14. Wer zuerst kommt...

Die Tageshelligkeit durchdrang den dicken Stoff des Zeltes. Im Schock schnellte Cecilia hoch; heute war der Marsch auf Rosalia! Sonst hatte die junge Frau doch nie verschlafen! Verschlafen...

Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie wieder richtig gut geschlafen und sie wachte erholt auf. Die junge Lady fühlte eine Hand auf ihrer Schulter. Sofort wandte sie sich um, nur um in Julius graue treuherzige Augen zu blicken.

"Alles in Ordnung?", fragte er voller Sanftmut. Ihm war die Angst ins Gesicht geschrieben; wohl davor, dass Cecilia es sich von jetzt auf gleich wieder anders mit ihm überlegt hätte.

Doch sie lächelte ihn zärtlich an: "Alles gut, keine Sorge... Bis auf die Tatsache, dass der Silberflügel weg ist..."

Julius seufzte aus und griff nach ihrer Hand. Erleichtert schien er zu sein, dass sie es sich nicht anders überlegt hatte. Er rutschte zu Cecilia auf und gab ihr einen Kuss.

Julius legte einen Arm um sie und tröstete: "Da finden wir schon eine Lösung, mach dir keine Sorgen."

Vor dem Zelt trabten die Soldaten bereits durch die Gegend und rüsteten sich auf. Manchen saßen noch beim Frühstück und versorgten ihre Pokémon. Kurze Zeit später folgte der Marsch über die grünen Hügel nach Rosalia. Die drei verbliebenen Flugtrainer hielten sich wie gehabt im Hintergrund für den Angriff bereit.

Cecilia verabschiedete sich von Julius, als dieser ihr einen Pokéball in die Hand drückte: "Wenn du möchtest, kannst du auch mit Hundemon kämpfen. In der Luft kann ich ihn ohnehin nicht einsetzen."

Die junge Frau nickte mit großen Augen und nahm den Vertrauensbeweis an: "Ich danke dir."
Wie nicht anders erwartet küssten sich die beiden lang und innig, ohne Rücksicht auf ihre Umwelt zu nehmen. Ob es peinlich war? Und wenn schon!

Die schwarzhaarige Lady reihte sich an der Front der Bodensoldaten ein und fand sich neben ihrem Bruder wieder. Sie blickte zur Seite und erkannte ein breites Grinsen in Tristans dämlichem Gesicht.

"Was?", fragte sie giftig und kniff die Augen zusammen.
Abwehrend wich der junge Kerl zurück: "Nichts, ich freu mich nur für dich!"

Cecilia zog eine Augenbraue ganz weit hoch: "Bei dir läuft´s doch auch, oder? Borkia-Blondie bekommt gar nicht mehr ihre Augen von dir."
"Ähm?", stammelte er. Er rieb sich den Hinterkopf und grinste: "Ich weiß nicht?"

Seine Schwester verdrehte die Augen: "Jetzt tu doch nicht so. Das sieht echt jeder. Außerdem hast du mir früher schon immer erzählt, dass sie dir auf den Geist geht."

Tristan zuckte mit den Schultern: "Ich weiß. Ich mag sie halt nicht."
Skeptisch verzog sie das Gesicht und zählte Lindas Qualitäten auf: "Und wieso nicht? Sie ist begabt, schlau, schön, freundlich, beliebt. Alles, was ein Mann will."

"Ach!", entgegnete ihr Bruder und feixte mit einem Schmunzeln: "Und wieso hast du dann einen Mann abbekommen, wo du keine dieser Eigenschaften erfüllst?"

Cecilia reckte ihre Nase gen Himmel und sprach schnippisch: "Du als mein Bruder erkennst meine Vorzüge nicht. Alles andere wäre aber auch mehr als unnatürlich. Aber jetzt nochmal; Linda?"

"Ach Ceci", seufzte er aus: "Ich will sie nun mal nicht."
Seine Schwester rümpfte die Nase: "Es gibt eine Konkurrentin?"

Unweigerlich überkam ihn ein Grinsen, als er an Elena dachte. Er nickte.
Schnippisch fragte Cecilia: "Aha! Wusste ich´s doch! Und warum erzählst du mir nichts davon?"

Tristan ließ seinen Kopf hängen: "Ich hab sie ohne Abschiedswort sitzen lassen, als sie mit mir reisen wollte. Sie wird nie wieder mit mir sprechen."

Seine Schwester starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ihn: "Und warum hängst du dann noch so an ihr, wenn es ohnehin keine Hoffnung gibt?"

Er zuckte mit den Schultern: "Ich vermisse sie. Wenn das alles hier vorbei ist, dann reise ich zu ihr und bitte sie um Verzeihung. Wenn sie mich dann immer noch verflucht oder schon mit Theo zusammen ist, dann ist es eben so. Aber vielleicht kann ich dann endlich mit ihr abschließen."

"Wer auch immer Theo ist; ich wünsche dir von ganzem Herzen viel Glück dabei und ich hoffe, du bekommst, was du willst", sprach Cecilia und riss Tristan damit aus seinen Gedanken.
Er setzte ein gequältes Lächeln auf und richtete seinen Blick direkt wieder zu Boden.

Cecilias Kloß im Hals verhinderte, dass sie ihren Bruder ohne Weiteres ansprechen konnte. Schließlich musste sie ihm noch von dem Vorfall berichten. Sie räusperte sich und krächzte: "Tristan?"

Sein gespannter Blick schnellte auf sie.
"Jemand hat mir gestern den Silberflügel gestohlen."
Reflexartig stieß ihr Bruder aus: "Was?"

Sie verdrehte über ihre eigene Dummheit die Augen: "Er hat mich früher schon aufgesucht, aber ich wusste nicht, was er wollte. Gestern, als ich Rizeros nicht bei mir hatte, hat mich sein Pokémon hypnotisiert und ich war wehrlos. Er sprach von einem Auftraggeber, dem er die Feder beschaffen sollte..."

Tristan fasste sich ans Kinn: "Hermann? Mit dem Silberflügel kann er schließlich auch Lugia kontrollieren, oder nicht?"
Erleichtert war die junge Lady, als ihr Bruder ihr keine weiteren Vorwürfe machte: "Wenn es stimmt, was Ethan sagt, dann schon..."

"Und was sollen wir weiter tun?", fragte der junge Leutnant: "Immerhin müssen wir unser Land befreien. Andererseits wäre Lugia auf unserer Seite durchaus hilfreich."

Wehmütig seufzte Cecilia aus: "Selbst wenn wir Hermann finden; er kontrolliert Lugia. Im Kampf würde er es gegen uns einsetzen. Es ist zu mächtig und die Gefahr ist zu groß, dass wir Leute verlieren. Außerdem könnte er überall sein. Bei einer Suchaktion würden wir nur wertvolle Zeit verlieren, um Johto zu befreien."

Tristan zog die Schultern an: "Du bist die Auserwählte; denkst du, Lugia hält es so lange in Hermanns Fängen aus?"
Ihre Lippen bibberten und urplötzlich rannen Tränen über ihre Wangen: "Wir sind jetzt hier! Wir müssen jetzt unser Land zurückholen! Wenn wir zu lange warten, drängt Kanto uns wieder zurück. Vor Teak hat die Verteidigung auch funktioniert, obwohl wir nur die Hälfte unserer Soldaten da war. Warum sollte ein Angriff mit der ganzen Mannschaft nicht funkionieren?"

Tröstend legte ihr Bruder einen Arm um sie: "Wenn wir Ebenholz zurück haben, kümmern wir uns um Lugia."

Hinter dem nächsten Hügel war der Blick auf Rosalia frei. Mit Sicherheit wurden sie bereits von den Kantonesen erwartet. Die wenigen Leute, die vor Tristan und Cecilia marschierten, blieben jedoch stutzig auf dem Hügel stehen.

Die Soldaten steckten ihre Köpfe zusammen und Gemurmel und Getuschel brach los. Der junge Leutnant runzelte die Stirn und auch seine Schwester wurde neugierig.

Die letzten Meter zur Kuppe sprangen die beiden beinahe hinauf wie zwei Damhirplex. Die Geschwister mussten sofort wissen, was es dort zu sehen gab; was dort so außergewöhnlich war, dass ausgebildete Soldaten ins Stocken gerieten.

Das Blut pochte in Cecilias Ohren, als sie einen Blick hinunter auf Rosalia war. Doch was sich ihr bot, überstieg ihre Erwartungen.

Rosalia lag bereits in Schutt und Asche.

Der Ortskern schien in Ordnung zu sein. Einige Häuserreihen hatten auch überlebt. Doch mindestens zwei Drittel der Stadt waren niedergebrannt.

Ein Teil dieser Zerstörung stammte von der Verteidigungsschlacht vor fast zwei Monaten. Doch der Großteil der Schäden war neu.

Rauch qualmte noch aus schwarzen Trümmerteilen empor. So lange konnte der Angriff also noch nicht her sein. Kreuz und quer lagen Balken und Gebäudeteile in der Stadt.

"Was zum...", entfuhr es dem jungen Leutnant bei diesem Anblick. Was war hier nur geschehen?
Er fuhr um und suchte nach dem Hauptmann. Gerald stand mit offenem Mund wenige Meter neben ihm auf dem Hügel und betrachtete die "Stadt".

"Gerald?", fragte Tristan hastig: "Wie schätzt Ihr die Lage ein?"
Der Hauptmann schüttelte seinen Kopf und stammelte: "Bedenklich. Äußerst bedenklich."

Der junge Kerl rieb sich das Kinn: "Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, was hier passiert ist."
Geralds Kopf schnellte in die Höhe und sein gespannter Blick fiel auf seinen Untergebenen.

"Variante eins; Kanto hat keine Chance im Kampf gegen Lugia gesehen und Rosalia aufgegeben. Um uns zu schaden, haben sie die Stadt selbst zerstört, oder...", Tristan holte Luft und fuhr fort: "Hermann war mit Lugia bereits hier und hat die Kantonesen geschlagen."

Von der Seite aus mischte sich plötzlich Valentin mit erhobenem Zeigefinger ein: "Oder Variante drei; alles so wie Variante eins, nur dass zwischen den Gebäuden noch vereinzelte Kamikaze-Kantonesen sitzen und uns aus dem Hinterhalt angreifen."

Zwei erstaunte Gesichter des Hauptmanns und des Leutnants richteten sich auf den dürren Soldaten. Noch nicht mal Tristan konnte nicht abstreiten, dass dies in der Tat ein interessanter Gedankengang war.

Sofort stellte er sich zur Verfügung: "Hauptmann Gerald, ich würde gerne mit Arkani die Stadt durchsuchen um zu klären, ob sich vielleicht nicht doch noch jemand dort versteckt."

Gerald nickte ihm zu: "Genehmigt. Kommt wieder hierher, wenn Ihr fertig seid."

Hallo,
ein schönes Wochenende zusammen.
In dem Kapitel ist eigentlich nicht so viel passiert. Ich hoffe, das ist in Ordnung (vielleicht ist es auch nicht so schlecht, um die letzten beiden Kapitel sacken zu lassen).
Ach ja; ab dem nächsten Kapitel wird Elena jetzt wieder mehr Auftritte bekommen :) (die hab ich zu lange Zeit in Merbaum versauern/trauern lassen. Aber bald geht's mit ihr weiter).

Falls was unlogisch wird; bitte melden!
Ich kann nur hoffen, den Überblick behalten zu haben.

Macht´s gut :)

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