Alle Wege führen nach Rom
Salve, herzlich willkommen zu...was auch immer diese Geschichte eigentlich werden soll. Hier handelt es sich um einen Spin-Off von meiner Geschichte "Plötzlich in Schwarz-Weiß und Rot?". Man kann diese Geschichte hier aber auch ohne diese Vorkenntnisse für sich stehend lesen.
Wer die Vorlage schon kennt, wird Bescheid wissen, wie ich diese Geschichten hier aufbaue: Aus einem vielleicht etwas schrägen Mix aus Humor und Ernst. Es ist ein Versuch Geschichte mehreren - vielleicht auch jüngeren - Leuten auf unterhaltsame Art schmackhaft zu machen. Was bei den anderen Teilen (hoffe ich zumindest) ein bisschen geklappt hat ^^
Als hätte ich nicht schon genug Geschichten in Arbeit, habe ich nun also hier noch eine begonnen - eine weise Entscheidung! (nicht)
Viel Spaß beim Lesen!
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Berliner Zeitung
Mysteriöse antike Büste entdeckt
Vor drei Wochen stießen zwei Urlauberinnen in Rom auf einen erstaunlichen Fund nahe einer archäologischen Ausgrabungsstätte. Eine antike, marmorne Büste, deren Herkunft noch unklar ist, ebenso ihr Erscheinen. Die renommierten Forscher beteuern, sie habe sich bei Beginn der Ausgrabungen noch nicht dort befunden.
"Eine sehr mysteriöse Sache", so der Leiter des archäologischen Teams. Eine Fälschung wurde nach genauen Untersuchungen ausgeschlossen. Obwohl das Stück auffallend gut erhalten ist, konnte noch nicht festgestellt werden, um wen es sich bei der Darstellung handeln soll. Zahlreiche eingegangene Aussagen über ein ungewöhnliches Leuchten an der Fundstelle, das Passanten vor der Entdeckung gesehen haben wollen, bleiben vorerst ungeklärt. Fest steht, dass die viel diskutierte Büste viele neue Besucher ins Museum locken wird.
***
Eigentlich musste ich, Eleonore Engels, gestehen, dass ich Museen nie sonderlich gut ausstehen konnte. Wieso? Ganz einfach, überall versammelten sich Trauben von Menschen, Touristen, die praktisch von jeder Fußbodendiele Fotos machen mussten, und wenn man das Glück hatte mit seinem Lehrer hier zu sein, folgte auch noch ein äußerst aufregender Vortrag. Nun eigentlich war Frau Hinrichs ja ganz nett, aber eben eine schreckliche Schlaftablette. Nach fünf Minuten waren meine Mitschüler, die sich unter unserer Klassenreise nach Rom sicher Pizza, Shoppen und Party erhofft hatten, fast eingeschlafen. Meine beste Freundin Ricarda inbegriffen.
Ich konnte auch nur schwer ein Gähnen unterdrücken. Wie langweilig konnte man denn Geschichte auch noch machen? Im Gegensatz zu gewöhnlichen Unterrichtsstunden konnte ich mich aber hier nicht einfach auf mein Pult stützen und still vor mich hinträumen - stattdessen musste ich mir die Füße in den Bauch stehen und ewig die gleichen Ausstellungsstücke anstarren bis meine Lehrerin endlich zum Ende kam.
Gedankenverloren tastete ich in meiner Tasche herum, ohne wirklich etwas zu suchen. Außer meinem Portemonnaie, meinem Handy und einer Sonnenbrille befand sich ohnehin nicht wirklich viel darin. Achja, und diese seltsame Kette, erinnerte ich mich als meine Finger die kühlen, runden Steine ertasteten.
Knapp vor dem Museum war Ricarda und mir eine Straßenverkäuferin auf derart penetrante Weise gefolgt und hatte uns eindringlich mit irgendeinem Unsinn von großem Schicksal und Gefahr erzählt, dass wir ihr schließlich einfach die zwei angeblich antiken, magischen Ketten abgenommen hatten. Nur damit sie uns in Ruhr lässt unheimlich war das nämlich schon gewesen.
"Euch erwartet großes Schicksal - das kann ich sehen", hatte sie in gebrochenem Deutsch beteuert, während sich ihre hellblauen Augen in mich gebohrt hatten, "aber auch sehen große Gefahr, sogar Tod! Diese Ketten antik. Haben Kräfte von alte Götter. Menschen schon vor viele hunderte Jahre glauben. Nehmen! Sie euch beschützen!"
Mir lief ein kühler Schauer über den Rücken. Natürlich war das Unsinn, vermutlich irgendein schräger Verkaufstrick, doch die Überzeugung mit der sie gesprochen hatte, war auf unheimliche Art echt gewesen... Götter, Gefahr, Tod... Wer kommt denn auf sowas?
Vielleicht hatte die gute Frau auch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Sehr wahrscheinlich sogar. Und doch war es beunruhigend darüber nachzudenken...
Plötzlich spürte ich eine Berührung an meinem Arm. Erschrocken zuckte ich zurück.
"Hab ich dich beim Schlafen gestört?", grinste Ricarda.
"So in der Art..."
"Wie wär's, wenn wir einfach einen Abgang machen?"
"Bist du verrückt? Wir kriegen nur Ärger", widersprach sofort. Wenn Frau Hinrichs über etwas ewig Reden halten konnte, dann über das Fehlverhalten von Schülern. Sie würde uns stundenlang erzählen wie unverantwortlich unser Benehmen doch war. Wegzulaufen in einer fremden Stadt, einem anderen Land - was da alles passieren kann! Oder sowas in der Art.
Sie rollte mit den Augen. "Hab dich nicht so. Wir sehen uns hier einfach ein bisschen alleine um. Bis sie mit ihrem Geplapper fertig ist, können ja noch Stunden vergehen!" Damit zog sie mich auch schon blitzschnell von unserer kleinen Gruppe weg. Zu schnell, als dass ich mich hätte wehren können. Ricarda und ihre Ideen! Im Endeffekt brachten sie uns immer in Teufels Küche. Denn als wäre unser Verschwinden nicht schlimm genug gewesen, schob sie mich auch noch direkt in einen Raum, vor dem ein leuchtend rotes Schild verkündete, er wäre nicht für Besucher geöffnet.
Großartig! Wirklich großartig!
Vielleicht hatte die Frau ja doch recht gehabt mit ihrer Prognose. In Schwierigkeiten brachten wir uns hier definitiv. Aber dass mir eine vermeintlich antike Kette, die wahrscheinlich keinen Euro wert war und in Massen irgendwo in China produziert wurde, da helfen würde, bezweifelte ich dann doch.
"Wenn uns hier jemand erwischt, kriegen wir doppelt Ärger!", zischte ich wütend.
"Wird schon nicht passieren", antwortete sie schulterzuckend und an ihren grün-braunen Augen erkannte ich, dass sie das wohl wirklich glaubte.
Ich war mit einer Verrückten befreundet...
Hilflos schielte ich zum Ausgang. "Mir wäre trotzdem lieber, wenn wir jetzt wieder -"
Weiter kam ich allerdings gar nicht.
"Hey, Elly, guck dir das doch mal an!", unterbrach mich Ricarda kurzerhand.
Widerwillig schritt ich weiter in den Raum und zu ihr. Staunend betrachtete sie eine marmorne Büste, deren leerer Blick sich so streng und kalt in mich bohrte als wolle mir der fremde dargestellte Mann sagen, dass ich gefälligst wieder von hier verschwinden sollte. Ich fröstelte.
Andererseits...entsprang der strafende Vorwurf in seinen steinernen Augen wohl eher meiner ängstlichen Fantasie. Alles hier sagte mir, dass wir nicht hier sein sollten. Sag bloß!, schoss es mir sarkastisch durch den Kopf. Offensichtlich sollten wir nicht hier sein!
"Fast wie echt...", staunte Ricarda.
"Irgendwie kommt mir die bekannt vor. Stand nicht letztens etwas davon in der Zeitung? Sie soll ein ganz neues Fundstück sein. Man ist sich noch nicht einmal ganz sicher, wen sie darstellen soll." Irgendetwas war da doch, da war ich mir sicher, und es war eine ganz schön mysteriöse Sache gewesen...
"Woher soll ich das wissen? Seh' ich aus als würde ich Zeitung lesen?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. War ja klar.
Wieder verlor ich mich in dem Anblick der Büste, in den feinen bis ins kleinste Detail eingefangenen Gesichtszügen, die viel lebendiger wirkten als der Stein aus dem sie geformt wurden. Die gerade, wirklich recht römisch anmutende Nase, dichte Augenbrauen, leicht geschwungene Lippen und die in klassischem Schnitt geformten Haare.
Wer er wohl war, dieser fremde Mann? Irgendein alter römischer Senator? Ein Philosoph? Feldherr? Nur irgendjemand, der reich genug war, sich sowas anfertigen zu lassen? Oder war es gar ein Abbild eines Kaisers?
"Komm, mach ein Foto!", riss mich Ricarda aus den Gedanken und posierte schon mit der Büste, ihr mit ihren Fingern Hasenohren verpassend.
Ich warf einen mitleidigen Blick zu dem steinernen Kopf. So hatte er sich sicher nicht vorgestellt, dass ihn die Nachwelt betrachten würde. Armer Kerl.
Seufzend schoss ich also ein paar Fotos, die unter anderem eine Kussmund formende Ricarda beinhalteten, die mit ihren geschminkten Lippen nur Millimeter von der Wange der Büste entfernt war. Worauf hatte ich mich hier eigentlich eingelassen?!
"Sind wir jetzt endlich fertig und können gehen?", drängte ich ungeduldig. Ich wollte bloß noch raus hier, bevor man uns erwischte, was bei meinem Glück sehr wahrscheinlich war.
"Ja, ja, gleich nur noch eins", gab sie genervt zurück und posierte erneut. Diesmal aber schaffte sie es, sich dabei tatsächlich so ungeschickt anzustellen, dass sie der Büste einen Stoß versetzte und sie fast vom Sockel befördert hätte.
Vor meinen Augen sah ich sie schon am Boden auftreffend - beschädigt, vielleicht sogar gänzlich zerstört - und uns wie wir von der Polizei rausgeschleift wurden, also mehr oder weniger wie mein Leben zu Ende ging. Nichts dergleichen geschah. Die wankende Büste blieb auf dem Sockel - gerade so.
"Gut, jetzt reicht's!", setzte ich dem ein Ende. "Wir verschwinden hier so schnell wie möglich, verstanden?"
"Ja ja", gab Ricarda, durch den Schock nur halb so genervt wie sie es sonst getan hätte zurück. Ich glaubte auch noch ein leises "Spielverderberin" zu hören. Das war mir allerdings herzlich egal. Dann war ich eben eine! Das war mir lieber als die Verantwortung - und die Schadensersatzzahlung - für ein zerstörtes Museumsstück übernehmen zu müssen, bei dem ich mich streng genommen gar nicht hätte aufhalten sollen. Zu der üblichen Standpauke hätte ich dann von meinem Vater zu Hause auch noch Ärger bekommen, weil ich nun auch noch "in die Kriminalität abdriftete". Bei einem Polizisten kam Illegales eben nicht sonderlich gut an.
Vorsichtig beugte ich mich vor und versuchte so achtsam wie möglich die Büste in ihre vorige Position zu bringen. Der Stein fühlte sich eiskalt unter meinen Fingern an. Mein Gott, war das Ding schwer! Ich hob meinen Blick und... traf den zweier lebendiger, eiskalter Augen. Meine Hände ertasteten plötzlich warme Haut.
Ich stieß einen spitzen, leisen Schrei aus und wich abrupt zurück. Aber wie...?
Noch ehe ich mich's versah und begriff, dass meine Fantasie heute definitiv verrückt spielen musste, geriet die Büste durch meine ruckartige Bewegung erneut ins Schwanken und in meinem verzweifelten Versuch sie festzuhalten, verlor auch ich das Gleichgewicht.
"Ricarda!", brachte ich gerade so noch keuchend über meine Lippen. Dann war es auch schon zu spät. Ich fiel rücklings zu Boden - und ich fürchtete, dass die Büste mir folgte. Ich hörte einen dumpfen Knall, als mein Kopf am Boden auftraf und sah goldenes Licht aufblitzen, ehe sich sogleich Schwärze über mein Sichtfeld legte.
Wir würden gewaltigen Ärger bekommen...
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