40. Kapitel: Veränderungen
Es war Freitag und Jenna spürte die Aufregung in ihrer Magengegend in sich aufkeimen. Alle verhielten sich in letzter Zeit äußerst seltsam; so war Maria seltsam verstockt, Chris niedergeschlagen und Liam? Liam war ungewohnt gut gelaunt, was Jenna beinahe auf die Palme brachte. Was ging in seinem Kopf vor? Wenn sie ihm so egal war, warum hatte er sich dann letzte Woche in dem Camp so seltsam verhalten? Warum war er für sie eingestanden und hatte sie vor all den anderen geküsst? Wenn sie ihm egal war, dann hätte er all diese Dinge nicht tun dürfen, denn so gerne Jenna auch behauptet hätte, dass sie all das kalt ließ konnte sie es nicht. Denn es war nicht so gewesen und jetzt schwirrten in ihrem Körper Schmetterlinge umher, wenn Liam sich wie selbstverständlich zu ihr setzte oder ihre Blicke sich trafen. Trotzdem klammerte sie sich an diesen Freitag. Liam hatte sie schon beinahe dazu gedrängt sich mit David zu treffen und so würde sie ihn nicht enttäuschen. Sie hoffte so sehr, dass David ihre Gedanken ein wenig von Liam ablenkten, doch sie bezweifelte es stark. Denn Liam schien überall zu sein. In allem was sie sah, hörte und roch. Er hatte Besitz von ihr ergriffen und dagegen musste sie dringend etwas tun. Maria hatte Recht. Das was hier geschah war nicht gut. Jenna war natürlich nicht blöd und wusste genau, wie Liam tickte. Er hatte es ihr ja selber sogar irgendwann gesagt! Ihr Kopf wusste all diese Dinge doch war ihr bescheuertes Herz vielleicht trotz aller Widrigkeiten auf etwas reingefallen, was am Ende gar nicht existiert hatte? Hatte es wirklich geglaubt, dass es da eine besondere Verbindung zwischen ihnen gegeben hatte?
Nun jetzt war es im Moment so, wie es war und Jenna musste das Beste aus der Situation machen. Gerade als sie damit begann zumindest ein wenig Make Up aufzulegen stürmte Chris in ihr Zimmer.
„Du hast ein Date mit David? Warum erfahre ich davon erst jetzt?", meinte dieser außer Atem und setzte sich aufs Bett, wo er Jenna einige Sekunden lang beobachtete. Dieser stand jedoch nicht der Sinn danach, sich vor ihrem Bruder zu rechtfertigen.
„Jenna komm schon! Wie ist das denn zustande gekommen?", fragte er erneut und als Jenna ihn über den Spiegel betrachtete bemerkte sie keineswegs einen verärgerten Gesichtsausdruck sondern er schien mehr überrascht zu sein.
„Naja, er hat mir eben geschrieben. Warum auch nicht? Ich hab ja nichts zu verlieren!", erklärte sie grinsend und fuhr mit dem Lidschatten fort.
„Ja und Liam? Ich dachte, dass...", Jenna unterbrach Chris bevor er irgendeine Dummheit von sich gab.
„Er war es doch erst, der mich dazu ermuntert hat! Außerdem ist es nichts Besonderes! Wir gehen nur in Chaos und wie ich zufällig mitbekommen habe, seid ihr heute Abend auch da, du und deine Kumpels, also betrachte es einfach als einen gemeinsamen Abend, ok?"
Tatsächlich war Jenna äußerst erleichtert gewesen als sie mitbekommen hatte, dass Chris und seine Kumpels heute ebenfalls dort sein würden. Das machte die ganze Angelegenheit weniger ernst.
„Dann gehen wir heute zusammen weg?", meinte Chris grinsend und erhob sich.
„Nein nicht unbedingt, wir sind nur zufällig im selben Club!", erklärte Jenna und scheuchte Chris anschließend aus ihrem Zimmer. Als dieser die Tür hinter sich zuzog runzelte er die Stirn. Irgendwas war hier faul, er wusste nur noch nicht so Recht warum. Als er Liam gestern gefragt hatte, ob er Bock aufs Chaos hätte, hatte dieser nur geantwortet, dass er keinen Bock auf die Leute dort hätte. Doch Maria hatte Chris erzählt, dass Liam und Jenna ständig miteinander rumhingen, da hatte sie ihm doch sicherlich erzählt, wo sie mit David hingehen würde. Ja, definitiv, irgendwas war hier mehr als nur faul.
Liam lag unterdessen auf seinem Bett und hatte die Musik gerade so laut aufgedreht, dass sie ihn umnebelte, sonst aber niemanden störte. Er hatte sich eigentlich vorgenommen gehabt irgendeinen Horrorfilm anzusehen, der ihn ablenkte. Oder vielleicht hätte er sogar angefangen ein Buch zu lesen. Der große Gatsby zum Beispiel, dieses Buch hatten Jenna und er nämlich nicht mehr beendet. Diesen Gedanken hatte er jedoch schnell wieder verworfen, denn dann hätte er an die letzte Woche denken müssen und das wollte er nicht. Also war er letztendlich auf seinem Bett gelandet wo er gerade dabei war, Löcher in die Luft zu starren und sich selber einzureden, dass er der Verkupplungsmeister schlechthin war. Er wollte Jenna nicht verlieren doch das würde er unweigerlich, wenn das was da zwischen ihnen war, wenn da überhaupt etwas Wirkliches war, weiterging. Er würde sie enttäuschen und verletzen so wie er bisher alles und jeden enttäuscht und verletzt hatte. Er war versucht gewesen Chris' Einladung zu folgen, als dieser ihm gestern Abend geschrieben hatte, doch er hatte es nicht übers Herz gebracht. Jenna zu verkuppeln und zu hoffen, dass sie was mit David anfing war eine Sache, aber er musste nun wirklich nicht auch noch dabei zusehen! Er versuchte sich ein Bild von dem zu machen, was in dem Club wohl gerade abging. Was war, wenn Bres dort ebenfalls auftauchte? Schließlich lag das Chaos in Campusnähe! Nein, er musste nicht für Jenna in die Bresche springen denn schließlich war Chris auch da. Der Anstandswauwau. Er würde auf seine Schwester aufpassen. Oder David, der ja eigentlich kein übler Kerl war.
Liam drehte sich in seinem Bett auf die Seite und sah aus dem Fenster. Es war bereits nach elf und die Party war vermutlich in vollem Gange. Wäre Jenna ihm egal, wäre er ohne zu zögern ebenfalls hingegangen, nachdem Chris ihn gefragt hatte. Wenn Jenna ihm egal wäre, dann hätte er sich selbst eine aufgerissen während sie sich mit David amüsierte. Wäre Jenna ihm egal, dann würde er jetzt einen Teufel tun und seinen Freitagabend damit verbringen, sich in seinem Bett zu wälzen und sämtliche Szenarien, die heute passieren konnten, in seinem Kopf durchzugehen. Wäre Jenna ihm egal. Das war sie aber leider nicht.
Chris war nicht begeistert gewesen, als Jenna ihm mit einem Caipirinha entgegengekommen war aber Jenna war der Meinung gewesen, dass heute ein perfekter Abend dafür gewesen war, ihren Schwur nie wieder Alkohol zu trinken, mal wieder zu brechen. Sie fühlte sich mittlerweile wesentlich entspannter als noch vor zwei Stunden. Mehrere Mal war ihr Blick über die Besucher gewandert doch sie hatte niemals die schwarzen Haare erblickt, die sie hatte erblicken wollen. Es war seltsam wie man in einem Raum voller Menschen stehen konnte und sich trotzdem einsam fühlen konnte. Genau das war der Moment gewesen, in dem sie angefangen hatte zu trinken. David hatte ihr nichts besorgen wollen, also hatte sie es auf andere Wege geschafft. Irgendwann hatte David resigniert aufgegeben und war nun ihr Lieferant. Vielleicht hätte sie ja gar keinen gebraucht, denn eigentlich war sie der Meinung, dass sie heute Abend mindestens genauso sehr aussah wie 21, wie all die anderen auch die sich einen Drink nach dem anderen genehmigten. Sie hatte Chris irgendwann in einer Ecke entdeckt, doch David hatte andere Freunde getroffen und so waren sie bei diesen gelandet, die es sogar geschafft hatten, ihre Gedanken auf einen neuen Pfad zu bringen. Sie hatte sich sogar bei dem Gedanken ertappt, wie sie David dazu bringen konnte sie zu küssen. Sie hatte Lust darauf, was vielleicht aber auch nur an dem Alkohol lag.
David war ein netter Kerl doch Jenna war bewusst geworden, dass aus ihnen niemals etwas werden konnte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich wohl, so wohl wie sie sich in Chris' Gegenwart fühlte und sie war sich ziemlich sicher, dass es David in dieser Sache ganz genauso ging. Denn irgendwann war die Anspannung von beiden gefallen und plötzlich war alles ganz locker geworden. Was noch lange nicht hieß, dass sie nicht zumindest noch ein wenig knutschen konnten. Zumindest wenn es nach Jenna ging.
Sie schlürfte gerade ihren...sie wusste gar nicht mehr wieviele sie bereits gehabt hatte...Caipi während sie sich zur Musik bewegte und ausnahmsweise einen Scheiß darauf gab, was irgendjemand von ihr dachte. Alkohol dieses Wunderzeug. Er ließ sämtliche Hemmungen fallen, doch er führte auch dazu, dass man sich nicht mehr unter Kontrolle hatte.
„Willst du tanzen?", fragte einer von Davids Kumpels und als Jenna nickte, zog er sie auf die Tanzfläche wo Jenna sich vollends fallen lassen konnte. Sämtliche Sorgen wurden von ihr abgespült und sie begab sich in einen Strudel des Wonnegefühls, aus dem sie nie wieder auftauchen wollte.
„Schau sie dir an! Verdammt, das ist Simon, der vögelt alles was nicht bei drei auf dem Baum ist! Wenn ich jetzt aber rübergehe und ihr das sage, dann tickt sie aus!", erklärte Chris gerade seinem Kumpel Steven, der eigentlich ganz gerne auch mal ein anderes Thema außer Carsons kleine Schwester anschneiden wollte. Die heißen Weiber zum Beispiel, die sich gerade zur Musik räkelten. Oder lieber noch die letzte Geschichtsvorlesung. Alles nur nicht das.
Chris lehnte derweil an der Wand und ließ Jenna nicht aus den Augen. Er erkannte sie kaum wieder. Was bezweckte sie damit? Wäre Maria in der Nähe gewesen, hätte er sie auf seine kleine Schwester angesetzt doch Maria war auch nie dann da, wenn man sie mal brauchte. Chris kannte Jenna jedoch und wenn er derjenige wäre, der ihr sagte, dass es reichte, würde sie ihn zum Teufel jagen.
„Scheint Jenna hat ihren Spaß!", hörte er eine vertraute Stimme neben sich und wandte sich nach rechts, wo Liam ebenfalls an der Wand lehnte. Wann war der denn aufgetaucht? Chris sah ihn überrascht an und für einige Sekunden fiel ihm kein sinnvoller Satz ein. Liam hatte gesagt, er würde nicht kommen und als Chris auf seine Uhr sah bemerkte er, dass es mittlerweile schon halb eins war!
„Alter was machst du denn hier?", fragte er, als er seine Sprache wieder fand und starrte ihn irritiert an. Liam fixierte Jenna mit seinem Blick und irgendwas sagte Chris, dass er genauso wenig begeistert war von dem, was sich da vor seinen Augen abspielte wie er selber auch. Hatte Jenna ihm nicht erzählt, dass Liam sie sogar dazu ermuntert hatte dieses Date wahrzunehmen?
„Was ist aus David geworden?", Liam ging nicht mal ansatzweise auf Chris' Frage ein und verlagerte, während er sprach, sein Gewicht auf das andere Bein.
„Keine Ahnung, geh doch rüber und frag sie!", Chris versuchte ihn zu provozieren. Ihm eine Reaktion zu entlocken, irgendwas, denn sein Gefühl sagte ihm, dass sich hier wesentlich mehr abspielte als irgendjemand bereit war zuzugeben.
Diese Worte veranlassten Liam schließlich seine Schwester aus den Augen zu lassen und ihn anzusehen.
„Was meinst du?", fragte er gespielt teilnahmslos.
„Na schließlich hast du sie ermuntert sich mit David zu treffen. Ihr seid ja wohl ganz dicke miteinander im Moment, da wäre es doch nachvollziehbar, wenn du auf ein Pläuschchen zu ihr rüber gehst. Oder warte, vermutlich hat sie keine Ahnung, dass du da bist weil du ihr eigentlich aus dem Weg gehen wolltest, oder war es Zufall, dass du mir abgesagt hast weil du, wie hast du so schön gesagt ‚keinen Bock auf die Leute hier hast'?", Chris war ungewohnt angespannt. Er wusste nicht, was er von alldem halten sollte. Maria hatte ihm gesagt, dass da etwas im Busch war, doch sie hatte es nicht verraten wollen. Wie hatte sie es formuliert? Genau, es war nicht ihr Geheimnis, dass sie ihm dann erzählen würde. Also war es Jennas, denn Chris bezweifelte stark, dass Maria Liams Geheimnisse kannte.
„Warum bist du so feindselig?", Liam merkte sofort, dass irgendwas mit Chris nicht stimme, doch er hatte keine Ahnung was er getan haben konnte, dass Chris wütend auf ihn war.
Auch Chris wusste es nicht, denn schließlich hatte er keine Ahnung was da abging.
„Keine Ahnung, ok? Mir gefällt an der ganzen Sache irgendwas nicht, aber ich weiß nicht was.", erklärte er und stieß sich von der Wand ab.
„Verdammt Jenna ist kein kleines Kind mehr! Sie kann durchaus selber entscheiden was sie macht.", Chris legte eine Pause ein und ging auf den Tisch zu, an dem seine Kumpel saßen und auf dem auch sein Getränk stand. Er schnappte sich die Flasche Bier und nahm einen großzügigen Schluck bevor er sich wieder zu Liam drehte, der wieder die Szene auf der Tanzfläche in Augenschein nahm.
„Du würdest es mir doch sagen, wenn zwischen dir und Jenna irgendwas laufen würde oder?", fragte Chris einer Eingebung folgend. Vielleicht hatte Maria ja genau das gemeint?
Liam sah jetzt wieder vollkommen überrascht, aber anstatt auf seine Frage zu antworten stellte er eine Gegenfrage.
„Würde es dir denn was ausmachen, wenn zwischen uns was laufen würde?", gespannt sah er Chris dabei an. Chris hatte noch niemals einen Groll gegen Liam gehegt doch in diesem Moment gab es einen kurzen Augenblick, in welchem er Liam nicht ausstehen konnte. Seine dunklen, blauen Augen bohrten sich in seine und es schien von außen betrachtet so, als würden sie gerade einen Kampf ausfechten.
„Sagen wir es mal so. Ich kenne dich und weiß genau, dass du schwer in Ordnung bist. Doch ich glaube auch, dass du Jenna verletzen würdest.", jetzt hatte er es ausgesprochen. Das wovor Liam sich insgeheim selber fürchtete. Sogar Chris glaubte es und Chris kannte ihn verdammt gut.
„Soweit würde ich es nicht kommen lassen, ok?", ein innerer Dämon trieb Liam dazu, diese Worte auszusprechen. Ein innerer Dämon der in ihm den Wunsch auslöste, nicht dieser Kerl zu sein der er nun einmal war.
„Ich glaube dir, dass es nicht soweit kommen lassen willst Liam, aber ich kenne Jenna. Sie ist etwas Besonderes!", erklärte Chris ihm, nahm einen weiteren tiefen Schluck und wandte sich dann zum gehen.
„Ich hau ab, ich kann mich drauf verlassen, dass du Jenna heil nachhause bringst?", fragte Chris ihn, als er auf seiner Höhe war. Er konnte lediglich sehen, dass Liam nickte. Er sagte nichts mehr. Es gab auch nichts mehr zu sagen.
Chris bahnte sich seinen Weg durch die besoffene Menge und war erleichtert, als er an die frische Luft trat. Er atmete tief ein und ging das Gespräch von grad eben noch einmal durch. Liam war nicht darauf eingegangen, als Chris gesagt hatte, dass er es ihm sagen würde wenn er etwas mit Jenna hatte. Höchstwahrscheinlich lief da bereits etwas. Chris kannte Liam. Er wusste, wie sehr er sich wünschte ein guter Mensch zu sein. Er wusste jedoch auch, dass Liam ein Mensch war, der Unglück und Dummheiten magisch anzog. Er tat es nicht absichtlich, doch seine vergangenen Fehler zeigten es. Das alles war gerade mal zwei Jahre her. Wäre Liam fähig, Jenna gut zu behandeln? Ja, das wäre er definitiv. Wäre er jedoch auch fähig ihr die Gefühle entgegenzubringen die sie brauchte, sollte sich da etwas Ernstes zwischen den beiden anbahnen? Da war sich Chris nicht so sicher.
Liam beobachtete, wie einer nach dem anderen den Club verließ. Es war drei Uhr morgens und er hatte keinen einzigen Schluck Alkohol zu sich genommen. Nichts was seine Sinne vernebeln konnte. Er wollte das Ganze absolut nüchtern betrachten. Das Gespräch mit Chris schwirrte ihm immer wieder durch den Kopf und er wusste nicht so Recht, welche Lehre er daraus ziehen sollte. Mittlerweile war nur noch der Kerl da, der nach wie vor mit Jenna tanzte und dabei ganz offensichtlich an etwas ganz anderes dachte. Seine Hände grabschten wo sie nur konnten an Jennas Körper herum, während sie das alles kaum wahrnahm, da sie mittlerweile ziemlich besoffen war und ganz offensichtlich nicht vorhatte irgendwann die Notbremse zu ziehen. David hatte Liam entdeckt, bevor er gegangen war. Es hatte einen Notfall in der Familie gegeben und als Liam ihn auf Jenna angesprochen hatte, hatte dieser mit den Schultern gezuckt.
„Du bist ja da, ich bin mir ziemlich sicher, dass du gut auf sie aufpasst!", hatte er erwidert und war anschließend abgehauen. Er war ja da und würde sich um sie kümmern. So wie Jenna sich einige Wochen zuvor um ihn gekümmert hatte, als sie ihn besoffen aufgeschnappt hatte. Liam hatte sich die zwei letzten Stunden ruhig gehalten, hatte an der Wand gelehnt und Jenna beobachtet. Vor ungefähr einer Stunde hatte sie ihn dann entdeckt, war jedoch nicht einmal zu ihm hinüber gekommen. Sie hatte ihn nur angestarrt und anschließend weiter getanzt. Seitdem ertappte er sie immer wieder dabei, wie ihr Blick seinen suchte, jedoch schnell wieder wegsah. Er wusste, dass er eigentlich gleichgültig tun sollte, doch dazu war er nicht im Stande. Als die Hände von dem Typen, mit dem sie tanzte, plötzlich ihre Taille nach oben fuhren und sich gefährlich nahe ihren Brüsten näherten, hatte Liam plötzlich das unbändige Bedürfnis auf sie zuzugehen. Dem Typen zu zeigen, wo er sich seine Hände hinstecken konnte.
Jenna spürte Liams Blick in ihrem Rücken wie ein Brandmal. Sie wusste, dass er sie beobachtete, wusste dass er das die ganze letzte Stunde getan hatte. Sie war überrascht gewesen, als sie ihn am anderen Ende des Raumes entdeckt hatte und hatte sich gefragt wann er gekommen war, sich jedoch gleich wieder eines besseren belehrt, schließlich konnte es ihr egal sein. Sie zwei waren zwar Freunde, jedoch nicht so dicke, dass der jeweils andere alles wusste. Wahrscheinlich war ihm einfach langweilig geworden, oder ein Date hatte nicht so hingehauen und er hatte sich besaufen wollen. Seltsamerweise hatte sie ihn kein einziges mal an einem Bier nippen sehen, während sie mittlerweile definitiv zu viel Caipirinha in sich gegossen hatte. Sie spürte Simons Hände ihre Taille entlangwandern und wünschte sich, sie wäre eines dieser Mädchen, die mit dem Typen nachhause gehen konnte nur um einfach mal alles um sich herum zu vergessen und anschließend ihr Leben weiter zu leben, als wäre niemals etwas geschehen. Doch das war sie nicht. Das wusste sie, doch sie wollte den Abend noch ein kleines bisschen länger auskosten. Mit einem Mal jedoch änderte sich Simons Blick und er trat ein kleines Stück zurück und während die Lichter über sie hinwegrollten und die Rythmen der Musik ihren Körper entlang glitten spürte sie eine warme Hand, die ihre umschloss. Sie schloss die Augen, sah die Lichter weiterhin davor herumtanzen und genoss diesen Augenblick für einige Sekunden und während sie das tat, legte sich eine zweite Hand auf ihren Bauch. Sie wurde sofort zurückgeworfen zu dem Abend, als Liam ihr am See so nah gewesen war. Als er sie berührt hatte. Sie hatte sich noch nicht einmal umgedreht wusste jedoch auch ohne ihn zu sehen, dass er es war der sie berührte. Sie kannte seine Hände, seinen Duft. Sie waren sich so nah gewesen in der letzten Woche, dass sie glaubte alles an ihm zu kennen.
„Du treibst mich noch in den Wahnsinn Jenna...", flüsterte er in ihr Ohr und jagte ihr damit einen solchen Schauer durch den Körper, dass sie glaubte ihre Beine würden jeden Moment ihren Dienst verweigern. Sie lehnte sich an ihn, antwortete jedoch nichts darauf, was hätte sie denn auch sagen sollen? Dass er sie ebenfalls wahnsinnig machte? Dass sie, seitdem sie ihn entdeckt hatte, am liebsten in seinen Armen getanzt hätte? Dass sie bereits vollkommen verrückt geworden war?
Die Lichter, die Musik alles war noch da und dennoch hatte sie das Gefühl in einem Luftleeren Raum zu stehen. Nur für einen Moment, nur für ein paar Sekunden doch es erschien wie eine Ewigkeit. Wie konnte ein einzelner Mensch solche Gefühle in einem auslösen? Ein Mensch von dem man geglaubt hatte, man würde ihn bis ans Lebensende verabscheuen.
Die Hand, die ihre umgriffen hatte, legte sich jetzt auch auf ihren Bauch und in einem Reflex positionierte sie ihre eigenen Hände über seinen. Sie waren warm, besitzergreifend und gleichzeitig so sanft.
„Ich bring dich jetzt nachhause, ich glaube es reicht für heute!", hörte sie Liam erneut flüstern. Simon, der die Szene von der Bar aus betrachtete und sich fragte, wer dieser Typ war, hatte sie bereits komplett vergessen. Sie wollte nicht heim. Sie wollte am liebsten für immer in diesem Moment festsitzen. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich um, dabei legte sie ihm ihre Arme um die Schultern und verschränkte ihre Hände in seinem Nacken, wo sie die weiche Haut spürte. Ein kurzer Schauer fuhr durch seinen Körper und so hatte sie wieder etwas Neues über ihn gelernt. Dies war eine seiner empfindlichen Stellen.
„Du siehst wirklich gut aus heute Abend!", sagte Liam nach einigen Sekunden und dabei sah Jenna zu ihm auf. Das gleiche hatte David auch zu ihr gesagt, doch es hatte sie nicht einmal annäherungsweise so berührt wie in diesem Moment.
Sie spürte den Alkohol, der durch ihre Venen pumpte und verlor für einen kurzen Moment das Gleichgewicht, doch Liam war da um sie zu stützen.
„Prinzessin es tut mir leid, aber ich denke wirklich, wir sollten nahhause fahren!", erklärte er erneut und zog sie mit sich. Der magische Moment war zerstört und sein Geruch, den sie gerade eben noch in sich aufgesogen hatte, verschwand. Sie erwachte aus ihrer Trance und spürte den Alkohol jetzt so deutlich, wie einen Faustschlag in der Magengrube. Sie schwankte erneut, doch Liam kam an ihre Seite und stützte sie. Es war ihr egal, was die anderen Leute in dem Club von ihr dachten, denn die waren ebenso besoffen wie sie, doch sie fragte sich, was Liam in diesem Moment durch den Kopf ging. Seine Miene war unergründlich.
Als sie draußen an seinem Wagen ankamen, öffnete er ihr die Tür und gab ihr ihre Tasche. Wo hatte er denn die hergeholt? Sie ließ sich in den Sitz zurück fallen und dachte nicht einmal mehr daran sich anzuschnallen. Sie wollte einfach nur noch schlafen, und das am liebsten in Liams Armen.
Liam setzte sich auf den Fahrersitz und schaute nach rechts, wo Jenna ihren Kopf an die kühle Scheibe lehnte. Er wusste nicht ob sie eingeschlafen war, aber er wollte sie vorerst nicht stören. Als er jedoch sah, dass sie sich nicht angeschnallt hatte lehnte er sich über sie und so zog ihr Parfum in seine Nase. Unwiderstehlich hätte er es bezeichnet, wenn ihn jemand danach gefragt hätte. Als er den Gurt einrasten ließ, lehnte er sich in seinen Sitz zurück, startete den Motor und legte den ersten Gang ein. Verdammt, er befand sich hier wirklich in Schwierigkeiten.
Jenna legte ihre Hand auf seine, wie eine Selbstverständlichkeit und genau aus diesem Grund berührte ihn diese Geste irgendwo in seinem Innersten. Die Fahrt war schneller vorbei, als er gehofft hatte. Er hätte diesen Moment noch einige Minuten länger auskosten wollen, doch er hielt in seiner Einfahrt und stieg aus. Widerwillig hatte er seine Hand von ihrer gelöst, doch sie musste ins Bett. Also lief er um den Wagen herum und half Jenna heraus. Er führte sie zu ihrer Haustür und nahm ihr den Schlüssel ab, den sie irgendwie aus ihrer Handtasche herausgekramt hatte. Er öffnete die Tür.
„Schaffst du den Rest alleine?", fragte er sie beinahe flüsternd. Er hätte sie gerne noch in ein Gespräch verstrickt, doch er wusste, dass das nicht ging. Sie nickte und blickte ihm dann in die Augen. Sie war absolut und zu hundert Prozent betrunken, das wusste er wegen ihres glasigen Blickes. Wenn er diese Gewissheit nicht da schon gehabt hätte, hätte er sie spätestens in dem Moment gehabt, in welchem Jenna die folgenden Worte ausgesprochen hatten, die seine Welt in den Abgrund stürzen würden.
„Liam, ich könnte mich wirklich in dich verlieben...", sie flüsterte sie beinahe nur, er wusste nicht ob sie an ihn gerichtet waren, doch er verstand jedes Wort als hätte man es ihm zugeschrien. Hätte er etwas erwidern sollen? Selbst wenn, er wäre nicht im Stande gewesen. Jenna ging, ohne jedes weitere Wort, doch Liam blieb im Licht der Veranda noch einige Minuten stehen. Sie könnte sich in ihn verlieben. Er hatte es vorher schon geahnt, doch es von ihr zu hören...Er würde sie verletzen, so wie er al-les und jeden verletzte. So wie es Chris ihm prophezeit hatte. So wie es sein Vater ihm entgegengeschrien hatte als Kevin gestorben war. So wie er sich jahrelang einge-redet hatte und den Gedanken jetzt nicht mehr loswurde.
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