Grundschulmausi
,,Und was machst du so?"
Ja, das war sie. Die Frage aller Fragen. Im Geiste versuchte ich sie bereits abzuschätzen. Die Reaktion. Die Reaktion, die unweigerlich auf meine Antwort folgen würde.
Denn mein Studiengang wird nicht einfach mit einem ,,Ahh, cool!" abgetan, wie das bei BWL der Fall ist. (Was auch immer mit diesem ,,Ahh, cool!" gemeint ist.) Es folgt kein ,,Krass, Respekt!" wie bei Jura oder Medizin. Und auch kein ,,Mmh, interessant!" wie bei Psychologie.
Stattdessen gibt es meist zwei Möglichkeiten, die auf mein inzwischen kurz und schmerzfrei gehaltenes ,,Ich studiere Grundschullehramt. In Augsburg." folgen. Davon kann ich jedoch keine wirklich leiden.
Die eine ist ein kurzes Schweigen. Gemischt mit einem Blick, der schwer zu deuten ist. Er sieht nach einem ,,Oh! So eine bist du also." aus. (Es ist im Übrigen nie ein ,,So eine sind Sie also"-Blick, denn Grundschullehramtsstudent*innen werden wohl gemeinhin gern geduzt.) Als wäre es etwas Schlechtes Kindern etwas beibringen zu wollen. Als würde man damit in einer Art Bedienstetenschublade stecken und kaum als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft gelten. Schließlich muss man für diesen Job wohl kaum irgendwelche besonderen Qualifikationen aufweisen - das bisschen Lesen, Schreiben und Rechnen könne ja jeder. (Dass ja auch die, die mir diese Blicke zuwerfen, mit großer Wahrscheinlichkeit selbst mal von einem solchen niederen Wesen unterrichtet worden waren, wird offenbar gern vergessen.)
Vom ,,So eine bist du also"-Blick gibt es auch noch eine kleine Variante. In diesen Fällen folgt auf das kurze unangenehme Schweigen meist eine kleine Nachfrage. Eine Versicherung à la ,,Habe ich gerade richtig verstanden, dass du Lehrer*in werden möchtest? Dass du kleine Kinder unterrichten möchtest?" Ungläubig wird nachgehakt, ob ich kleine Kinder mag oder ob ich gerne zur Schule gegangen bin. In beiden Fällen bejahe ich meist lachend. Ich persönlich fände ein ,,Nein" als Antwort einfach absurd. Meine Gegenüber jedoch sehr wahrscheinlich nicht. Da sie mir manchmal kleinlaut anvertrauen, dass das bei Ihnen nicht der Fall ist. Und das ist okay. Ich kann's sogar verstehen. Ich weiß dann nur immer nie so recht, was darauf von mit als Reaktion erwartet wird.
Die andere Möglichkeit ist fast noch schlimmer, auch wenn sie vielleicht zunächst nicht so klingt. V.a. wenn sie mir in Menschen begegnet, die ich kaum oder gar nicht kenne. Es ist die Aussage: ,,Passt zu dir." Nicht mehr. Und nicht weniger. Einfach ein ,,Passt zu dir". Von teilweise mir wildfremden Leuten.
Ich frage mich dann immer, woran die das jetzt festmachen. Woran bitte erkennt jemand, mit dem ich gerade erst wenige oberflächliche Sätze gewechselt habe, was ich selbst erst mit knapp 18 für mich herausgefunden habe. Bin ich so leicht einschätzbar? Wohl kaum!
Ich weiß nicht genau, warum diese Leute denken, dass ich mich über ihre Bestätigung freuen könnte. Ich weiß auch nicht, ob sie einfach nur so reagieren, weil sie sonst nichts zu sagen haben oder ob sie meine Berufswahl an meiner geringen Körpergröße messen. Denn naja, neben den Kleinen falle ich vielleicht nicht so auf?
Ich habe wirklich keinen Schimmer. Aber ich will's auch inzwischen gar nicht mehr so genau wissen. Deshalb macht es mir auch nichts mehr aus, wenn das Gespräch danach meistens schon zu Ende ist, bevor es angefangen hat. Dass wir gar nicht mehr zu meiner Fächerwahl kommen, die wohl ebenfalls den ein oder anderen schockieren und sprachlos machen würde (Mathe, Deutsch, Sport und als Hauptfach katholische Religion - und bevor die Frage aufkommt: ,,Ja, ich glaube an Gott und ja, ich bin durchaus auch schon mal in die Kirche gegangen.") Dass keine frechen Kommentare kommen nach dem Motto, ob ich mir dann auch schon neue Buntstifte gekauft habe. (Du wirst lachen, aber das hab ich - einfach, um auf diese Frage mit ,,Ja" antworten zu können.) Es ist okay. Das alles.
Und zwar, weil ich glücklich bin. Ich bin so wahnsinnig glücklich darüber, den Beruf gefunden zu haben, den ich für den Rest meines Lebens machen will. Weil es in meinen Augen keinen spannenderen Beruf geben könnte. Weil mich nichts jeden Tag aufs Neue mehr herausfordern könnte als diese Arbeit mit diesen Kindern. Weil ich Idealist*in bin und weil ich mich in der Grundschule einfach wie im Himmel fühle.
Und das wünsche ich dir auch. Dass du dich in deinem Job wie im Himmel fühlst.
In Liebe, Ana.
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