10 | Ein Date
Es war Dienstagnachmittag, und ich war nervös. Gut, okay ... Ich war ein reines Nervenbündel! Ich war absolut unruhig, gereizt, und total angespannt.
Gestern hatten Anja und ich viel für die Uni zu tun gehabt, sodass wir nicht wirklich zum Reden gekommen waren. Auch wusste sie von mir nur flüchtig, dass ich die Tage mal mit Gabriel ausging.
Den ganzen Tag lang machte ich mir Gedanken darüber, was ich anziehen sollte, doch ich wusste es nicht. Sollte ich mich normal kleiden? Hübscher als sonst? Sexy?
„Anja!", plärrte ich durch die ganze Wohnung, sodass sie mich nicht überhören konnte. Keine Minute später stand sie auch schon in meinem Türrahmen, und schaute mich fragend an.
„Du weißt ja, oder vielleicht auch nicht, dass ich mich heute mit Gabriel treffe", nuschelte ich.
„Was? Heute?" Anja war nun ganz bei mir. „Das hast du mir verschwiegen." Sie deutete mit dem Zeigefinger auf mich. „So etwas darfst du mir nie mehr verschweigen, hörst du?"
Ich nickte. „Ich habe ein Problem."
„Welches?" Anja war voll in ihrem Element. Seitdem sie sich mit Max am Sonntag ausgeredet hatte, war sie sowieso wie ein anderer Mensch. Sie schien glücklicher als sonst zu sein. Zwar wusste ich noch immer nicht, was sie miteinander beredet hatten, doch ich konnte erkennen, dass es beiden gutgetan hatte. Womöglich hatten sie nicht nur geredet, aber das wollte ich nicht so genau wissen!
„Ich weiß nicht, was ich anziehen soll."
„Das ist doch leicht." Anja grinste mich an, schloss die Zimmertür, und ging auf meinen Kleiderschrank zu. Sofort ergriff sie mein schwarzes Cocktailkleid.
„Bist du dir sicher? Ist es nicht ein bisschen zu ..."
„Zu sexy?" Anja hob eine Augenbraue. „Glaub' mir Schätzchen, dieses Kleid ist perfekt für einen Abend wie diesen."
„Ich bin etwas unsicher", gab ich zu.
„Naja, in deiner Jeans und einer Bluse kannst du dich nicht verstecken. Zumindest bitte nicht heute. Du solltest zeigen, dass du zu einer richtigen Frau herangewachsen bist, und, dass du verdammt gut aussiehst. Und in diesem Kleid siehst du verdammt noch einmal gut aus!" Anja drückte mir das Kleid in die Hand und lächelte mich an. „Du musst es tragen. Versprich es mir." Ihr Blick war flehend. "Gabriel wird begeistert sein, und nicht mehr aufhören können zu sabbern."
„Gut, ich werde es anziehen", meinte ich. Doch schon allein bei dem Gedanken, mich so schick für einen Jungen zu machen, schlug mein Herz schneller. Noch dazu für Gabriel. Er war für mich schon immer etwas Besonderes gewesen, und ich hatte Angst, dass dieser Abend anders werden könnte. Anders, als ich es mir in meinen Tagträumen vorstellte, und, dass ich danach enttäuscht sein würde.
Nachdem ich mich geduscht, geschminkt, und hergerichtet hatte, schlug die Stunde der Wahrheit. Würde mich Gabriel in diesem Kleid sehen wollen, oder nicht? Ich eilte ins Wohnzimmer, um noch einen Schluck Wasser zu trinken.
"Wow, Kassy", stieß eine mir bekannte Stimme anerkannt aus. Ich drehte mich zu meiner anderen Mitbewohnerin Lisa um, und lächelte sie leicht an.
"Ich habe ein Date", erklärte ich mit zittrigem Unterton.
"Das dachte ich mir." Sie stieß einen Pfiff aus. "So aufgebrezelt habe ich dich noch nie gesehen. Du siehst fantastisch aus."
"Danke."
Lisa ließ ihre blau-grünen Augen über meinen Körper wandern, und deutete mit ihrem Daumen nach oben. Während ich also in einem schwarzen Kleid vor ihr stand, und mich aufgehübscht hatte, stand sie in ihrer Jogginghose, ihrem Schlafshirt, und komplett ungeschminkt mir gegenüber. Ja, so würde ich jetzt auch aussehen, wenn ich kein Date hätte! Ihre dunkelblonden Haare hat sie zu einem unordentlichen Dutt nach oben gebunden. Sie lächelte mich breit an, und fügte hinzu: "Wer auch immer der Glückliche ist, ihm werden die Augen aus den Augenhöhlen fallen."
"Oh, bitte nicht." Ich lachte unsicher auf. Doch Lisa schaffte es mit ihrem seltsamen Humor immer wieder, mich zum Lächeln zu bringen. "Ich muss nochmal in mein Zimmer."
"Alles klar. Viel Spaß, wünsche ich dir!"
"Danke."
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Meine Hände zuckten leicht, als ich die Türklingel vernahm. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich war angezogen, hatte meine Handtasche gepackt, und starrte mich im Spiegel nochmal an.
Darin sah ich mich. Nicht wie sonst, normal bekleidet. Ich sah mich, in meinem schwarzen Kleid, welches mir bis zu den Knien reichte. Meine langen schwarzen Haare, die mir über die Schultern fielen. Meine stechend blauen Augen, welche dem ganzen Ich Farbe verlieh. Ich sah mich an, und fand mich nicht so unattraktiv, wie sonst immer. Ich fand, dass ich gut aussah, und lächelte mich aufmunternd an. Selbstsicher würde ich jetzt aus dieser Tür rausgehen, und Gabriel begegnen. Wir würden uns amüsieren, und einen schönen Abend haben. Jawohl!
Ich atmete noch einmal tief ein und aus, ehe ich die Zimmertür öffnete und hinaustrat.
Im Wohnzimmer wartete bereits Gabriel auf mich, Anja stand daneben. Sie nickte anerkennend. Gabriel öffnete kurz den Mund, um etwas zu sagen, klappte ihn aber wieder zu. Ich hatte nicht erwartet, ihn sprachlos zu machen, doch es gefiel mir. Schmeichelte mir.
Er räusperte sich. „Du siehst ... umwerfend aus." Gabriel kam mir entgegen, und schloss mich in eine wohlige Umarmung. Ich sog seinen Duft nach teurem Aftershave ein, und löste mich von ihm.
„Danke", entgegnete ich, und musterte ihn ebenso von oben nach unten. Auch er sah sehr gut aus, und hatte sich schick angezogen. "Du aber auch", murmelte ich, sodass nur er es hören konnte. Ich sah, wie seine Mundwinkel in die Höhe schossen.
Wir verabschiedeten uns von Anja, die uns beiden viel Spaß wünschte. Dann gingen wir zu seinem Auto. Er öffnete mir die Beifahrertür, und schloss sie, als ich saß.
„Wohin fahren wir?", wollte ich von ihm wissen, als er den Motor startete.
„Das wirst du gleich sehen", meinte er geheimnisvoll und betrachtete mich nochmal von der Seite. „Kassy, du siehst heute wirklich unglaublich aus."
„Danke." Ich lächelte. So schöne Worte hatte noch nie ein Junge zu mir gesagt. Die Art, wie er mit mir redete, und wie er mich anschaute, ließ eine Gänsehaut über meinen Körper ziehen. Das alles war definitiv nicht normal.
Gabriel parkte nach einer Viertelstunde Fahrt sein Auto hinter einem Italiener, in dem ich noch nie war. Es war ein nobles italienisches Restaurant, in welchem er einen Tisch für zwei Personen reserviert hatte. Außer uns waren natürlich noch viele andere Menschen da.
„Weißt du eigentlich, dass daneben eine Seniorenresidenz ist?", fragte mich Gabriel, während wir unsere Speisekarten studierten.
„Nein, das wusste ich nicht."
„Der Inhaber dieser Residenz möchte dem Leiter dieses Restaurants das Grundstück abkaufen, doch er bleibt hartnäckig. Denn er liebt sein Geschäft und seine Arbeit." Gabriel lächelte mich warm an, und ich grinste zurück.
„Es ist schön, wenn man einer Arbeit nachgeht, die man gerne macht. Ich hoffe, dass ich in ein paar Jahren noch immer so gerne Lehrerin sein möchte, wie ich es im Moment will. Die beruflichen Ziele ändern sich doch ständig, und ich kenne so viele Menschen, die den Job oft wechseln, weil sie plötzlich etwas anderes machen möchten."
„So wie ich", gab Gabriel zu und ich schaute wieder von meiner Speisekarte auf.
„Was hast du denn schon alles gemacht? Beruflich, meine ich."
„Ich habe eine Lehre als Automechaniker abgeschlossen, bin danach zum Bundesheer gegangen und habe mir meinen Kindheitstraum, ein Soldat zu werden, erfüllt. Dort war ich jahrelang Sanitäter. Mittlerweile möchte ich aber Arzt werden und habe deswegen vor einem Jahr das Medizinstudium begonnen. Zwar liegt jetzt ein langer Weg vor mir, aber ich möchte das so sehr, dass ich weiß, dass ich das schaffen kann. Ich muss mich nur richtig reinhängen."
„Ich glaube auch, dass du das schaffst. Immerhin hast du in deinem Leben schon viel erreicht." Mein Mundwinkel zuckte nach oben. „Mich wundert es nur, dass du schon so viel erlebt hast. Dabei bist du noch keine Vierzig."
"Oh, ich habe noch viel mehr erlebt", murmelte er kaum hörbar, sodass ich schon fast dachte, mich verhört zu haben.
Der Kellner unterbrach unser Gespräch, indem er die Bestellung aufnahm. Ich hatte mich für Tortellini entschieden, denn die klangen richtig gut. Gabriel bestellte sich die Pizza des Hauses.
Als wir auf unser Essen warteten, redeten wir noch über belanglose Dinge. Wir quatschten in der Zwischenzeit darüber, was wir alles erlebt hatten, wo wir auf Urlaub waren, und welche Länder wir noch bereisen wollten. Es war schön, sich mit ihm zu unterhalten, und es fühlte sich beinahe wie früher an. Wir redeten miteinander, als wären wir nie voneinander getrennt gewesen.
„Arbeitest du eigentlich nebenbei?", wollte ich von ihm wissen.
„Nebenbei arbeite ich beim Tierarzt." Staunend hob ich eine Augenbraue. „Ich weiß, ich weiß." Er lachte. „Ich bin auch noch keine Dreißig. Aber irgendetwas muss ich nebenbei einfach machen. Anfangs wollte ich Veterinärmedizin studieren, doch Wien war nichts für mich. Wien war mir zu groß." Er zuckte mit den Schultern. „Außerdem sind es die Menschen, denen ich helfen möchte. Den Jungen, sowie den Alten. Den Armen, sowie den Reichen. Ich habe herausgefunden, dass es das ist, was ich wirklich will. Doch den Job beim Tierarzt habe ich ziemlich schnell bekommen, und die Arbeit mit den Tieren macht mir Spaß, deswegen habe ich ihn behalten."
„Ich kann mich noch an deine Katze von früher erinnern. Ich weiß noch, wie gern du sie hattest. Dein Herz war schon immer offen für alle Lebewesen." Ich lächelte ihn an, und in dem Moment wo er etwas erwidern wollte, kam der Kellner auf uns zu, und brachte uns das Essen.
Während dem Essen sprachen wir nicht viel miteinander, doch das passte so. Außerdem waren die Tortellini das Beste, was ich seit Langem zu mir genommen hatte, abgesehen von der Pizza letztens natürlich.
Als wir mit dem Essen fertig waren, fragte mich Gabriel: „Arbeitest du auch nebenbei?"
„Auch wenn du dir es kaum vorstellen kannst, aber ja, das tue ich. Meine Mama ist eine Putzfrau in einem angesehenen Hotel, aber sie könnte mir damit nie das Studium finanzieren. Außerdem hat mein Vater einen Berg voll Schulden hinterlassen, den meine Mama leider noch abbezahlen muss. Im Ganzen geht es meiner Mama nicht sonderlich gut." Ich seufzte. „Aber mein Nebenjob macht mir Spaß. Ich arbeite bei der Schülerhilfe, und helfe den Kindern und Jugendlichen in den Fächern Deutsch und Geschichte. Ab und zu auch in Englisch, obwohl das nicht mein Spezialgebiet ist, doch in der englischen Grammatik bin ich ziemlich gut." Ich hob meine Schultern und stülpte meine Lippen ineinander.
„Die Sprachen scheinen dir wohl zu liegen, das ist gut. Ich bin ziemlich schlecht in den verschiedensten Sprachen. Es ist eine richtige Challenge für mich, all die lateinischen Wörter zu lernen, die ich für das Medizinstudium brauche." Gabriel lachte in sich hinein. „Aber was wäre das Leben ohne eine Herausforderung?"
„Das Leben wäre dann langweilig." Ich lachte ebenso, und schaute ihm in die Augen. Seine braunen Augen zogen mich in den Bann. Sie waren so dunkel, dass man die Pupillen fast nicht mehr erkennen konnte. Schon früher fand ich, dass er schöne Augen hatte, doch als Kind machte man sich darüber nicht so viele Gedanken.
Für eine kurze Zeit schwiegen wir uns an, doch diese Stille empfand ich als nicht störend. Vor gut zwei Wochen, als wir uns das erste Mal wieder getroffen hatten, hatte ich diese Stille im Zimmer anstrengend gefunden, und mich unwohl gefühlt. Doch im Moment war alles perfekt.
„Sind deine Eltern noch immer so religiös wie damals?", wollte ich von Gabriel wissen.
Seine Eltern hatten ihre Kinder nämlich nach den drei Erzengeln Michael, Gabriel und Raphael benannt, und seine Schwester nach Maria Magdalena aus dem neuen Testament. Jedes Mal, bevor es zu essen gab, beteten sie ein Tischgebet, und erst dann speisten sie. Auch vor dem Schlafengehen wurde immer gebetet. Damals fand ich es lustig, doch heute konnte ich es verstehen. Jeder hatte eine andere Religion, und glaubte an etwas anderes. Jeder Mensch vertrat seinen Glauben anders.
Ich hingegen wusste nicht, was ich glauben sollte. Meine Weltanschauung war der Agnostizismus, ich war also eine Agnostikerin. Ich glaubte an etwas, wusste aber nicht an was. Ich glaubte, dass es etwas gab, doch dass es immer ungeklärt bleiben würde. Mir fehlte einfach die Gewissheit, dass es tatsächlich eine höhere Macht gab. An manchen Tagen war ich der festen Überzeugung, dass es jemanden im Himmel gab, doch an manchen Tagen glaubte ich genau das Gegenteil. Für mich war es schwierig, die Frage, ob es einen Gott, oder vielleicht sogar mehrere gab, zu beantworten. Ich konnte diese Frage nicht mit einem Ja oder einem Nein beantworten, sondern nur mit einem Ich weiß es nicht.
„Oh ja, das sind sie." Gabriel grinste mich an. „Doch sie wissen auch, dass sie uns nicht dazu zwingen können, zu Glauben. Sie wissen, dass wir selbstständige Menschen sind, die an das glauben, was für sie richtig ist."
„An was glaubst du denn?" Seine Antwort auf meine Frage ließ mich neugierig werden.
„Ich glaube sehr wohl an Gott, falls du das bezweifelt hast. Doch ich glaube nicht, dass ich jede Nacht und vor jedem Essen für ihn beten muss."
„Ist es schlimm, wenn ich dir sage, dass ich nicht weiß, ob es ihn gibt? Dass ich nicht weiß, ob ich an ihn glauben soll?" Ich musste schlucken, denn ich wusste, dass seine Eltern sehr religiös waren. Was, wenn sie mich nicht akzeptieren würden, weil ich anders war. Und überhaupt: Warum machte ich mir gerade darüber Gedanken, was Gabriels Eltern über mich denken könnten?!
„Vielen Menschen ergeht es so. Wenn du damit glücklich bist, dann ist es so. Niemand kann dich zu deinem Glauben zwingen. Das was du glaubst, und woran du glaubst, liegt ganz allein bei dir."
Nachdem Gabriel bezahlt hatte und wir wieder im Auto saßen, startete er den Motor noch nicht.
„Der Abend ging sehr schnell vorüber", meinte er, ohne mich anzusehen. „Möchtest du vielleicht noch mit zu mir? Wir könnten uns einen Film anschauen." Nun schaute er mich an, und ich starrte in sein fragendes Gesicht. Wieder merkte ich, dass er nervös war. Aber ich war es auch.
„Sehr gerne", erwiderte ich daher, und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln.
Er startete den Motor. „Meine Schwester wird vermutlich nicht zu Hause sein, aber dafür Penny und Lenny."
„Wer sind denn Penny und Lenny?" Doch ich konnte es mir schon denken, und ich lag mit meiner Vermutung richtig.
„Das sind unsere beiden Katzen. Beziehungsweise, Penny ist eine Katze, und Lenny ist ein Kater. Beide haben sie Leukose, deswegen dürfen sie nicht mit anderen Katzen in Kontakt kommen, und leben nur in unserer Wohnung."
„Oh, sie sind krank?", fragte ich betrübt.
„Ja, aber es geht ihnen gut. Außerdem haben sie sich beide gegenseitig. Ich konnte nur nicht zulassen, dass sie ins Tierheim kommen, also habe ich sie vom Tierarzt mit nach Hause genommen. Penny und Lenny sind keine Geschwister, und eigentlich hatte ich zuerst nur Penny, aber als ich Lenny einige Monate darauf kennenlernte, konnte ich ihn nicht hängen lassen. Außerdem fand ich den Gedanken schön, dass Penny jemanden zum Spielen hat."
„Ich hätte mich auch gewundert, wenn du keine Katze gehabt hättest." Ich lachte und schaute ihn von der Seite an. Ich sah die schönen Grübchen, die er beim Lächeln hatte, und fragte mich, was gerade in ihm vorging.
„Ohne Tiere zu leben, finde ich einsam."
„Ich kenne den Unterschied nicht." Ich zuckte mit den Schultern. „Wie du weißt, hatten wir nie Haustiere. Auch nicht danach. Meine Mama wollte keine Verantwortung für ein Tier übernehmen, und mein Vater hatte sowieso eine Tierhaarallergie." Ich seufzte laut auf. „Ich kann mir ein Leben mit Tier nicht vorstellen. Ich habe sowas einfach noch nie erlebt."
„Ich wiederrum kann mir kein Leben ohne Tier vorstellen." Gabriels Wagen fuhr in eine Einfahrt hinein und er parkte sein Auto an einem vorgesehenen Parkplatz. „Aber seine Vorstellungen darüber, wie man leben möchte, ob mit Tier oder ohne, kann sich ja mit der Zeit ändern", meinte er.
Als Gabriel die Haustür aufschloss, wurden wir sofort von zwei miauenden Lebewesen begrüßt. Schnurrend schmiegte sich eine grau-getigerte Katze an Gabriels Bein.
„Hallo Penny." Er streichelte sie liebevoll, als er das Licht anmachte. Bei seiner Stimme kam auch sofort ein schwarz-weißer Kater um die Ecke gerannt. Dieser blieb aber sofort abrupt stehen, als er mich sah.
„Du musst Lenny entschuldigen. Er ist etwas schüchtern was fremde Personen angeht. Er vertraut den Menschen nicht so schnell, wie Penny."
„Das ist kein Problem." Ich lächelte und bückte mich, um Penny zu streicheln, welche sofort ihren Kopf in meine Handinnenfläche schmiegte.
„Möchtest du etwas trinken?", fragte mich Gabriel, als er sich die Schuhe ausgezogen hatte.
„Ein Wasser, bitte."
Gabriel lachte. „Du weißt schon, dass ich auch hier etwas anderes anzubieten habe. Du könntest auch eine Cola haben."
„Danke, aber ich trinke hauptsächlich Wasser", gestand ich ihm.
„Das ist wenigstens gesund", entgegnete er, und überreichte mir ein Glas. „Möchtest du dir etwas anderes anziehen?", fragte er mich, als er mein Kleid betrachtete.
„Wieso?"
„Nur wegen den vielen Katzenhaaren, und um es dir bequem zu machen."
„Das Kleid ist eigentlich ganz angenehm, und außerdem habe ich nichts anderes mit", schmunzelte ich.
„Das war mir klar." Er grinste. „Aber du kannst auch ein T-Shirt von mir anziehen, wenn du willst."
„Das passt schon so, wirklich. Aber danke für das Angebot." Ich biss mir auf die Lippe, als er nicht hersah, und studierte ihn von hinten. Sein blondes Haar stand ihm etwas wirr zur Seite, und er hatte einen sehr muskulösen Körperbau. Selbst durch sein T-Shirt konnte ich die Muskeln erkennen. Verflixt, wieso sah er auch so gut aus? Er machte es mir echt schwer, keine anderen Gefühle als reine Freundschaft zu empfinden.
Gabriel suchte für uns den Film Mr. & Mrs. Smith aus. Ich kannte diesen Film bereits, fand ihn aber immer wieder aufs Neue großartig. Einzig und allein schade daran fand ich, dass sie beiden Hauptdarsteller im wirklichen Leben nicht mehr zusammen waren. Aber wenn es nicht mehr funkte, dann war es besser, wenn man unterschiedliche Wege ging.
Irgendwann mitten im Film stand Gabriel auf uns holte eine Packung Chips.
„Zwar bin ich noch immer voll von dem leckeren Essen, aber ich muss etwas Knabbern."
Ich lächelte ihn an. „Ob du es glaubst oder nicht, ich auch. Das mache ich immer so, wenn ich einen Film anschaue."
„Oh nein, warum sagst du denn nichts?" Gabriel schlug sich gespielt auf die Stirn. „Ich habe vollkommen darauf vergessen. Aber wenn du Lust auf etwas hast, kannst du es mir gerne sagen. Wir haben so ziemlich alles zuhause."
Penny war durch Gabriels Stimme auf uns aufmerksam geworden und sprang zu uns auf das Sofa. Dort machte sie es sich neben Gabriel gemütlich. Auch Lenny wagte einen Blick ins Wohnzimmer, überlegte es sich dann aber anders, und spazierte auf seinen Samtpfoten in ein anderes Zimmer.
Als der Film zu Ende war, war es bereits Mitternacht.
„Ich denke, ich sollte nun nach Hause", gab ich von mir, und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Der Abend war zwar sehr schön gewesen, aber langsam schlich die Müdigkeit in meinen Körper.
„Natürlich." Gabriel stand auf, brachte unsere Gläser in die Küche. Wir gingen gemeinsam in das Vorzimmer, wo unsere Schuhe standen.
Bis wir unten beim Auto waren, sagten wir kaum etwas. Lediglich Gabriel verabschiedete sich von seinen Katzen und versprach ihnen, bald wieder daheim zu sein.
„Verabschiedest du dich immer von ihnen?", wollte ich wissen.
„Eigentlich schon. Selbst wenn ich sehr im Stress bin, aber das vergesse ich nie." Er war wieder ganz der Gentleman, und öffnete mir die Autotür, damit ich einsteigen konnte.
Als wir bei meiner Wohnung ankamen, sah ich, dass bei Anjas Zimmer noch immer das Licht brannte. Sie hatte wahrscheinlich extra so lange auf mich gewartet, damit sie jedes noch so kleine Detail aus mir rausquetschen konnte.
„Der Abend mit dir war wirklich schön. Ich danke dir dafür, Kassandra."
Als er meinen vollen Namen aussprach, schaute ich ihm in die Augen. Mein Herz hämmerte wie wild, und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Er sah mich an, als sei ich kostbar. Als sei ich wertvoll. All das verwirrte mich. Diese Gefühle, die ich für ihn hatte, die hatte ich noch nie für jemanden empfunden.
„Nein, ich danke dir. Du hast all das möglich gemacht. Es war schön mit dir."
„Vielleicht können wir das wiederholen."
„Gerne." Ich schluckte. „Wir können auch einfach nur mal einen Film schauen", schlug ich vor.
„Das klingt gut", erwiderte er. Er nahm meine linke Hand in seine und streichelte sanft darüber. Er musste merken, dass meine Hand leicht zitterte. Nicht weil mir kalt war, sondern weil ich nervös war. War er es auch?
Danach herrschte Stille.
Gabriel schaute mir in die Augen. Kurz wanderte sein Blick weiter zu meinem Mund, doch er fand schnell wieder nach oben zurück. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, als er weiterhin zärtlich meine Hand streichelte. In meinem Unterleib bildete sich ein Knoten. Hier, jetzt, in diesem Moment existierten nur wir beide. Niemand sonst.
„Gibst du mir dein Handy, damit ich meine Nummer einspeichern kann?" Meine Stimme klang seltsam rau. Ich räusperte mich.
Tatsächlich hatte ich diese Frage noch nie jemandem gestellt. Doch Gabriel zögerte nicht, sondern schnappte sich sein Handy, um es mir zu reichen.
Nachdem ich dies getan hatte, stiegen wir beide aus dem Wagen aus. Gabriel kam auf meine Seite, und schloss mich ein letztes Mal für heute in eine feste Umarmung. Sein angenehmer Duft benebelte kurz meine Sinne, sodass ich an nichts anderes außer ihn denken konnte, ehe ich die Umarmung herzhaft erwiderte. Mein Kopf schmiegte sich an seinen Oberkörper, um seinem regelmäßigen Herzschlag lauschen zu können.
Es tat gut, einige Minuten einfach nur so dazustehen, und die Nähe des anderen zu genießen. Ehrlich gesagt war das richtig schön.
„Bis bald, Kassy."
„Bis bald, Gabriel."
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