Kapitel 11
Arwen gab ihrem Pferd die Sporen und galoppierte davon. Zügig schlängelten sie sich zwischen den Bäumen hindurch und überquerten grüne Felder. Melanie, die an Arwens Brust lag wurde immer kälter. Ihr Puls verlangsamte sich. Melanie kämpfte gegen die Dunkelheit an, die sie umhüllte. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, wollte nur nicht das Bewusstsein verlieren.
Arwen schien das zu merken, als die Elbenfrau ihr mit der sanften Stimme zuredete: „Halte durch. Nicht mehr lange und wir sind in Bruchtal."
„Achtung!", stieß der Hobbit aus, der seinen Blick nach hinten gewandt hatte und den herannahenden Ringgeist sah. „Reitet schneller, wir werden verfolgt", befahl Frodo Arwen.
„Halte dich gut fest", erwiderte sie und Asfolath, ihr treues Pferd galoppierte so schnell es konnte. Der schwarze Reiter beobachtete das Vorgehen und ritt ihr hinterher. Auch er beschleunigte sein Pferd.
Es war ein Kopf an Kopf rennen. Beide waren es gute Rennpferde. Nur wenige Meter trennten sie voneinander. Arwen ritt zwischen den Bäumen hindurch, in der Hoffnung, den Ringgeist zu verlieren. Stattdessen tauchten links und rechts neben ihr vier weitere Nazgul auf. Sie kreischten, als sie Frodo auf dem Pferd erblickten. Der Ring war ihnen ganz nah. Einer von ihnen ritt nun neben dem weißen Schimmel Asfolath und streckte die Hand nach Frodos Ring aus. „Schneller", schrie der Hobbit panisch, „schneller!"
Arwen lenkte ihr Pferd nach rechts und ritt im Kreis durch den Wald. Das verwirrte die Nazgul, die nicht sofort reagierten. Somit hatte Arwen genug Zeit eine Abkürzung zu finden, sprang über einen umgefallenen Baumstamm und ritt zu einem naheliegenden Fluss. Die Ringgeister folgten ihr. Asfolath kämpfte sich mit Leichtigkeit durch das flache Wasser des Flusses auf die andere Seite. Die schwarzen Pferde der Ringgeister scheuten dagegen das Wasser und bäumten sich am Ufer auf. Ein überfülltes Kreischen der Ringgeister erfüllte die Luft.
Arwen ritt weiter ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.
„Wir haben sie abgehängt", rief der Ringträger freudig aus.
„Sehr gut. Der Weg ist nicht mehr weit."
„Wie geht es ihr? Schaffen wir es noch rechtzeitig?", fragte der Hobbit besorgt.
„Ich hoffe es von ganzem Herzen. Sie atmet kaum noch."
In Bruchtal angekommen, sprang Frodo als erstes vom Pferd. Er war von dem Anblick der einladend gestalteten Gebäude, die sich an den Wänden einer großen Schlucht schmiegten, fasziniert. Der Herr des Hauses kam schnellen Schrittes die langen Treppenstufen hinunter und ging auf sie zu.
„Arwen, meine Tochter was ist passiert?", fragte der Elb sie.
„Wir brauchen deine Hilfe. Melanie wurde von einer Morgulklinge vergiftet."
„Wie lange dauert die Vergiftung schon an?"
„Schon ein paar Tage."
Frodo drehte sich zu den anderen um und blickte den hochgewachsen Elb mit großen Augen an. „Herr Elrond?", flüsterte er „ich fasse es nicht. Das ist wirklich Herr Elrond." Der Elb ging darauf aber nicht ein. Stattdessen schaute er seiner Tochter in die hellblauen Augen. „Schnell, wir bringen sie in eins der Gemächer. Dort werde ich mir ihre Wunde näher ansehen."
Arwen nickte. Zu zweit trugen sie die bewusstlose Melanie die Stufen hinauf und gingen durch türenlose Gänge. Der Ringträger folgte ihnen. Vor einer verzierten Holztür blieben sie stehen.
„Ab hier übernehme ich. Wartet hier", teilte Elrond seiner Tochter und dem Hobbit mit. Elrond nahm Melanie in seine Arme, öffnete die Tür und legte sie auf das Bett. Danach verschloss er die Tür und blieb mit Melanie alleine in dem Raum. Er begutachtete ihre Augen. Die Iris war weiß wie der Schnee. Er musste sich sputen und murmelte unverständliche Worte auf elbisch, während er seine Hände über ihren Körper ausbreitete. Nachdem er geendet hatte, ließ er das Mädchen allein in dem Raum zurück.
Frodo wartete immer noch vor der Tür. Als er den Elb erblickte, erhob er sich vom Boden und fragte: „Wie geht es ihr?"
„Ich gehe von einer Besserung aus. Im Moment braucht sie jedoch viel Ruhe. Komm doch mit und ich zeige dir Bruchtal."
„Aber was ist, wenn sie aufwacht?"
„Ich versichere dir, dass dann jemand hier sein wird. Komm." Elrond streckte seinen Arm aus und umgriff Frodos Schulter. Beide gingen sie durch lange Gänge. Nach jedem dritten Schritt hielt der Hobbit an und erkundete die grünen Bäume und Sträucher. Sein Blick schweifte vom Wasserfall bis hin zu einer langen Brücke, die über eine große Schlucht ragte und den Wald mit Bruchtal verbindete. Frodo kniff seine Augen zusammen und erkannte sieben Gestalten, die sich der Brücke näherten.
„Das sind Sam und meine anderen Begleiter. Wir müssen sie begrüßen gehen", richtete sich Frodo aufgeregt an Elrond. Der nickte ihm zu. Frodo konnte es nicht erwarten und rannte seinen Freunden entgegen. Der Herr des Hauses Bruchtal verweilte am selben Fleck und beobachtete amüsiert den Hobbit. Er war unterdessen bei seinen Freunden angekommen und hieß sie herzlich willkommen. Er tauschte viele Neuigkeiten mit Sam aus. Gemeinsam gingen sie alle die Treppen wieder hinauf. Auch Gandalf war gekommen. Der Zauberer begrüßte Elrond zuerst, als sie ihn erreicht hatten.
„Ich habe gehört, das Melanie auf unserem Weg hierher verletzt wurde. Geht es ihr denn jetzt wieder besser?", erkundigte sich der Zauberer. Sophie, die gleich hinzu gestürmt kam, wollte es auch erfahren.
„Ja, wie geht es ihr. Kann ich zu ihr?", ergänzte sie. Herr Elrond schmunzelte. „Da scheint aber jemand sehr gefragt zu sein." Und an Sophie gewandt anwortete er: „Sie ruht sich gerade aus. Du darfst aber trotzdem zu ihr, wenn du das möchtest."
„Ich bitte darum." Der Elb nickte. Gandalf teilte er mit, dass alle herzlich willkommen seien und sie sich ruhig umsehen konnten. Der Zauberer bedankte sich.
Elrond geleitete Sophie zu dem Zimmer, in welchem Melanie sich ausruhte. Er verabschiedete sich vor der Zimmertür und ließ die beiden Mädchen allein. Sophie öffnete vorsichtig und leise die Tür. Melanie lag auf einem Bett mit einem schneeweißen Laken. Sie ging sofort zu ihr, ohne die Tür wieder zu schließen und setzte sich neben sie auf die Bettkante. Sie nahm die Hand ihrer Freundin und hielt sie fest. Melanie sah friedlich aus, wie sie im Bett lag und schlief. Ihr Gesicht war nicht mehr vom Schmerz verzogen. Alles schien wieder in Ordnung zu sein. Sophie beruhigte sich, da sie ihre Freundin in Sicherheit wusste und atmete tief durch. Der Stein, den sie wie eine Last den ganzen Weg mit sich trug, fiel ihr vom Herzen. Sie verspürte ein Zucken in ihrer Hand. Nein. Es war Melanies Hand. Ihre Augen flimmerten. Sie gab ein leichtes grummeln von sich. Dann schlug sie langsam die Augen auf. Sophie rückte näher an ihr Gesicht heran. „Hey", flüsterte sie leise ihrer Freundin zu, „wie geht es dir?" Melanie schaute sich im Raum um, legte ihren Kopf auf die linke Seite und erblickte Sophie. Ein leichtes lächeln umspielte ihr Gesicht. Sie versuchte ihrer Freundin die Hand zu drücken, fand die Kraft aber noch nicht dazu.
„Ganz ruhig. Alles ist gut. Ich bin ja bei dir. Ich bin so unendlich froh, dich nicht verloren zu haben Melanie."
„Wo ... wo sind wir hier?", wollte Melanie wissen. Leider kam nur ein Krächzen von ihr.
„Wasser. Warte, ich schau mal ob ich was zu trinken für dich finde." Melanie nickte ihr leicht zu. Sophie stand auf und fand einen Krug Wasser und ein Glas auf einer Kommode stehend. Elrond hatte an alles gedacht. Sie füllte das Glas mit Wasser und reichte es ihrer Freundin. Melanie nahm erst einen Schluck, dann trank sie den ganzen Inhalt
mit einem Mal aus. „Danke. Jetzt fühle ich mich schon viel besser."
„Das freut mich. Und noch einmal auf deine Frage zurückzukommen, wir sind in Bruchtal." Melanies Augen weiteten sich und ihr zartes lächeln zog sich bis zu ihren Ohren. „Wirklich?" Sophie nickte kräftig. „Und die anderen? Sind sie auch alle da?"
„Ja wir sind heute alle eingetroffen, auch Gandalf."
„Ich möchte sie sehen." Melanie stemmte sich nach oben und erhob sich. Sophie hielt ihre Hand griffbereit, da sie Melanies Unsicherheit bemerkte. „Danke, es geht schon." Sie berührte die Stelle auf ihrer Schulter, die verwundet gewesen war. Sie verspürte aber weder ein Ziehen oder sonst einen Schmerz. Sie zog ihr Oberteil von der Schulter und sah nur ihre glatte blasse Haut. Von der Wunde war nichts mehr zu sehen. „Sie ist weg", murmelte Melanie verwundert. „Sei froh, dass du keine Narbe davon getragen hast. Jetzt komm, oder hast du die anderen schon wieder vergessen?"
Gandalf erblickte die zwei Mädchen zuerst. „Ah da ist ja unsere tapfere Kämpferin." Frodo, der bei seinen Hobbitfreunden saß sprang auf und umarmte Melanie. „Ich freue mich so, dass es dir besser geht. Ich bin so ein Feigling gewesen. Es tut mir leid."
„Ist nicht weiter schlimm. Ich lebe doch noch. Aber bitte, kannst du aufhören mich zu erdrücken? Ich bekomme fast keine Luft mehr."
„Oh entschuldige." Benommen trat der Hobbit zwei Schritte zurück. Darauf stimmten alle in ein Gelächter ein. Sie freuten sich, alle wohl auf vorzufinden.
Guy hatte Melanie die ganze Zeit mit intensivem Blick gemustert. Sie spürte den Blick auf sich ruhen und erlaubte sich, ihn aus den Augenwinkeln auch zu beobachten.
Sie saßen bis spät in der Nacht beisammen und erzählten Geschichten, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen. Als das Feuer erloschen war, betteten sie sich unter freiem Sternenhimmel zur Ruhe. Elrond hatte ihnen zwar ein Bett angeboten, sie lehnten dies jedoch freundlich ab. Sie wollten diese Nacht gemeinsam verbringen. Gandalf entzog sich der Gruppe mit der Begründung, noch wichtige Dinge zu klären und Aragon traf sich an dem Abend noch mit Arwen. Guy sagte den anderen er würde wach bleiben und Wache halten. Pippin verstand das ganze nicht. Die Elben hielten doch Wache. Er kümmerte sich aber nicht weiter darum und versuchte zu schlafen.
Gisborne vergewisserte sich, das alle tief und fest schliefen. Den ganzen Tag hatte er schon über seinen Plan nachgedacht. Er würde sich von den anderen verabschieden. Aber er würde nicht alleine gehen. Erst hatte er sich überlegt, die Mädchen zu zwingen mit ihm zukommen. Dann hatte er sich dagegen entschieden. Er wollte nicht, dass sie ihn hassten. Er wollte, dass sie ihm halfen. Er wollte nach Nottingham. Und er wollte den Ring. Das kleine goldene Schmuckstück. Er musste es besitzen. Marian hatte schon öfters seinen Heiratsantrag abgelehnt, doch mit dem Ring musste sie einfach Ja sagen. Er konnte nicht mehr abwarten. Bevor sie den Ring vernichteten, würde er ihn sich nehmen und in Sicherheit bringen.
Er beugte sich über Frodo und nahm vorsichtig den Ring an sich, welcher Frodo in seiner Hand hielt. Der Hobbit rührte sich kurz und legte sich dann auf die andere Seite. Guy richtete sich erleichtert auf. Er hatte den Ring. Er überblickte noch einmal die schlafenden, dann stahl er sich leise davon. Er wusste noch nicht, wo er hingehen sollte. Er musste nur weg. Raus aus Bruchtal und weit weg.
So ließ er die Elben und Reisegefährten zurück und verschwand in der Dunkelheit des Waldes.
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