24. Kapitel: Schatten

24. Kapitel: Schatten

Liam war den ganzen Nachmittag nicht mehr aufgetaucht was Jenna irgendwie wunderte. Natürlich kam es häufiger vor, dass Schüler der Abschlussklasse sich ab und an mal eine Pause gönnten und die Mittagspause verlängerten, doch Liam war ihr so vorgekommen, als sei ihm die Schule in den letzten Jahren wichtiger geworden. Er war kein typischer Strebertyp, nicht im Geringsten, doch er hatte sich bemüht immer am Ball zu bleiben und hatte im Unterricht mitgemacht. Ja, Jenna hatte den Eindruck gewonnen, dass Liam nach Höherem strebte als nur der Captain der Basketballmannschaft zu sein und immer als derjenige zu gelten, der nur Scheiße baute. Das war ihr sogar noch vor diesem dämlichen Projekt aufgefallen. Doch Liam hatte heute irgendwie verstört gewirkt, was sie auf die Vorkommnisse vom Freitag geschoben hatte .Langsam begann sie aber zu denken, dass dies gar nichts damit zu tu gehabt hatte.

Während Jenna zuhause in ihrem Zimmer gesessen und ihre Hausaufgaben gemacht hatte, waren ihre Gedanken immer wieder zu ihrem letzten Gespräch gewandert. In dem Moment, in welchem sie damit begonnen hatte, über Clay zu reden hatte Liam sich zurückgezogen und war schließlich geflohen. Auch diesem hatte sie falsche Beweggründe zugrunde gelegt. Sie hatte geglaubt er sei vor ihr und dem unangenehmen Gespräch davon gelaufen doch mittlerweile zweifelte sie stark an ihrer Theorie. Es war bereits zehn Uhr Abends und eigentlich wollte sie sich gerade Bettfertig machen als ihre Mom ins Zimmer platzte.

„Jenna Liebes, Mrs. Welsh ist am Telefon!“, sagte diese ein wenig besorgt und reichte Jenna den Hörer. Diese schüttelte kurz verwirrt mit dem Kopf, da sie nicht verstand, warum ihre Mom Mrs. Welsh beim Nachnamen nannte wenn sie ihr das Telefon brachte, schließlich sprachen sie sonst normal miteinander, doch Jenna sagte nichts dazu und hielt sich den Hörer stattdessen ans Ohr, ihr Herz pochte wie wild: Was wollte Mrs. Welsh nur von ihr?

„Ja Hallo?“, fragte Jenna also langsam und drehte sich zu ihrem Fenster. Sie hoffte, dass ihre Mutter auch so verstand, dass sie gehen sollte.

„Jenna? Guten Abend meine Liebe! Es tut mir wirklich leid dich so spät noch zu stören aber hast du was von Liam gehört?“, fragte Mrs. Welsh sie beunruhigt.

„Warum sollte genau ich etwas von ihm gehört haben?“, fragte Jenna im ersten Moment verwirrt. Noch niemals hatte Mrs. Welsh bei ihr angerufen und Jenna glaubte nicht im Traum daran, dass dies das erste Mal war, dass Liam verschwunden war. Halt. Stopp. Liam war nicht zuhause aufgetaucht? Was hatte er den ganzen Tag gemacht wenn doch alle in der Schule, im College, in der Arbeit oder sonst wo gewesen waren? Jenna hatte geglaubt, dass Liam nachhause gefahren war und dort rumgammelte.

„Naja, ihr unternehmt doch so viel in letzter Zeit und Eric konnte mir auch nicht sagen wo er ist. Ansonsten hat Liam nicht wirklich viele Menschen, die ich fragen könnte!“, erklärte Mrs. Welsh ein wenig verbittert und dabei spürte Jenna, wie ein kleiner Riss in ihrem Herzen entstand. Liam hatte nicht mehr Freunde?
„Haben Sie es bei Chris versucht?“, fragte  Jenna hoffnungsvoll, von der anderen Seite der Leitung hörte sie jedoch nur ein verzweifeltes Ausatmen.

„Ja habe ich und er hatte keine Ahnung. Er hat seit Freitag schon nichts mehr von Liam gehört, was nicht ungewöhnlich ist, denn die Beiden unternehmen nicht wirklich häufig was miteinander! Also hast du auch keine Ahnung wo er stecken könnte, oder?“, fragte Mrs. Welsh erneut doch dabei schüttelte Jenna den Kopf bis ihr einfiel, dass sie sie ja gar nicht sehen konnte.

„Nein es tut mir Leid Mrs. Welsh. Ich kann aber gerne versuchen ihn zu erreichen!“, meinte Jenna.

„Das wäre wirklich nett von dir Liebes. Ich weiß, du wunderst dich bestimmt, dass ich mir solche Sorgen mache, aber nun ja....“, begann Mrs. Welsh doch Jenna fiel ihr sofort ins Wort.

„Nein, nein Mrs. Welsh. Er ist ihr Sohn und sie haben alles Recht der Welt sich wegen ihm Sorgen zu machen. Wenn ich etwas von ihm höre melde ich mich einfach, in Ordnung?“, meinte Jenna und nachdem Mrs. Welsh dankbar Tschüss gesagt hatte legte Jenna auf. Warum hatte sie Mrs. Welsh unterbrochen? Sie war im Inbegriff gewesen, ihr etwas äußerst wichtiges zu erzählen, dessen war sie sich sicher. Doch ihr Gefühl hatte ihr gesagt, dass wen sie das, was Mrs. Welsh ihr erzählen wollte hören würde, dann sollte sie es von Liam hören.

Sie erinnerte sich zurück an eine Zeit, in welcher Liam noch seltsamer gewesen war als zuvor. Er hatte sich von allen und jedem zurückgezogen und hatte Freunde gefunden, die nicht an der gleichen Schule gewesen waren. Schwänzen war damals sein ständiger Begleiter gewesen. Irgendwann jedoch, war er eine ganze Woche nicht in der Schule gewesen und danach war er wie ausgewechselt umhergelaufen. Er hatte es sogar geschafft, Jenna einige Wochen in Ruhe zu lassen. Diese Ruhe hatte zwar nicht lange angedauert, doch Jenna war damals insgeheim froh gewesen darüber, denn ein ekelhafter Liam war immer noch besser als ein in sich gekehrter Kerl der jedem aus dem Weg ging. Es hatte Geschichten über ihn gegeben, Gerüchte die kursierten, doch Jenna hatte keiner dieser Geschichten Glauben geschenkt. Ihr war selber klar gewesen, dafür kannte sie Liam einfach schon zu lange, dass irgendwas mit ihm geschehen war, doch sie hatte keine sichere Quelle gehabt. Eric hatte sie nicht fragen können, denn er war zu dem Zeitpunkt und war auch noch heute, Liams einziger Vertrauter. Selbst wenn er es ihr gesagt hätte, Jenna hätte es von ihm gar nicht erfahren wollen. Eric war Liams bester Freund gewesen!

Sie stand von ihrem Stuhl auf und runzelte dabei die Stirn. Wo war Liam nur hingegangen?

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Sechs Stunden zuvor

 Liam saß seit über zwei Stunden in seinem Auto. Die letzte halbe Stunde jedoch war er nicht mehr gefahren. Stattdessen hatte er in seinem Wagen gesessen und nach draußen gestarrt während er sich überlegt hatte, wie er nur den Mut aufbringen konnte Kevin zu besuchen.

Kevin war sein Cousin, ein Jahr älter als er! Sie hatten nie wirklich viel miteinander zu tun gehabt und nachdem, was geschehen war, würden sie es auch nicht. Doch Liam brauchte jemanden zum reden. Jemanden der ihn nicht mehr verfluchen konnte. Jemanden, der ihn nicht noch mehr hassen konnte als er es selber schon tat.

„Jetzt komm schon du Schwächling!“, sagte er zu sich selber, während er seine Hände anstarrte die sich um das Lenkrad geklammert hatten. Er zog den Schlüssel ab und öffnete die Tür. Heute würde er sich den Schatten der Vergangenheit stellen. Zumindest einem.

Er ging den steinigen Weg entlang und während der Kies unter seinen Füßen knirschte hatte er den Blick starr nach vorne gerichtet. ER hatte die Vergangenheit zurück haben wollen und hier war sie. Kevin war das was immer noch am lebendigsten aus seiner Vergangenheit in die Gegenwart strahlte! Einige hundert Meter ging er weiter, während der Frühlingswind ihm die Haare zerzauste und sein Shirt flach an seinen Oberkörper drückte.  Als er schließlich ankam, stand er zunächst starr da. Unfähig etwas zu sagen. Er spürte die Blumen in seiner rechten Hand, die er noch besorgt hatte, und blickte auf die bereits eingepflanzten Blumen, die in die frisch aufgeschüttete Erde gedrückt worden waren. Es waren weiße Blumen, mehr konnte Liam nicht darüber sagen, denn er kannte sich mit dem Zeug nicht aus, alles was er sagen konnte war, dass diese Blumen einem Hoffnung geben sollten und nicht in ein Grab eingepflanzt gehörten.

Der weiße Grabstein würde Liam, wenn er sich daneben stellen würde bis zur Hüfte reichen und war geschmückt mit Zeichnungen, die bereits langsam verblassten. An Kevins Beerdigung waren viele Freunde dagewesen, offenbar waren sie zurückgekehrt  und hatten den Grabstein verziert. Es sah wunderschön aus. Fröhlich. So wie Kevin nunmal gewesen war.

„Hey Kumpel!“, sagte Liam leise und entfernte die Schutzfolie an den Blumen. Anschließen kniete er sich hin.

„Ich weiß, ich war schon lange nicht mehr hier....sorry dafür!“, erklärte er, als spreche er tatsächlich mit einem ihm gegenüber stehenden Menschen. Eigentlich war Liam erst ein einziges Mal hier gewesen. An Kevins Beerdigung, versteckt hinter den Bäumen die den Friedhof säumten hatte er alleine Abschied von seinem Cousin genommen, an dessen Tod er doch eigentlich schuld gewesen war. Er hatte auch um Vergebung gebeten, ob Kevin ihm jedoch jemals verziehen hätte würde er nie mehr erfahren.

„Ich weiß, du bist wahrscheinlich immer noch wütend auf mich, aber wenn wir mal ehrlich sind, dann hast du vermutlich ein besseres Leben da oben im Himmel als ich hier!“, redete Liam weiter und begann damit, mit seinen Händen ein kleines Loch zu graben, wo er die Blumen hineinstecken konnte. Er lachte kurz auf.

„Ja wahrscheinlich feierst du da oben fette Parties und lachst über uns hier unten!“, meinte er jetzt und ließ von der Pflanze ab, als er ausreichend Erde drum herum gedrückt hatte. Anschließend zog er eine Kerze aus der Jackenasche und zündete diese mit seinem Feuerzeug an.

Er redete, doch niemand antwortete ihm. Das hatte er doch gewollt. Ein unkompliziertes Gespräch jetzt hingegen wünschte er sich nichts sehnlicher, als Kevins Schlag in den Magen zu spüren. Seit er denken konnte, hatten die Beiden sich gerauft wen er bei Kevin oder Kevin bei ihm gewesen war. Nur damals nicht.

„Bei uns hier unten ist auf jeden Fall einiges los. In drei Monaten mache ich meinen Abschluss, das heißt, ich komme endlich raus aus dem verfluchten Kaff über das du dich immer so lustig gemacht hast. Ach und, du kennst doch noch die Kleine, mit der ich mich immer so gezofft habe? Jenna? Wir müssen so ein beklopptes Projekt miteinander machen, läuft aber ganz gut!, erzählte Liam, als würde Kevin tatsächlich vor ihm sitzen. Stattdessen sah Liam jedoch nur sein Bild, das in den Stein eingemeißelt war und ihn fröhlich ansah. Liams Blick flog weiter nach oben, wo sein Todesdatum stand.

14. April 2012. Davor stand das Geburtsdatum. 15. April 1995

Kevin hatte seinen 17. Geburtstag nicht mehr ganz erreicht gehabt. Nur knapp verfehlt. Und das nur wegen einem kleinen dummen Fehler.

Liam hatte Kevin damals vielleicht nicht umgebracht, doch Liam hatte zugelassen, dass Kevin sich selber umbrachte. Und das sah auch sein Vater so. Das sah seine ganze Familie so, nur seine Mutter hielt nach wie vor zu ihm. Sie war die Einzige die ihm geblieben war und er konnte es gut verstehen. Denn wenn er an der Stelle der Anderen gewesen wäre, dann würde er auch nicht anders denken. Schließlich war er derjenige, der überlebt hatte während Kevin hier an dieser Stelle vergraben lag.

„Fuck Mann, es tut mir so leid....“, sagte Liam schließlich und sprach damit das aus, weshalb er eigentlich hier her gekommen war. Er wollte keine Memme sein, wollte nicht weinen, doch die Tränen stiegen ihm in die Augen und er konnte es nicht verhindern. Seit er klein war hatte sein Vater ihm erzählt, dass auch Jungen weinen durften, wenn sie wirklich Schmerzen hatten. Liam hatte keine Schmerzen und dennoch trieben die Tränen nach oben und schließlich flossen sie auch über sein Gesicht. Unbeholfen und etwas grob wischte er sich das Gesicht ab, doch es kamen immer weitere hinterher.

„Wenn ich könnte, dann würde ich mit dir den Platz tauschen Mann. Aber ich kann es nicht! Ich kann deinen Platz nicht einnehmen also musst du die Parties da oben erstmal alleine genießen! Aber glaub mir, wir hier unten vermissen dich!“, sagte Liam und stützte sich mit den Händen am Boden ab. Die Schuldgefühle schienen ihn zu überwältigen und er ließ den Kopf hängen.

Und während der Wind ihm weiterhin seine Haare zerzauste und das Rascheln der Blätter ihm ins Bewusstsein drang spürte er, wie die Tränen auf seine Hände tropften und sich dort einbrannten.

Was hatte er nur getan?

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Jenna hatte versucht Liam anzurufen, doch niemand war ans Handy gegangen. Nach dem fünften Mal hatte sie es aufgegeben und jetzt lag sie in ihrem Bett und starrte die Zimmerdecke an. Es war bereits Mitternacht.

Was war, wenn ihm irgendwas passiert war? Was war, wenn er entführt worden war? Ein Autounfall?

Jenna stieg aus ihrem Bett und wanderte hilflos in ihrem Zimmer herum. Was konnte sie tun? Vielleicht war er mittlerweile auch schon zuhause aber Mrs. Welsh hatte ihr nicht Bescheid gesagt weil sie der Meinung gewesen war, dass es bereits zu spät war?

Sie sah auf ihre Turnschuhe, die in ihrem Regal standen und hastete darauf zu. Sie konnte sowieso nicht schlafen, also konnte sie genauso gut nachsehen! Sie schnappte sich ihre Winterjacke da sie vom Freitag noch wusste, dass es durchaus noch sehr kalt draußen werden konnte und schlich den Gang entlang. Alle schliefen bereits tief und fest aber weil sie unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen wollte, wollte sie auf keinen Fall beim hinausschleichen erwischt werden und erklären müssen, wohin sie gerade unterwegs war.

Nur einen kurzen Blick wollte sie auf die Einfahrt der Familie Welsh blicken und wenn sie dort Liams Auto erblicken würde, würde sie sofort kehrt machen, sich in ihr Bett legen und dem so heiß ersehnten Schlaf entgegenfiebern.

'Und was, wenn sein Auto nicht in der Einfahrt steht? Hast du dir schon mal diese Frage gestellt?', schrie Jennas Inneres welches ganz offensichtlich überhaupt nicht einverstanden mit Jennas dummem Plan war.

'Darüber mache ich mir Gedanken wenn es so ist!', keifte Jenna innerlich zurück und schnappte sich ihren Hausschlüssel.

Sie öffnete die Tür und ein kalter Wind schlug ihr entgegen, doch sie ließ sich nicht beirren. Sie ging einige Schritte nach draußen, spürte den eisigen Wind ihre Beine entlang schleichen, und fröstelte.

Sie konnte sein Auto nicht sehen. Enttäuschung machte sich in ihr breit. Was war nur los mit diesem Idioten? Wo zum Teufel steckte er nur?

„Wenn ich dich erwische Welsh dann Gnade dir Gott!“, murmelte Jenna und sah die Straße einmal rauf und runter. Kein Lebenszeichen von irgendwem. Alle schliefen bereits, nur sie stand wie der letzte Idiot da und überlegte, was sie noch machen konnte. Sie zog ihr Handy aus der Jackentasche und wählte erneut Liams Nummer. Nach ein paar Mal klingeln ging die Mailbox dran.

„Liam Welsh ich sag dir eins: Wenn du nicht sofort zurückrufst oder an dein Gottverdammtes Handy gehst dann schwöre ich dir, ich bringe dich um wenn wir uns das nächste Mal sehen!“, keifte sie ins Telefon und setzte sich anschließend auf die Steinstufen vor ihrer Haustür. Es konnte ja nicht schaden kurz draußen auf seinen Rückruf zu warten.

Während sie das tat, tippte sie mit ihrem Finger immer wieder nervös ans Handy, das nach wie vor in ihrer Hand lag und sah erneut, äußerst ungeduldig, die Straße entlang, so als würde Liam bestimmt jeden Moment nachhause kommen doch sie konnte nichts entdecken. Einige Minuten noch saß sie da, bis ihr die Kälte der Steinstufen durch die Hose sickerte und sie aufstehen musste. Doch anstatt hinein zu gehen begann sie damit, den Rasen auf und ab zu gehen. Dabei entdeckte sie einige Unebenheiten darin und versuchte sich einzuprägen, dass sie das unbedingt in Angriff nehmen musste. Gerade als sie zwei Scheinwerfer in der Ferne auftauchen sah klingelte ihr Handy und sie ließ es vor Schreck fallen. Ihre Augen waren nach wie vor auf die Scheinwerfer geheftet und sie hoffte, Liams Auto zu erkennen. Einen kurzen Moment sah sie auf ihr Display und da entdeckte sie tatsächlich seinen Namen also ging sie schnell ran.

„WO ZUM TEUFEL STECKST DU????“, fragte sie ohne Umschweife und spürte wie wütend sie auf ihn war. Warum zum Teufel machte SIE sich eigentlich Sorgen um ihn? Sie war wohl doch ein außerordentlich guter Mensch. Zumindest wünschte sie sich das.

„Kannst du mich abholen Carson?“, hörte sie Liam lallen und hob die Augenbrauen überrascht nach oben. Das Auto aus der Ferne kam immer näher.

„Sag mal bist du betrunken? Mitten unter der Woche? Dir ist klar, dass wir morgen einen Englischtest schreiben oder?“, sie stellte eine Frage nach der Anderen ohne lang darüber nachzudenken.

„Carson mir wird schlecht von deinen ganzen Fragen!“, war alles was Liam zustande brachte zu antworten.

„Also kannst du mich jetzt abholen?“, fragte er ein zweites Mal und Jenna konnte es kaum fassen, dass er genau sie anrief um abgeholt zu werden.

„Warum fragst du nicht deine Mom? Die ist nämlich ganz krank vor Sorge!“, erklärte Jenna sauer.

„Also wenn nicht sag es einfach!“, entgegnete Liam genervt. Das Auto blieb direkt vor ihrer Einfahrt stehen und als sie genauer hinsah entdeckte sie Chris, der gerade von einer Party zu kommen schien.

‚Na der hat aber ein Leben!‘, dachte sich Jenna und sah auch David, der Chris hergebracht hatte. Sie saßen noch im Auto und sprachen miteinander.

„Wie stellst du dir das vor, ich hab kein eigenes Auto!“, sagte Jenna hielt jedoch inne, als ihr eine Idee kam.

„Hast du dein Auto da?“, fragte sie in den Hörer und ging währenddessen schon auf das Auto von David zu.

„Ja hab ich…“, meinte Liam. Im Hintergrund hörte Jenna laute Musik.

„Wo bist du?“, fragte sie ihn weiter und blieb vor der Beifahrertür stehen.

„Im Sin…“, antwortete Liam, schien jedoch abgelenkt zu sein. Jenna war es egal. Sie würde ihn abholen und ihn danach verprügeln sobald sie ihn zu Gesicht bekam.

„Warte einen Augenblick…“, sagte Jenna obwohl sie sich sicher war, dass Liam davon nichts mitbekommen hatte und beugte sich runter um an die Scheibe zu klopfen. Chris kurbelte sie verwirrt runter.

„Schwesterchen, du hättest wirklich nicht auf mich warten müssen!“, erklärte er lächelnd. Sein Atem stank nach Bier!

„Sorry, aber du interessierst mich im Moment recht wenig! David, würdest du mir einen Gefallen tun?“, Jenna richtete sich sofort an David ohne weiter auf Chris zu achten, der jetzt damit begann umständlich aus dem Auto zu steigen. Damit er das schaffte und Jenna die Tür nicht gegen den Kopf bekam, wich sie einen Schritt zurück sah dabei jedoch immer noch David an.

„Klar!?“, meinte diese nur verwirrt.

„Könntest du mich zum Sin fahren?“, fragte Jenna und wartete seine Antwort ab.

„Was? In dem Aufzug willst du dorthin?“, fragte Chris, bevor ihm offenbar etwas Besseres einfiel. „Hast du morgen nicht Schule?“

Jenna sah ihn direkt an. „Erzähl mir nicht, dass du in deinem letzten Jahr nicht auch unter der Woche unterwegs warst! Vergiss nicht, wir wohnen zusammen!“, konterte sie und bückte sich dann wieder um Davids Antwort zu bekommen.

„Klar steig ein, liegt sowieso auf meinem Weg!“, erklärte dieser schulterzuckend und Jenna zwängte sich an Chris vorbei, setzte sich und schlug schließlich die Tür zu. Das Fenster stand immer noch offen.

„Ok, ausnahmsweise lasse ich dich fahren das aber auch nur, weil ich betrunken bin und dich vermutlich in diesem Zustand in einem Zweikampf nicht besiegen kann. Da du also sowieso fahren würdest spare ich mir ein blaues Auge und sage dir, als dein großer Bruder, dass ich das nicht gutheißen kann…“, Chris war noch dabei eine Predigt zu halten, Jenna wandte sich jedoch zu David und sagte „Fahr schon los, sonst stehen wir noch die ganze Nacht da!“, und David drückte aufs Gas. Erst jetzt fiel ihr ein, dass Liam theoretisch noch am Handy sein müsste.

„Liam?“, fragte sie und bekam ein kurzes Schnauben als Antwort. Anschließend sagte er „Ich dachte schon du hättest aufgelegt!“

„Und warum bist du dann immer noch dran?“, meinte sie irritiert und musste das erste Mal lächeln.

„Kein Ahnung, du hast gesagt warte kurz!“, erklärte er und klang dabei äußerst müde.

„Ok Liam, ich bin in zehn Minuten da. Warte bitte VOR dem Club auf mich!“, sagte Jenna eindringlich. Sie würde einen Teufel tun und in diesem Aufzug ins Sin spazieren. Am Ende war Richard auch noch da und sah sie so, ihm würde dies zwar gelegen kommen, ihr aber ganz und gar nicht.

„Ok….“, war das Letzte was Jenna von ihm hörte, danach legte sie auf.

Die Stadt lag im Dunkeln, nur Studenten waren um diese Zeit normalerweise noch unterwegs. Der Rest lag bereits seit mindestens zwei Stunden im Bett nur sie Idiot war noch wach. Und wahrscheinlich Mrs. Welsh, die sich Sorgen machte. Mrs. Welsh! Sie musste ihr Bescheid sagen!

Jenna sah auf die Uhr und bemerkte, dass es bereits nach halb eins war! Wie lange war sie eigentlich draußen in ihrem Garten gewesen? Konnte sie wirklich so spät noch anrufen? Nachdem sie kurz darüber nachdachte entschied sie sich für ein klares JA!

Sie wählte die Nummer der Familie Welsh und nach nur zwei mal klingeln ging Mrs. Welsh dran.

„Ja??“, fragte sie aufgeregt. Sie schien das Schlimmste zu erwarten also beeilte sich Jenna zu reden.

„Hallo ich bins Jenna. Ich habe Ihren Sohn gefunden Mrs. Welsh. Ich bin gerade auf dem Weg ihn abzuholen, Sie können sich also schlafen legen!“, erklärte Jenna in einem Satz. Sie hörte die Erleichterung als Mrs. Welsh aufstöhnte.

„Du bist ein Schatz Liebes!“, sagte sie schließlich und nach ein paar weiteren Sätzen beendeten sie das Gespräch. Jenna tat das Richtige. Wenn nicht für Liam dann für seine Mom, die sich wirklich unglaubliche Sorgen gemacht hatte. Dennoch kam sie sich ein wenig dämlich vor, weil sie mitten in der Nacht in ihren Schlafsachen zum Sin fuhr.

„Interessanter Stil den du da verfolgst!“, sagte David neben ihr und lächelte, während er sie kurz von oben bis unten ansah. Sie hatte kurze Shorts an, die mit Garfield bedruckt waren und ihre dicke Jacke an, die sie normalerweise nur anzog wenn sie wusste, dass niemand sie sehen würde. Wie wenn sie den Müll im Winter rausbringen musste oder ähnliches.

„Naja, ich hatte nicht wirklich Zeit um mich umzuziehen, nicht?“, meinte Jenna und lächelte ebenfalls. David war einer der Freunde von Chris, die sie äußerst gut leiden konnte. Er war vernünftig und passte auf die anderen Jungs auf, wenn alle gemeinsam unterwegs waren.

„Kann ich dich fragen was du so spät in der Nacht in diesen Klamotten im Sin willst? Aus dem was ich bisher mitbekommen habe, kann ich mir nicht wirklich etwas zusammenreimen!“, erklärte er und schaltete in den zweiten Gang als er abbog.

David war einer der Jungs gewesen, die in der Stadt geblieben waren. Viele waren gegangen, doch David hatte anscheinend nicht dieses Ziel verfolgt. Als er noch auf ihre Schule gegangen war, hatte er Jenna kaum beachtet und nur dann mit ihr gesprochen, wenn sie am selben Tisch gesessen waren. Das war zwar recht häufig vorgekommen, doch Jenna wusste dennoch nicht wirklich etwas von ihm.

„Naja, Liam ist irgendwie dort gelandet, hat anscheinend getrunken und kann nicht selber zurück fahren!“, erklärte Jenna.

„Und warum nimmt er dann kein Taxi?“, fragte David sie ernsthaft verwirrt.

Jenna ärgerte sich darüber, dass ihr das nicht selber eingefallen war, sie war jedoch so erleichtert gewesen überhaupt etwas von Liam zu hören, dass sie sich sofort einverstanden erklärt hatte.

„Um ehrlich zu sein hab ich daran überhaupt nicht gedacht!“, gab sie schließlich zu und sah zu David hinüber.

„Ist Liam nicht der Typ, mit dem du dich schon seit Jahren immer wieder zoffst?“, stellte David die nächste Frage. David war zwar mit Chris befreundet, hatte jedoch mit Liam nie wirklich etwas zu tun gehabt. Er war im Footballteam gewesen, Liam hingegen im Basketballteam. Sie hatten nicht viele Punkte die sich miteinander kreuzten. Und, dass er von ihrem Streit mit Liam wusste war für Jenna nicht überraschend, denn schließlich wusste JEDER Bescheid darüber.

Sie nickte und fügte dann hinzu „Jap, das ist er!“

Kurz schwieg David, doch anscheinend hatte er doch noch eine Frage auf dem Herzen.

„Sorry wenn das jetzt irgendwie blöd klingt aber, kannst du mir mal beantworten warum du mitten in der Nacht in das Auto eines Fremden springst um einen Typen abzuholen, den du eigentlich nicht wirklich leiden kannst?“, fragte er und brachte Jenna damit zum nachdenken. Ja warum eigentlich?

„Ich schätze mal, weil seine Mom sich echt Sorgen gemacht hat und ich sie beruhigen wollte….“, meinte Jenna schließlich, glaubte das jedoch selber nicht. Und auch David fand sofort ein Argument das für ihre Dummheit sprach.

„Wäre es nicht einfacher gewesen sie gleich anzurufen, dann hätte sie ihren Sohn abholen können während du in deinem warmen Bett gelegen wärst?“, gab er seine Meinung preis.

„Ok, ich hab schon verstanden, du hältst diese Aktion für unsinnig. Ich hab das alles nicht so ganz durchdacht!“, erklärte Jenna und blickte aus dem Fenster.

„Du und dieser Liam seid aber kein Paar oder?“, vergewisserte sich David und sah sie an. Jenna setzte sich sofort aufrecht hin und blickte ihn erschrocken an.

„Spinnst du?“, war alles was sie darauf erwidern konnte.

„Ok, hab schon verstanden. Du holst einfach einen Typen ab, den du nicht ausstehen kannst, weil seine Mom sich Sorgen gemacht hat!“, fasste er zusammen und fuhr auf die Straße ein, die zum Sin führte. In zwei Minuten wären sie da.

Für kurze Zeit herrschte absolute Stille in dem Auto, nur das Autoradio, welches David auf eine äußerst leise Stufe gestellt hatte, summte ein wenig vor sich hin.

David fuhr auf den Parkplatz ein und hielt schließlich an.

„Danke David, du bist ein Schatz!“, sagte Jenna aufrichtig und lächelte ihn dabei an.

„Kein Ding, echt. Aber ich hoffe, das nächste Mal sehen wir uns unter anderen Umständen wieder!“, erklärte er und zwinkerte ihr zu. Dabei lief Jenna leicht rot an, doch sie machte kein großes Drama daraus und öffnete stattdessen die Tür.

„Kann ich dich hier alleine lassen?“, fragte David sie und sah sich auf dem Parkplatz um.

„Keine Angst, ich bin ein großes Mädchen. Ich trete einfach jedem, der mir zu nahe kommt, in die Eier!“, erklärte Jenna und dabei lachte David auf. Er hatte ein aufrichtiges und fröhliches Lachen. Ein äußerst ansteckendes.

„Das glaube ich dir gerne! Also wir sehen uns hoffentlich bald wieder…“, meinte er abschließend, doch Jenna erwiderte darauf nichts mehr und nickte stattdessen nur bevor sie die Tür schloss und sich umdrehte um sich den Parkplatz genauer anzusehen. Sie bemerkte kaum, dass David nach wie vor noch hinter ihr stand, stattdessen ging sie los und schwor sich, Liam wirklich umzubringen, wenn er doch zurück in den Club gegangen war. Kurz darauf entdeckte sie jedoch sein Auto und daneben eine in sich zusammengesunkene Gestalt die offenbar auf dem Gehsteig daneben ein Nickerchen hielt. Sie erkannte Liam sofort, auch ohne genauer hinzusehen und steuerte auf ihn zu. David hupte hinter ihr und sie drehte sich um um ihm per Daumen nach oben zu zeigen, dass alles in Ordnung war und er fahren konnte. Also hupte erneut zum Abschied und bretterte davon.

Sie ging immer weiter auf Liam zu, der irgendwann aufblickte und dem Auto hinterhersah, das gerade auf die Straße einbog.

„Wer war das?“, fragte er sie und sie konnte ganz genau sehen, wie betrunken er war. Er wankte sogar im Sitzen. Der Rausch am Freitag war ein Witz im Vergleich zu diesem hier.

„Die Frage sollte wohl eher lauten, wie zum Teufel du immer an Alkohol kommst und ob du es wirklich für eine gute Idee hältst, dich jeden dritten Tag zuzusaufen!“, sagte Jenna und ließ sich neben ihm nieder. Sofort spürte sie die Kälte durch ihre dünne Stoffhose sickern.

„Ist doch sowieso schon egal….ich kann nicht mehr kaputt machen, als ich sowieso schon habe!“, sagte er seltsam betrübt und ehrlich. Jenna zog die Augenbrauen nach oben. Sie wollte zu gerne wissen, was heute mit Liam los war, doch dieser wechselte das Thema. Er starrte ihre nackten Beine an und fragte sie „Sag mal hast du keine Hose an?“, anschließend griff er nach ihrer Wade um sich zu vergewissern, dass er nicht halluzinierte. Jenna drückte seine Hand weg und antwortete „Doch hab ich! Und jetzt lass uns gehen!“

Liam hingegen lehnte seinen Kopf, anstatt aufzustehen, an ihre Schulter und schloss die Augen. Er war äußerst schwer und Jenna musste ihren gesamten Oberkörper anspannen um nicht umzukippen also legte sie ihre Hände zur Stütze an Liams Schulter um ihn ein wenig wegzudrücken.

„Können wir noch ein bisschen so sitzen bleiben?“, fragte er nach einigen Sekunden, öffnete dabei jedoch nicht einmal die Augen. Was blieb ihr schon anderes übrig? Sie wusste, dass sie Liam nicht hochstemmen konnte und sie wusste auch, dass er zu stur war um sofort aufzustehen wenn sie ihm dies befahl.

„Aber nur kurz!“, sagte sie also versöhnlich und sah auf ihn hinab. Sie konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen. Seine Beine hatte er ein wenig angezogen und sie abgewinkelt. Seine Haare, die an ihrem Gesicht lagen, waren kühl und er atmete ruhig, so als wäre er eingeschlafen. Jenna hoffte stark, dass er dies nicht war.

„Du riechst gut Carson…“, murmelte Liam, als wäre er bereits im Halbschlaf und als letztes für eine ganze Weile meinte er „Danke, dass du mich geholt hast. Zumindest einer…“, und danach schwieg er. Jenna schwieg ebenfalls weil sie nicht wusste, was nur in ihn gefahren war doch sie wusste, dass irgendwas nicht stimmte. Und sie musste herausfinden was. 

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Ein neues Kapitel!;D 

Bitte hinterlasst mir Kommentare und sagt mir, was ihr von diesem Kapitel hier oder auch von der ganzen Geschichte haltet! Ich würde mich wirklich sehr freuen;D 

Und natürlich würde ich mich auch über Abstimmungen freuen;D 

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