Eigentlich war immer Tristan meine Wärmflasche. Aber mit dir kann ich auch ganz gut leben."
Plötzlich befreite sich Dragonir aus dem Aprikokos-Ball und rollte sich auf Elenas Bauch ein. Das Mädchen verdrehte die Augen und streichelte auch die Wasserschlange: "Ja, du bist auch süß, Drago. Das muss ich dir aber hoffentlich nicht sagen."
Dragonir; arrogant, eingebildet, eifersüchtig. Seit seiner Entwicklung war Dratini nicht mehr wieder zu erkennen. Dennoch liebte Elena ihr Pokémon, denn ihr gegenüber war Drago immer noch verschmust, anhänglich und einfühlsam. Vielleicht machte Dragonir auch gerade seine ganz eigene Pubertät durch und hatte deswegen so seltsame Charakterzüge angenommen. Ob es sich noch einmal entwickeln und wieder auf den Boden zurückkommen würde?
Dank Ponita fand sich Elena schon nach drei Tagen vor der Stadtmauer von Teak wieder. Für einige Augenblicke saß sie nur auf ihrem Pony und blickte skeptisch auf die Pforte. Vor nicht Mal zwei Monaten war die Jugendliche noch eine Inhaftierte der Stadt. Und jetzt begab sie sich freiwillig in dieses Bibornest?
Aber Elena wollte unbedingt zu Tristan. Mit einem mulmigen Gefühl kam sie der Pforte näher, aber niemand hielt hier noch Wache. In der Stadt war es derselbe Anblick; niemand war da. Doch früher stand auf dem Marktplatz noch kein Militärzelt. Waren die Soldaten etwa schon aus Oliviana zurück? Und war Tristan unter ihnen? Ob gar der grausige General in Teak war?
Noch einmal würde sie nicht in den Kerker wandern. Aber unverrichteter Dinge konnte die Jugendliche nicht nach Hause gehen. Jetzt, wo sie schon mal hier war. Vielleicht war Tristan ja wirklich dort oder es gab in dem Zelt jemanden, der seinen Aufenthaltsort kannte.
Elena musterte die Stadt ganz genau, während sie auf das Zelt zuging. Nervös schob sie den Vorhang zur Seite und sah hinein. Darin erblickte sie eine Dame in einem weißen Kittel. Allem Anschein nach war das hier ein Sanitätszelt.
Der General war mit Sicherheit nicht hier und dem Mädchen fiel ein Kleinstein vom Herzen.
Die Jugendliche räusperte sich: "Tschuldigung, darf ich stören?"
Die Dame lächelte: "Sicher. Was kann ich für Euch tun?"
"Wisst ihr, wo Leutnant Avila ist?"
Skeptisch musterte die Krankenschwester ihr Gegenüber: "Dazu gebe ich keine Auskunft."
Elena wich zurück: "Aber wieso nicht? Ich muss wirklich zu ihm!"
"Das sagen alle Spione", antwortete die Dame und erhob ihre Nase gen Himmel.
Das Mädchen klatschte sich die Hand auf die Stirn: "Ich bin doch kein Spion, was denkt Ihr von mir?"
"Auch das sagen alle Spione!"
Elena wurde es zu bunt. Sie haute ihre geballte Faust auf den Thresen und drohte: "Wenn Ihr mir nicht sagen wollt, wo er ist; Bitte. Ich find es sowieso raus. Nur wird das für Euch Konsequenzen haben, und zwar keine schönen."
Ihre Hand wanderte schon zu Dragonirs Pokéball.
Doch wurde sie von einem Ruf aus der Hinterkammer des Sanitätszeltes unterbrochen: "Elena!"
Es war nicht Tristans Stimme. Das Mädchen brauchte einen Moment, bis sie seine Stimme erkannte. Dann aber schoss es ihr in den Sinn und mit großen Augen gab Elena zurück: "Konstantin?"
Die Schwester starrte auf den Abtrennvorhang: "Unglaublich!"
Sie schob diesen zur Seite und erklärte: "Er kann seit Wochen nicht sprechen und bewegt sich wegen des vielen Gifts in seinem Körper kaum! Wer seid ihr?"
Elena trat in Konstantins Sanitätskammer und warf einen mitleidigen Blick auf ihn: "Wir haben vor drei Monaten im Trainingszentrum in Borkia zusammen Pokémon trainiert."
Konstantin richtete sich auf und wisperte: "Kein Spion, Schwester. Ich muss mit ihr reden."
Sein Kleinstein lag neben seinem Bett und sah aus, als hätte es seit Wochen nicht geschlafen. Da dies Konstantins erste Worte waren, hatte sein graues Pokémon Freudentränen in den Augen und hüpfte auf und ab. Doch als es seinen Trainer näher begutachtete, wurde es ruhig und traurig. Es musste gesehen haben, dass es Konstantin nicht besonders gut ging.
Die Krankenschwester nickte und verließ die Kammer. Elena setzte sich zu dem jungen Kerl, der kaum älter war als sie.
Konstantin hüstelte und keuchte aus: "Der Angriff auf Borkia; das war Ebenholz ehemaliger Bürgermeister."
Mit großen Augen wich die Jugendliche zurück: "Jonas?"
Der Verletzte nickte: "Ja. Er kämpft für Kanto, ich hab ihn gesehen. Du musst vorsichtig sein, wenn du ihm begegnest."
Ihr rutschte das Herz in die Hose. Mit entgleißtem Gesichtsausdruck starrte sie an dem Kranken vorbei. Ihr Hirn ratterte. Jonas; er war bei ihr daheim, in Merbaum, bei ihrer Schwester.
Elenas Herz raste: "Bist du sicher?"
Sie wünschte, er würde halluzinieren. Immerhin lag der Angriff auf Borkia schon zwei Monate zurück. Da hatte er genug Zeit zum Fantasieren.
Konstantin schob den Ärmel seines Krankenhemdes nach oben und erklärte seine Narben: "Das war sein Panzaeron."
Er hatte vier tiefe Schnittwunden in gleichmäßigem Abstand erlitten, verursacht von Panzaerons Flügel.
"Noch bevor seine Leute angekommen ist, hat er nachts bei mir angeklopft und mich angegriffen. Er ist verschwunden; danach kam Linda bei mir an. Ich hab sie in die Trainingsstätte geholt und bin zusammengebrochen. Vermutlich waren Panzaerons Flügel in Gift getaucht... Aber das war das geringere Problem. Denn Kanto rollte längst über Borkia hinweg..."
Das Mädchen wusste von Tristan, dass Angriffe auf Borkia stattgefunden hatten. Wie verheerend diese waren, hatte er ihr aber nicht geschildert.
"Was ist mit Borkia?", fragte sie heiser.
Konstantin schüttelte den Kopf. "Es gibt kein Borkia mehr."
Zum Abschied drückte Elena seine Hand: "Danke Konsti, aber ich darf keine Zeit verlieren. Bitte werd wieder gesund und dann erzählst du mir, was mit dir passiert ist."
Der Kranke lächelte schwach, schien aber gleichzeitig zufrieden zu sein: "Ist gut."
Elena hastete an der Theke vorbei und gab der Krankenschwester einen Hinweis: "Gebt ihm mehr Pirsifbeeren, wenn er vergiftet ist."
Sie schob den Vorhang beiseite und wollte gerade hinaus schlüpfen.
"Mädchen!", rief die Krankenschwester streng, sodass Elena abrupt stehen blieb und sich zu ihr wandte: "Eure Frage; Leutnant Avila ist mit den verfügbaren Streitkräften und einer Hand voll starker Trainer auf Viola marschiert, um es zu befreien. Wie man hört, sind sie mittlerweile schon bis auf Borkia vorgerückt"
"Danke", nickte Elena und stolperte nach draußen. Durch das Zelt hindurch war ein empörter Ruf der Krankenschwester zu hören: "Außerdem; was denkt Ihr von mir? Dass ich einem Vergifteten keine Pirsifbeeren gebe?"
Das Mädchen kümmerte sich nicht weiter drum und sprang auf Ponitas Rücken. Wie naiv sie doch war und auf Jonas Getue und seine Entschuldigung hereinfiel.
Dabei arbeitete er schon die ganze Zeit über mit den Kantonesen zusammen. Sie musste sofort zurück nach Hause, bevor der Schmierlappen Schaden anrichten konnte.
Tristan war irgendwo in der Nähe von Borkia. Bis Elena ihn dort gefunden hätte, wären Wochen vergangen. Wer weiß, was Jonas in der Zwischenzeit mit Merbaum anrichten würde?
Ihre Hoffnung lag auf Doro. Würde der Schmierlappen sein wahres Gesicht zeigen, könnte ihre kleine Schwester mit Garados seinem Zerstörungswahn Einhalt gebieten.
So, niemand mochte ihn und jetzt auch noch das. Jonas, der Verräter (mir tut es für jeden Jonas da draußen leid, dass ich diesen Namen für einen Bösewicht missbrauche - das ist absolut nicht persönlich gemeint, aber das sollte klar sein). Jetzt wisst ihr auch, wer den Glurakmann aus Viola befreit hat, falls ihr euch das noch gefragt habt.
Elena treibt es also erstmal nach Merbaum zurück (logischerweise, denke ich mal). Lugia muss also leider noch warten.
Ich hoffe immer noch, dass ihr Spaß am Lesen habt. Bis dann!
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