74. Derek Hale
Das Autoradio ist ausgeschalten und obwohl ich sowohl meine, als auch Derek's, entspannte Atemzüge hören kann, spüre ich auch die drückende Stille zwischen uns, die sich wie ein altvertrauter Bekannter zwischen uns breit macht. Dabei vermutet man gerade bei uns - dem langverschollenen Onkel und der aus dem Nichts aufgetauchten Nichte - viel Gesprächsbedarf.
„Also," ich hole tief Luft, bevor ich die Stille mit einer Frage unterbreche, „Woher wusstes du wo ich bin?" Ich drehe meinen Kopf leicht nach links, sodass ich Dereks markantes Gesicht sehen kann. „Weil ich dir gefolgt bin," antwortet mein Onkel daraufhin ohne zu Zögern, während er seinen Blick weiterhin auf die Straße vor uns gerichtet hat und sein Auto gekonnt über den Asphalt lenkt. Seine ehrliche Antwort lässt mich kurz stutzen, während sich automatisch meine Augenbrauen nach oben ziehen. Ich frage genauer nach: „Seit wann?"
„Seit Scott und die anderen das Haus verlassen haben!"
Ich vermute, dass Derek auf eigene Faust gehandelt hat. Denn um ehrlich zu sein, traue ich McCall nicht zu, dass er meinen Onkel dazu auffordert mich zu beschatten. Vor allem deshalb, weil Derek sich bestimmt nicht einfach so von einem Teenager herumkommandieren lässt und McCall schon Isaac auf mich angesetzt hat. Deshalb antworte ich mit einem einfachen Aha, bevor ich meinen Blick wieder schweigend durch die Windschutzscheibe auf die Straße vor mir richte. Es ist verdächtig ruhig in dieser Gegend, was auch gut so ist. Bei Blickkontakt mit mir
- und meinen Waffen - hätten viele von ihnen Minuten zuvor der Begegnung mit Derek einen Panikanfall bekommen.
Auch die Stille in dem Auto macht sich wieder breit. Zu mindestens für wenige Minuten. Denn dann räuspert sich Derek und fragt neutral an mich gewandt: „Müsstest du nicht eigentlich zu Scott und den Anderen, um herausfinden wie ihr deinen Vater besiegen könnt?" Er scheint gut informiert zu sein.
„Ja wir treffen uns später. Aber ich muss zuvor noch etwas bei der Schule abholen," antworte ich ohne zu Zögern auf seine Frage, während mein Blick weiterhin starr auf die Straße vor mir gerichtet ist. Gleichzeitig lausche ich meinem eigenen Herzschlag, der während dem Sprechen ruhig und gleichmäßig bleibt - trotz der im Satz versteckten - Halbwahrheit. Sekundenlang spüre ich Derek's stechenden Blick auf mir. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob er die Halbwahrheit bemerkt und die Lüge in meinem Satz erkennt. Zu mindestens lenkt er seinen Wagen jetzt geschickt über die nächste Kreuzung, wodurch ich erkennen kann, dass er in diesem Moment bereits die Beacon Hills High School ansteuert.
„Und was musst du abholen?"
Weder Derek's Unterton, noch seine Stimmlage, haben sich verändert. Daraus schließe ich, dass er meine gelogenen Worte nicht direkt durchschaut hat. Auch wenn ich sein kritisches Misstrauen mir gegenüber noch immer leicht spüren kann. Er scheint mir noch immer nicht vollständig zu vertrauen, was mich ehrlich gesagt nicht sonderlich stört. Natürlich nur so lange, wie er mich frei handeln lässt.
„Mein Motorrad," beantworte ich diese Frage ohne zu Zögern und ohne auf meinen Herzschlag zu achten. Denn in ihnen steckt die pure Wahrheit - zu mindestens in meinen Augen. Denn seit dem ich das schwarze Motorrad geklaut habe, um den Männern meines Vaters zur Beacon Hills High School zu folgen, sehe ich es als mein privates Eigentum an. Doch nicht etwa nur, weil ich es "gefunden" habe und es laut Speicherort somit mir gehört, sondern auch weil es in meinen Augen wie eine Art Wiedergutmachung für mein eigenes Motorrad ist, welches Crowley vor gut vier Monaten in die Luft gesprengt hat - und um ehrlich zu sein, glaube ich sogar, dass es auch von Crowleys Seite aus als so eins gelten gemacht wird. Obwohl es in seinen Augen wohl eher ein Bestechungsversuch gleicht.
„Und was dann?" fragt mich mein Onkel genauer aus und so langsam zweifele ich an seinen originalen Hale Genen. Denn eine Charaktereigenschaft, die nie mit dem Namen Hale in Zusammenhang gestellt wird, ist Gesprächigkeit. Ein Fakt in der Familiengeschichte, den Derek gerade rücksichtslos ignoriert, während er mich zur selben Zeit sekundenlang von der Seite aus anstarrt. Ich unterdrücke ein demonstratives Augenverdrehen, bevor ich seine Frage leicht genervt beantworte: „Dann brauche ich deine Fahrdienste nicht mehr und du kannst nach Hause gehen!"
Wieder spüre ich sekundenlang seinen durchdringenden Blick auf mir, während ich weiter gerade aufstarre. Ich vermute, dass er meine Lüge - später auf McCall zu treffen - bereits durchschaut hat, diese jedoch nicht offen ansprechen möchte. Aber natürlich kann ich mich auch irren. Vielleicht schaut Derek auch einfach immer so, während er zur selben Zeit wieder in ein angenehmes Schweigen verfällt.
„Vielleicht wäre es besser, wenn ich dich direkt zu Stiles Haus fahre," wirft mein Onkel jetzt nebensächlich ein, ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen. Zur selben Zeit fällt mir auf, dass er stets beide Hände am Lenkrad behält. Eine Tatsache, die ich gerade bei ihm, nicht erwartet habe. Jedoch lassen mich seine Worte innerlich leicht unruhig werden. Denn sie beweisen mir, dass er mich längst durchschaut hat. Ich atme tief durch.
„Wenn du das machst, werden alle deine kleinen Freunde sterben," werfe ich jetzt nüchtern ein, ohne sonst auf seine unterschwellige Drohung einzugehen. „Und wenn ich es nicht mache, stirbst du!" Ich ziehe die Augenbrauen nach oben und werfe meinem Onkel einen kurzen Blick zu. Im selben Moment erinnere ich mich wieder an das belauschte Gespräch zwischen ihm und McCall am gestrigen Tag.
„Sie wird das schon schaffen!"
„Was lässt dich da so sicher sein?"
„Weil sie eine Hale ist!"
„Ich bin eine Hale," wiederhole ich Derek's eigene Worte aus meinen Erinnerungen, „Ich bin taff genug um noch eine Weile am Leben zu bleiben!" Daraufhin schweigt Derek, als würde er verstehen, dass ich gerade seine eigenen Worte gegen ihn verwende. Auch wenn er natürlich unmöglich wissen kann, dass ich das Telefonat zwischen ihm und dem Alpha belauscht habe. Ich deute sein Schweigen als wortloses Zustimmen. Zur selben Zeit bemerke ich, dass er noch immer die Straße zur Schule eingeschlagen hat.
Ein kleines Lächeln macht sich auf meinen Lippen breit, während ich mein Handy aus der Jackentasche ziehe und es mit einer Hand entsperre. Dabei sehe ich, dass ich keine neuen Nachrichten oder verpasste Anrufe habe. So wie es scheint macht Isaac gerade sein Versprechen wahr, in dem er mir einen kleinen Vorsprung gibt. Ansonsten hätte McCall nicht bestimmt schon längst versucht zu erreichen.
Zufrieden öffne ich die SMS von meinem Vater, die ich seit ihrer Ankunft unbeantwortet gelassen habe. Ich lese sie mir noch einmal durch, bevor ich nachdenklich das Tastenfeld öffne. Zur selben Zeit spüre ich wieder Derek's Blick auf mir, den ich jedoch gekonnt ignoriere. Stattdessen fange ich an, die Nachricht in meinem Kopf niederzuschreiben.
Wenn du mich wirklich dabei haben willst, treffen wir uns in einer Stunde in der First National Bank. Du lässt besser nicht auf dich warten ~RC
„Wem schreibst du da?" fragt Derek gespielt desinteressiert und während ich die Nachricht abschicke, antworte ich schulterzuckend: „Meinem Ersatzvater!" Dabei bin ich davon überzeugt, dass mein Onkel nicht heraushören kann, dass die Antwort gelogen ist. Auch wenn ich spüren kann, dass er mir nicht glaubt. Aber ohne diesem Detail größere Interesse zu schenken, lasse ich mein Handy zurück in die Jackentasche gleiten und richte meinen Blick zurück auf die Straße vor uns. Ich vermute, dass wir nur noch wenige Minuten fahren müssen, bevor wir die High School erreichen.
„Du magst ihn oder?"
Derek's Stimme unterbricht - mal wieder - die Stille zwischen uns und während ich fast schon spüren kann, wie er kurz zu mir herüber schielt, lasse ich meinen Blick auf der breiten Straße liegen. In der Zwischenzeit hat es angefangen etwas stärker zu regnen, während der dunkle Himmel über uns ein starkes Gewitter ankündigt.
„Meinen Ersatzvater?" stelle ich meinem Onkel eine verwunderte Gegenfrage, bei der ich nicht verhindern kann, leicht genervt zu klingen. „Scott," antwortet er mir daraufhin mit einem scheinbar unterdrückten Seufzer in der Stimme und leicht überrascht ziehe ich die Augenbrauen nach oben. Wie zur Hölle kommt er auf so eine Frage?!
„Er ist okay denke ich," gebe ich jetzt schulterzuckend zu, ohne meinen Blick von dem dunklen - inzwischen fast schwarzen - Asphalt zu nehmen. Ich kann hören, wie das Fahrzeug durch die kleinen Pfützen fährt und das Wasser dabei gegen die schwarze Karosserie prallt.
„Und was...," bevor mein Onkel seine Frage fertig ausformulieren kann, unterbreche ich ihn mit einem strengen Blick, der soviel sagt wie "Das Gespräch ist hier beendet" und tatsächlich scheint mein mörderischer Blick zu funktionieren. Derek schweigt und hebt für wenige Sekunden die Hände vom Lenkrad, als würde er mir demonstrieren wollen, dass er meine Botschaft verstanden hat.
Ich richte meine Augen wieder aus dem Fenster und ändere meine Sitzhaltung, in dem ich die Beine nicht länger überschlage, dafür aber meine Arme vor meiner Brust verschränke. Wieder wird es still zwischen mir und Derek und ich versuche mich daran zu erinnern, wie weit es von hier aus noch zur Beacon Hills High School ist. Ich vermute, noch wenige Kilometer. Das Schulgebäude ist zu mindestens noch nicht zu sehen.
„Eins solltest du noch wissen...,"
Im ersten Moment bin ich überrascht, dass Derek erneut anfängt zu reden. Vor allem, da er scheinbar doch wieder das zu vorige Gespräch - das ich eindeutig als beendet erklärt habe - weiterführen möchte. Jedoch lasse ich mir meine Überraschung nicht anmerken, sondern lasse meinen Blick weiterhin starr nach vorne gerichtet. Anschließend frage ich mit einem demonstrativen Augen verdrehen nach: „Und das wäre?"
„Er mag dich auch!"
—-
Ui was sagt ihr dazu? Etwas zu viel tiefsinniges Gespräch zwischen zwei Hales? Schreibt doch mal eure Meinung dazu in die Kommentare und da wir uns langsam dem Ende des Buches nähern sind auch wie immer Vorschläge/Vermutungen/Theorien zum Buchende erwünscht 😍
Lg CoolerBenutzername
—-
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top