11. Kapitel: Verborgenes

12. Kapitel: Verborgenes

„Schreib doch mal größer, so kann das kein Schwein lesen!", maulte Liam am nächsten Tag. Diesesmal waren sie zu ihm nachhause gegangen um die Plakate fertig zu stellen. Morgen würden sie am Nachmittag den Stand aufbauen müssen bevor gegen 18.00 Uhr die Eltern eintreffen würden.

„Warum schreibst du denn nicht selber, wenn es dir nicht passt wie ich das mache?", fragte Jenna ihn genervt während sie sich bemühte, sich nicht schon wieder zu verschreiben. Dasselbe Plakat hatte sie jetzt bereits dreimal angefangen, jedes Mal hatte sie sich jedoch an derselben Stelle verschrieben was sie beinahe zum Durchdrehen brachte.

„Weil ich ein Kerl bin und keine alte Sau meine Schrift lesen kann!", antwortete Liam, der über Jennas Schulter sah um nachzusehen, was sie da trieb.

„Könntest du mir vielleicht nicht so auf die Pelle rücken?", merkte sie an und versuchte sich durch diese unverhoffte Nähe nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Sie war gerade bei dem Wort angekommen, bei dem sie sich vorher bereits verschrieben hatte und beide hielten für einen kurzen Moment die Luft an, als Jenna jedoch endlich konzentriert genug war, und das Wort richtig schrieb, atmeten sie erleichtert aus und Jenna lehnte sich zurück. Dabei prallte sie mit Liam zusammen, der nicht schnell genug reagiert hatte und aus Reflex fasste er ihr an die Arme, um sie aufzuhalten.

„Langsam!", meinte er nur und vergaß für einen Augenblick, sie loszulassen.

„Ich hab doch gesagt rück mir nicht so auf die Pelle!", nörgelte Jenna, die den festen Griff sehr intensiv spürte. Es war seltsam, aber seit dem gestrigen Abend an dem Liam diese Zeilen vorgelesen hatte, hatte Jenna eine noch größere Wut auf ihn und sein ganzes Dasein, gleichzeitig blitzten jedoch immer wieder die Bilder ihrer Fantasie in ihrem Inneren auf und trieben ihren Blutdruck schlagartig nach oben.

Liam ließ von ihr ab und stand auf und während er ein wenig planlos durch sein Zimmer schritt begann er zu reden.

„Brauchst du noch irgendwas? Vielleicht einen Kaffee oder so?"

Er blickte auf und sah Jenna, die zurückgelehnt auf seinem Bett saß und zu ihm aufblickte.

„Also, nein danke. Wenn ich jetzt einen Kaffee trinke, dann kann ich heute nicht mehr einschlafen, aber ein Tee wäre super!", meinte sie überrascht und beobachtete Liam dabei, wie er schnell nickte und dann aus dem Zimmer ging ohne sich noch einmal umzusehen. Jenna nutzte die Zeit und beugte sich erneut über das Plakat, an dem sie weiterarbeitete ohne dass Welsh ihr ständig reinredete.

Liam, der mittlerweile in der Küche angekommen war, atmete einige Male tief durch. Was war nur los mit ihm? Gestern hatte er Jenna ein wenig verarschen wollen in dem er das vorgelesen hatte, was in diesem bescheuerten Buch gestanden war doch damit hatte er sich irgendwie ins eigene Fleisch geschnitten. Er hatte sich darüber amüsiert, dass Jenna so fluchtartig ihr Zimmer verlassen hatte doch nach einigen Sekunden war ihm das Lachen vergangen, denn er hatte das Kribbeln in sich gespürt als Jenna das Zimmer wieder betreten hatte. Ihre Haare hatte sie sich mit einem Band aus dem Gesicht gehalten, während sie nichts weiter als den üblichen Schlabberlook getragen hatte doch in diesem Moment war das Bild von ihr in diesem Bikini aufgeblitzt und das hatte Liam so durcheinandergebracht, dass er sich den restlichen Abend nicht mehr wirklich hatte konzentrieren können.

Er stellte das Wasser zum kochen und wanderte ziellos durch die Küche während er überlegte, was mit ihm nicht stimmte. Jenna Carson war noch nie sein Typ gewesen. Kein einziges Mal hatte er sie in den letzten Jahren angesehen und sich dabei gedacht sie sei auch nur annähernd heiß und jetzt machte sie ihn mit ihrer bloßen Anwesenheit nervös? Nervös war vielleicht das falsche Wort dafür, doch normalerweise spürte er nichts anderes als Abneigung ihr gegenüber und plötzlich entdeckte er Vorzüge an ihr, die er so vorher nicht wahrgenommen hatte und das Trieb ihn zum Wahnsinn. Ja, er hatte Jenna verarschen wollen mit der Passage, doch das war definitiv nach hinten losgegangen.

Er goss das heiße Wasser in eine große Tasse und holte die Teebeutel heraus, die er kurz darauf in das Wasser tauchte. Langsam blickte er an die Decke. Direkt über ihm befand sich Carson in seinem Zimmer und durchforstete wahrscheinlich seine privaten Sachen. Obwohl, so wie er sie kannte, hatte sie sich wahrscheinlich schnell an die Plakate gemacht und die Zeit genutzt, in der er ihr nicht hatte reinreden können.

Mit der Tasse in der Hand machte er sich auf den Rückweg und versuchte sich währenddessen zu überlegen, was diese Veränderung in ihm bewirkt hatte, doch er hatte einfach keine Erklärung außer die, dass er Jenna einfach verdammt heiß gefunden hatte in diesem Bikini. Das hatte ihn vollkommen unvorbereitet getroffen und genau das musste es sein. Dieses Bild hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt und er war nicht mehr im Stande, Jenna als die Geschlechtslose blöde Tante anzusehen, die sie vorher für ihn gewesen war. Jetzt war sie ein Mädchen, bald eine Frau, doch das dürfte doch für eigentlich kein Problem sein.

Er drückte die Klinke seiner Tür, hielt jedoch inne als er Jennas Stimme hörte die sich anscheinend mit irgendjemandem unterhielt und sie schien nicht begeistert zu sein.

„Komm schon, das geht dich doch nichts an!", hörte er sie sagen und blickte durch den Spalt hindurch.

„Nein! Ich werde dir gar nichts beantworten!", sagte sie bissig und er hörte ihren wütenden Tonfall. Es war jedoch eine andere Wut als die, die sie normalerweise ihm gegenüber an den Tag legte, denn diese Wut hörte sich gleichzeitig bitter an. Wenn sie mit ihm stritt dann war sie selbstbewusst und ging nicht in die Defensive, wie sie im Begriff war, jetzt zu tun.

„Meine Güte Richard, du tust ja gerade so als hätte ich Hochverrat an dir begangen. Was ist eigentlich dein Problem? Du hast mit mir Schluss gemacht und seitdem nichts mehr von dir hören lassen und jetzt, da du das von Welsh gehört hast, fängst du an dir Sorgen um mich zu machen?"

Sie blieb einige Augenblicke still und diese nutzte Liam um sie zu beobachten. Sie lag auf ihrem Rücken auf seinem Bett, als gehöre sie genau dorthin, und hatte augenscheinlich noch nicht bemerkt, dass Liam die Tür geöffnet hatte so vertieft war sie in das Gespräch. Liam stieß die Tür ein Stückchen weiter auf.

„Nein Richard, das ist es nicht! Es ist ganz alleine meine Sache und wenn du mit Chris darüber reden willst, dann tu das aber er wird sich da nicht einmischen!", erklärte Jenna und Liam erkannte die Furche in ihrer Stirn. Diese erschien immer, wenn sie sich unwohl fühlte, soviel wusste er.

„Richard bitte. Also gut, wenn du mich dann in Ruhe lässt dann...", Liam erkannte, dass Jenna im Inbegriff war, etwas dummes zu tun und so entschied er innerhalb von nur ein paar Bruchteilen einer Sekunde, das was nun folgte.

„Jenna meine Süße, ich hab die Sahne dabei!", hörte er sich sagen und konnte selber kaum fassen, was er da von sich gab!

Jenna setzte sich im Bett auf und hielt mitten im Satz inne, während sie den Hörer ein wenig vom Ohr hielt. Dabei konnte Liam den Schleimscheißer hören, wie er einige Male Jennas Namen nannte.

„Was?", fragte Jenna Liam, weil sie der der Meinung war, sie hätte sich verhört. Liam setzte die Tasse auf seiner Kommode ab, ging ein paar Schritte auf sie zu und beobachtete sie, während er sich ihr näherte. Seine Lippen kamen ihr immer näher und schließlich erreichte er das Telefon.

„Jenna meine Süße, ich hab die Sahne gefunden!", sagte er ein zweites Mal und spürte sofort, wie Jenna sich versteifte.

„Wer ist da Jenna? Mit wem bist du gerade zusammen?", hörte er Bres fragen und konnte dabei die Unsicherheit heraus hören. Jenna war noch zu paralysiert um zu reagieren, also nahm Liam ihr das Handy aus der Hand.

„Bres, ich wäre dir äußerst dankbar, wenn du meine Schnecke jetzt in Ruhe lassen würdest, damit wir dort weiter machen können wo wir aufgehört haben!", sagte Liam mit sicherem Ton und hörte am anderen Ende das empörte Einatmen.

„Welsh, lass deine schmierigen Finger von meiner...", weiter sprach er nicht und Liam beendete kurz darauf seinen Satz.

„Du meintest von deiner Ex? Ich glaube, da hast du nicht mehr viel zu melden und jetzt halt dich aus ihrem Leben raus!" Da Liam keine weitere Lust hatte, Bres die Möglichkeit zu geben einen dummen Spruch rauszuhauen legte er kurz darauf auf wodurch Bres augenblicklich verstummte. Liam warf Jenna das Handy zu, die ihn anstarrte als wäre er nicht mehr ganz dicht.

„Warum tust du das immer wieder?", fragte sie ihn und wusste nicht, ob sie ihm dankbar sein sollte oder nicht.

„Was denn?", fragte er unschuldig, während er die Tasse von der Kommode holte und sie ihr schließlich reichte.

„Na, so einen Blödsinn erzählen! Das kauft uns doch sowieso kein Mensch ab, also warum versucht du Richard weis zu machen, dass wir was miteinander haben?", fragte sie ihn während sie die dampfende Tasse in ihren Händen hielt.

„Du meinst keinen Menschen außer Bres, oder? Denn ich sags dir, DER Typ kauft uns definitiv ab, dass wir was miteinander haben!", erklärte Liam und setzte sich auf das Bett um die Plakate anzusehen, die sie fertig gestellt hatte. Er hatte in der Küche richtig vermutet, Jenna hatte, anstatt sein Zimmer zu durchstöbern lieber an den Dingern weiter gemacht.

„Dir kann es doch egal sein, was er tut!", sagte Jenna anklagend.

„Und dir kann es ebenfalls egal sein, was der Typ zu sagen hat! Ich verstehe gar nicht, warum du ihm überhaupt noch den Raum gibst um etwas zu sagen....", meinte Liam und tat so, als wäre er nur mit halbem Gehör.

„Auch das kann dir doch egal sein!", meinte Jenna und setzte sich auf das Bett.

„Liam, komm schon, was ist dein Problem?", fragte sie ihn und dabei blickte er auf. Er wusste nicht, wie oft er sie schon seinen richtigen Namen hatte aussprechen hören doch er konnte es mit Sicherheit an zwei Händen abzählen und so war er zunächst überrascht und, ausnahmsweise, sprachlos.

„Ich hab kein Problem, ich wollte dir nur helfen! Du hättest dich doch jetzt wieder unterbuttern lassen von ihm und ihm gesagt, nur damit er Ruhe gibt, dass wir nichts miteinander haben. Mir ist das egal und natürlich bin ich nicht scharf auf irgendwelche Gerüchte, aber ich glaube, du tust ihm einfach mehr weh, wenn er das weiterhin glaubt! Ich weiß genau, dass er mich hasst, das hat er schon immer und ich werde nicht lügen. Ich habe dir gesagt, was ich von dem Wichser halte, doch vor allem ging es mir in diesem Moment darum, dass du dich zu klein machst, sobald er in der Nähe ist oder du mit ihm telefonierst, das war schon immer so!", erklärte Liam und verfluchte Carson dafür, dass sie ihn bei seinem richtigen Namen genannt hatte, denn wie als hätte dies dem richtigen Knopf entsprochen, sprudelten die Worte von alleine aus ihm heraus.

„Du wolltest mir nur helfen? Wieso sollte ich ihm denn wehtun wollen? Er hat Schluss mit mir gemacht, ja, aber das macht doch die Zeit nicht ungeschehen die wir miteinander verbracht haben und ich muss ehrlich sagen, dass ich ihn nach wie vor schätze, auch wenn ich natürlich trotzdem wütend auf ihn war und immer noch bin. Aber das ist MEINE Sache!", erklärte Jenna seltsam bedächtig und beobachtete Liam sehr genau, der nachzudenken schien.

„Du solltest sauer sein auf ihn und ihn leiden sehen wollen, weil dieser Arsch dich immer wie Dreck behandelt hat. Bei mir ist das was anderes, bei uns hat es schon immer auf Gegenseitigkeit beruht aber von Bres hast du dich so abhängig gemacht, dass du nicht einmal gemerkt hast, wenn er sich wie das letzte, eingebildete Arschloch verhalten hat das er nun einmal war. Carson, ich will mich nicht einmischen, aber an deiner Stelle würde ich ihn in dem Glauben lassen und einfach abwarten und wenn es dir zu blöd wird, werde ich einen Teufel tun und ihm weis machen wollen, dass es anders ist aber glaube mir, es kommt der Moment in dem wirst du froh darüber sein!", erklärte Liam und erhob sich dann.

„Und jetzt lass uns nachsehen wie viel wir noch haben, ich bin hundemüde und, nimm es mir nicht übel, ich würde gerne schlafen gehen ohne einen halben Riesen neben mir liegen zu haben also was müssen wir noch machen?", fragte er und konzentrierte sich auf die rund sieben Plakate, die auf dem Boden verteilt lagen.

„Halber Riese?", fragte Jenna ihn fassungslos.

„Ja, naja, du musst schon zugeben, dass du extrem groß geraten bist, oder etwa nicht?", meinte Liam geistesabwesend.

„Naja, da spricht gerade der Richtige...", murmelte Jenna und obwohl Liam so tat, als hätte er sie nicht mehr gehört, so war er sich ihrer Worte durchaus mehr als nur bewusst. Er hatte schon immer Dinge gesagt, die er so nicht gemeint hatte und so war das letzte was er gesagt hatte eines der größten Beispiele denn jetzt im Moment, hätte er keinerlei Probleme damit mit ihr neben sich einzuschlafen. Wenn Jenna Carson nur nicht diejenige wäre, die ihm das Leben so schwer gemacht hätte bisher!

„Dieser Stand sieht ja richtig gut aus! Super gemacht!", sagte Mrs. Star begeistert und sah sich die Plakate genauer an während Jenna und Liam nebeneinander standen und gespannt darauf warteten, was Mrs. Star abschließend zu ihnen sagen würde.

„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ich freue mich sehr für euch, dass das Projekt sich für eure Beziehung tatsächlich als Chance herausstellt! Ihr macht das einfach super bisher und ich drücke euch die Daumen, dass das auch weiterhin so gut läuft. Natürlich werde ich bei meiner Benotung eures Projektes auch eure Zusammenarbeit diesen Stand betreffend mit einfließen lassen.", fügte sie lächelnd hinzu und ohne, dass Mrs. Star die beiden sah, schlugen sie mit ihren Fäusten gegeneinander. Keiner der Beiden würde es zugeben, aber sie waren froh darüber, dass sie es so gut geschafft hatten und beide waren stolz, dass es ohne größere Vorkommnisse über die Bühne gegangen war. Jetzt mussten sie nur noch den Abend hinter sich bringen, doch das dürfte kein Problem sein, denn Jenna hat sich ein Buch mitgenommen während Liam sich seinen I-Pod einschalten würde. Sie hätten gar keine große Gelegenheit sich in die Haare zu bekommen. Nachdem Mrs. Star gegangen war, drehten sich beide zueinander und lächelten.

„Zum Glück ist die Alte zufrieden, ich sags dir, ich hätte sie in der Luft zerfetzt wenn die sich jetzt auch noch beschwert hätte!", sagte Liam mit seiner üblich derben Ausdrucksform doch Jenna konnte ihm in diesem Fall nur zustimmen.

„Danke, dass du dich bemüht hast!", sagte sie in einem Anflug von Kameradschaftsgefühl doch Liam zuckte einfach nur mit den Schultern, bevor er kurz antwortete.

„Es war ja für mich selber also brauchst du dich für nichts zu bedanken!", dann kehrte er ihr den Rücken zu.

„Und jetzt setz du dich an dein Ende und ich mich an meines....weck mich, wenn du Hilfe brauchst!", und schon stöpselte er seine Kopfhörer ein und steckte sie sich ins Ohr, während Jenna mit offenem Mund stehen blieb und Liam ansah.

‚War ja klar...', ging es ihr durch den Kopf, dennoch tat sie wie geheißen und setzte sich auf ihren Stuhl, auf dem bereits ihr Buch für den heutigen Abend gelegen hatte und schlug es auf. Immer wieder warf sie verstohlene Blicke in Liams Richtung und fragte sich, ob sie sich eigentlich immer in ihm getäuscht hatte oder ob er es nur so gut drauf hatte, sich zu verstellen. Ihre Gedanken kreisten ständig um den gestrigen Abend und das Telefonat mit Richard.

Liam hatte Recht gehabt, dass sie beinahe eingeknickt wäre und heute schämte sie sich dafür. Egal wie absurd der Gedanke von ihr und Liam auch war, Richard würde er in den Wahnsinn treiben, das wusste Jenna. Liam hatte ihr sehr genau erklärt, warum er das tat was er tat, doch irgendwie glaubte sie, es stecke noch mehr dahinter. Egal was es auch war, sie war Liam dankbar, dass er ihr geholfen hatte. Dennoch wusste sie natürlich, dass man seine Fürsorge mit Vorsicht genießen musste, denn Liam Welsh tat nie etwas, wenn er keinen eigenen Vorteil darin sah.

Während Jenna sich dazu entschloss, die Gedanken endlich zu beenden und sich in ihr Buch zu vertiefen, öffnete Liam die Augen und blickte zu ihr hinüber. Jenna hatte ihre Beine angezogen und sie auf dem Stuhl platziert, während sie ihre Arme auf den Knien abstützte und eine Seite nach der anderen umblätterte. Sie war so konzentriert, dass sie nicht einmal mitbekam, dass Liam sie beobachtete und so konnte er sehen, wie ihre Augen immer wieder von links nach rechts wanderten, während sie sich eine Zeile nach der anderen vorarbeitete. Ab und an bewegten sich ihre Lippen, wahrscheinlich wenn sie ein Wort nicht auf Anhieb verstand oder sich verlas.

Jedes Mal wenn Jenna doch aufblickte, schloss er schnell wieder die Augen und auf diese Art und Weise gingen sich so gut es möglich war aus dem Weg. Keiner der Beiden hätte geglaubt, dass ein Abend gemeinsam so entspannt sein konnte, doch als sie schließlich alles zusammenpacken konnten, waren sie froh den Tag überstanden zu haben und dabei, hatten sie sich nicht einmal in die Haare bekommen.

„Ich denke, das können wir als persönlichen Rekord verbuchen Carson!", meinte Liam, als beide in die kalte Abendluft traten und sich auf den Weg zum Parkplatz machten.

„Soll ich dich mitnehmen?", fragte Liam gleich darauf, weil Jenna gerade nach rechts zur Bushaltestelle abbiegen wollte.

„Keine Ahnung, wenn es dir keine Umstände macht ja....", sagte sie und Liam gab ihr mit einem Nicken das Zeichen, dass er sie mitnehmen würde.

„Ja, persönlicher Rekord ist gut. Vielleicht sollten wir lieber auch jetzt kein Wort miteinander reden, dann setzen wir gar nicht erst aufs Spiel uns wieder zu zanken...", sagte Jenna, die das Auto von Liam bereits sehen konnte.

„Zanken? Das habe ich ja seit der Grundschule nicht mehr gehört!", sagte Liam lächelnd und dachte für einige Sekunden nach. Zwischenzeitlich waren sie bei seinem Auto angekommen doch bevor er die Türen öffnete blickte er über das Autodach hinweg zu ihr rüber.

„Ich glaube, es ist gar nicht so wichtig, dass wir nicht miteinander sprechen sondern es ist wichtiger, dass wir beide tatsächlich einfach mal ruhig bleiben und uns nicht immer alles an den Kopf werfen was wir gerne würden...", erläuterte er und Jenna zog die Augenbrauen nach oben.

„Das, würde ich jetzt sagen, ist einfacher gesagt als getan!", erwiderte sie doch dabei zuckte Liam mit den Schultern.

„Ne, das glaub ich gar nicht. Wir müssten uns einfach nur zusammenreißen, wir sind ja schließlich keine Kinder mehr!", meinte er und ließ dann die Türen alle aufklicken. Während er selber sofort einstieg blieb Jenna, mit dem Türgriff in der Hand, noch einen Augenblick draußen stehen.

Es war seltsam, doch desto mehr sie sich stritten, desto besser verstanden sie sich im Nachhinein so kam es ihr vor und das erst, seitdem sie wirklich versuchten, beziehungsweise verpflichtet waren, ihre Zeit miteinander zu verbringen. War es nicht genau das, um was es ging? Sollte es nicht eigentlich genau darum gehen, dass man sich offen die Meinung sagen konnte ohne sich im Anschluss bis aufs Blut zu bekriegen?

War das vielleicht das Problem gewesen in den letzten Jahren? Dass sie sich nie die Zeit genommen hatten um ihre Streitereien tatsächlich zu besprechen? Dass sie sich immer aus dem Weg gegangen waren im Anschluss?

Immer mehr Fragen reihten sich zu denen, die Jenna bereits im Kopf herumschwirrten und obwohl das Projekt erst ein paar Wochen ging kam es ihr so vor, als würden sie schon Monatelang darin hängen, so viel hatte sie bereits über Welsh erfahren. Sie hatte diesem neuerlichen Eindruck von ihm nur keine Chance mehr gegeben, doch das würde sich jetzt ändern. So sehr sie manchmal den Streit mit Welsh gebraucht hatte so musste sie doch zugeben, dass sie es wesentlich mehr genoss, ihre Zeit mit ihm zu verbringen und auch einfach nur mal zu reden. Ohne Schimpfwörter. Ohne Streit. Ohne sich schlecht in seiner Gegenwart zu fühlen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top