62. Kapitel: Geständnisse


Am Ende des Tages war sich Liam einer Sache absolut sicher. Zwischen Jenna und Tristan lief rein gar nichts. Tristan hatte es zwar nicht mit dieser Deutlichkeit gesagt, doch so wie er von Jenna sprach war es entweder so, oder Tristan nutzte Jenna nur aus und hatte keinerlei Gefühle für sie. Und das war mit Sicherheit nicht der Fall, denn so schätze er Tristan absolut nicht ein. Er war ein grundanständiger Kerl, das musste Liam zugeben. Er hatte Tristan nicht konkret gefragt, doch er hatte es im Gefühl. Die Frage war nur, warum Jenna ihm das gestern nicht gesagt hatte, als er sie darauf angesprochen hatte.

„Schade, dass du übermorgen wieder fährst!", hörte er Chris zu Tristan sagen und dieser zuckte mit den Schultern.

„Naja, ich muss arbeiten. Es war großartig überhaupt herkommen zu können und Weihnachten nicht alleine feiern zu müssen!", erklärte er und biss in seinen Burger, den sie sich im Darcys schmecken ließen.

„Was machst du denn beruflich?", Liam hatte sich um einen normalen Umgang bemüht und jetzt, da ihm klar wurde, dass Tristan nichts mit Jenna hatte, konnte er sich sogar normal mit ihm unterhalten.

„Ich bin in der Werbebranche und habe nach New York gewechselt um mehr Kontakt mit meiner Schwester zu haben. Sie ist die Einzige die von meiner Familie noch geblieben ist!", erklärte Tristan und biss erneut ab.

„Was ist denn passiert?", fragte Liam und es tat ihm leid, dass er gestern überhaupt nicht darauf reagiert hatte, als Tristan von seinen Eltern erzählt hatte.

„Autounfall. Ist jetzt schon ein paar Jahre her aber ich glaube, sowas überwindet man nie so wirklich.", sagte Tristan und blickte einen Moment nachdenklich nach draußen. Liam konnte sich nur im Ansatz vorstellen wie es ihm ging. Er hatte „nur" seinen Cousin verloren und hatte bis heute daran zu knabbern obwohl es jetzt mittlerweile doch schon drei Jahre her war.

„Tut mir leid für euch.", sagte er deswegen und beschloss dann, das Thema zu wechseln. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen und es war von ihm nicht fair Tristan gegenüber gewesen, sich wie ein Vollidiot zu benehmen.

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Als die Jungs zuhause ankamen, hörte Jenna sie bereits aus der Küche miteinander sprechen und als sie in den Gang trat, um zu fragen was sie schönes miteinander gemacht hatten, hielt sie sofort inne, als sie Liam bei den Beiden sah. Hatte er den ganzen Tag mit Tristan verbracht?

Sofort richtete sich sein Blick auf sie, nicht so kalt wie gestern, aber auch noch lange nicht von dieser Wärme erfüllt an die sie sich so gewöhnt hatte. Sie beschloss so zu tun, als wäre es nichts Besonderes und setzte ein Lächeln auf.

„Cool, dass ihr wieder da seid. Habt ihr Lust nen Film anzuschauen? Maria kommt später auch vorbei und bleibt über Nacht!", erklärte sie und Tristan nickte gleich.

„Klar, warum nicht. Auf was hast du Bock?", fragte er, während er seine Jacke auszog und sich dann seinen Schuhen widmete.

„Ist mir egal, sucht ihr aus. Nur kein Chick-Flick bitte. Da hab ich keinen Nerv dafür!", meinte sie, erklärte aber nicht weshalb. Sie würde einen Teufel tun und mit Liam im selben Raum einen romantischen Film ansehen. Die Jungs begaben sich kurze Zeit später ins Wohnzimmer, während Jenna die Lasagne noch fertig machte, die sie begonnen hatte. Kurze Zeit später klingelte es.

„Ich gehe schon!", rief Chris und eilte zur Tür um Maria herein zu lassen. Diese ging direkt in die Küche, nachdem Chris ihr gesagt hatte wo Jenna war, und zog sie in ihre Arme.

„Ich habe dich so sehr vermisst!", rief sie aus und drückte sie noch ein wenig fester.

„Du hast mich doch tagtäglich gesehen!", meinte Jenna lachend und zielte auf ihre Videochats ab. Ein verächtliches Schnauben dröhnte aus dem Wohnzimmer zu ihr und sie wusste sofort, dass dies Liam gewesen war. Sie versuchte sich darüber jetzt keine Gedanken zu machen sondern konzentrierte sich auf Maria.

„Ja schon, aber das ist einfach nicht dasselbe!", erklärte sie und setzte sich an den Tisch und beobachtete Jenna wie sie den Käse über die Lasagne streute und sie schließlich in den Ofen schob. Danach begaben sie sich ins Wohnzimmer, wo die Jungs sich schon breit gemacht hatten. Chris hatte sich auf den Boden gelegt, mit einer Decke und Kissen um sich herum, Tristan hatte in dem einen Sessel Platz genommen und Liam saß auf der großen Couch. Da Maria sich jetzt für den Sessel neben Chris entschieden hatte blieb Jenna nur noch die Möglichkeit sich neben Liam oder auf den Boden zu setzen und so begab sie sich resigniert zur Couch. Als sie sich zwischen Tisch und Couch quetschte streifte ihr Bein das von Liam und er zuckte kurz, tat aber sonst so, als wäre nichts geschehen. Chris hatte den Controller in der Hand und scrollte durch die Angebote während Jenna sich auf die Couch setzte und Liams Blick intensiv auf sich spürte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Couch war die größte im Raum, aber noch nicht groß genug für sie und Liam. Nicht wenn es so zwischen ihnen war, wie es war. Sie hätte sich auf den Boden setzen sollen. Stocksteif saß sie da und richtete ihren Blick gezwungen auf den Fernseher. Sie spürte neben sich, wie Liam sich eine bequemere Position suchte und schließlich seinen Arm auf der Lehne ausstreckte. Seine Finger berührten beinahe ihre Schulter und sie wäre fast aufgesprungen, widerstand aber ihrem Impuls.

„Wie wäre es mit Gatsby?", fragte Chris und Jenna versteifte sich noch mehr. Das konnte doch wohl jetzt nicht sein Ernst sein! Gerade als sie ein Veto einlegen wollten, gaben alle anderen ihre Zustimmung und sie ließ sich resigniert auf ihrem Platz in die Couch sinken. Irgendwie war das Schicksal gegen sie.

Als sie einmal kurz zu Liam hinüber blickte lächelte er. Dachte er gerade an die Zeit, in der sie gemeinsam den Gatsby gelesen hatten? Die Bilder strömten auf sie ein wie ein innerer Film. Wie sie an dem kleinen See gesessen waren, auf ihrem Bett. Arm in Arm. Damals war noch alles in Ordnung gewesen. Sie war glücklich gewesen. Und jetzt saß sie hier und wollte sich am liebsten an ihn schmiegen und konnte es ja doch nicht.

Als die Anfangsbilder über den Bildschirm flackerten, der Text dazu gesprochen wurde, spürte sie beinahe wie Liam sie berührt hatte, als sie diese erste, grandiose Seite gelesen hatten. Ein leises Seufzen entwich ihr bei der Erinnerung. Als hingegen Liams Finger über ihre Schulter strichen, wäre sie beinahe wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen. Doch sie rührte sich nicht. Spürte nur die kleinen Stromstöße, die seine Berührung in ihr verursachte. Sie dachte im ersten Augenblick es sei ein Versehen gewesen, doch Liam hörte nicht auf und so konnte sie sich nicht mehr auf den Film konzentrieren obwohl er zu ihren Lieblingsfilmen zählte. Sie war kurz davor die Augen zu schließen und sich diesen winzigen Berührungen hinzugeben. Warum nur? Warum nur? Warum tat er ihr das an? Wusste er denn wirklich nicht was er damit in ihr verursachte? Vier lange Monate waren vollkommen umsonst gewesen. Sie befand sich an exakt demselben Punkt wie bei ihrer Abreise. Wenn nicht sogar schlimmer, denn vier Monate hatte sie ohne seine Nähe und seine Berührungen ausharren müssen und das Verlangen nach ihm hatte sich in dieser Zeit angestaut. Sie würde gleich explodieren, wenn er nicht aufhörte damit.

Sie wusste nicht wieviel Zeit bereits vergangen war, sie konnte sich nicht auf den Film konzentrieren und würde bald platzen und deswegen sprang sie freudig auf, als sie den Timer hörte der ihr signalisierte, dass die Lasagne fertig war.

„Ich kümmere mich mal schnell darum. Schaut ihr einfach weiter!", meinte sie, da es sowieso egal war. Dieser Film war für sie gelaufen. Und deswegen flüchtete sie schon beinahe in die Küche und lehnte sich zunächst einmal eine Minute lang an den Tresen. Am liebsten hätte sie ihr Gesicht in den Kühlschrank gesteckt, um sich ein wenig abzukühlen.

Als sie sich einigermaßen gefasst hatte, öffnete sie die Ofentür, um einiges an Hitze heraus zu lassen, bevor sie ihn runterstellte auf 50 Grad, um die Lasagne warm zu halten und dann die Ofentür wieder schloss. Sie ließ sich bewusst Zeit, wollte ihre Rückkehr ins Wohnzimmer hinaus zögern. Sie brauchte noch ein paar Minuten, um sich zu entspannen, bevor sie wieder zu Liam zurück kehrte und als sie der Meinung war, dass es wieder einigermaßen ging, machte sie sich auf den Rückweg. Als sie jedoch herein kam, war Liam verschwunden und eine unerklärliche Enttäuschung machte sich breit. Sie sah in den Gang und bemerkte, dass seine Schuhe und Jacke ebenfalls fehlten.

„Wo ist Liam?", fragte sie deswegen bemüht gleichgültig und ging auf die Couch zu, wo sie sich jetzt, da Liam nicht mehr da war, breit machte. Sie spürte noch die Wärme von Liam.

„Er musste heim. Irgendein Notfall. Hat nicht viel gesagt!", erklärte Chris ohne auch nur einmal aufzusehen.

Liam war einfach gegangen, ohne sich zu verabschieden.

Gerade als sie eine bequeme Position gefunden hatte, spürte sie ihr Handy vibrieren und holte es heraus. Es war eine Nachricht von Liam.

„Wir müssen reden. Bald!", stand da und Jenna spürte eine Panik in sich aufkommen. Doch das war sie ihm schuldig! Sie musste nur überlegen, wie sie ihm das alles erklären konnte, ohne zu viel von sich preis zu geben. Und deswegen tippte sie seit Monaten die erste Antwort an Liam in ihr Handy.

„Okay!"

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„Ok Jenna, ich muss dir jetzt etwas sagen, was ich dir schon seit Monaten sagen wollte, es aber nie übers Herz gebracht habe. Ich wollte es dir aber von Auge zu Auge sagen und deswegen tue ich es jetzt!" ,sprudelte Maria hervor und sah ihre Freundin ängstlich an. Sie lagen bereits im Bett und hatten gerade noch gequatscht, als Maria plötzlich damit angefangen hatte. Jenna setzte sich sofort auf, sie wusste, dass es etwas ernstes sein musste sonst würde Maria sie nicht so ansehen.

„In Ordnung, leg los!", meinte Jenna deswegen und machte sich auf alles gefasst, nur nicht auf das, was Maria ihr jetzt mitteilte.

„Ok, aber bitte versprich mir, dass du mich danach nicht als Freundin streichst!", Maria wartete keine Antwort ab sondern plapperte weiter.

„Ich habe damals eure Namen in den Umschlägen ausgetauscht.", sagte sie jetzt, doch Jenna verstand nicht so recht.

„Hä? Wovon redest du?", fragte sie deshalb, doch Maria hielt eine Hand hoch und brachte Jenna so zum schweigen.

„Du und Liam. Ihr habt mich um den Verstand gebracht damals. Es war an dem Tag, als Liam an dir vorbei gefahren und dich mit einer Pfütze nass gespritzt hat. Da hab ich in einer Art Kurzschlussreaktion einfach eure Namen in den Umschlägen von Mrs. Stars Projekt ausgetauscht und euch quasi in eine Gruppe gepackt. Dieses ganze Dilemma ist quasi meine Schuld und es tut mir unglaublich leid. Ich habe doch nicht ahnen können, dass sich das Ganze so entwickelt....", sie ließ ihren Kopf hängen und traute sich nicht hochzusehen.

„Du hast was getan???", rief Jenna aus, besann sich jedoch schnell eines besseren. Sie wollte nicht das ganze Haus wecken.

„Wie konntest du nur Maria! Du wusstest, was ich von ihm halte!", Jenna war sauer, das konnte Maria mit ziemlicher Sicherheit sagen.

„Ja ich weiß. Es war mehr eine Verzweiflungstat Jenna. Ihr habt euch so sehr gehasst und ich wollte doch nur, dass zumindest unsere letzten Monate nicht nur von diesen Streitereien bestimmt sind, verstehst du? Ich wollte unser letztes gemeinsame Jahr genießen. Und nachdem du und Richard damals Schluss gemacht habt, war nur noch Liam Thema und ich konnte es einfach nicht mehr hören. Ich weiß, dass alles ist keine Entschuldigung dafür, dass ich dich hintergangen habe, aber ich hab einfach nicht richtig nachgedacht in dem Moment und dann war es schon geschehen. Und all die Monate wollte ich dir die Wahrheit sagen aber ich hatte Angst vor deiner Reaktion und....", Jenna stoppte ihre Freundin an dieser Stelle.

„Ich kann wirklich nicht sagen, dass ich deine Methode gutheiße Maria. Um ehrlich zu sein, war das eine ziemliche Scheißaktion so was hinter meinem Rücken zu machen. Aber...", Maria hob den Kopf und sah ihre Freundin erwartungsvoll an.

„Aber?", drängte sie Jenna dazu weiter zu sprechen.

„Aber....es hat ja geklappt oder? Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich Vollidiot mich in Liam verliebt habe, hatte ja eigentlich alles super funktioniert! Wir sind Freunde geworden, ich habe ihn kennengelernt und alles was ihn ausmacht. Also sollte ich dir irgendwie danken, glaube ich....auch wenn ich wie gesagt die Art und Weise ziemlich scheiße finde!", erklärte Jenna. Maria sah sie erstaunt an.

„Wir müssen auf jeden Fall noch mal über das Thema Vertrauen und Ehrlichkeit sprechen, aber ich glaube für den Moment ist es ok. Du kannst nichts für alles, was danach passiert ist.", meinte Jenna und Maria fiel ihr augenblicklich um den Hals.

„Oh mein Gott Jenna, du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich gerade bin. Das Ganze hat mich monatelang verfolgt!", sie drückte sie noch fester.

„Ich hoffe, dass es dich bis in deine Träume verfolgt hat. War nämlich wirklich eine...", Maria beendete ihren Satz „.....scheiß Aktion. Ich weiß. Und glaub mir, ich werde alles dafür tun, das wieder gut zu machen. Versprochen!", meinte sie nur und ließ Jenna schließlich los.

Dann begannen sie über Gott und die Welt zu sprechen. Jenna erzählte Maria alles, was sie erlebt hatte. Sie hielt auch nicht inne, als sich das Gespräch in Richtung Liam bewegte und sie erklärte ihr alles, was sie zu dem bewegt hatte, was sie getan hatte.

„Liam war ziemlich niedergeschlagen die ganze Zeit, weißt du. Vielleicht....", doch Jenna hielt sie auf, die letzten Worte auszusprechen.

„Nein, bitte. Ich will das nicht hören. Er hat mit eigenen Worten gesagt, was er in mir sieht. Ich bin fertig damit Dinge in etwas hineinzuinterpretieren. Das hat mich doch erst in diese Lage gebracht!", meinte sie und schloss das Thema dann für sich.

Sie musste sich klar darüber werden, was sie eigentlich wollte. Sie musste sich klar darüber werden, wie sie das erreichen könnte. Und das alles, bevor sie das Gespräch mit Liam führte.

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Würde mich über Kommentare und Votes freuen:)

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