15. Kapitel: Sinne
15. Kapitel: Sinne
Jenna konnte gar nicht so schnell schauen, schon hatte Liam mit seinen Lippen Besitz von ihr ergriffen. In den ersten paar Sekunden wusste sie nicht, wie ihr geschah, in den folgenden wusste sie nicht was mit ihr geschah. Die Spannung fiel von ihr ab und sie genoss es in diesem Moment so sehr diesen Menschen zu küssen, dass sie sich gar keine Gedanken darüber machte, warum er das tat oder wer es war. Liams Lippen waren bemerkenswert weich und seine Zunge, die gerade über ihre Lippen strich verursachte Gefühle in ihr, die sie bis dato noch niemals verspürt hatte. Ihr gesamter Körper kribbelte und so war sie schockiert über dessen und ihrer eigene Reaktion, denn mit einem Mal öffneten sich ihre Lippen wie von selber und seine Zunge berührte die ihre. Ganz zaghaft, doch sie tat es und dabei hatte sie das Gefühl, in ihrem Bauch würde etwas in Millionen kleine Teile explodieren.
Ihr war bewusst, warum Liam dies tat. Richard hatte ihn auf eine ganz eigene Art und Weise herausgefordert, dennoch hätte Jenna niemals geglaubt, dass aus einer kleinen Notlüge, die Liam erfunden hatte um Richard eins reinzudrücken, so etwas entstehen konnte. Sie hasste diese Person, die gerade die eine Hand über ihren Rücken gleiten ließ während die Andere an ihrer Wange lag eigentlich und dennoch schaffte sie es, solche Gefühle in ihr auszulösen. Richard hatte dies niemals geschafft, Richard war immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen. Wer hätte geglaubt, dass Liam, das Ekelpaket schlechthin, so selbstlos sein konnte. Nicht nur mit dieser Tat, sondern auch beim Küssen schien er mehr darauf zu achten, was Jenna gefiel und so war der Kuss bei weitem nicht so schleimig und feucht, wie sie es von Richard gewohnt war.
„Du bist so eine Schlampe Jenna….“, hörte sie Richard, doch sie kümmerte sich nicht darum, stattdessen gab sie ihrem Bedürfnis, Liam die Hände auf die Schultern zu legen, nach und wie als hätte sie einen Knopf an ihm betätigt, zog er sie mit seinem Arm, der nach wie vor an ihrem Rücken lag, näher zu sich und presste sie währenddessen an die Wand. Sein ganzer Körper schien ihren einzunehmen und alles um sie herum verschwand. Was geschah hier eigentlich?
Liam konnte es kaum fassen, dass er diesen Kuss so sehr genoss, wie vorher selten etwas. Nicht, dass er darin nicht seine Erfahrungen gesammelt hatte, die hatte er definitiv, doch mit Jenna war es etwas anderes. Die Gefühle, die er normalerweise für sie hegte, nämlich Ablehnung und Hass, schienen ihn nur noch mehr anzustacheln und so genoss er die Nähe dieses Mädchens die plötzlich so perfekt zu ihm zu passen schien. Er wusste nicht, wie lange sie so dastanden, er war sich jedoch ziemlich sicher, dass Bres höchstwahrscheinlich schon längst abgehauen war und als die Realität über ihn herein brach entfernte er sich von Jenna, die die Augen geschlossen hatte, sie jedoch genau in dem Moment öffnete in welchem er sich umwandte um nachzusehen, ob Bres auch tatsächlich gegangen war. Liam war vollkommen atemlos, als er sich wieder zu Jenna wandte, seine Hände lagen zu beiden Seiten ihres Gesichts an der Wand und so sperrte er sie mit seinem Körper indirekt von allem anderen ab.
„Ist er weg?“, fragte sie ebenfalls atemlos und er nickte, während er ihre braunen Augen in sich aufsog. So hatte sie ihn definitiv noch niemals angesehen und seltsamerweise wünschte er sich in diesem Moment, sie könnte es doch eigentlich immer tun.
„Ja, er hats wohl geschluckt…“, meinte Liam und strich sich mit der Zunge über die Lippen. Dabei bemerkte er sehr wohl, dass Jenna ihn ganz genau beobachtete.
„Das war wirklich…“, Jenna schien nach dem richtigen Wort zu suchen „nett von dir, glaub ich!“, beendete sie ihren Satz und sah Liam weiterhin an, als wäre er jemand völlig Fremdes. Dabei musste er lächeln und drückte sich von der Wand ab, so dass er ein wenig Platz zwischen sich und Carson bringen konnte. Das Kribbeln in seinem Körper hatte jedoch trotz der Klärung seines Kopfes noch nicht nachgelassen.
„Ja ich bin bekannt dafür, mich für andere aufzuopfern. Also, sag mir einfach Bescheid, wenn du wieder meine Hilfe brauchst!“, entgegnete er und versuchte gelassen zu klingen, sein nur langsam zurückkehrender Atem jedoch verriet ihn wahrscheinlich was Jenna aber nicht zu bemerken schien.
Sie lächelte und blickte zu ihm auf.
„Das glaub ich gern…“, antwortete sie und obwohl er erwartete, dass sie irgendwas hinzufügte oder ihn mit der Länge dieses Kusses konfrontierte tat sie es nicht, stattdessen hatte sie es plötzlich äußerst eilig, wieder zurück in die Bar zu gehen.
„Lass uns zurück gehen, sonst wundert sich noch jemand wo wir bleiben! Oh mein Gott, ich hoffe uns hat niemand gesehen!“, meinte Jenna sichtlich besorgt und blickte sich im Lokal um, während sie den Rückweg zu ihrem Tisch antrat. Liam folgte ihr und versuchte das Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bringen. Dieser gespielte Kuss hatte ihn total aus der Fassung gebracht, Jenna hingegen schien davon nicht so betroffen zu sein, wie er zu seiner Enttäuschung feststellen musste.
„Uns hat schon niemand gesehen, denke ich!“, vorsichtshalber ließ auch er seinen Blick über die Menge schweifen, doch die Menschen hatten definitiv besseres zu tun, als sich um die Beiden zu kümmern. Die beiden konnten genauso gut in irgendeiner Ecke gestritten haben, höchstens die ein wenig rötlichen Wangen der Beiden konnten sie verraten. Doch aufgrund ihrer vorherigen Beziehung, würde niemals jemand auf die Idee kommen, den Beiden eine Affäre anzudichten außer Bres begann dies rumzuerzählen doch das bezweifelte Liam. Bres würde niemals damit hausieren gehen, dass seine Ex mit dem Typen was angefangen hatte, den er bis aufs Blut hasste. Liam hätte dies auch nicht getan, wenn er an seiner Stelle gewesen wäre.
In diesem Moment kam Bres in sein Sichtfeld und er sah zu ihnen hinüber, als wären sie Dreck. Liam musste bei seinem Anblick lächeln und beugte sich zu Jenna nach vorne, die mehr damit beschäftigt war, die Reaktionen der um sie verteilten Menschen einzuschätzen.
„Sieh rüber zu deinem Ex, der würde uns am liebsten töten, ich sags dir!“, flüsterte er ihr zu und kam ihr erneut so nah, wie vorher noch nie und sofort breitete sich das Kribbeln in ihm wieder aus, als er ihren Duft in sich einsog und ihren zarten Nacken betrachtete, als sie sich zu ihm umwandte.
„Kein Wunder, er hasst dich wirklich!“, entgegnete sie und suchte im Raum nach Bres, der, in dem Moment in welchem sie ihn erblickte, wegsah.
„Das beruht ganz klar auf Gegenseitigkeit!“, meinte Liam und legte Jenna automatisch die Hand auf den Rücken, als er sie an einer Gruppe Typen vorbei navigierte. Seit wann zum Teufel, war es für ihn so natürlich Carson nah zu sein, sie zu berühren? Wie war das nur geschehen?
Liams Nähe und Berührungen schickten immer noch Stromstöße durch ihren gesamten Körper, doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen schließlich wollte sie sich nicht lächerlich machen. Sie wusste, warum Liam das getan hatte und sie hatte auch nur aus diesem Grund mitgemacht, doch sie konnte ihrem Körper einfach nicht weismachen, dass das nur gespielt gewesen war. Er hatte es einfach zu sehr genossen. Sie spürte seine Hand auf ihrem Rücken so intensiv, dass sie beinahe dabei erschrak doch erneut riss sie sich zusammen und blickte stur nach vorne. Sie musste zugeben, es tat gut zu wissen, dass sie es Richard endlich gegeben hatte. Das vorhin, war nicht das erste Mal gewesen das er auf diese Art und Weise mit ihr gesprochen hatte. Vielleicht hatte er mehr auf seine Wortwahl geachtet, doch das herablassende, hatte sich regelmäßig in seinen Worten gefunden.
Je mehr sie über ihre Beziehung nachdachte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass sie in den letzten zwei Jahren nur in einer Lüge gelebt hatte. Sie hatte sich eingeredet glücklich zu sein und genau das zu haben, was sie wollte, doch wenn man mal etwas anderes erfuhr, und wenn es nur ein gespielter Kuss war, der einen so sehr einnahm dass einem die Luft wegblieb, erkannte man einfach, dass man sich lediglich belogen hatte weil es einfacher gewesen war.
„Hey, wo wart ihr zwei denn?“, fragte Maria, die mit Chris wieder am Tisch saß. Gerade waren die Beiden dabei gewesen anzustoßen und Jenna erkannte den Schweißfilm auf ihrer Stirn, während auch Chris etwas außer Atem erschien.
„Ach, wir hatten nur was zu erledigen!“, meinte Liam und setzte sich neben Chris, somit blieb Jenna der Platz neben Maria, die sie ein wenig misstrauisch beäugte jedoch nichts sagte.
„Was, Schlägerei im Hinterhof oder was?“, fragte Chris und ließ seinen Blick zwischen den Beiden hin und her wandern. Einen kurzen Moment sahen sie sich gegenseitig an und lächelten, wandten sich jedoch schnell Chris zu, der irgendwie so aussah, als wäre ihm die ganze Sache nicht ganz geheuer.
„So was in der Art!“, erklärte Liam und dabei breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, das bei Jenna ebenfalls eines verursachte.
„Ich hab das Gefühl, dass mir hier irgendwas entgeht, was direkt vor meiner Nase stattfindet!“, sinnierte Chris vor sich hin, wechselte jedoch schnell das Thema, da er noch niemals jemand gewesen war, der sonderlich zielstrebig, was das Beschaffen von Informationen anging, war.
„So, und wie läuft’s mit eurem Projekt?“, fragte er stattdessen und sah Jenna an, die nach wie vor ihre Gedanken noch nicht ganz beisammen hatte.
„Naja, ich glaube ich kann zumindest einen Punk auf meine Liste setzen nach dem heutigen Abend!“, erklärte sie und zog dabei Liams Blick auf sich, der die Augenbraue nach oben gezogen hatte und sichtlich überrascht zu sein schien.
„Was denn? Liam Welsh kann gut Bechern?“, fragte Chris und gluckste vor sich hin, während Liam zur Bestätigung sein Bierglas erhob, das Einzige das er diesen Abend bestellt hatte und es war immer noch halb voll, und mit den anderen anstieß. Als er bei Jenna ankam, merkte er an „Ich denke auch, dass ich heute Abend einen Punkt aufschreiben kann!“, dabei zwinkerte er ihr zu und trank einen großen Schluck während er sie nicht aus den Augen ließ. Jenna fühlte sich, als stünde sie nackt in dieser Bar, doch gleichzeitig fühlte sie sich nicht unwohl. Noch eher fühlte sie sich plötzlich so, als könnte sie jemand tatsächlich begehren! Genauso sah Liam sie in diesem Moment an. So, als hätte er kein Problem damit, das was heute Abend geschehen war, zu wiederholen. Erschrocken stelle sie fest, dass sie da gerade ihre eigenen Gedanken wiedergegeben hatte, denn sie hätte eindeutig kein Problem damit, dies das ein oder andere Mal zu wiederholen. Liam Welsh zu küssen war definitiv angenehmer als mit ihm zu streiten, so viel stand fest.
„So da wären wir Carson….Ich hoffe du hattest heute Abend deinen Spaß?“, sagte Liam, als sie direkt vor ihrem Haus zum stehen kamen. Den ganzen Weg über hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen, obwohl sie dies in der Bar eigentlich zur Genüge getan hatten und dennoch war es für beide angenehmer gewesen, einfach ruhig nebeneinander zu sitzen während Liam sie sicher durch die Straßen befördert hatte.
„Naja, hat schon gepasst!“, meinte Jenna und zuckte mit den Schultern während sie aus dem Fenster sah und es mit einem mal als unangenehm empfunden hätte, Liam dabei anzusehen. Langsam klärte sich ihr Kopf von dem Alkohol wieder und so sickerte die Bedeutung dessen, was da zwischen ihnen geschehen war zu ihr durch. Jetzt, da ein wenig Zeit vergangen war, wusste sie nicht mehr mit Sicherheit ob es wirklich das Richtige gewesen war, andererseits konnte sie sich nicht vorstellen, was schon großartig schief gehen sollte. Es war ja nicht so als ob sie sich mit Liam zerkriegen könnte! An dem Punkt waren sie bereits vor Jahren angekommen und eigentlich konnte es ja nur besser werden.
Liam hingegen hatte sich zu ihr gewandt und bemerkte ihre gedrückte Stimmung also beschloss er, sie dazu zu zwingen ihn anzusehen. Er erhob seine Hand und legte sie an ihr Kinn um sie zu sich zu drehen.
„Jenna, was ist los? Bereust du es jetzt etwa, dass wir Bres eins reingewürgt haben?“, fragte er sie seltsam einfühlsam und während Jenna nachzudenken schien, betrachtete er sie. Ihr Gesicht wurde nur durch die Laterne einige Meter entfernt und die Armaturenbeleuchtung seines Autos erhellt und so lag ein beträchtlicher Teil im Dunkeln. Seltsamerweise wollte er diesen Teil jedoch auch sehen, wie er auf diesen Gedanken jedoch kam konnte er nicht sagen. Er hatte auch gar keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn Jenna begann auf seine Frage zu antworten.
„Nein, das bereue ich nicht, irgendwie! Keine Ahnung, ich glaub ich bin einfach nur ein bisschen durcheinander! Ich meine, ich muss zugeben, dass ich nicht sehr oft jemanden geküsst habe nur um einem anderen weiszumachen, dass ich was mit diesem habe obwohl das gar nicht der Wahrheit entspricht. Vielleicht wenn ich in dieser Hinsicht noch weitere Erfahrungen sammle komm ich besser damit zurecht!“, meinte sie lächelnd jedoch unsicher und sah Liam dann ruhig an. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich.
„Naja, ich mache das auch nicht gerade jeden Tag!“, sagte er schließlich nur und schwieg dann im Anschluss. Jenna schnallte sich ab und öffnete die Tür, drehte sich jedoch noch einmal zu Liam um.
„Vielen Dank für deine Hilfe Liam, schon wieder! Aber das war das letzte Mal. Das nächste Mal helfe ich mir selber, denn das hab ich wirklich ernst gemeint: Ich kann durchaus auf mich selber aufpassen!“, meinte Jenna schließlich und stieg dann aus.
„Ok, aber auch ich habe es ernst gemeint als ich gesagt habe, dass ich gerne jederzeit wieder einspringe wenn du meine Hilfe darin brauchst!“, rief er ihr zu, bevor sie die Tür schließen konnte und dabei bückte sie sich, um ihn noch einmal anzusehen. Ein breites Lächeln war auf ihrem Gesicht zu sehen.
„Welsh, wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, dass du diesen Kuss beinahe sogar genossen hast!“, sagte sie frech und wartete darauf, ob er etwas drauf zu sagen hatte. Liam wäre schließlich nicht Liam, wenn er keinen kessen Spruch auf den Lippen hätte und so sprach er das erste aus, was ihm einfiel.
„Naja, einer von uns beiden hat ihn definitiv genossen!“, sagte er und fügte hinzu „Wer, darfst du dir aussuchen!“
Jenna lachte los, obwohl ihr Herz ihr eigentlich bis zum Hals schlug und machte schließlich die Tür zu ohne etwas darauf zu erwidern. Sie wollte vermeiden, dass doch noch irgendein Blödsinn rauskam und so sah sie Liam noch hinterher, wie er davon brauste nur um drei Häuser später auf den Parkplatz einzubiegen. Er stieg aus und seine große Gestalt erschien auf der Straße, kurz darauf im Vorgarten und schließlich an der Tür.
„Danke für den schönen Abend Carson!“, rief er ihr zu und öffnete schließlich die Tür um kurz darauf darin zu verschwinden. Jetzt stand Jenna ganz alleine in der Straße, die nur von ein paar Laternen erhellt war und fragte sich, wie es nur hatte passieren können, dass sie Liam Welsh hinterherblickte und anstatt ihn zu erwürgen ihn lieber berühren wollte.
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