79. Raven Cooper and Scott McCall #oncepartofthepack #alwayspartofthepack
Ich weiß nicht, welches Geräusch zuerst an meine Ohren dringt: das rücksichtslose Aufstoßen der gläsernen Doppeltüre oder die Stimme von McCall.
Raven, nicht.
Um ehrlich zu sein weiß ich auch noch nicht einmal, welches Gefühl als erstes durch meinen Körper rauscht als ich die beiden Geräusche im Einklang höre: die Angst, vor dem was mit dem Alpha und seinem Rudel passieren könnte, Wut, weil er es tatsächlich bis hier her geschafft hat und meinen Plan mit seiner Eigensinnigkeit ruiniert oder vielleicht doch sogar ein kleines bisschen Freude, weil er tatsächlich für mich gekommen ist.
Ich schließe sekundenlang meine Augenlieder und ordne meine, sich überschlagenden, Gedanken. Einmal tief durchatmen. Dann drehe ich mich mit gestrafften Schultern und einem undurchschaubaren Pokerface um und riskiere einen Blick in die Richtung des wahren Alphas.
Er steht mir gegenüber, jedoch mit einem meterweiten Abstand zwischen uns. Ich kann sehen, dass er und sein Rudel ohne zu Zögern aufgebrochen sind. Er trägt ein graues Langarmshirt und darüber nur eine dünne Jeansjacke, dessen Stoff durch das regnerische Wetter bereits durchnässt ist. Seine braunen Haare sind Nass, wirken durch die Feuchtigkeit jedoch fast Schwarz. Seine grauen Halbschuhe: schlammverschmiert.
„Wie habt ihr mich gefunden?" stelle ich jetzt dem anwesenden Rudel - McCall, Stiles, Liam, Mason und Isaac - eine neutrale Frage, ohne mich von der Stelle zu bewegen. Auch McCall bleibt bewegungslos stehen, was auch den Rest seines Rudels dazu veranlasst nur wenige Meter von der Eingangstüre entfernt stehen zu bleiben, die in der Zwischenzeit wieder leise quietschend zugefallen ist. Ich richte meinen Blick abwartend auf McCall, der sofort den Blickkontakt aufnimmt.
„Warum tust du das?" stellt er mir nach wenigen schweigenden Sekunden eine ausweichende Gegenfrage und kommt mit schnellen Schritten auf mich zu. Seine Freunde folgen ihm zögerlich, bleiben jedoch die ganze Zeit hinter ihm. Ich dagegen stehe jetzt direkt vor ihm. Ich kann sehen, wie sich seine Brust trotz der Situation ruhig hebt und senkt. Ich kann seinen unvergesslichen Körpergeruch wahrnehmen, den ich jetzt - gefühlt - zum ersten Mal bewusst bemerke. Ich kann jeden Zentimeter seines Gesichtes erkennen. Ich habe das Gefühl, die kleine Narbe an seinem linken Wangenknochen zum ersten Mal zu bemerken.
Ich lasse mir wenige Sekunden Zeit zum Antworten, halte den Blickkontakt mit McCall jedoch Stand. Einzelne Wassertropfen lösen sich von seinen dunklen Haarsträhnen und bahnen sich einen unvorhersehbaren Weg über seine naturgebräunte Haut. Durch den Regen wirken selbst seine Wimpern dunkler als sonst und für einen Jungen untypisch lang. Seine sonst nussbraunen Augen wirken in diesem Licht nahezu komplett schwarz und trotzdem steckt in ihnen so viel mehr Gut, als ich jemals zeigen könnte. Ich atme tief durch.
„Weil ich zu ihm gehöre!"
„Zwingt er dich dazu?"
Ein humorloses Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht und langsam schüttele ich den Kopf. Mein Herzschlag bleibt ruhig, worauf der Alpha jedoch nicht zu achten scheint. Er hebt langsam seine Hände, als würde er sie sanft auf meine Oberarme ablegen wollen. Ich jedoch weiche minimal einen Schritt zurück, was dem Alpha dazu veranlasst sichtbar verletzt die Arme wieder zu senken. „Ihr solltet gehen," ich versuche es mit abweisenden Worten, sehe aber schon jetzt die Willenskraft von McCall mich hier herauszuholen - und auch wenn es mich überrascht, zeigen die anwesenden Rudelmitglieder ähnliche Zuversicht.
Sie werden alle sterben.
McCall unterbricht den Blickkontakt zwischen uns und richte seine dunklen Augen stattdessen selbstbewusst auf die Person leicht schräg hinter mir. Crowley. Bevor ich ebenfalls einen Blick zurückwerfen kann, hat sich der Alpha bereits an mir vorbeigedrückt und steht somit schützend zwischen mir und meinem Vater, der sich seit der überraschenden Unterbrechung unseres Treffens verdächtig still verhält. Selbst jetzt steht er noch immer entspannt im Raum, als würde dieses ganze Theater zu seinem Plan gehören. Jedoch kann ich seine Arme sehen, die zwar locker an seinem Oberkörper herabhängen, jedoch unübersehbar angespannt sind.
„Was hast du ihr versprochen?" fragt McCall jetzt mit einer emotionslosen Stimme, die selbst mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagt. Noch nie habe ich ihn so ernst gehört, was meinen Vater jedoch nicht im geringsten zu beeindrucken scheint. „Versprochen?" fragt er stattdessen mit einer hämischen Stimme nach, bevor er amüsiert weiterspricht: „Ich habe ihr gar nichts versprochen!" Sein Herzschlag bleibt ruhig, aber in einer gewissen Art und Weise spricht er ja auch die Wahrheit. Jedoch scheint McCall diese Tatsache nicht zu sehen, oder einfach nicht sehen zu wollen. Er ballt seine Hände langsam zu Fäusten und sagt mit einer drohenden Stimme: „Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast sie auf deine Seite zu ziehen. Aber entweder ihr haut jetzt ab und lasst sie in Ruhe," ich ziehe leicht beeindruckt die Augenbrauen nach oben, „Oder wir werden uns gegen euch verteidigen!"
„Ich würde abhauen!" ertönt jetzt die ratende Stimme von Stiles, der hinter McCall steht und seinen metallischen Baseballschläger bei sich trägt. Dieser fällt mir erst jetzt auf. Jedoch kann ich Mr. Große Klappe in dieser Sekunde nicht länger meine Aufmerksamkeit schenken. Stattdessen richte ich meinen Blick zurück auf McCall und meinen Vater. Dieser hat ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen und ich kann sehen, wie er langsam damit anfängt seine Hände zu heben. Ich ziehe scharf die Luft ein und vergesse für wenige Sekunden zu Atmen.
„Du denkst also wirklich, dass du mich besiegen kannst?" fragt mein Vater jetzt herablassend und ein hellgrauer Nebel fängt an, sich um seine Füße zu legen. Zur selben Zeit scheinen alle Anhänger meines Vaters demonstrativ einen Schritt vorzutreten, was das McCall Rudel von dem aufsteigenden Nebel ablenkt. Ich jedoch starre gebannt darauf. Unfähig mich zu bewegen.
„Hat doch das letzte Mal scheinbar auch funktioniert," wirft Isaac jetzt schulterzuckend aus dem Hintergrund ein und wäre ich in dieser Sekunde nicht gefesselt von dem Nebel - und von dem, was gleich passieren könnte - würde ich mich Augenverdrehend zu ihm umdrehend und ihm einen genervten Blick zuwerfen. So jedoch höre ich dem Gespräch nur mit einem Ohr zu.
„Dachtet ihr wirklich, ich mache denselben Fehler zweimal?"
Der Hohn in der Stimme meines Vaters ist nicht zu überhören und während ich gestern in der Schule sekundenlang niemand in der Nebelschwabe erkennen konnte, kann ich bereits jetzt die altbekannten grauen Turnschuhe von Ryan und die schwarzen Chucks von Rose ausmachen. Dabei ist der gräuliche Nebel bisher erst zu den Fußknöcheln meines Vaters aufgestiegen. Somit ist er für das Rudel noch immer ein kleines Detail, dass scheinbar keiner von ihnen zu bemerken scheint. Bewegung kommt in mich.
Mit wenigen Schritten stehe ich ruckartig meinem Vater direkt gegenüber. Zur selben Zeit schiebe ich McCall mit einer blitzschnellen Bewegung hinter mich, was er vor Überraschung vorerst tatenlos zulässt. Auch wenn ich sein protestierendes Luftholen bereits hören kann. Crowley jedoch schenkt mir keine Aufmerksamkeit, sondern starrt den Alpha hinter mir weiterhin mit einer gewissen Vorfreude an. Seine Hände steigen dabei noch immer langsam seitlich an seinem Körper hinauf, wodurch auch der Nebel zu seinen Füßen langsam aufsteigt.
„Wir hatten einen Deal," sage ich jetzt mit einer warnenden Stimme, wodurch ich auch wieder die Aufmerksamkeit meines Vaters erlange. Er richtet den Blick von McCall auf mich und standhaft erwidere ich diesen. „Was für...," fragt McCall jetzt vorlaut dazwischen und möchte hinter mir hervortreten. Instinktiv hebe ich jedoch meine Hand und hindere ihn somit vorerst am Weiterlaufen. Er nimmt sich meine befehlerische Geste zu Herzen und schweigt vorerst, während seine Brust meine, in der Luft schwebende, Hand leicht berührt. Selbst in dieser Sekunde scheint sein Herzschlag noch immer tief entspannt.
„Ja wir hatten eine Deal. Aber der gilt nur solange, wie deine kleinen Freunde hier," er wirft McCall einen fast schon spielerischen Blick zu, „nicht auftauchen!" Auch wenn seine Worte wohl niedergeschlagen klingen sollen, um mich in meinen Gefühlen zu stärken, höre ich weiterhin die kranke Vorfreude heraus. Crowley scheint sich wirklich auf den Kampf mit lauter minderjährigen Teenagern zu freuen. Seine Hand schwebt in der Zwischenzeit auf Höhe seiner Hüfte, während der Nebel bis zu seinen Kniekehlen angestiegen ist. Hinter mir kann ich leises und hörbar beunruhigtes Gemurmel hören, jedoch scheint der Alpha selbst den Rauch noch immer nicht bemerkt zu haben. Er liefert sich ein verbittertes Blickduell mit meinem Vater, der mir schon längst keine Aufmerksamkeit mehr schenkt.
Ich räuspere mich laut und sage mit einer eindringlichen Stimme: „Nein. Der Deal ist solange geltend, wie dich niemand aus dem Rudel angreift," Crowley richtet seine Augen zurück auf mich und ich hole tief Luft, „Also Halte.Dich.Zurück!" Meine Stimme hat einen Befehlston eingeschlagen, der gleichermaßen bedrohlich und genervt klingt. Zur selben Zeit erlauben meine Worte keinen Widerspruch, was auch mein Vater zu verstehen scheint. Er starrt mir sekundenlang herausfordernd in die Augen, senkt dann jedoch nachgebend die Arme. Der Nebel verschwindet spurlos im Boden und ich kann das Rudel hinter mir verwirrt nach Luft schnappen hören. Ich ignoriere sie und atme stattdessen erleichtert aus. Ein kleines Nicken in Crowley's Richtung symbolisiert mein Respekt für das Einhalten unserer Abmachung.
McCall tritt selbstbewust vor, schiebt mich dieses Mal jedoch nicht schützend hinter seinen Körper. Stattdessen bleibt er etwas nach vorne versetzt neben mir stehen, sodass ich sein seitliches Profil noch gut erkennen kann, sowie seinen ruhigen Blick und seinen angespannten Kiefer. Meine Augen bleiben auf seinem unlesbaren Gesicht hängen und ich verliere mich für wenige Sekunden darin. Mein Herz pocht laut gegen meine Brust, während ich mich nicht genug konzentrieren kann, um die Gefühle von McCall mithilfe meines geschärften Geruchssinns riechen zu können.
„Was auch immer du gegen sie in der Hand hast, lasse es fallen und nehme stattdessen mich!"
Überrascht öffne ich minimal meinen Mund und ziehe automatisch meine Augenbrauen nach oben. Schock steht mir ins Gesicht geschrieben, während Crowley nicht anders reagiert. Jedoch tarnt er seine Überraschung hinter einem belustigt-bewunderten Lächeln, während meine Fassungslosigkeit unübersehbar ist. „McCall was zur Hölle," der Alpha bringt mich mit einer strengen Handbewegung zum Schweigen, was mir gerade Recht kommt. Zum ersten Mal in meinem Leben scheine ich vollkommen sprachlos zu sein.
„Du opferst dich für sie?"
Amüsierte Verachtung in dem Satz meines Vaters, die daher zeugt, dass er selbst dem wahren Alpha nicht zutraut so selbstlos zu sein, um sich für jemanden wie mich zu opfern. Jedoch erkenne ich an der Körperhaltung von Scott, an seinen Worten, selbst an seinem ruhigen Herzschlag, die Ehrlichkeit hinter seinem eigenen Angebot. Er würde es tatsächlich tun. Mein Brustkorb zieht sich schmerzhaft zusammen und obwohl ich ruhig weiter atme, fühlt es sich innerlich so an, als müsste ich panisch nach Luft ringen um nicht zu Ersticken. Tausend Gedanken springen mir ungeordnet in den Kopf und fordern mich dazu einzuschreiten. Aber in dieser Sekunde kann ich mich nicht bewegen.
Hinter mir höre ich das Rudel - allen voran Stiles - protestierend nach Luft schnappen, um McCall ihre Meinung zu dem undurchdachten Vorschlag seinerseits zu sagen. Jedoch ist mein Vater erneut schneller. „Du bist also wirklich bereit alles aufzugeben und das nur um sie zu retten?" McCall nickt zustimmend und obwohl er es nicht für nötig hält seine Zustimmung auch noch in Worte zu fassen, kann ich in seinem Seitenprofil die Überzeugung sehen. Er dreht sich noch nicht einmal zu mir um. Trotzdem kann ich hinter seinen, im Schatten liegenden, Augen erkennen, warum er es tut: Außerdem bist du jetzt ein Teil des Rudels und das heißt, dass wir dich auch wie eins behandeln.
Seine eigenen Worte.
Es kommt mir so vor, als hätte er diese vor etlichen Jahre zu mir gesagt, um mir sein Vertrauen und seine Güte zu symbolisieren. Dabei ist es erst gute vier Monate her und um ehrlich zu sein, hätte ich sie nie für wirklich ehrliche Worte gehalten. Zu mindestens nicht ehrlich genug, um sich darauf basierend in einen Deal mit meinem psychopathischen Vater zu stürzten. Ich weiß, ich sollte einschreiten, bin jedoch noch immer in meinem paralysierten Körper gefangen.
„Naja das Angebot klingt nicht schlecht," wendet Crowley jetzt nachdenklich ein, „Einen wahren Alpha in den Reihen zu haben, klingt tatsächlich verlockender als eine weitere 0815 Mörderin dazu zunehmen!" Obwohl er unverwechselbar über mich spricht, schenkt er mir bei seinen Worten keinen verdammten Blick. Stattdessen beobachtet er weiterhin aufmerksam McCall, der schweigend vor ihm steht und kein Zögern andeutet. Er meint es tatsächlich ernst.
Verdammt ernst.
Ich setze mich ruckartig in Bewegung. Ziehe McCall erneut mit einer Hand kräftig hinter mich und werfe ihm dabei einen mörderischen Blick zu. Zur selben Zeit ziehe ich mit meiner freien Hand die Waffe in meinem hinteren Hosenbund und entsichere sie mit nur einem Finger. Ich drücke den Abzug und schieße Crowley, bevor er oder seinen Leute reagieren können, eine silberne Kugel genau in die Brust. Er sinkt blutend und vor Schmerzen schreiend auf die Knie. Nach wenigen Sekunden ist er Tod.
Zumindest möchte ich das tun. Doch mein Körper bewegt sich, trotz lebhaftem Kopfkino, weiterhin keinen Zentimeter von der Stelle. Ein bisher unbekanntes Gefühl fesselt meinen Körper an den harten Boden, während ich in meinen Gedanken bereits einen wütenden Overkill vollbringe. Ich weiß nicht, warum ich keine Kontrolle mehr über meinen eigenen Körper habe. Vielleicht, weil ich noch immer zu überrascht darüber bin, das McCall mich tatsächlich als Rudelmitglied sieht - als Freund. Als Verbündete. Vielleicht ist das fremde Gefühl in meiner Brust Reue, weil ich ihn und seine Freunde hier reingezogen habe. Vielleicht aber auch eine selbstlose Art von Stolz. Der Stolz darauf, dass McCall diese Selbstmordaktion für mich durchziehen würde.
Jedoch könnte dieses paralysierende Gefühl auch genauso gut von der Angst stammen, die sich in mir breit gemacht haben könnte. Die Angst, dass McCall es tatsächlich durchzieht. Die Angst, die sich entwickelt als ich Crowleys nachdenkliche Worte höre und seine scheinbar ernsthafte Überlegung McCalls Tauschhandel zu akzeptieren. Den wahren Alpha gegen die launische Tochter. Für ihn eine Win-Win Situation. Die Loyalität von McCall scheint er in seinen Überlegungen besser im Griff zu haben, als meine.
Ich muss einschreiten und McCall von einem fatalen Fehler bewahren...und ich muss Crowley davon abhalten, den Deal zu seinen Gunsten anzunehmen. Wer weiß was er mit Scott anstellen würde. Was er mit mir anstellen würde, sobald er jemand besseren in seinen Reihen hat. Ich spüre dieselben, sich überschlagenen, Gefühle, wie in der Nacht in der Rose gestorben ist. Wie in der Nacht, in der ich Ryan von der Leidenschaft getrieben fast die Kehle rausriss. Wie in der Nacht, in der ich erfuhr, dass meine Mutter kaltblütig ermordet wurde.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird mir bewusst, dass ich darüber hinweg kommen muss. Dass ich über diese paralysierende Gefühle hinweg kommen muss, die ich ansonsten jahrelang verdrängt habe. Dass ich endlich etwas tun muss.
Dass ich das Richtige tun muss.
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Hey Leute heute mal wieder ein etwas dramatischeres Kapitel (und nur noch drei weitere bis zum Ende 🙊) und auch mal wieder eine Frage an euch: soll ich die Kapitel lieber mit Raven Cooper oder mit Raven Hale betiteln (also so jetzt erstmal allgemein) aus irgendeinem Grund kann ich mich da nicht entscheiden 🙈
Lg CoolerBenutzername
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