Kapitel 29

TUT MIR SO LEID FÜR MEIN PLÖTZLICHES UNTERTAUCHEN! x

-Claires Sicht-

Nervös tippte ich mit dem Fuß, während ich mit mir selbst kämpfte, ob ich tatsächlich klingeln sollte. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass Nathan sowieso nicht mit mir rechnen würde. Ich war schließlich eine Stunde zu früh. Aber wen interessierte das? Naja, vielleicht ihn und seine Familie, weil ich schließlich unangekündigt hier bin. Schien das zu unhöflich? Vielleicht sollte ich doch wieder gehen.

„Claire!" Ich schrie erschrocken auf, als ich meinen Namen hörte, und sprang ertappt zurück. Doch Erleichterung ließ mich aufatmen, als ich Roselyn erblickte, welche zu mir rannte und in die Arme sprang. „Spielen wir? Nick ist nämlich blöd, er will mit mir nicht Schach spielen." – „Hey, das stimmt gar nicht! Ich werde nur nicht wieder absichtlich für dich verlieren, damit du mich nicht schlägst!"

Überrascht blickte ich Nick an, welchen ich erst jetzt bemerkte, wie er mit aufgeblähten Wangen und verschränkten Armen vor uns stand. Ein Lächeln entfloh mir und einladend öffnete ich die Arme. Er schmollte ein wenig, doch ich sah in seinen Augen, dass er mit sich selbst diskutierte, ob er sich auf mich einlassen sollte. Letzten Endes gab er auf und sprang mir ebenfalls in die Arme, sodass ich mit Nick und Rose auf je einer Seite – und es war verdammt schwer, mit meiner Körpergröße beide zu halten – vor der Tür stand und wir zu dritt knuddelten. Ich hatte die beiden länger nicht gesehen, so fühlte es sich zumindest an, und die beiden nun bei sich zu haben fühlte sich toll an.

„Claire, wie schön, dass du da bist!"

Erneut schrie ich leicht auf und sprang mit beiden Kindern leicht zurück. Aufgrund meines Schreis fingen beide ebenfalls an zu schreien und fuchtelten mit ihren Armen, wodurch ich mein Gleichgewicht verlor und die Stufe abrutschte.

Panisch schloss ich meine Arme fester um Nick und Rose und drängt sie ein wenig nach vorne, sodass ich sie nicht einquetschen konnte, doch der Plan ging nicht ganz so auf. Denn letzten Endes fiel ich hinunter und landete auf meinem Allerwertesten, während Nick und Rose beide auf ihren Füßen landeten und mich verwirrt anblickten. „Du bist so tollpatschig, Claire", lachten die beiden und rannten ins Haus an Christian vorbei.

„Das kann ich nicht abstreiten", murmelte ich und stand auf, glücklich darüber, ein schwarzes Kleid anzuhaben, welches die rote Farbe der Kiessteine nicht aufnahm. „Christian", lächelte ich ihn lieb an und war mir ein wenig unsicher, was ich nun tun sollte. Ich wollte ihm danken, doch wie? Ein Seufzen verließ meine Lippen.

„Nathan hat es dir erzählt, denke ich? Du brauchst nicht versuchen, mir zu danken oder Ähnliches. Was geschehen ist, das ist nun einmal geschehen und wir sollten nach vorne blicken. Schließlich bist du mir nicht wegen der Vergangenheit sympathisch, sondern weil deine Persönlichkeit sogar unseren Sohn auftauen lässt."

Es war wie eine Kurzschlussreaktion, die Stufen hochzulaufen und ihn einfach zu umarmen. Es war wie ein Drang, ihm Danke zu sagen, immer und immer wieder und es war wie eine Befreiung meiner Seele, meinen Tränen freien Lauf zu lassen in den Armen meines Retters. Ohne ihn wüsste ich nicht, was in jener Nacht passiert wäre. Blutüberströmt, verheult, traumatisiert. Es war wie Balsam für meine Seele, nun hier zu stehen und erneut diese Sicherheit zu spüren. Es war, als könnte ich zum aller ersten Mal glauben, dass es vorbei war.

Ich spürte, wie auch Christians Arme sich leicht um mich legten, doch die Umarmung hielt nicht lange an, weil mir bewusst wurde, dass ich wahrscheinlich nicht nur ein teures Markenhemd vollheulte, sondern auch den Vater meines Freundes.

Peinlich berührt löste ich mich leicht, doch meine Dankbarkeit ließ sich sicherlich immer noch aus meinen Augen lesen.

„Claire, du bist früh", unterbrach Nathan den Moment und joggte von den Treppen zur Haustür. Als er mich erblickte, zogen sich seine Augenbrauen zusammen und er zog mich zu sich, um seine Arme um mich zu schließen. Lachend trat Christian dann einen Schritt zurück: „Ruhig, Brauner, ich werd' sie dir nicht wegnehmen. Und nun lasst uns rein, wir werden beobachtet."

Wir – das hieß Nathan und ich, sein Vater, Roselyn und Nick– saßen mittlerweile im Wohnzimmer. Während ich mit den Kleinen spielte, unterhielten sich Nathan und Christian über irgendwelche neuen Programme und deren Konflikte. Ihr Gespräch vernahm ich lediglich im Hintergrund, doch das Wort ‚beobachten' veranlasste mein aufmerksameres Aufhorchen. Nachdem Christian uns reingescheucht hatte, wagte keiner es, ein weiteres Wort darüber zu verlieren, wer uns denn beobachten möge.

Ein Seufzen folgte. Ich war froh, dass ich mit dem Rücken zu den beiden Männern gekehrt saß, weil ich sicher war, aufgrund meines konzentrierten Lauschens ein gequältes Gesicht gezogen zu haben. 

„Du kennst deine Mutter, mein Kind. Irgendetwas läuft hier einfach gewaltig in die falsche Richtung und ich kann dir leider nicht sagen, was es ist. Was ich weiß, ist, dass dieses Mädchen schreckliche Dinge durchmachen muss, also pass gut auf sie auf, mein Junge."

Ein betretendes Schweigen war die einzige Antwort. Mich weiterhin auf das Kartenspiel mit Rose und Nick zu konzentrieren, war mir nicht möglich. Viel zu sehr schwirrten meine Gedanken um das eben Gehörte. Was hatte Nathans Mutter damit zu tun?

„Ding Dong, Jason in da house", kündigte Jason sich an und glitt dabei tanzend neben mir. Seinen Arm um mich schwingend zwinkerte er Nathan kurz zu und begrüßte Christian mit einem vertrauten Zunicken. „Wir beide müssen reden."

Weil ich natürlich sehr schnell und spontan auf solche Sätze, die aus Prinzip meine Organe in die dunkelsten Ecken jagten, antworten konnte, brachte ich ein hilfreiches „Uhm..." heraus, gefolgt von einem eher fragenden als aussagenden „Okay". Doch mehr brauchte er anscheinend nicht, weil er direkt aufstand, meine Hand nahm und in die Küche zog.

Ich konnte Nathan gerade noch einen misstrauischen Blick zuwerfen, ehe er aus meinem Blickfeld verschwand. „Was war denn das?"

„Also, einfach zuhören, ja? Ich weiß nicht, ob du Pretty Little Liars gesehen hast, aber du kennst ja sicherlich Hannah und Caleb. Also, eigentlich war ich Caleb und Nathan war meine Hannah, aber irgendwie bist du jetzt Calebs Hannah und Nathan ist Caleb und ich... Ich bin cool, aber das spielt ja keine Rolle, sondern viel mehr, dass du immer noch viel Scheiße durchmachen musst und egal was passiert, Caleb und Cool sind für dich da. Also, falls du-" – „Jason, beruhige dich. Was ist los?" – „Man hat Jacks... Milows Leiche gefunden. Es ist die Rede von Suizid, aber ich denke nicht, dass das wahr ist-" – „Bitte, was?!"

Es war Christians wütender Ruf, doch er ging an mir vorbei. Meine Blutbahnen gefroren zu Blut und die verschiedensten Gedanken und Gefühle überströmten mich. Er war tot. Jack. Suizid? Nein, er war viel zu geisteskrank, viel zu stolz, als dass er sich selbst hätte umbringen können. 

Dann also Mord? Rache? Nein. Ein Zeichen. Warum? Wer? Wann?

Ich spürte, wie mir leicht schwarz vor Augen wurde, doch ehe ich die Kontrolle verlieren konnte, krallte ich mich an die Theke und schloss kurz die Augen. Ich blendete die Schreie und Wut um mich herum aus, ignorierte Nathans Worte. Lediglich die Wärme seines Körpers ließ ich in meinen Geist eindringen und mich in eine ruhige Gedankenphase versetzen.

„Hört auf", unterbrach ich die laufenden Diskussionen. Ich war überrascht über die Festigkeit in meiner Stimme, doch es verlieh mir die Sicherheit, welche ich für meine kommenden Aussagen brauchte.

„Irrelevant ob Suizid oder Mord. Irgendwas ist hier noch falsch und ich hab' es satt. Ich hab' die Schnauze voll davon, dass ich andauernd wegrenne und dann doch niemals den Verfolger abhängen kann. Warum können wir nicht einfach diesen Drecksmenschen zeigen, dass wir unser Leben nicht nach ihnen richten?"

Wut erfüllte meine Sinne und ließ mich das erste Mal in meinem Leben einen klaren Beschluss fassen, vollkommen unabhängig von meinen Ängsten, von meinen schlimmsten Träumen und von all den mit Horror gefüllten Szenarien, welche sich hinter den absurdesten Gedanken versteckten. Und mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich zu lange weggerannt war und mich stellen musste. Kein wegrennen mehr, sondern Stirnbieten.

Eine angespannte Stille folgte auf meinen kleinen Ausbruch hin, doch ich wusste, dass es kein schweigendes Widersprechen war, sondern viel mehr Zustimmung. Dies wurde mir bestätigt, als Christian tief einatmete und sich den Nasenrücken massierte. „Ich werde mich darum kümmern."

Mit diesen Worten verschwand er. Kaum hatte er den Raum verlassen, ergriff Jason seinen Autoschlüssel, drehte sich zu uns und ließ die Metalle mit einem Händewackeln gegeneinander klirren.

„Wohin fährst du?" Nathan zog die Stirn kraus, als er betrachtete, wie sein bester Freund seine Hand ergriff und die Finger miteinander verschränkte. „Und was zum Teufel machst du da?" Skeptisch warf Jason meinem Freund einen Blick zu, ehe er gespielt schelmisch zwinkerte: „Ach, Hannah, Baby. Ich will doch einfach nur Zweisamkeit mit dir genießen."

Wenn jemand einen Preis für unangebrachte Kommentare zu einer falschen Zeit bekommen würde, dann wäre es niemand anderes als Jason. Und wenn jemand einen Preis für beruhigende Bemerkungen zur Lockerung der Spannung verleihen sollte, so würde Jason dem Titel alle Ehre machen. 

Ich bin zurück mit einem erneuten Kapitel woho! Kurz zum Verlauf der weiteren Story: Ich werde in den kommenden Monaten mein Schulabschluss absolvieren. Das bedeutet also, dass ich absolut keine Nerven haben werde zu schreiben. Daher ist eher weniger damit zu rechnen, dass ich vor April poste, ABER:

Ich habe mir vorgenommen in meiner Pause nach dem Abschluss diese Geschichte zu beenden! 2019 soll mein Jahr werden, also tu ich auch alles, ob angefangene Dinge zu beenden. :)

Frohes Neues! xT

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