15. Die Rückkehr eines alten Bekannten...
Wieder hatte Seeper gegen Karpador verloren. Gutherzig lächelte Theo auf seinen Pokéball, als wäre er mit dem Ergebnis zufrieden gewesen.
Elena verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf: "Wenn dein Seeper nicht lernt zu treffen, dann wird das nie was mit ´nem Sieg!"
Sein Kopf schnellte in die Höhe und er blickte mit großen Augen auf sie: "Wie bitte?"
"Wir müssen Zielübungen durchführen!", bestimmte die junge Bürgermeisterin.
Ihr dämlicher Kumpel salutierte: "Sir, Jawohl, Sir!"
Seit Wochen ging es schon so; Seeper traf kein einziges Ziel und wenn, dann war es der pure Zufall. Theo schien damit kein Problem zu haben, aber für Elena war es frustrierend. Immerhin war sie dafür verantwortlich, dass die Pokémon hier in Merbaum etwas lernten!
Ihr Kumpel streichelte seinem Seeper über den Kopf, als es erneut die Zielscheiben verfehlte: "Vielleicht ist es doch ´n besseres Hauspokémon."
Skeptisch verzog das Mädchen eine Augenbraue in die Höhe: "Dir ist schon bewusst, dass du für dein Seeper dann aber einen Kübel Wasser bräuchtest, damit du es in deinem Zimmer halten kannst. Und ob das dann artgerecht ist, wage ich zu bezweifeln. Außerdem..." Sie stampfte auf den Boden: "... kannst du mir auch direkt sagen, wenn du gar keine Lust auf´s Pokémontraining hast. Ich kann meine Zeit auch sinnvoller nutzen!"
Das war eine harte wie verständliche Ansage. Seit wann war Elena so knallhart geworden?
Theo erhob abwehrend die Hände: "Schon gut, ich meinte ja nur. Mir wäre es auch lieber, wenn Seeper kämpfen könnte."
"Na dann los", bestimmte das Mädchen und stellte dem Seeper ihr Dragonir zur Seite. Zu ihrem Drachen gebeugt sagte sie: "Kannst du dem Zwerg neben dir vielleicht zeigen, wie man ´ne Attacke schießt, damit man auch trifft?"
Mit leuchtenden Augen nickte das Pokémon, wandte sich um und schoss mit einem Eisstrahl in Sekundenschnelle auf alle fünf Ziele. Zur großen Verwunderung waren sämtliche Treffer mittig platziert. Dragonir blickte erst auf Seeper, dann auf seine Trainerin. Im Anschluss reckte es seine Schnauze in die Höhe als wollte es sagen: "So macht man das."
Ja, in letzter Zeit schien es eingebildet und arrogant geworden zu sein, zumindest anderen schwächlichen Pokémon gegenüber. Solange es Elena aber gehorchte, sollte es ihr recht sein.
Theo trainierte immer weiter mit seinem Seeper, bis sich endlich Fortschritte zeigten. Es wurde treffsicherer und die Attacken trafen stärker. Mit der Sicherheit erlangte das blaue Seepferdchen auch Schnelligkeit.
In einem Übungskampf zwischen Doro und Theo hätte Seeper beinahe gewonnen. Aber die Kleine trainierte ihr Karpador schon seit einem halben Jahr. So blieb sie dem Jungen einen Schritt voraus; immerhin konnte der sonst so nichtsnutzige Fisch mittlerweile sogar tackeln.
Bei all den Mühen, die das Mädchen in den Goldfisch steckte, war es nicht verwunderlich, als er inmitten des Dorfteiches plötzlich zu leuchten begann.
Panisch wich Doro zurück und rief: "Karpador, was ist mit dir? Hilfe, jemand muss ihm helfen."
Sie wollte schon beinahe ins Wasser springen, doch Elena griff ihre kleine Schwester an der Schulter und hielt sie davon ab: "Schon gut, Doro. Es ist überhaupt nichts Schlimmes. Dein Karpador entwickelt sich weiter."
Mit großen Augen blickte die kleine Schwester auf: "Es macht was?"
"Sich weiterentwickeln", sprach Elena knapp und deutete auf ihr eigenes Pokémon: "Dratini hat´s auch schon hinter sich und als Dragonir ist es stärker. Und das Gleiche geschieht mit deinem Karpador jetzt auch."
Doros Augen leuchteten, als sie die Entwicklung ihres Karpadors zu Garados bestaunte.
Inmitten des Teiches erhob sich eine acht Meter lange rote Wasserschlange, die mit einem kritischen Blick ihre Umgebung beobachtete. Elena, Theo und noch ein paar weitere Einwohner bewunderten mit offenen Mündern das rote Garados.
"Wow, Doro", stammelte Theo: "Herzlichen Glückwunsch."
Wie angewurzelt stand die Kleine immer noch am Teich und starrte auf ihr neues Pokémon. Garados blickte auf seine Trainerin und schnaubte ihr entgegen.
Ein stolzes Lächeln überkam Doros Gesicht: "Du kennst mich immer noch, Karpi!"
Jetzt begriff sie auch, dass sie keine Angst vor dem furchteinflößenden Pokémon zu haben brauchte. Im Gegenteil; Garados senkte seinen Kopf bis auf den Boden und rollte seine Augen nach oben.
Fragend blickte die Kleine auf ihre rote Schlange: "Willst du, dass ich aufsteige?"
Garados gab ein langsames Nicken von sich.
"Na gut, aber nur, wenn es dir auch wirklich recht ist", beharrte sie.
Doro griff nach den Hörnern an Garados Kopf und stieg auf. Das Pokémon erhob sich und drehte ein paar Runden im Teich. Wassermassen traten über die Ufer und schwappten wegen des gefrorenen Bodens wieder zurück in den Teich.
Doros lautes Gelächter und Garados freudige Rufe hallten durch ganz Merbaum.
Elena konnte vor Ungläubigkeit nur den Kopf schütteln: "Wahnsinn!"
Was ihrer Schwester gelungen war, war wohl einmalig auf der Welt. In der Schule wurde immer vor der Bösartigkeit eines Garados gewarnt. Als Überlebenshinweise bekamen die Schüler mit auf den Weg, sich tot zu stellen, hätte man jemals das Pech, einem Garados zu begegnen.
Aber Doros Garados schien nicht sehr viel von Bösartigkeit in sich zu haben. Im Gegenteil; es hatte sogar Humor.
Ruckartig senkte es seinen Kopf, schrie die Leute an und schwamm dann weiter. Diejenigen, die aus Angst vor ihm zusammenzuckten, schien Garados sogar auszulachen. Scheinbar genoss es seine neue Stellung als mächtiges und furchteinflößendes Pokémon.
Noch eine ganze Weile beobachtete Elena ihre Schwester dabei, wie diese mit Garados im Teich auf und ab schwamm. Der Teich war wahrlich zu klein, aber diese Tatsache störte die beiden nicht. Erst zur Abenddämmerung sah Doro ein, dass sie aufhören musste.
Garados setzte die Kleine an Land ab: "Das machen wir morgen wieder! Ganz sicher. Und du kriegst Maronbeeren, deine Lieblingsbeeren."
Zufrieden schrie das rote Pokémon auf und das Mädchen holte es in den Pokéball zurück.
Elena legte einen Arm um Doro: "Ich bin so stolz auf dich. Du bist wahrscheinlich die mächtigste Trainerin der Welt."
Wieder wies die Kleine jeglichen Ruhm von sich: "Aber das ist immer noch Tristans Verdienst. Er hat mir alles gezeigt."
Die Große schüttelte den Kopf: "Nein Doro. Das hast du ganz alleine geschafft."
In all der Aufregung hatte Elena nicht mitbekommen, dass ein weiterer Zuschauer gekommen war. Theo hingegen redete schon eine ganze Weile lang mit demjenigen. In der Dämmerung erkannte die Jugendliche erst nicht wer das war, ging dann jedoch auf ihn zu. Sie kniff die Augen zusammen, runzelte sie die Stirn und wisperte: "Jonas?"
Der braunhaarige Mittdreißiger nickte: "Richtig, ich bin´s. Danke, dass du mich nicht mitgenommen hast."
Mit seinem Vorwurf schoss ihr Puls in die Höhe und Elena ballte die Faust: "Wer von uns war es denn, der sich immer dann verpisst hat, wenn es brenzlig wurde?"
Er winkte ab und tat die alten Geschichten ab: "Ja ja, schon gut. Beruhig dich wieder. Schön, dich hier zu sehen. Läuft ja ganz gut, wie es aussieht, Frau Bürgermeisterin?"
Eine peinliche Stille herrschte. Elena wurde als Jonas Nachfolgerin auserkoren und jetzt standen sich die beiden gegenüber. Peinlich war es deshalb, weil der Exbürgermeister sein Amt nicht freiwillig abgetreten hatte.
Elena reckte die geballten Fäuste in Richtung Boden.
"Richtig!", bestätigte sie. Ohne sich rechtfertigen zu wollen, tat sie es eben doch: "Ich bin Bürgermeisterin. Du warst nicht hier und vor mir war es Lorenz. Wenn du den Posten wieder haben willst, bitte."
Abwehrend erhob Jonas die Hände und verzog das Gesicht: "Ach nee du, lass Mal. Auf Almosen bin ich nicht angewiesen."
Die Jugendliche hingegen blieb souverän und ignorierte seinen zum Ausdruck gebrachten verletzten Stolz: "Nun, ich gehe davon aus, dass du leider hier bleiben möchtest?"
Der Mittdreißiger fuhr sich durch seine Schmalzlocke: "Aber sicher doch. Immerhin war Ebenholz meine Heimat und jetzt ist es Merbaum!"
Mit verschränkten Armen sprach die Bürgermeisterin unterkühlt: "Im Gemeinschaftshaus sind Betten frei. Wenn du ´n eigenes Haus willst, musst du´s dir selber bauen."
Jonas zuckte mit den Schultern und verschwand erhobenen Hauptes: "Auch gut."
Mit finsterer Miene blickte Theo dem Exbürgermeister hinterher: "Was war das denn jetzt?"
Mit leichter Empörung entfuhr es der Jugendlichen: "Pfff! Der ist so... ´n Arschloch!"
Sie raufte sich die Haare und dachte an all die Erlebnisse mit Jonas zurück: "Wenn ich dir sag, was Tristan und ich alles wegen dem mitgemacht haben..."
Ohne auf den halb neugierigen, halb genervten Blick ihres Kumpels einzugehen erzählte Elena ungebremst weiter. Zum Beispiel, dass Jonas ins Zelt von den beiden wollte.
Theo schlug sich beide Hände auf die Wangen: "Wie? Du und Tristan; ihr habt euch ein Zelt geteilt?"
Die Jugendliche runzelte die Stirn und rümpfte die Nase: "Was ist falsch daran?"
Der blonde Junge verdrehte die Augen: "Ach... Ich hör ja schon auf. Ich will gar nicht wissen, was in eurem Zelt noch passiert ist."
Sie stampfte auf den Boden und eine Wutader an ihrem Hals trat hervor: "NICHTS! Es ist nichts passiert, du verblödeter Depp! Hörst du mir jetzt zu oder willst du meine Erzählungen allesamt zerlegen?"
In Bezug auf Tristan war Elena noch immer sehr leicht reizbar.
Wieder wich Theo zurück und antwortete eingeschüchtert: "Verzeih... Ich sag schon nichts mehr... Also erzähl weiter. Was ist noch alles passiert... m-mit Jonas, mein ich, selbstverständlich?"
Die Jugendliche fuhr damit fort, dass er die beiden nachts alleine im Wald zurückgelassen hatte, als sie selbst noch nicht nach Rosalia einreisen konnten. Wenige Tage später hatte Jonas Teddiursa dabei und sie erzählte von der Verfolgungsjagd quer durch den Wald, die kurz vor Violas Stadtmauer endete. Auch dort entschloss sich der ehemalige Bürgermeister dazu, dass es in der Stadt schöner zum Übernachten war und ließ die beiden im Stich.
"Woah", staunte Theo mit großen Augen: "Der ist ja mal ´n Riesenarschloch! Normalerweise müssten wir das in ganz Merbaum bekanntmachen, was passiert ist; damit die Leute nicht wieder auf seine Schleimscheißerei reinfallen."
Zweifelnd seufzte Elena aus: "Ob das erfolgreich ist? Er ist nicht umsonst Bürgermeister geworden. Beliebt war er schon immer..."
"Ja, aber jetzt haben wir eine neue beliebte Bürgermeisterin", strahlte ihr Kumpel und fasste sich ans Kinn: "Außerdem... Die ganzen dummen Ebenholzer sind damals beim Angriff gestorben und nur die klugen haben überlebt. Klug deshalb, weil sie geflohen sind. Vielleicht sind die auch klug genug, um Jonas aus der Stadt zu jagen."
Das weißhaarige Mädchen wandte sich resigniert ab: "Ich weiß nicht, Theo. Solche Parasiten wird man nie los..." Sie blickte empor in das Himmelszelt, wo bereits vereinzelte Sterne funkelten: "Ich frage mich gerade..."
Neugierig beugte sich ihr Kumpel in ihre Richtung, um einen Blick in Elenas Gesicht zu erhaschen: "Was fragst du dich?"
Die Jugendliche senkte ihren Kopf zu Boden: "... was Tristan wohl tun würde..."
Unwillkürlich verdrehte Theo die Augen und seufzte laut aus: "Ach Elena. Was kann ich tun, damit du endlich von ihm los kommst?"
Sie legte beide Hände auf ihre Schläfen und schüttelte den Kopf: "Du kannst gar nichts tun."
Mit geschlossenen Augen ging sie in die Hocke und weinte: "Ich schaffe es nicht von ihm loszukommen. Seit vier Wochen will ich nichts anderes, als nicht mehr an ihn zu denken. Aber stattdessen liege ich nachts wach und stell mir vor, im Zelt neben ihm zu liegen. Morgens denke ich daran, in sein Gesicht zu sehen, wenn er mir was zum Essen gibt.
Er war schon immer Stunden vor mir wach, weißt du? Er hat mich trotzdem schlafen lassen, weil er mich nicht verärgern wollte. Dabei bin ich doch gar nicht so."
Sie schluchzte in ihre Hände und ihre Stimme bebte: "Ich bin in jeder Hinsicht von ihm besessen. Und das obwohl er sang- und klanglos aus Merbaum verschwunden ist und mich ohne ein Wort des Abschieds verlassen hat. Ich müsste ihn hassen, doch stattdessen frage ich mich, was ich falsch gemacht hab. Wenigstens eine Begründung von ihm, warum er abgehauen ist. Wenigstens eine kurze Erklärung, und wenn sie nur gelogen ist."
Theo legte einen Arm um sie und versuchte, tröstende Worte zu finden: "Jetzt gehen wir erstmal heim und morgen sieht die Welt vielleicht schon besser aus."
So, ich glaube der Kapitelname war ein wenig irreführend und ein Teil wird gehofft haben, dass Elena zu Tristan zurückkehrt. Aber da war es dann doch leider die Schmalzlocke, die nun in Merbaum einkehrt.
Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr enttäuscht - aber zu sehr aus dem Nichts wollte ich Elena nicht agieren lassen^^ (ich hoffe, ihr könnt euch noch ein wenig gedulden).
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