runtergeschluckt (I)
runtergeschluckt
>>Morgen<<,
rufe ich ganz freundlich,
während ich Tablets abspüle.
Rasch trockne ich die Hände
an der roten Schürze ab,
und wende mich dem Kunden zu.
Der Kundin,
wie ich feststelle,
als sie mir gegenüber steht.
>>Guten Morgen<<,
sagt nun auch sie
und schnauft ganz angestrengt.
>>Was darf's denn sein?<<,
frage ich.
Ich frage ruhig.
Obwohl die Frau schon eine Weile überlegt.
Obwohl hinter der Frau
schon and're warten
Obwohl mir heiß ist,
weil schon seit Monaten
die Markise kaputt ist.
Und obwohl ich jetzt
seit Stunden
hier bin.
Ich frage ruhig.
>>Ich hätt' dann gern 'nen Nusszopf<<,
entscheidet sie
nun doch.
>>Nusszopf ist leider aus<<,
entgegne ich:
>>Der letzte ging gerade weg.<<
>>Gar keiner mehr da?<<
Sie guckt enttäuscht.
Ich ahne Schlimmes.
Doch ich will mir jetzt einfach
nichts darüber anhören,
dass sie sich angeblich so sehr
auf den Nusszopf gefreut hat.
Verpackt in eine rührselige Geschichte über den Lieblingsenkel
oder die Lieblingsenkelin.
Sie holt tief Luft
und
-
ich unterbreche sie.
Ist mit egal,
ob das unhöflich ist.
Denn hinter der Dame steh'n inzwischen vier Kunden,
die darauf warten bedient zu werden.
Die vielleicht auch gern' Nusszopf hätt'n,
oder Lebkuchen,
obwohl wir Sommer haben.
Ich unterbreche sie:
>>Ja, ist wirklich schade.
Aber das sind,
glaub' ich,
Nusshörnchen.
Und falls sie möchten,
kann ich ihnen
den Nusszopf
auch gern' für morgen noch bestellen.<<
Ich lächle freundlich.
Mir ist so warm.
>>Morgen ist zu spät<<,
sagt sie,
schaut vorwurfsvoll.
Dabei ist es nicht meine Schuld,
dass der letzte Nusszopf
heute schon
recht früh wegging,
dass sie zu spät kam
und
dass sie sich
ihren Nusszopf
nicht vorbestellt hat.
Es ist nicht meine Schuld.
>>Und sie glauben?
Mein Lächeln rutscht.
Oh nein,
das geht nicht gut,
denke ich
und habe Recht.
>>Glauben heißt,
nicht wissen<<,
sagt sie.
Ernsthaft?
Ausgerechnet diesen blöden Satz
kramt sie jetzt raus?
Ich glaube,
das gibt ihr was.
Sich so ekelhaft und
überlegen
gegenüber dem müden jungen Mädchen hinter der Theke
zu geben.
Am liebsten
wäre ich ganz offen
und würd' ihr sagen,
was ich denke.
Aber ich schluck' ihn 'runter,
meinen Ärger.
Und das Schlimmste ist,
ich kann noch nicht 'mal geh'n.
Ich schluck' ihn 'runter,
meinen Ärger,
kleb' mir ein neues Lächeln ins Gesicht
und versuch' zu retten,
was nicht mehr
zu retten
ist.
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