63. Crowley #suprise
• BHHS •
Ohne einen weiteren Blick auf die Nachricht zu verschwenden, drücke ich auf Senden und packe - noch bevor der Sendevorgang beendet ist - mein Handy zurück in die Hosentasche. Gleichzeitig lasse ich meinen Blick instinktiv über die Umgebung schweifen.
Ich stehe vor der Beacon Hills High School, die an einem Samstag Nachmittag wie heute ausgestorben ist. Weder Schüler noch Lehrer haben sich hier her verirrt - dafür spricht der leere Parkplatz, den ich noch aus dem Augenwinkel sehen kann. Ein kurzer, kalter Windstoß zerrt an mir und meinen nassen Klamotten. Ich erzittere leicht. Meine Werwolfkräfte, die mich sonst immer warm halten, sind momentan damit beschäftigt die Wunde an meiner Hüfte zu heilen. Ereignislos. Denn noch immer steckt mir die Patronenkugel tief im Fleisch und verhindert somit eine schmerzfreie Heilung.
Aber wenigstens haben die Schmerzen - dank den Tabletten von Deaton - nahezu komplett aufgehört. Oder zu mindestens haben sie mich im Hüftbereich vollkommen betäubt. Ich spüre nur noch ein leichtes Pulsieren und bemerke bei jedem Schritt, dass mein Körper nicht länger einwandfrei und somit wie gewohnt fungiert.
Ich fahre mir konzentriert durch die Haare, die mir noch immer in nassen Strähnen über die Schultern fallen. Gleichzeitig suche ich mit meinem Blick die anderen Motorräder, deren Fahrtlärm ich gefolgt bin. Jedoch sind die schwarzen Maschinen nirgends zu sehen, genauso wenig wie die schwarz gekleideten Männer. Ich atme tief durch und lege meine Konzentration nicht länger nur auf meine Augen, sondern lausche auch den Geräuschen in der Umgebung.
Ein entspannter Herzschlag im Inneren der Schule.
Ich atme tief ein und konzentrierte mich jetzt auch auf die Gerüche. Crowley. Seinen einmaligen Körpergeruch werde ich wohl nie vergessen. Ich bin mir sicher, ihn zwischen hundert anderen problemlos wieder zu erkennen. Warum? Weil wir - unglücklicherweise - dasselbe Blut teilen.
Ich schlage meine Augenlieder, die ich beim Lauschen unterbewusst geschlossen hatte, auf und lasse meinen Blick ein letztes Mal über das Schulgebäude und die dazugehörige Fläche schweifen. Jedoch sehe ich keine Chance für eine Falle oder einen Hinterangriff. Ich ziehe die Waffe aus meinem hinteren Hosenbund und setze mich anschließend in Bewegung und steuere mit festem Schritt und gestrafften Schultern den Eingang der Schule an.
Diese ist vorerst menschenleer.
Meine Schritte hallen gespenstig durch den breiten Gang, der in kompletter Stille liegt. Das Sonnenlicht fällt zwar durch die Fenster herein, trotzdem liegt das Innere der Schule nur in einem dämmrigen Licht. Ich laufe selbstbewusst den Gang entlang, ohne darauf zu achten, mich leise fortzubewegen. Crowley kann ruhig wissen, dass ich auf dem Weg bin.
Ich umfasse die schwere Waffe in meinen Fingern fester und stelle zufrieden fest, dass sich meine Muskeln lang nicht mehr so kalt und steif bewegen, wie noch Minuten zuvor in der Tierpraxis...und dass selbst bei den kühlen Wintertemperaturen. Trotzdem muss ich feststellen, dass meine Schritte schwerfälliger sind als sonst, was an der Schussverletzung liegt. Ich vermute, dass ich spätestens in den nächsten zehn Minuten den Blutverlust spüren werde.
Auch wenn die Schmerzen selbst kaum noch spürbar sind. Genauso wie das leichte Ziehen und Kribbeln, dass ich normalerweise spüre, wenn meine übernatürlichen Kräfte eine Wunde heilen oder es zu mindestens versuchen.
Ich folge dem stärker werdenden Geruch meines Vaters und finde mich schon bald in kleineren Nebengängen wieder. Dabei fange ich an mich zu fragen, warum Crowley gerade hier versucht mich zu treffen. Denn verstecken würde er sich hier ganz sicher nicht. Doch die Schule hat - meiner Meinung nach - keinerlei Bezug zu ihm oder eine besonders große Bedeutung für mich und unsere familiäre Beziehung.
Doch anstatt weiter zu versuchen, die unergründlichen Gedanken eines psychopathischen Narzissten zu verstehen, folge ich weiterhin dem Geruch, solange bis ich schlussendlich vor ihm stehe.
Er sieht genauso aus wie - für mich - nur Minuten zuvor in meiner unerklärlichen Nahtoderfahrung. Jedoch kann ich sehen, dass seine Klamotten zwar trocken und sauber, seine Haare jedoch noch immer leicht feucht sind. Ich vermute, dass doch nicht alles nur in meinem Kopf war, sondern dass er irgendeinen Weg gefunden hat, mich zum Nemeton und meiner Mutter zu begleiten.
„Raven," begrüßt mich mein Vater und hebt die Arme wie zu einer bevorstehenden Umarmung, „Schön, dass du mich gefunden hast!" Er hat ein breites Lächeln auf dem Gesicht und wirkt sichtlich zufrieden. „Hallo," erwidere ich und schenke ihm ein giftiges Lächeln, bevor ich hämisch weiterspreche: „Daddy!" Ein raues Lachen dringt aus seiner Kehle, während er sich leicht zurücklehnt und für wenige Sekunden die Augen schließt.
Doch dann verschwindet das Lächeln urplötzlich von seinen Lippen und er fixiert mich mit einem strengen Blick. „Die Waffe kannst du weglegen, ich habe nicht vor dich zu töten!" Ein besserwissendes Lächeln legt sich auf meine Lippen. „Da hatten deine Männer wohl eine andere Information!"
Sofort schellt der Blick meines Vaters musternd an mir herab. Ich kann spüren, wie seine Augen auf mir liegen und jeden Zentimeter von meinem Körper analysieren. Das tut er solange - also nur wenige Sekunden - bis er die Schusswunde an meiner Hüfte erkennt. „Das war einer meiner Männer?" fragt er anschließend mit einem ruhigen Unterton in der Stimme, während sein Blick weiterhin auf der Wunde, die von meinem T-Shirt und dem darumgebundenen Top verdeckt ist, liegt.
Ich nicke bestätigend, während ich mich ausschließlich auf ihn konzentriere.
Nach meiner Antwort beißt er die Zähne zusammen, sein Kiefer spannt sich sichtbar an. Der beißende Gestank von unterdrückter Wut wird zu mir herüber geweht und für wenige Sekunden kommt in mir der Gedanke auf, das der tatsächlich ziemlich wütend darüber zu sein scheint, dass ich von seinen eigenen Leute beim Kampf verletzt wurde. Vielleicht hat er ihnen sogar den Befehl gegeben, mich unter keinen Umständen zu verletzten, was die überstürzte Flucht seiner Männer erklären würde.
Doch dann verwerfe ich diesen Gedanken wieder.
Was für einen Grund soll mein Vater wohl gehabt haben, um mich bei dem heutigen Kampf mit seinen Leuten bewusst am Leben zu lassen. Immerhin hatte er versucht mich bei unserer letzten Begegnung umzubringen. Blutsverwandtschaft hin oder her.
„Du solltest deine Waffe senken," sagt Crowley jetzt ohne weitere Worte zu meiner Verletzungen zu verlieren. Auch wenn ich weiterhin seine Unzufriedenheit darüber riechen kann. „Warum sollte ich den einzigen Vorteil hergeben, den ich im Moment habe?" stelle ich meinem Vater daraufhin eine Frage, ohne die Pistole auch nur ansatzweise zu senken. Stattdessen entsichere ich sie hörbar laut mit nur einem Finger.
Soweit ich sehe ist er selbst unbewaffnet. Aber dies kann täuschen. Immerhin hat er mich schon einmal überrascht und hintergangen.
„Weil ich sonst meinen Vorteil rausholen muss," ich vermute, dass er mit seinen Worten einen Hinterhalt andeuten möchte. Ein verächtliches Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, bevor ich herablassend nachfrage: „Denkst du wirklich, du kannst einen Werwolf," dieses Wort betone ich besonders stark, „täuschen?" Leichtes Kopfschütteln meinerseits, das zeigen soll, dass ich selbst ihn nicht für so naiv und dumm gehalten habe.
Immerhin bin ich ein übernatürliches Wesen, dass über die Fähigkeiten eines Wolfes verfügt und somit Geräusche - beispielsweise Herzschläge - über eine Entfernung von 10 km hören kann. Ich hätte seine Hintermänner - denen ich hierher gefolgt bin - gehört wenn diese noch irgendwo auf dem Schulgelände wären...und eine aktionreiche Mit-Fallschirme-Durch-Das-Dach-Fliegen-Nummer wäre selbst für Crowley etwas zu pompös.
Ich bin mir sicher, dass er in diesem Moment nur blufft und das mit einem unschlagbaren Pokerface.
„Oh, ich versuche hier nicht nur den Werwolf zu täuschen," macht mein Vater jetzt mit einem überheblichen Lächeln die Ansage, bevor er beide Arme langsam seitlich in die Luft hebt und dabei seinen Kopf dramatisch in den Nacken legt. Fast schon amüsiert mustere ich die Szene.
Doch sobald seine Hände die Höhe seiner Rippen erreichen, steigt urplötzlich weißer Nebel von seinen Füßen auf und bevor ich mich versehe hat der Nebel eine scheinbar undurchbrechbare Barriere zwischen mir und Crowley gebaut, der selbst fast komplett in dem Nebel verschwindet. Mein Körper spannt sich an und ich versuche zwischen dem Rauch etwas erkennen zu können.
Und tatsächlich sehe ich ür wenige Sekunden drei pechschwarze Augenpaare aufleuchten und als sich der Nebelschleier wenige Sekunden später wieder legt und spurlos im Nichts verschwindet, kann ich nicht anders als überrascht zwei Schritte zurück zu taumeln.
...das kann nicht sein.
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