60. Kapitel: Weihnachten
„Und ihr kennt euch woher?", fragte Tristan von der Rückbank und bemerkte die gespannte Stimmung, die im Auto herrschte. Jenna saß vorne neben Liam, alles andere wäre seltsam gewesen, doch sie wünschte sich so sehr an einen anderen Ort, dass sie es nicht in Worte fassen konnte. Warum war Liam gekommen um sie abzuholen? Wie hatte er Chris dazu gebracht statt seiner fahren zu können? Chris hatte ihr erst vor zwei Stunden geschrieben, dass er pünktlich am Bahnhof sein würde. War das ganze hier irgendein abgekartetes Spiel?
Jenna hatte so sehr gehofft, dass sie Liam noch ein paar Tage mehr aus dem Weg gehen könnte, doch sie hätte besser wissen müssen nach den letzten vier Monaten. Er war nicht der Typ, der das was Jenna getan hatte, einfach so auf sich sitzen lassen würde. Vor allem wenn er die Beweggründe nicht verstand. Und diese konnte sie ihm einfach nicht sagen, denn damit würde sie sich absolut lächerlich machen. Wenn sie an ihre gemeinsame Zeit zurück dachte, wie sie ihn angehimmelt und in jede seiner Taten irgendwas hineininterpretiert hatte, schämte sie sich in Grund und Boden. Kein Wunder, dass Steph immer so sehr dahinter gewesen war, ihre „Beziehung" zu hinterfragen. Wie konnte man nur so blöd sein? Er hatte es ihr doch selber einst gesagt. Er würde sich nicht so schnell auf eine Beziehung oder die große Liebe einlassen können denn er war nicht der Typ dafür gewesen. Und was hatte sie getan? Sich ohne zu zögern auf ihn eingelassen und sich auch noch ihn verliebt. Doch damit war Schluss.
„Liam ist mein bester Freund!", erklärte Jenna und wandte sich um, um Tristan anlächeln zu können. Dann richtete sie ihren Blick auf Liam, der das Steuer so fest hielt, dass seine Fingerknochen sich weiß abzeichneten unter seiner immer noch leicht gebräunten Haut.
„Oder Liam? So stimmt das doch, was meinst du?", sie richtete ihre Worte lächelnd an Liam, der sich noch ein wenig mehr versteifte. Sie wusste, dass er kurz vorm Platzen war, doch diesen Seitenhieb hatte sie sich einfach nicht nehmen lassen können.
Kurze Zeit regte er sich nicht, dann begann er zu lächeln, ein definitiv nicht echtes Lächeln, und wandte sich für eine Sekunde in ihre Richtung. Er durchbohrte sie beinahe mit seinen Augen und sie wunderte sich, dass sie nicht augenblicklich in Flammen stand.
„Ich glaub das war ganz passend formuliert. Eine Frage hätte ich dann aber noch...", meinte er und sah dabei wieder konzentriert auf die Straße. Er umklammerte das Lenkrad noch ein wenig fester.
„ Ist es normal, dass sich beste Freunde vier Monate nicht bei einem melden und die Nachrichten des anderen komplett ignorieren?", fragte er und lächelte dabei immer noch. Dieses Lächeln hingegen war eiskalt und genau das verursachte eine heftige Gänsehaut auf Jennas Körper. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er das vor Tristan ansprechen würde. Dieser saß hinten und blickte zwischen den Beiden hin und her und langsam bekam er den Eindruck, dass Jenna ihn nicht nur aus Selbstlosigkeit eingeladen hatte um mit ihr und ihrer Familie Weihnachten zu feiern.
Jenna war verstummt, hatte sich nach vorne gewandt und damit begonnen stur aus dem Fenster zu sehen. Alles lag jetzt grau vor ihr. Ganz anders als im August, als sie die Stadt verlassen hatte. Und genau so grau fühlte sich auch in ihrem Inneren alles an.
„Willst du nicht irgendwas dazu sagen?", Liam ließ nicht locker und sah Jenna noch einmal an, doch diese sah weiterhin nur aus dem Fenster. Jetzt in diesem Moment wirkte sie kraftlos und für einen Moment tat es ihm leid, dass er sie direkt damit konfrontiert hatte.
„Nein? Dann würde ich sagen reden wir einfach die Tage mal darüber. Oder vielleicht heute Abend beim Weihnachtsessen!", meinte er nachdenklich und riss Jenna so aus ihrer Erstarrung. Diese fixierte ihn überrascht.
„Weihnachtsessen?", sie spürte wie ihre Hände leicht zu zittern begannen. Wie sollte sie diese Tage überstehen, wenn Liam sie auf Schritt und Tritt verfolgen würde?
„Naja, nachdem wir ja jetzt so gute Freunde sind dachten unsere Familien, dass wir uns riesig darüber freuen würden, wenn wir Weihnachten gemeinsam verbringen würden. Schließlich haben wir so viel nachzuholen! Die ganzen letzten vier Monate voller spannender Neuerungen in unserem Leben, die wir bestimmt miteinander teilen wollen. Nicht, dass wir uns nicht tagtäglich Nachrichten geschrieben hätten oder so, aber so von Auge zu Auge, ist das ja doch noch einmal was ganz anderes, nicht? Ich finde es großartig!", erklärte er ihr und schaffte es einfach nicht, den bitteren Unterton der seine Worte begleitete, weg zu lassen.
„Ja, großartig. Genau das würde ich auch sagen!", meinte Jenna trocken und ließ sich resigniert in ihren Sitz zurück fallen. Sie bereute in diesem Augenblick, überhaupt nachhause gekommen zu sein. Liam hatte keine Ahnung, was er ihr damit antat. Sie fragte sich einen kurzen Augenblick, ob sie ihm nicht einfach alles erklären sollte. Ihm sagen sollte, dass sie nur noch ein bisschen mehr Zeit bräuchte und, dass er sie verletzte wenn er so war. Doch andererseits wer war sie schon? Wie konnte sie von Verletzung sprechen, schließlich hatte sie ihn die letzten vier Monate einfach mal komplett aus ihrem Leben gestrichen. Zumindest schien es nach außen hin so. Innerlich, sah es ganz anders aus.
„Gut, Themawechsel würde ich sagen.", meinte Liam und räusperte sich einmal. Dann blickte er in den Rückspiegel.
„Wie habt ihr euch denn kennengelernt?", fragte er frei heraus und Jenna legte sich die flache Hand über die Augen und ließ ein leises Stöhnen entweichen. Dabei musste Liam tatsächlich ein wenig lächeln. Er wusste genau welche Knöpfe er bei Jenna drücken musste. Immer noch. Und wenn er sie noch zur Weißglut bringen konnte, konnte er es vielleicht auch in eine andere Richtung lenken.
„Im College. Ich bin der Bruder ihrer Mitbewohnerin.", erklärte Tristan, der sich ein klein wenig unwohl fühlte. Dachte dieser Typ irgendwie, dass Jenna und er zusammen waren oder so? Hatte Jenna denn nicht erzählt, dass er mitkommen würde? Langsam wurde er sich dessen sicher, dass das hier keine gute Idee gewesen war.
„Ach, das ist aber interessant. Und auf dich wartet keine Familie zu Weihnachten?", fragte Liam weiter, sichtlich bemüht freundlich zu sein, oder sich zumindest freundlich anzuhören. Tristan wurde jedoch klar, dass Liam definitiv er Meinung war, dass zwischen ihm und Jenna etwas lief und da Jenna es nicht für nötig hielt, irgendwas zu diesem ganzen Thema beizusteuern, war sich Tristan sicher, dass sie einen Grund dafür hatte. Und wenn Jenna einen Grund dafür hatte, dann würde er mitspielen. Jenna konnte ja immer noch alles richtig stellen, sollte er falsch liegen.
„Meine Eltern sind leider verstorben und Misha, meine Schwester feiert mit ihrem Freund Weihnachten also hat Jenna mich eingeladen, mit ihrer Familie zu feiern. Sie hat mir viel von ihnen erzählt und ich dachte, es sei eine gute Idee ihre Familie einmal kennenzulernen.", Tristan war höflich, lächelte sogar und bemerkte sofort, dass sich Liam ein wenig anspannte. Jenna hingegen drehte sich einmal um zu ihm und formulierte mit ihren Lippen ein stummes Danke, bevor sie Liam ansah. Dieser schien kurz davor zu sein zu explodieren.
Glücklicherweise kam das Auto zum stehen und Jenna öffnete sofort die Tür um Platz zwischen sich und Liam zu schaffen. Sie konnte kaum ruhig atmen wenn sie in seiner Nähe war. Sie stürmte auf den Kofferraum zu, öffnete diesen und versuchte ihren Koffer heraus zu hieven. Er rührte sich keinen Millimeter. Als sie es erneut versuchte, kam Liam neben ihr zum Stehen und griff nach dem Koffer. Dabei streiften seine Finger ihre Hand und sie zog sie sofort weg. Liam hob ihren und auch Tristans Koffer ohne jegliche Mühe aus dem Kofferraum und stellte sie dann auf der Straße ab.
„D-Danke.", stammelte Jenna und wich seinem Blick aus.
„Kein Problem.", meinte er nur und steckte die Hände in die Hosentasche. Eine Angewohnheit von der Jenna wusste, dass er dies tat, wenn er sich daran hindern wollte etwas falsches zu tun oder er überlegte.
„Jenna!!", hörte sie hinter sich ihre Mutter rufen und sah sich um. Ihre Mom stürmte auf sie zu und keine fünf Sekunden später, schloss sie sie in ihre Arme.
„Ich habe dich so unglaublich vermisst mein Schatz! Wie geht es dir? Gut siehst du aus. Deine Haare sind gewachsen!", ihre Mutter sprudelte beinahe über vor Emotionen und nahm sie erneut in den Arm. Freudentränen standen ihr in den Augen doch sie lief ihnen keinen lauf.
„Und das muss Tristan sein. Ich habe so viel von dir gehört. Schön dich kennen zu lernen!", sagte ihre Mom und griff nach Tristan, um ihn an sich zu ziehen. Jenna lief rot an. Tristan würde ihr diesen Trip vermutlich nie verzeihen, wenn sie alle hier aufführten als wären sie verrückt.
„Kommt lasst uns rein gehen. Es ist ja eiskalt!", meinte sie schließlich und zog Tristan mit sich nachdem sie ein „Liam vielen lieben Dank, dass du unsere Jenna nachhause gebracht hast. Du bist ein Schatz!" rief. Tristan lächelte, nahm seinen Koffer und zog ihn hinter sich her. Mit einem verunsicherten Blick sah er nach Jenna, die sich jetzt ebenfalls in Bewegung setzte. Doch sie spürte eine starke Hand an ihrem Arm die sie zurück hielt. Sie wandte sich um, Angst davor, was Liam ihr zu sagen hatte.
„Wir reden noch. Glaub nicht, dass du mir einfach so davon kommst!", meinte er leise mit ruhiger Stimme. Jenna hingegen hoffte sehr wohl, dass sie es irgendwie schaffte, dem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Sie konnte es einfach nicht führen.
„Vielen Dank fürs herbringen Liam!", sagte sie lediglich, riss ihren Arm los und machte sich auf den Weg. Tristan hatte bei der Treppe auf sie gewartet und nahm ihr jetzt ihren Koffer ab um ihn die drei Stufen nach oben zu wuchten. Der perfekte Gentleman, mit dem perfekten Lächeln. Liam wollte am liebsten kotzen. Was dachte sich Jenna nur? Wie konnte sie einfach so eine neue Beziehung beginnen ohne Liam eine Chance zu geben sich zu erklären? Doch was wollte er denn erklären?
Es hatte sich nichts an der ursprünglichen Situation geändert und jetzt war es anscheinend zu spät. Denn Jenna hatte sich ganz offensichtlich weiter umgesehen, während er hier in diesem Nest versauerte.
Er wandte sich ab und stieg wieder hinters Steuer. Keine zwanzig Meter weiter ließ er seinen Wagen in die Einfahrt rollen und zog die Handbremse und schließlich den Zündschlüssel ab, blieb jedoch noch einige Augenblicke in seinem Auto sitzen und lehnte sich zurück. Er schloss die Augen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. So, hatte er sich sein Wiedersehen mit Jenna sicherlich nicht vorgestellt.
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„Hier ist dein Zimmer Tristan. Wenn du irgendwas brauchst, bitte scheue nicht davor zurück es mir zu sagen. Jennas Freunde sind auch meine Freunde!", meinte Mrs. Carson freudestrahlend und trat aus dem Zimmer heraus.
„In zwanzig Minuten gibt es Mittagessen, falls du Hunger hast!", fügte sie lächelnd hinzu und als Tristan nickte schloss sie hinter sich die Tür.
Sie folgte dem Gang zum Zimmer ihrer Tochter und klopfte einmal leise an. Es war so seltsam und selbstverständlich gleichzeitig ihre einzige Tochter endlich wieder zuhause zu haben. Als sie die Tür öffnete, nachdem Jenna sie herein bat, sah sie Jenna die gerade dabei war, ihren Koffer auszupacken.
„Schätzchen du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue, dass du endlich wieder zuhause bist. Diese letzten Monate haben sich unendlich lange gezogen!", erklärte ihre Mutter ihr und Jenna sah auf.
„Ich weiß Mom, es tut mir leid, dass ich an Thanksgiving nicht nachhause gekommen bin. Aber es ist einfach irre, was im College abgeht. Ich muss mich ranhalten wenn ich alle meine Kurse bestehen will!", meinte Jenna und ließ sich auf ihrem Bett nieder. Entschuldigend sah sie ihre Mutter an, die aber den Kopf schüttelte.
„Das weiß ich doch Liebes. Ich freu mich einfach so, dass du jetzt da bist. Kommst du runter wenn du ausgepackt hast?", fragte sie und wartete Jennas Antwort ab.
„Eigentlich kann ich auch später auspacken. Ich komme gleich mit!", erwiderte diese und folgte ihrer Mutter die Treppe hinunter.
„Wo ist eigentlich Chris? Ich hatte gehofft, ihn am Bahnhof zu sehen!", meinte Jenna beiläufig. Ihre Mom wandte sich, als sie unten ankam, kurz um.
„Ich weiß nicht genau. Er taucht bestimmt gleich auf. Er freut sich so sehr auf dich!", erklärte sie und ging dann in die Küche, wo sie einen Topf mit Wasser befüllte und diesen auf den Herd stellt. Genau in diesem Moment hörte man die Haustür und Chris kam herein, direkt in die Küche und als er Jenna sah, stürmte er auf sie zu. Er zog sie in seine Arme und wirbelte sie einmal herum, bevor er sie wieder absetzte.
„Die Verschollene ist zurück gekehrt! Es ist schön dich wieder zuhause zu haben Schwesterchen!", Chris grinste von Ohr zu Ohr und seine Augen strahlten.
„Du musst mir alles erzählen. Wie ist es in New York? Laufen dort heiße Mädels rum? Was hast du alles gesehen?", und dabei ließ er sich auf einem Stuhl nieder und wartete auf Jennas Erläuterungen. Ihre Mom tat es ihm gleich und so setzte sie sich ebenso und begann über all das zu sprechen, was sie erlebt hatte und unbedingt mit ihnen teilen wollte.
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Die Familie Carson und Familie Welsh hatten sich versammelt und saßen gerade um einen reich bedeckten Tisch herum. Mr. Welsh ließ sich gerade von einigen der Collegegeschichten von Mr. Carson unterhalten und Mrs. Welsh und Mrs. Carson waren in irgendwelche Geschichten über ihre Kinder vertieft.
„Weißt du noch, als Chris, Liam und Jenna im Plantschbecken gespielt haben und Liam schließlich schreiend angelaufen kam mit einer Beule auf dem Kopf? Jenna hatte die Schaufel auf seinem Kopf kaputt geschlagen!", erzählte gerade Mrs. Welsh und Mrs. Carson schlug sich beschämt die Hände vor die Augen.
„Ja, leider weiß ich das noch. Jenna hat so sehr beteuert, dass sie Liams nichts angetan hat. Und Chris hat sich kugelig gelacht im Plantschbecken!", erinnerte sich ihre Mutter, die die beiden jetzt ansah.
„Ihr wart nicht unbedingt Vorzeigekinder muss ich sagen!", meinte sie dann nur.
„Hey, ich konnte da nichts dafür. Das ging alles so schnell und Liams Gesicht, als er die kaputte Schaufel gesehen hat, hab ich heute noch vor Augen. Ich glaube er hat mehr wegen der Schaufel als wegen der Beule geweint!", meinte Chris lachend und sah seinen Kumpel an, der neben ihm saß. Gegenüber von Chris saß Tristan, der ebenfalls lachte und neben ihm Jenna, die sich gegenüber von Liam befand. Natürlich. Wo auch sonst.
„Das war meine Lieblingsschaufel. Jenna hatte schon immer ein Talent dafür, Dinge die mir wichtig sind, zu zerschmettern!", erklärte Liam und sah Jenna mit kaltem, berechnendem Blick an.
„Dafür hattest du schon immer ein Talent dafür mich um den Verstand zu bringen!", sagte Jenna und erst als die Worte raus waren wurde ihr klar, dass man diese auch anders interpretieren könnte. Und so wie sie Liam kannte, würde er genau dies tun. Er zog die Augenbrauen nach oben und lehnte sich ein wenig nach vorne.
„Das ist mein Spezialgebiet. Mal sehen, was mir für die Tage die du da bist noch so einfällt!", erklärte er und durchbohrte sie mit seinem Blick. Ihr wurde ganz eng um die Brust. Tristan schien dies aufzufallen, genauso wie Chris und so lenkten sie das Thema in neue Bahnen.
„Also Chris, wie ich höre ist das dein zweites Jahr auf dem College. Hast du schon eine Idee welche Richtung du einschlagen willst?", fragte er deshalb Chris. Er würde einen Teufel tun und sich an Liam wenden, denn ganz offensichtlich lief hier etwas, das Jenna ihm vorher nicht erzählt hatte. Er würde heute noch ein eingehendes Gespräch mit ihr führen müssen.
„Ich hab ja zum Glück noch ein Semester Zeit, aber ich glaube ich gehe in die Sportrichtung. Sport hat mir schon immer gelegen und ich finde es unglaublich interessant mit Sportlern und Sportlerinnen zu arbeiten. Sportmanagement schwebt mir im Moment vor. Aber ich lass das alles auf mich zukommen!", erklärte er, froh um einen Themenwechsel. Jetzt war Tristan wieder am Zug und er wusste, dass es nur höflich wäre, auch an Liam Interesse zu zeigen.
„Und du Liam?", fragte er schnell und ließ seinen Blick dann wieder auf seinen Teller hinab sinken. Dieser Typ machte ihm eine Heidenangst, und dabei war er zwei Jahre jünger als er. Aber er hatte eine Ausstrahlung die wohl so einige gestandene Männer in die Knie zwingen würde.
„Noch keine konkreten Pläne, aber offen für alles!", meinte er und sah dabei unverwandt Jenna an, die sich immer unwohler fühlte in ihrer Haut. Sie brauchte eine Pause von Liam und entschuldigte sich dann kurze Zeit später für einen Moment. Sie ging den Gang entlang in ihr Gäste-WC und wusch sich die Hände, nur um ein wenig Zeit zu vertrödeln und durchatmen zu können. Liam war feindselig. Das konnte sie verstehen. Liam war wütend, auch das konnte sie verstehen. Auch, dass er verletzt war konnte sie natürlich nachvollziehen und machte für all die Dinge niemand geringeren als sich selber verantwortlich. Doch warum war er Tristan gegenüber so feindselig, wenn er doch nie etwas für sie empfunden hatte? Sie hatte natürlich bemerkt, jeder an diesem Tisch hatte es bemerkt, dass Liam sich weigerte eine Unterhaltung mit ihm zu führen. Liam hatte Charme und ließ diesen auch immer und überall spielen, doch Tristan ignorierte er komplett. Es schien fast so, als würde er sich in Acht nehmen ihm nicht zu Nahe zu kommen weil er sonst Gefahr laufen würde, auf ihn los zu gehen. Und das wollte Jenna mit Sicherheit nicht. Das war das letzte was sie wollte.
Sie stellte das Wasser ab und sah sich im Spiegel an. Sie sah müde aus, abgekämpft. Sie trocknete sich die Hände ab und öffnete die Tür und als sie Liam an der gegenüberliegenden Wand lehnen sah, war sie nicht einmal überrascht. Sie wusste, dass sie ihm nicht ewig davon laufen konnte. Nur wusste sie immer noch nicht, was sie ihm sagen sollte. Wie sollte sie ihm erklären, warum sie ihn so lange ignoriert hatte und weshalb sie Tristan mitgebracht hatte?
„Liam...", sagte sie nur und blieb in der Tür stehen. Dieser sah sie mit vor der Brust verschränkten Armen an.
„Ich hab dich ja für vieles gehalten Jenna, aber ich hätte nicht gedacht, dass du so feige und verlogen bist!", sagte er mit kalter Stimme und versetzte Jenna einen Stich. Einen heftigen. Sie wich einen Schritt zurück. Warum sollte sie verlogen sein?
Liam stieß sich von der Wand ab und kam auf sie zu. Er drängte sie in die Toilette zurück und schloss hinter sich die Tür. Schnell gelangte sie an der Wand an und Liam näherte sich ihr. Sie spürte seinen heißen Atem auf ihrer Haut.
„Liam?", Jenna war nicht fähig irgendwas zu sagen. Sie war vollkommen überfordert mit dieser ganzen Situation.
„Warum hast du mich einfach zurück gelassen und dich nie wieder bei mir gemeldet? Sag es mir. Du weißt, dass das nicht fair war. Dass es nicht in Ordnung war. Und um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, hast du Tristan mitgebracht. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich euch abkaufe, dass das etwas ernstes zwischen euch ist, oder?", Liam war ihr nahe, viel zu Nahe. Ihre Brust berührte seine, seine Hand lehnte neben ihrem Kopf an der Wand. Sie wollte ihm am liebsten sagen, dass da gar nichts zwischen ihr und Tristan war. Dass er sie nur als guter Freund begleitete, weil er eine schwierige Situation zu bewältigen hatte, und sie hatte ihn nicht alleine Weihnachten feiern lassen wollen. Doch sie sagte nichts. Ihre Brust hob und senkte sich, während sie sich bemühte ruhig zu atmen.
„Ach, nicht einmal jetzt hast du den Schneid mir zu sagen, was verdammt nochmal hier eigentlich los ist?", Liam kam ihr noch ein wenig näher. Wenn sie sich jetzt ein wenig vorbeugen würde, würden ihre Lippen auf seine treffen und es kostete sie eine unmenschliche Überwindung diese Distanz nicht einfach zu überbrücken. Sie wusste nicht, ob Liam sich ihrer Nähe überhaupt bewusst war. Wenn er einmal an ihr herab sehen und das Zittern ihrer Hände sehen würden, wüsste er sofort, was er mit ihr machte. Was er in ihr bewegte. Sie versuchte etwas zu sagen. Doch es kam nichts heraus.
Beide hörten Stimmen im Gang, die aber am Gäste WC-vorbei zogen. Offenbar waren ihre Väter gerade auf dem Weg in den Weinkeller.
„Glaub nicht, dass das mit uns hier vorbei ist. Ich habe noch einige Fragen an dich und ich möchte, dass du sie mir beantwortest. Zumindest das bist du mir schuldig. Tauchst hier auf mit irgend so einem Lackaffen, trittst das, was wir hatten mit Füßen anstatt mit mir zu sprechen.", er näherte sich ihr, doch seine Lippen wanderten an ihr Ohr „Du hast mich zerstört Jenna...", flüsterte er ihr zu und drehte sich dann auf dem Absatz um und öffnete die Tür.
„Das hier, ist noch nicht vorbei!", waren die letzten Worte, die er an diesem Abend an sie richtete und sie wusste, dass sie einen Fehler begangen hatte. Sie hätte nicht nachhause zurückkehren dürfen. Sie hätte das Ganze ganz anders lösen müssen mit Liam. Sie hätte ihm etwas vorspielen müssen. Sie hätte Tristan nicht einladen dürfen. Sie verletzte damit Liam noch mehr, als sie es sowieso schon getan hatte. Sie war ihm wichtig gewesen, er hatte sich auf sie verlassen und was hatte sie getan? Sie hatte ihn aus ihrem Leben verbannt, weil sie Gefühle für ihn hatte. Sie hatte den größten Fehler von allen begangen. Sie hatte sein Vertrauen missbraucht.
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