getauft auf den Namen Joana
Namen machen Leute, sagt man. Man sagt, dass der Name, der uns am Anfang unseres Lebens gegeben wird, unser Leben maßgeblich beeinflusst. In der Schule, an der Uni, im Job – egal, wo du dich vorstellst, dein Name und die damit verbundenen Klischees begleiten dich Schritt für Schritt an jeden Ort, an dem andere mit ihm konfrontiert werden. Je verbreiteter Namen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass dein Gegenüber bereits eine passende Schublade für dich angefertigt hat. Ist dein Name dagegen eher unbekannter, kann allein das ein Kriterium für eine andere Schublade sein. Eine Lea ist langweilig. Schublade auf, Schublade zu. Eine Zoë ist zickig. Schublade auf, Schublade zu. Ein Franz ist frech. Schublade auf, Schublade zu. Robins sind ruhig. Schublade auf, Schublade zu. Pelles können Plattdeutsch, Patrizias putzen gut und Patricks sind pingelig. Schublade auf, Schublade zu. So weit, so klar.
Leute geben Namen. Weil sie schön klingen. Weil sie eine Bedeutung haben, die wir mögen. Weil wir sie mit Menschen verbinden, die wir schätzen. Und so war es natürlich auch bei mir.
Ich heiße Joana und ich liebe meinen Namen. Bis auf manchmal, okay, vielleicht ein bisschen öfter als manchmal, also sagen wir, ich bin okay mit meinem Namen, so einigermaßen.
Wenn ich ein Junge geworden wäre, hätte ich Jonas geheißen. Jonas, das klingt solide. Ist zwar nicht wahnsinnig kreativ, aber es wirft keine unangenehmen Fragen auf. Die Leute können was damit anfangen und es ist auf Anhieb klar, wie man's zu schreiben und wie man's auszusprechen hat. Wär ich doch mal ein Junge geworden. Das hätte auch meine Mama glücklich gemacht, die mir in den ersten Jahren ausschließlich Jungsklamotten gekauft hat, vielleicht in der Hoffnung, dass ich vielleicht doch noch ein Junge werde. Tja, ich bin aber nun mal kein Junge geworden, sondern ein Mädchen. Und getauft wurde ich deshalb auf den Namen Joana.
Wie? Was? Johanna? An ne, Jana, stimmt's? Ne, Joana. Eigentlich einfach so, wie man's spricht, aber weil die Leute das auf die Art seltsamerweise immer besser kapieren, formulier ich's für euch auch nochmal kurz anders: Joana wie Johanna nur ohne h und ohne doppeltes n. So, jetzt wisst ihr Bescheid, denkt ihr. Aber ne, falsch gedacht.
Denn meine Eltern waren so lieb, mir nicht nur einen, sondern gleich noch einen zweiten Namen gratis obendrauf zu verpassen. Maria. Joana Maria also. Joana Maria, Joana Maria, Joana-Mari-Joana. Marihuana. Das und die Tatsache, dass ich mich beim Aussprechen der Droge angesprochen fühle, hat einen ehemaligen Mitschüler in der achten Klasse zu der Frage verleitet, ob meine Eltern Hippies sind. Hippies, die während der obligatorischen Namenssuche einen Joint zwischen den Fingern hielten. Ich hab' dann auch tatsächlich mal meine Mama gefragt, ob das Wortspiel vielleicht wirklich beabsichtigt war. Aber nein, war es nicht. Den tatsächlichen Hintergrund für meinen Namen finde ich aber auch nicht arg viel besser. Meine Eltern ham sich nämlich wohl unsere Familienchronik vorgenommen und geschaut, welche Namen sich da bereits finden. Da waren dann eben, typisch christlich, ein paar Marias dabei. Und ein paar Männer namens Joanus. Ich meine, Jo-Anus. Aber gut. Jedenfalls waren die zwei dann wohl so kreativ und haben aus Joanus, der männlichen Form, Joana, eine weibliche Form gebastelt.
Ich will jetzt auch echt nicht behaupten, dass ich meinen Namen schrecklich finde. Ich finde, er klingt schon ziemlich schön. Nur die Herkunft ist halt kein besonders toller Gesprächseinstieg in ein Kennenlernen. Was dagegen echt ein deutlich besser Gesprächseinstieg ist, sind gewisse Lieder, die mir nach meiner Vorstellung häufig vorgesungen werden – sobald meine Gegenüber herausfinden, dass auch Tschoana und Tschoänna eine mögliche Aussprache ist. Dazu gehören u.a. ,,Joanna, I love you" von Kool & The Gang, ,,Gimme Hope Jo'anna" von Eddy Grant und, das bei Weitem beliebteste, ,,Joana, geboren um Liebe zu geben" von Roland Kaiser. Abgesehen davon, dass die Ständchen teilweise ein bisschen ... unangenehm sein können und die Leute generell davon auszugehen scheinen, dass ihre Assoziation unmöglich schon einmal jemand vor ihnen gehabt haben kann, hab ich dabei, zugegeben, meistens meinen Spaß. Die Stimmung lockert es in jedem Fall erst einmal auf. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass sich aus kaum einem anderen Namen ähnlich unkonventionelle Gespräche ergeben.
Eher typisch für wenig verbreitete Namen ist dagegen die ewige Frage nach der Schreibweise bzw. der Aussprache. Ich glaube, ich lasse mir demnächst ein Tattoo mit meinem Namen in Lautschrift stechen. Wobei, lieber nicht! Die meisten können damit, sind wir realistisch, wahrscheinlich noch weniger anfangen als eh schon. Dazu kommt, dass mein Name in der deutschen Lautschrift (leider?) bis ins Detail schrifttreu ist. Meine Standardantwort werde ich daher wohl noch eine Weile beibehalten. Denn es stimmt. Es ist mir gleich, ob du nun Joana, Tschoana oder Tschoänna zu mir sagst. Erstens, weil ich es ganz schön finde, wenn ich anhand der Aussprache sofort zuordnen kann, wer mich gerade angesprochen hat. Und zweitens, weil ich es einfach aufgegeben hab. Ich hab inzwischen akzeptiert, dass es nichts bringt, jemandem meine favorisierte Aussprache zu nennen. Weil sie es alle letztendlich ohnehin doch aussprechen, wie sie wollen. Da kommt dann schon auch mal sowas wie Jowanna (ein Kindergartenfreund von mir) oder Huwanna (Lehrer am Gymi für Deutsch und Geschichte) dabei raus. Weil Ersterer es schlicht nicht anders aussprechen konnte und Letzterer, weil er der festen Überzeugung war, dass das doch viel schöner klänge.
Solltest du, wie so viele, die originelle Idee haben, dich an der Aussprache meiner Eltern orientieren zu wollen, lass dir zweierlei gesagt sein: Erstens haben meine Eltern peinlicherweise seit meiner Grundschulzeit nicht damit aufgehört, mich Jojo zu nennen und zweitens: Wieso denkst du überhaupt, dass es toll sein könnte, die gleiche Aussprache wie meine Eltern zu benutzen? Willst du in deine Sätze demnächst die Aufforderung einbauen, dass ich mal wieder mein Zimmer raussaugen und die Dusche putzen sollte oder was? (Ja, weiß ich doch nicht. Ich frag ja nur.)
Ob sie wollten oder nicht: Meine Eltern haben mit ihrer Namenswahl für mich mein Leben jedenfalls maßgeblich beeinflusst. In der Schule, an der Uni, im Job – egal, wo ich mich vorstelle, mein Name und die damit verbundenen Klischees begleiten mich Schritt für Schritt an jeden Ort, an dem andere mit ihm konfrontiert werden. Weil mein Name eher unbekannter ist, kann allein das ein Kriterium für eine bestimmte Schublade sein. Wenn's nach meiner Mama ginge, wäre ich wohl eine jungenhafte Joana geworden. Schublade auf, Schublade zu. Weil ich nicht besonders groß bin und mich teilweise ziemlich kindisch verhalte, ist auch jugendliche Joana nicht vollkommen abwegig. Schublade auf, Schublade zu. Dass jähzornig und jovial nicht zutreffen, hoffe ich schwer. Und auch ob jagdbar, jeansfarben, jodhaltig und jugendfrei passende Adjektive für mich sind, ist zu hinterfragen. Aber ganz gleich in welche Schubladen ich gesteckt werde: Mein Name ist ein wesentlicher Teil von mir, dem ich so manche Unterhaltung und Einschätzung zu verdanken habe.
Leute geben Namen und Namen machen Leute. Ich heiße Joana und ich liebe meinen Namen. Bis auf manchmal, okay, vielleicht ein bisschen öfter als manchmal, also sagen wir, ich bin okay mit meinem Namen, so einigermaßen.
Ich heiße Joana.
Und du?
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