08. broken souls

TW: Schwere seelische Störungen

M A T T H E O

Mattheo fing die zierliche Slytherin auf und apparierte mit ihr auf sein Zimmer. Behutsam legte er sie auf sein Bett und blinzelte, denn die dichten Rauchschwaden die aus dem Ring hervorquollen, ließen ihn kaum noch etwas erkennen.

Er beugte sich über sie und versuchte ihr den Ring vom Finger zu ziehen, doch es gelang ihm nicht.

»Lestrange«, rief er in den Nebel und Sekunden später materialisierte sich der Todesser neben ihm.

»Was ist passiert?«, fragte Lestrange atemlos und beugte sich ebenfalls über das blonde Mädchen.

Ihr zierlicher Körper zuckte und krampfte und Mattheo wusste, es würde nur noch Minuten dauern, bis der Fluch sie endgültig umbringen würde.

Aurora würde sterben und Mattheo würde nie wieder ihre zarte, melodische Stimme hören oder sich in der endlosen Schönheit ihre smaragdgrünen Augen verlieren können, wenn er es nicht in den nächsten Minuten schaffte den bösartigen Zauber aufzuhalten.

»Hilf mir einfach den Fluch zu brechen«, befahl Mattheo ihm mit rauer Stimme. Lestrange nickte und zog sofort seinen Zauberstab hervor. Gemeinsam versuchten die beiden Todesser die schwarze und boshafte Magie des Ringes wieder zurück in den Smaragd zu drängen, aus dem sie gekommen war.

Doch der Fluch war hinterlistig und wusste sich zu verteidigen, trug ohne jede Zweifel die Handschrift Tom Riddles, denn die Rauchschwaden hatten sich mittlerweile zu einer Schlange geformt, die sich nun mörderisch zischend über den zierlichen Körper des Mädchens schlängelte, in Richtung ihrer Kehle.

Bereit sie zu töten und sie ihm wegzunehmen, doch Mattheo Riddle hatte nicht vor, das zuzulassen.

»Bei Salazar«, knurrte Lestrange und versuchte angestrengt der Schlange den Kopf abzuschlagen.

Mattheo sprach auf Parsel zu ihr und befahl ihr sich zum Teufel zu scheren, doch sie ignorierte ihn.

»Malfoy«, rief Mattheo und nur Sekunden später, apparierte der blonde Todesser neben ihn, in seiner Schuluniform, mit zerstrubbeltem Haar und halb offenem Hemd, dass er jetzt hastig zuknöpfte.

Seine Augen weiteten sich, als er Aurora erblickte, die jetzt kaum noch atmete. Er sagte kein Wort, doch hob sofort seinen Zauberstab und gemeinsam schafften sie es, die Schlange im Zaum zu halten während Mattheo ihr den Ring vom Finger zog.

Er warf ihn in die Luft und zu dritt vernichteten sie ihn, sodass er in tausend Teile zersprang und damit auch der dunkle Fluch verebbte, der Aurora mit Sicherheit wenige Sekunden später getötet hätte.

Mit einem besorgten Ausdruck auf dem blassen Gesicht beugte sich Draco über Aurora, doch als er die Hand hob um ihr Gesicht zu berühren, spürte er Mattheos warnende Blicke auf sich und senkte sie.

Sie war immer noch bewusstlos, doch ihre Atmung war nun wieder regelmäßig, wenn auch schwach.

»Fucking Hell«, seufzte Lestrange und ließ sich ohne Aufforderung in einen der gemütlichen, smaragdfarbenen Sessel fallen, die neben dem Bett standen. »Was zum Teufel hat sie denn getan, um einen solch grausamen Tod zu verdienen?«

Mattheo warf ihm einen vernichtenden Blick zu, bevor er sich zu ihr aufs Bett setzte und das zitternde Mädchen in seine Arme zog. Mit seinem Ärmel wischte er ihr vorsichtig die Spucke vom Kinn und strich ihr eine blassblonde Strähne aus der Stirn.

Er war wütend auf sich selbst, denn Mattheo hätte wissen müssen, dass der dunkle Lord den Ring mit einem Fluch belegen würde, der sie tötete, im Falle ihrer Untreue der nun schon wenige Tage nach ihrer Verlobung mit ihm eingetreten war.

»Sie hat jemand anderen geküsst«, beantwortete Mattheo die Frage seines Todessers und spürte wie die Eifersucht in ihm hochkochte, wie schwarzes Gift.

»Wundert dich das jetzt wirklich, Riddle?«, neckte Lestrange ihn amüsiert, der sich jetzt ohne zu Fragen einfach an seinem Vorrat an sündhaft teurem Feuerwhiskey bediente.

»Immerhin bist du einer der gefürchtetsten Zauberer Europas und deine kleinen Wutausbrüche haben sich schon herumgesprochen. Wäre ich eine Frau würde ich nicht mal in deine Nähe kommen wollen.«

Er grinste ihn an und trank einen großen Schluck von seinem Feuerwhiskey.

Jedem anderen seiner Todesser hätte Mattheo für diese Unverschämtheit als Strafe die Kehle aufgeschlitzt, doch Lestrange und ihn verband nicht nur eine tiefe Freundschaft, sondern auch Blut.

Er war sein Cousin, ebenso wie Malfoy es war.

Die beiden Todesser waren neben Lorenzo Berkshire, die einzigen Zauberer denen Mattheo vertraute.

Denn er wusste, dass sie für ihn sterben würden.

»Wer war es denn?«, hakte Lestrange nach, doch Mattheo würdigte ihn nun keines Blickes mehr.

»Theodore Nott«, brachte Malfoy knurrend hervor und rieb sich kopfschüttelnd die blassen Schläfen. »Ich hab ihm schon mehrfach gesagt, er soll sich verflucht nochmal endlich von ihr fernhalten.«

Mattheo blickte mit unlesbarer Miene auf das Mädchen in seinen Armen, ließ seine Finger durch ihr langes Haar gleiten und murmelte einige Zauber, die ihr wieder Farbe in das blasse Gesicht hauchten.

Aurora Avery war das hübscheste Mädchen, dass seine dunklen Augen jemals erblickt hatten.

Ihre Schönheit war atemberaubend und ihr so nah zu sein verwirrte und faszinierte ihn zugleich auf eine magische Art und Weise, die Mattheo nicht verstand.

Er würde das Gefühl ihrer Lippen auf seinen nie vergessen, als sie ihn am Abend ihrer Verlobung geküsst hatte — und ihm dann davongelaufen war, verwirrt und verängstigt von diesem innigen Kuss.

Er widersetzte sich dem Verlangen in ihre Gedanken einzudringen, denn er wusste, dass er bis auf Schmerz und Kummer dort nichts vorfinden würde.

Seine rauen Finger strichen vorsichtig über ihre Wange und Mattheo seufzte leise und fragte sich, wie in Salazars Namen er eine Seele beschützen konnte, die noch gebrochener war als seine eigene.

Er schickte seine Todesser davon, ohne auch nur für eine einzige Sekunde den Blick von ihr zu nehmen.

Die ganze Nacht saß er auf seinem Bett mit dem zierlichen Mädchen in seinen Armen und verjagte die Dunkelheit, die kontinuierlich versuchte in ihre Träume zu gelangen und ihr Angst zu machen.

Kurz vor Ende der Nachtruhe berührte er ihre zarte Hand, an der nun eine exakte Kopie des Ringes funkelte. Dann trug er sie in ihr Bett und drohte ihren Wachen mit einem langsamen und qualvollen Tod, falls sie Aurora nochmal aus den Augen ließen.

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A U R O R A

Ich sah ihn nicht, doch ich spürte, dass Mattheo in den Schatten lauerte und mich beobachtete. Ein Teil meiner Erinnerungen fehlte, doch unterbewusst fühlte ich, dass ich dem Tod nie näher gewesen war als in der Nacht, in der er uns gesehen hatte.

Mattheo hatte mich vor etwas dunklem und bösartigem beschützt, das aus dem Ring hervorgetreten war und nach meiner Seele getrachtet hatte und ein Teil von mir bedauerte es und wünschte sich, er hätte mich einfach sterben lassen.

Aus Angst vor den beiden maskierten Todessern, die mich nun bei jedem Schritt begleiteten, ging ich Theodore die ganze Woche aus dem Weg, der jedoch hartnäckig versuchte mit mir Kontakt aufzunehmen.

Am Freitag nach dem Unterricht lief ich zurück in die Kerker, doch hielt inne als ich Mattheo entdeckte, der vor dem Eingang zum Gemeinschaftsraum gegen die Wand lehnte und offensichtlich auf mich wartete.

Ich hielt inne und musterte ihn, ignorierte meine Wachen hinter mir, wie schon den ganzen Tag.

Er trug die tiefschwarze Uniform der Todesser, dazu einen langen dunklen Umhang, der trotz der Windstille leicht wehte. Ich konnte die dunkle Magie die von ihm ausging beinahe auf meiner Zunge schmecken und fühlte meine Knie weich werden.

Die Macht die er ausstrahlte, ließ ihn gefährlicher wirken als jedes Raubtier und doch faszinierte mich seine Dunkelheit zutiefst, sodass ich eine ganze Weile einfach nur im Gang stand und ihn beobachtete.

Mattheo sah erschöpft aus und seine hübschen, tiefbraunen Locken waren noch chaotischer als sonst. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, beinahe so als hätte er eine lange Zeit nicht mehr geschlafen.

Und doch war der Sohn des dunklen Lords so unbeschreiblich attraktiv, dass ich es einfach nicht schaffte, meine Augen von ihm zu nehmen.

Seine Mundwinkel verzogen sich plötzlich zu einem Lächeln, dass mein Herz beinahe zum Stillstand brachte. »Bist du fertig damit, mich anzustarren?«, fragte er mit leiser Stimme und hob das Kinn, blickte mit seinen dunklen Augen so tief in meine, dass ich fühlte wie mir plötzlich schwindelig wurde.

Ich schluckte nervös, zwang mich zu ihm hinüber zu gehen und blieb dann mit einigen Metern Sicherheitsabstand vor ihm stehen. Mattheo würdige seine Todesser keines Blickes, denn seine dunklen Augen waren ausschließlich auf mich gerichtet.

»Waren wir verabredet?«, fragte ich ihn unsicher, fühlte wie meine Wangen glühten angesichts der Tatsache, dass er mich beim Starren erwischt hatte.

»Ich habe an den Wochenenden Verpflichtungen und ich halte es für das beste, wenn du mich zurück ins Riddle Manor begleitest«, überging er meine Frage und blickte mit unlesbarer Miene auf mich hinab.

Mattheo reckte das Kinn und als ihm eine rebellische Locke in die Stirn fiel, hob er seine Hand und fuhr sich lässig durch sein Haar, schob sie beiseite.

Ich merkte erst, dass ich die Luft angehalten hatte, als ich fühlte wie mir erneut schwindelig wurde.

Ich nickte und ließ mir von ihm die Tür zum Gemeinschaftsraum öffnen und lief dann in mein Zimmer um meine Tasche fürs Wochenende zu packen. Mattheo nahm sie mir ab und nahm meinen Arm, dann apparierte er mit mir an den dunklen und trostlosen Ort, den er sein Zuhause nannte.

Matheo brachte mich auf direktem Weg in mein Zimmer und stellte meine Tasche neben das riesige, märchenhafte Himmelbett, auf dem jede Menge kuscheliger, smaragdgrüner Kissen aufgereiht waren.

»Wenn du etwas brauchst, ruf nach deiner Hauselfe. Ich werde am Wochenende zu beschäftigt sein und ich denke nicht, dass wir uns sehen werden«, sagte er mit so kühler Stimme, die mich frösteln ließ.

Sein Kiefer war angespannt und seine rechte Hand war so fest zur Faust geballt, dass ich die Venen sehen konnte, die nun deutlich hervortraten. Nervös wich ich vor ihm zurück, was ihn scheinbar nur noch wütender machte, denn seine Augen verengten sich.

Seine Launen waren unberechenbar.

»Ist alles—«

Doch der warnende Blick mit dem er mich jetzt fixierte, ließ mich Augenblicklich verstummen.

Ich wandte den Blick von ihm und starrte aus den großen Fenstern hinaus in die allgegenwärtige Dämmerung, die dafür sorgte, dass man mittlerweile kaum noch die Nacht vom Tag unterscheiden konnte.

Mattheo durchquerte wortlos den Raum, doch kurz bevor er die Tür erreichte, spürte ich Angst in mir aufsteigen, über das was er gleich vorhatte zu tun.

»B-Bitte nicht«, rief ich leise und verfluchte mich dafür, dass meine Stimme zitterte. »Bitte sperr mich nicht wieder hier ein«, flüsterte ich kaum hörbar.

Mattheo blieb stehen und zu meiner Überraschung drehte er sich um. Seine Augen fanden meine und der Ausdruck in ihnen, ließ etwas in mir zerbrechen.

Schmerz.

Einen langen Moment konnte sehen wie er zögerte, bevor er nachgab und nickte. »Bleib aber in deinem Zimmer. Ich möchte nicht, dass du alleine durch die Flure streifst«, befahl er mir scharf, bevor er die Zimmertür hinter sich schloss und mich allein ließ.

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Den restlichen Tag über lag ich auf dem kuscheligen Himmelbett und verkroch mich wie so oft in der tröstenden Welt meiner Bücher, bis ich irgendwann einschlief. Ich musste einige Stunden lang geschlafen haben, als mich ein Geräusch aus dem Schlaf riss.

Einen langen Moment war ich noch in einem meiner vertrauten Albträume gefangen, dann riss mich ein Schrei zurück in die nicht minder grausige Realität.

Jemand schrie und es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, denn ich fühlte den Schmerz in seiner dunklen Stimme, erkannte die Angst die darin lag.

Denn dieses Gefühl der Hilflosigkeit, dieser endlose Kummer suchte mich selbst schon seit Jahren bis auf wenige Ausnahmen so gut wie jede Nacht heim.

Und dann wusste ich, dass es Mattheo war der schrie und fühle mein Herz plötzlich ganz schwer werden.

Im selben Moment, in dem meine nackten Füße den kühlen Marmorboden berührten, bemerkte ich die dichten Rauchschwaden, die begonnen hatten unter der Tür hervorzuquellen und mein Schlafzimmer mit unheilvollem Nebel aus dunkler Magie zu füllen.

Der Nebel umhüllte mich und flüsterte mir grausame Dinge zu, die mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagten. Doch über die Jahre hatte ich gelernt die Dunkelheit zu akzeptieren, hatte gelernt in ihr zu leben — und auch wie man in ihr überlebte.

Meinen Zauberstab in der rechten Hand fest unklammert, drückte ich die Klinke herunter und tapste barfuss auf den mit Schatten überfluteten Flur. Ich blinzelte umher und versuchte mich zu orientieren, doch ich konnte kaum etwas erkennen. Mit wild klopfendem Herzen stolperte ich nach vorn, dann packte mich jemand an meinem Handgelenk.

Ein hochgewachsener Mann in dunkler Todesserrobe türmte bedrohlich über mir und blickte auf mich hinab. Doch dann hob er Hand und ließ die silbrig schimmernde Maske, die seine Identität verschleierte mit einem Wink seines Zauberstabs verschwinden.

»Draco?«

Überrascht blickte ich hoch in das blasse Gesicht des jungen Malfoy Erben, hatte nicht damit gerechnet ihn hier zu sehen. Doch dann schlang ich die Arme um seinen Hals und drückte ihn eng an mich.

Ich merkte wie er zögerte, denn Draco Malfoy war in all den Jahren unserer Freundschaft selten für Umarmungen zu haben gewesen. Dennoch legte er den Arm um meine Taille und drückte mich an sich.

»Was machst du hier?«, flüsterte ich, als er sich bereits nach wenigen Sekunden abrupt von mir löste.

»An den Wochenenden im Riddle Manor bin ich eine deiner Wachen«, sagte er ruhig und versuchte mich unauffällig zurück in Richtung meines Zimmers zu schieben, doch ich befreite mich aus seinem Griff.

»Du? Aber—«, doch ein erneuter Schrei ließ mich verstummen und dann bemerkte ich, dass die Schatten ihren Ursprung im Zimmer gegenüber von meinem hatten und unter der Tür hindurch quollen.

Ohne zu überlegen wandte ich Draco den Rücken zu, um den Flur zu überqueren. »Aurora, nicht—«, sagte er scharf und versuchte erneut mein Handgelenk zu packen, doch ich wich seinem Griff geschickt aus.

»Was ist mit ihm?«, fragte ich und fühle mich mit jeder weiteren Sekunde schuldiger, in der ich vor seiner Tür stand und seinen Schreien lauschte.

Mattheo schien Höllenqualen zu erleiden und es machte mich wütend, dass Draco hier draußen stand, anstatt in sein Zimmer zu gehen und ihm zu helfen.

»Mattheo, er—«, doch ich verstummte, als Draco warnend den Kopf schüttelte, sodass ihm eine seiner platinblonden Strähnen in die blasse Stirn fiel.

»Du solltest dich lieber von ihm fern halten, wenn—«

Draco hielt inne und seine sturmgrauen Augen verdunkelten sich zunehmend.

»—wenn er diese Anfälle hat.«

»Was für Anfälle?«, fragte ich entsetzt und versuchte einen klaren Kopf zu behalten, was jedoch schwierig war, mit der angsteinflössenden dunklen Magie die uns umhüllte und hartnäckig versuchte in meinen Verstand einzudringen und Unheil anzurichten.

»Ich rufe nach dir, wenn was ist«, murmelte ich und konnte ihn resigniert seufzen hören, als ich mich an ihm vorbei schob und vorsichtig die Tür zu Mattheos Zimmer öffnete, bevor ich mich hinein schlich.

Angestrengt blinzelte ich durch die Dunkelheit, hob meinen Zauberstab und versuchte mir einen Weg durch die angsteinflössenden Schatten zu bahnen.

Dann fand ich ihn.

Mattheo saß auf seinem Bett und lehnte mit dem
Rücken in den Kissen. Er trug kein Shirt, nur eine graue Sweathose und auf seinem durchtrainierten Oberkörper glitzerten kleine Schweißperlen.

Der Slytherin hatte das hübsche Gesicht in den Händen verborgen und als ich näher kam erkannte ich, dass er am ganzen Körper wie verrückt zitterte und immer wieder krampfartig nach Luft schnappte.

Draco hatte recht gehabt, denn Mattheo schien eine Art Anfall zu haben, der mir wirklich Sorgen machte.

Er schrie und wimmerte, so als würde er unter unvorstellbaren Todesqualen leiden und der Anblick riss mir beinahe das schwache Herz aus der Brust.

In diesem Zustand schien er keine Kontrolle mehr über die Dunkelheit in sich zu haben, denn der unheilflüsternde Nebel kam direkt von ihm.

»Mattheo?«

Leise rief ich seinen Namen, doch er reagierte nicht.

Nicht fähig ihm noch länger dabei zuzusehen wie er sich so furchtbar quälte, kletterte ich zu ihm aufs Bett und dann ganz vorsichtig auf seinen Schoß.

Meine Augen weiteten sich und geschockt presste ich mir die Hand auf den Mund, als mein Blick über die unzähligen, halb verheilten Narben glitt, die auf seinem gesamten Oberkörper verteilt waren.

Sie bedeckten beinahe vollständig seine Haut, schienen offensichtlich von dunklen Flüchen zu stammen und von etwas, dass verdammt ähnlich aussah wie die spitzen Fangzähne einer Schlange.

»Mattheo«, hauchte ich und griff nach seinen Händen. Vorsichtig schob ich sie zur Seite, woraufhin er zusammenzuckte und den Kopf hob, mich aus seinen dunklen Augen heraus völlig verstört ansah.

Einen Moment war ich voller Angst, er würde mich jede Sekunde packen und von sich herunter schleudern, da ich ihn ohne Erlaubnis berührt hatte.

Doch er rührte sich nicht, starrte mich einfach nur an, in seinen Augen nichts als Kummer und Schmerz.

»Aurora?«, murmelte er verwirrt und starrte mich an als wäre ich ein Geist. »W-Was machst du hier?«

»Ich habe dich schreien gehört«, flüsterte ich und fühlte wie mein Herz nun gefährlich schnell schlug. Ich hörte ihn tief ein und ausatmen, dann lösten sich die Schatten um uns herum schlagartig in Luft auf.

Seine Augen glitten an mir hinab und ich spürte wie ich plötzlich errötete, denn ich hatte mir in der Eile nichts übergezogen und saß nur in Unterwäsche und meinem langen Schlafshirt auf seinem Schoß.

»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagte er emotionslos und sein Blick huschte jetzt unruhig durchs Zimmer und blieb plötzlich auf etwas hinter mir hängen, dann verdunkelten sich seine Augen.

»Geht weg«, flüsterte er kaum hörbar, doch die Drohung in seiner tiefen Stimme war unverkennbar.

Ängstlich drehte ich mich um und blinzelte durch die Finsternis, doch da war nichts. Ich konnte ihn wirres, unverständliches Zeug murmeln hören, dann kehrte der Schmerz wieder in sein Gesicht zurück und stöhnend presste er sich die Hände gegen die Stirn.

Mattheo schien Stimmen zu hören und Dinge zu sehen, die nicht da waren, was selbst für Menschen mit magischem Blut kein gutes Zeichen war.

»Mattheo«, flüsterte ich und versuchte ihn zu beruhigen, doch er schloss wimmernd die Augen und schüttelte wie verrückt den dunklen Lockenkopf.

»Mach das es aufhört«, jammerte Mattheo und ich zwang mich ruhig zu atmen und nicht in Tränen auszubrechen. »Bitte Aurora«, flehte er mich an.

»Shhh«, flüsterte ich und beugte mich vor, legte behutsam die Arme um seine muskulösen Schultern und drückte seinen Körper gegen meinen. »Du bist sicher bei mir.« Seine Haut fühlte sich unnatürlich heiß an und ich konnte spüren, wie sein Herz raste.

»Schon okay«, beruhigte ich ihn und zog ihn noch enger an mich. »Kannst du es fühlen?«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Wie dein Herz mit meinem schlägt?«

Mattheo nickte, legte seine rauen Hände vorsichtig auf meinen Rücken und zog mich enger an sich.

Es dauerte eine Weile, bis er endlich aufhörte zu zittern und sich langsam entspannte. Doch als ich ihn wieder loslassen wollte, legte er blitzschnell die Arme um meine Taille und zog mich wieder zurück.

»Nein«, flüsterte er und verbarg das Gesicht in meinem Haar. »Bitte lass mich nicht allein.«

Ich hatte früh bemerkt, dass Mattheo ein angespanntes Verhältnis zu Nähe hatte, doch gleichzeitig hungerte sein Körper nach Berührung.

Ich schluckte und fragte mich, wie lange es wohl her war, dass ihn jemand umarmt hatte.

Der Duft seines vertrauten Parfums ließ mich schwindelig fühlen, als wir einen langen Moment in der Dunkelheit saßen und einander festhielten.

Nach einer Weile löste er sich vorsichtig wieder von mir und unsere Blicke trafen aufeinander.

Seine Augen huschten unruhig zwischen meinen hin und her und zwischendurch kurz hinunter auf meine Lippen, was mich plötzlich ein wenig nervös machte.

Unwillkürlich musste ich an unseren Kuss zurück denken und fühlte wie meine Wangen heiß wurden.

»Du solltest schlafen«, murmelte ich und strich ihm eine dunkle Locke aus der Stirn. Mattheo zuckte zusammen als ich ihn berührte und schloss kurz die Augen, dann schüttelte er den dunklen Lockenkopf.

»Ich kann nicht schlafen«, flüsterte er und blickte mich jetzt mit einem gequälten Ausdruck in den dunklen Augen an, der mir beinahe das Herz zerriss. »Ich habe schon so lang nicht mehr geschlafen.«

Mein Herz blutete, als ich erkannte, dass die Dämonen die ihn am Tag heimsuchten, noch viel grausamer sein mussten wie die, die mich jede Nacht in den dunkelsten meiner Albträume verfolgten.

»Warum nicht?«, fragte ich behutsam, in der Hoffnung es würde ihn nicht noch mehr verstören.

»Die Stimmen«, murmelte er und legte seine Hände wieder auf meine Taille. »Sie wollen nicht, dass ich schlafe.« Erneut blickte er durch den Raum, dann wieder zu mir. »Sie wollen sehen wie ich leide.«

»Warum wollen sie das du leidest?«, fragte ich ihn, obwohl ich die Antwort darauf bereits wusste.

»Weil ich sie getötet habe«, sagte Mattheo leise und der Schmerz in seinen dunklen Augen, ließ mich kaum noch atmen. »Weil ich sie alle getötet habe.«

Ich schluckte und überlegte einen Moment, bevor ich sprach. »Wie viele Menschen hast du getötet?«

Mattheo hob das Kinn und blickte mich mit unlesbarer Miene an, schien unsicher zu sein, ob er mir eine ehrliche Antwort darauf geben sollte.

»Es waren Tausende«, flüsterte er schließlich.

»Zehntausende.«

Ich fühlte meine Hände taub werden, als sich die Kälte diesen Erkenntnis in meinem Körper ausbreitete. Und doch hatte ich keine Angst vor ihm, denn in genau diesem Augenblick, war er nicht das Monster, vor dem sich alle Welt fürchtete.

»Aber ich bin eines«, sagte er mit rauer und bedrohlicher Stimme, blickte mir jetzt tief in die Augen. »Sogar eines von den gefährlichen Monstern Aurora und du solltest besser Angst vor mir haben.«

Mattheos Lider flatterten, doch im selben Augenblick in dem die Müdigkeit ihn zu überwältigen drohte, riss er die Augen wieder auf und blickte sich panisch um, so als wären wir nicht allein in seinem Zimmer.

»Lass mich dir helfen zu schlafen, Mattheo«, flüsterte ich und legte meine Hände flach auf seine nackte Brust, schubste ihn behutsam zurück in die Kissen seines Bettes. Der Slytherin versteifte sich, als ich meine Hand an seinen Hinterkopf hob und vorsichtig anfing ihm durch die Locken zu kraulen.

Eine Weile ließ er es zu, dass ich ihn auf diese Art berührte, doch dann legte er plötzlich die Arme um mich und drehte uns um, sodass ich nun an seiner Stelle zwischen den Kissen lag, mit ihm über mir.

Irritiert blickte er auf mich hinab, schien völlig überfordert von meiner Nähe zu sein. »Ist schon gut, komm her«, sagte ich mit ruhiger Stimme.

Er zögerte einen langen Moment, bevor er sich dann ganz langsam über mich beugte und so unfassbar vorsichtig den Kopf auf meine Schulter legte, als hätte er Angst, ich könnte unter ihm zerbrechen.

Minuten verstrichen, bis er sich endlich entspannte und sich sein Puls allmählich wieder beruhigte.

»Kämpf nicht dagegen an«, flüsterte ich, während ich ihn weiter liebevoll kraulte. »Mach deine Augen zu und schlaf, du bist sicher bei mir und ich passe auf dich auf. Du kannst mir vertrauen.«

Mattheo nickte zögerlich, dann legte er den Arm um mich und zog mich noch etwas enger an sich.

Seine Atmung wurde ruhiger und wenige Minuten später war er tief und fest eingeschlafen, den nackten Oberkörper immer noch eng gegen meinen gedrückt.

Er roch nach Dunkelheit und dem puren Himmel.

Zärtlich kraulte ich ihn und auch wenn es völlig absurd war, nachdem was er mir vorhin gebeichtet hatte, fühlte ich mich sicher bei ihm und konnte spüren, wie die Narben die mein Herz und meine Seele gezeichnet hatten, langsam zu heilen begannen.

Mattheo Riddle war genau wie ich —

gebrochen und einsam.

Er trug denselben Schmerz in sich, den ich fühlte, mit jedem neuen Atemzug, an jedem neuen Tag.

Und zum ersten Mal in meinem Leben fiel ich ohne Angst vor meinen Träumen in einen tiefen Schlaf.

𓆙

Lasst doch gern einen Kommi da,
wenn euch die Story gefällt <3

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