11. Johto schlägt zurück

Geblendet von der Morgensonne und aus Angst vor umherfliegenden Trümmerteilen hielt Lars schützend einen Arm vor sein Gesicht. Sein Pokémon war umschleiert von einer Staubwolke. Er konnte es nicht entdecken.

Voller Sorge rief er nach seinem Gesteinspokémon: "Vivi! Kannst du noch?"
Die Staubwolke legte sich. Erhobenen Hauptes stand das Monster inmitten einer Vielzahl erschöpfter Gegner, die es zuvor im Kampf geschlagen hatte.
Mit seinen Armen haute es sich auf die Brust und schrie drohend: "DESPOTAR!"

Das grüne Gesteinspokémon war ganz und gar in seinem Element, als es mit einer Angriffswelle nach der nächsten konfrontiert wurde. Seit Sonnenaufgang herrschten die Kämpfe am südlichen Tor von Teak. Immer wieder machten sich Soldaten wie Pokémon auf den Weg, um in die Stadt einzudringen.

Seit einer gefühlten Ewigkeit wehrte Despotar jene Angriffe ab. Seine Distanzattacken wie Erdbeben und Steinkante sorgten dafür, dass ihm seine Feinde nicht zu nahe kamen und er mit einem Schlag gleich mehrere Gegner vernichten konnte.

"Wie viele tausend Soldaten haben die denn noch?", fragte Lars gelangweilt vor sich hin, als schon der nächste Trupp auf das Tor zustürmte. Verbittert kommentierte er: "Ich will doch nur heim."

Ohnehin stellte sich für den Bürgermeister die Frage, warum er die Stadt verteidigen musste. Ihm war es völlig egal, ob die Stadt überrannt, besetzt oder abgebrannt werden würde.

"Nur, weil Franz mich darum gebeten hat... echt nervig", murmelte er vor sich ihn, während Despotar schon die nächsten Soldaten zu Fall brachte.

Vivi war ein Pokémon, auf das Lars rundum stolz sein konnte. Es war stark, hörig und wusste von sich aus, was zu tun war. Aber der unterbelichtete Kerl trauerte der alten Zeit nach, in der es nur ein Viertel so groß und noch süß war.

Unterstützung erhielt der Bürgermeister von den Soldaten, die ursprünglich mit der Verteidigung Violas beauftragt waren. Kurz nachdem sich Hermann mit einem Teil seiner Streitkräfte nach Oliviana begab, überfiel Kanto Viola erneut und vereinnahmte es. Die überlebenden Soldaten flohen nach Teak.

Auch der oberste Weise Franz gab sich die Ehre und unterstützte im Kampf.
Seine zwischenzeitlich arbeitslos gewordenen Bürgermeisterkollegen halfen ebenso aus; arbeitslos waren sie deshalb, weil ihre Städte entweder zerstört oder von Kanto besetzt waren. Darunter waren Linda und Vinzent.

Lars kannte all diese Menschen nicht, welche sich ihm als seine Kollegen vorstellten. Er mochte sie auch nicht kennenlernen. Er wollte nur seine Ruhe. So viel konnte dieses Kollegium ohnehin nicht auf dem Kasten haben, da sie hinsichtlich der Verteidigung ihrer Städte völlig versagt hatten.

Aber die zwei waren entschlossener denn je, im Kampf alles zu geben und Lars bei der Verteidigung Teaks zu helfen.

Am Himmel kreisten Xatu und Noctuh, die sich von oben auf ihre Feinde stürzten. Franz Gengar verwirrte mit Konfustrahl zahlreiche Gegner. Lindas Kadabra stieß mit Psywelle Gegner davon. Aber die wenigen starken Pokémon, die Johto auf seiner Seite hatte, wurden immer müder. Erschöpfung machte sich breit.

Gerade, als sich Linda und Rupert zurückziehen wollten, standen plötzlich ein Arkani und ein Gallopa im Stadttor. Auf deren Rücken; Tristan, Cecilia, Albert und Lorenz.

"Sieht so aus, als kämen wir grad recht", grinste der Azaleaner verschmitzt und holte sein Scherox aus dem Pokéball.
Lorenz kämpfte direkt mit Gallopa. Rizeros und Arkani wurden von den Geschwistern in den Kampf gesandt. Von oben attackierte zusätzlich Aerodactyl, welches Julius und Bernd auf seinem Rücken trug. Der Kapitän entsandte sein Impergator in den Kampf.

In einem Inferno brannte ein Teil der Gegner, andere wurden eingefroren und wieder andere wurden im Nahkampf KO geschlagen.
Kanto konnte Despotars Angriffen schon nicht standhalten; wie sollte es bei dieser gegnerischen Kampfkraft gelingen? Der kantonesische Kommandant gab das Signal zum Rückzug. So schnell wie so gekommen waren, so schnell verschwanden die Kantonesen auch wieder.

Der Kampfplatz leerte sich und den Johtolesen blieb nichts anderes übrig, als ihren Feinden hinterherzublicken.
Ohne eine Miene zu verziehen bemerkte Lorenz: "Geben ganz schön schnell auf, diese Pfeifen."

Albert sprach ein Kompliment aus, welches eben nicht so gemeint war: "Sind nicht alle so toll wie du."

Tristan wollte gerade das Wort ergreifen, als er von einem Klaps auf die Schulter überrascht wurde.
"Leutnant! Du bist wieder hier?", bemerkte Valentin mit einem strahlenden Gesicht.

Wie selbstverständlich nickte der schwarzhaarige Kerl.
Sein Untergebener äußerte seine Mutmaßungen: "Ich dacht schon, du bist desertiert... Ich meine; so richtig. Immerhin wolltest du ja nur kurz mit deinem Paps reden, als ich dich das letzte Mal gesehen hab. Und das ist fast einen Monat her."

Tristan nahm seinen jungen Soldaten beiseite und erzählte ihm kurz von seiner Reise nach Merbaum und dann nach Oliviana. Dann erkundigte er sich bei Valentin, was es neues gab.

Der Dürre verzog ernst das Gesicht: "Ja, da gibt es was; der kantonesische Kommandant Nathan Battes konnte mit seinem Glurak noch am selben Abend seiner Gefangennahme aus dem Kerker in Viola fliehen. Keiner weiß, wie er sich befreien konnte. Er war von seinem Glurak getrennt untergebracht. Er musste auf jeden Fall einen Helfer von außen haben."

Der junge Leutnant rieb sich das Kinn: "Interessant. Das ist wirklich interessant..."
Wie konnte der Helfer unbemerkt nach Viola gelangen und wer war es? War es gar Tristans Schuld, weil er in jener Nacht mit seinem Arkani geflohen ist und er die Aufmerksamkeit der Wachmänner auf sich zog?

Nach der Schlacht wurden Verletzungen verarztet. Im Truppenzelt wurde Eintopf gekocht. Endlich Essen, dachte Tristan - trotz dieses ständigen Halskratzens. Was war nur in dieser Stadt immer?

Am Tisch feierten die Johtolesen Bernd. Als Olivianer hatte er die Stellung als Erbfeind inne, aber dennoch kämpfte er heute auf ihrer Seite. Der junge Mann fand es merkwürdig, dass Bernd plötzlich an der Seite von Johto kämpfte; hatten dieselben Männer gestern doch erst noch seine Stadt angegriffen. Aber wie er von Julius erfahren hatte, stellte sich der Kapitän zunächst gegen die angebotene Hilfe von Albert, Lorenz und Julius.

Jetzt, wo der Verantwortliche für den Angriff auf Oliviana aus dem Militär verschwunden war, wollte Bernd seine Dankbarkeit bei den dreien und auch bei Cecilia damit zeigen, dass er sich auf ihre Seite im Kampf gegen Kanto stellte. Nicht zuletzt wollte er dieses unsägliche Gerücht aus der Welt schaffen, er würde mit Kanto unter einer Decke stecken.

So begleitete Bernd seinen neuen Freund Julius nach Teak und nahm die Kämpfe auf sich.
"Zu alt für ein Abenteuer ist man ja nie. Ich mein, schau dir Albert und Lorenz an...", spottete der Kapitän hinter dem Rücken der beiden Alten.

Der Sonnengebräunte bat um Ruhe und hielt eine gekonnte Ansprache: "Leute, Leute! Nur, weil ihr Ho-Oh verehrt, hassen wir in Oliviana euch doch nicht! Aber irgendeiner von euch  hat das üble Gerücht verbreitet, dass wir mit Kanto zusammenarbeiten. Ich als Kapitän sage vor euch allen: das ist eine Lüge!

Und den Beweis seht ihr auf dem Schlachtfeld. Seite an Seite kämpfe ich, ein Olivianer, gegen Kanto! Oliviana und Johto; uns trennt vielleicht der unterschiedliche Patron, aber alleine schon aus der gewachsenen Geschichte sehen wir, dass wir immer zu euch gehört haben.

Und deshalb will ich hier und heute ganz offiziell verkünden, dass sich die freie Stadt Oliviana wieder Johto anschließt."
Mit tosendem Applaus zeigten die Soldaten ihr Einverständnis zu Bernds Vorhaben.

Cecilia, die zwischen Julius und Tristan saß, sah das Ganze nicht so positiv.
Mit einem Kloß im Hals wisperte sie: "Hoffen wir nur, dass sich nicht wieder ein Wahnsinniger aufspielen und Leute ermorden muss."
Sofort wollte sich der Mörderssohn rechtfertigen. Tristan griff ihn an der Schulter, schüttelte den Kopf und fragte seine Schwester rein rhetorisch: "Du weißt, dass Julius nichts dafür kann?"
Sie erhob sich.

"Gewiss weiß ich das. Niemand kann was für seinen Vater. Wir wissen das doch am besten", lächelte Cecilia und verließ den Tisch.
Julius blickte ihr nach und stand auf, um ihr zu folgen.
Tristan griff ihn am Arm und gab einen Rat: "Lass ihr Zeit. Ich weiß, du kannst es nicht erwarten, reinen Tisch zu haben. Aber das muss von ihr ausgehen."

Der Teaker nickte ihm zu, verließ aber dennoch den Tisch.

Der junge Leutnant blieb mit Valentin und den Alten am Truppentisch zurück. Er beobachtete Bernd bei seiner Feier. Er hoffte das Beste für seine Schwester und ihren Verehrer; trotz dieser unschönen Sache zwischen ihren Familien. Aber irgendwie mochte er Julius. Tristan war sich sicher, dass es seine Schwester gut bei ihm hätte. Ach ja, die Liebe.

Depremiert seufzte Tristan aus. Seine Gedanken waren bei Elena. Gelangweilt stocherte er in seiner leeren Schüssel herum, als sich auf dem frei gewordenen Platz seiner Schwester plötzlich Linda setzte.

"Tristan! Hab ich dir überhaupt schon mal für meine Rettung gedankt?", fragte die arbeitslose Bürgermeisterin mit strahlenden Augen.

Der junge Mann zuckte mit den Schultern. Möglich. Er hatte nicht darauf geachtet.
Sie lächelte breit: "Jedenfalls; Danke! Ich bin dir was schuldig."
Er winkte ab: "Es freut mich, dass es dir wieder besser geht." Dann runzelte er die Stirn: "Was ist mit Konstantin?"
Ihre Freude wich Linda aus dem Gesicht: "Der ist noch bettlägerig und befindet sich wohl im Koma. Er muss unwahrscheinlich viel Gift in seinem Körper haben. Man hat ihn aus Viola hierher gebracht. Er dürfte noch im Sanitätszelt sein."

Tristan fasste sich ans Kinn: "Der muss ja ganz schön was abbekommen haben, wenn es ihm immer noch so schlecht geht."
Aber die Borkianerin war in der Hinsicht zuversichtlicher: "Der wird schon wieder, keine Panik!"

Einen Moment später entschuldigte sich der junge Mann und erhob sich: "Es war ein langer Tag, ich werde mich schlafen legen. Gute Nacht."

Er machte sich auf ins Hauptzelt, wo auch Valentin und die anderen untergebracht waren. Er teilte sich eine Schlafkammer mit seiner Schwester, die sich bereits im unteren Bett des Stockbetts hin und her wälzte.

Ihr Blick fiel auf ihn.
"Kannst du nicht schlafen?", sorgte sich ihr Bruder und fügte an: "Blöde Frage, was..."
Cecilia richtete sich auf und zog ihre Knie an: "Seit ich meine Erinnerungen zurückhab, kann ich kaum noch schlafen."
Tristan setzte sich zu ihr auf´s Bett und wollte sie beruhigen: "Bei dem was du durchlebst, wäre das kein Wunder. Die innere Zerissenheit... Der Hass auf Zecharius... Die Liebe für Julius."

Ihr Kopf schnellte mit großen schockierten Augen hoch: "Woher...?"
Ihr Bruder seufzte und winkte ab: "Schon immer. Du hattest jahrelang gehegte Gefühle im Griff, die dadurch rausplatzten, weil du nicht wusstest, dass du so nicht empfinden darfst. Zumindest aus deiner Sicht; das Verbot hast du dir selber auferlegt."

Cecilia runzelte die Stirn: "Dann wäre es für dich völlig okay, wenn ich mit Julius...?"
Er zuckte mit den Schultern: "Was kann er schon dafür? Außerdem sähe ich es gerne, wenn es in Liebesdingen doch mal ein glückliches Ende gäbe."

"Damit du selbst wieder Hoffnung hast? Für dich und...", sie zögerte und fügte an: "Linda?"
Tristan winkte ab und schüttelte den Kopf: "Nein, nicht wirklich."
"Aber wer dann?", fragte die junge Lady.
Ihr Bruder erhob sich: "Sag ich dir nicht."

Sie zerrte an seinem Arm: "Wer? Wer? Wer? Wer?"
"Okay, du hast Recht. Es ist Linda", gähnte der junge Kerl und log.
Heute war er nicht mehr in der Stimmung, um über Elena zu reden.

Am nächsten Morgen kam Cecilia In der Besprechungskammer direkt zur Sache: "Wenn Viola gefallen ist, wie sieht es dann mit Dukatia aus? Die Hauptverkehrswege dorthin sind ab Viola frei..."

Albert war realistisch: "Ich denke, Teak ist nach Viola das erste und interessanteste Ziel. Fällt Teak, haben sie ganz Johto in der Hand. Ich glaube nicht, dass in Dukatia schon Angriffe stattgefunden haben."
Lorenz verzog seine Augenbrauen: "Du bist ´n alter Optimist. Wahrscheinlich ist Dukatia längst besetzt..."

Der Azaleaner brütete über der vergilbten Landkarte, die auf dem massiven Holztisch ausgerollt war: "Und was ist dann deine Idee?"
Der monotone Merbaumer gab seinen Plan zum besten: "Na; Viola befreien, was denn sonst? Gehört Viola wieder uns, sind sämtliche Wege nach Dukatia blockiert. Von dort aus können wir sie auch zurückdrängen."

"Hä?", fragte Albert: "Genau das ist doch mein Plan. Was gibst du für überflüssige Kommentare von dir?"
Beide Hände seitlich von sich streckend zuckte Lorenz mit den Schultern: "Wollte auch mal mit reden."

Interessant war aber Julius Frage: "Sollten wir vielleicht noch auf Ethan und die restliche Armee warten?"
Lorenz blickte gelangweilt drein: "Klar! Wir haben ja auch so viel Zeit, um hier rumzustehen und auf ´ne Armee zu warten. Wie naiv bist du eigentlich?"

"Naja, wir sind jetzt gerade mal elf Trainer. Verstärkung abzuwarten wäre vielleicht nicht so eine schlechte Idee", rechtfertigte sich der dunkelblonde Teaker.

Lars blickte fragend in die Runde. Angestrengt überlegte er; vor ihm standen zehn Leute. Sein Kumpel sprach von elf anwesenden Trainern. War Lars etwa mit eingeplant? Offenkundig ja!
Sofort erhob er Protest: "Ich hab da aber überhaupt keine Lust drauf, bei euch mitzumachen!"

"Dein Despotar ist aber einsame Spitze, wir brauchen dich", bettelte Julius.
Dem Minderbemittelten war es egal: "Seit ich hier Bürgermeister bin, hab ich überhaupt keine Zeit mehr für meine Hobbies. Den ganzen Tag muss ich kämpfen oder irgendwelche blöden Nachrichten abwarten. Ich will doch nur mit meinem Vivi spielen."

Sein Despotar befreite sich aus dem Pokéball und rief aus: "Despo!"
Linda kicherte und deutete auf den grünen Gesteinskoloss: "Dein Despotar scheint aber Spaß am Kämpfen zu haben."
"Despo!", bestätigte es.

Cecilia haute auf den Tisch: "Gut, wir sind elf Trainer, 1200 Soldaten und wir haben drei Flugpokémon, zur Not auch vier. Wie wär´s, wenn wir mitten reinfliegen, uns im Zentrum absetzen lassen und dann kämpfen?"

Kamikaze-Methoden; das war alles, was Cecilia kannte. Die Männer um sie herum starrten sie eine Sekunde lang fassungslos an.
Nur Lorenz erhob Protest: "Wenn du unbedingt sterben willst, bitte... Ich mach bei sowas nicht mit."

"Vielleicht ist das aber gar keine so schlechte Idee, mit unseren Pokémon über die Stadt zu fliegen und von oben den Angriff zu starten. Während die Kantonesen abgelenkt sind, kann der Rest die Bodenoffensive starten", überlegte Julius mit Blick auf die Landkarte.
Der Merbaumer runzelte die Stirn und sprach nur ein Wort: "Luftabwehr?"

Der Teaker hingegen war entschlossen: "Wir müssen es einfach versuchen. Es hilft nichts, hier rum zu stehen und zu warten. Das hast du selber gesagt, Lorenz!"

Der alte Ebenholzer zuckte mit den Schultern. Die anwesenden Bürgermeister waren für den Vorschlag.
"Na dann ist es ja beschlossene Sache!", sprach Cecilia und ballte die Faust.

Linda wollte wissen: "Bleibt nur die Frage, wann wir angreifen."
"Wie wär´s mit heute?", schlug die schwarzhaarige Lady vor.
Das war wahrlich der beste Zeitpunkt zum Gegenschlag. Kanto war noch im Chaos und musste Verletzte versorgen und Schäden reparieren. So schnell würden sie nicht mit einem Angriff auf Viola rechnen.

Andererseits mussten auch auf johtolesischer Seite Wunden heilen und sich die Pokémon erholen. So befand der Kriegsrat, erst zu einem späteren Zeitpunkt anzugreifen. Ein Zeitpunkt, der dennoch nicht sehr weit in der Zukunft liegen würde.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top