54. Raven Cooper #talk

„Ryan!"

Blinzelnd öffne ich meine Augen und spüre sofort etwas kaltes auf meiner Stirn, das mir langsam vom Kopf zu rutschen droht. Alles um mich herum ist in ein trübes Licht getaucht, welches jedoch durch das Fenster hinter mir in den Raum fällt. Ich richte mich langsam auf, wodurch mir die Bettdecke leicht vom Körper rutscht und mich die Kälte des Raumes erfasst. Das Nasse etwas auf meiner Stirn entpuppt sich als ein feuchtes Tuch, welches ich unachtsam auf dem Nachttisch ablege.

Anschließend schaue ich mich ohne Hektik um und versuche anhand der dunklen Silhouetten zu erkennen, wo ich mich befinde. Dabei fällt mir auf, dass das Licht im Zimmer vom Mond stammen muss.

Draußen ist es dunkel und ich habe keine Ahnung wie ich hier her gekommen bin. In meinem Kopf nur die Erinnerungen an meinen eigenen Traum...und an das Lacrosse Feld mit den leblosen Betas von McCall.

McCall.

Blitzschnell schaue ich mich um und endlich erkenne ich das ordentliche Jungenzimmer wieder. Es ist das Zimmer von McCall, auch wenn er selbst nirgends zu sehen ist. Ohne zu Zögern streiche ich mir die Bettdecke komplett vom Körper und lasse mich langsam aus dem Bett gleiten. Dabei fällt mir auf, dass ich nicht länger meine schwarze Jeans und mein gleichfarbiges Shirt trage, sondern eine schlabbrige Joggingshose und ein ebenfalls älteres Shirt, die mir etwas zu groß sind. Selbst meine Boots sind von meinen Füßen verschwunden.

Stattdessen bin ich barfuß.

Ich fahre mir durch die langen Haare und schleiche mit leisen Schritten in Richtung der Zimmertüre. Dabei fällt mir auf, dass vor dem Sessel, somit neben dem Bett, McCalls gräuliche Halbschuhe stehen. Seine Jacke liegt umgemacht auf der Armlehne und das Kissen wirkt zusammengeknautscht und frisch benutzt.

Hat er die ganze zu vorige Nacht etwa dort geschlafen, während ich in seinen Bett lag?!

Mein Magen knurrt protestierend und langsam wende ich meinen Blick von dem Sessel ab und schaue mich ein letztes Mal suchend im Zimmer um. Jedoch ist der Alpha nirgends zu sehen. Selbst die Türe zum Bad steht offen, wodurch ich auch diesen dunklen Raum als vollkommen leer abstempeln kann.

Also wende ich mich zur Türe und verlasse mit schnellen, jedoch nahezu lautlosen, Schritten das Zimmer. Draußen im Gang liegt alles in dämmriger Dunkelheit. Trotzdem finde ich den Weg zur Treppe und den der Treppe hinunter problemlos. Jedoch ist auch hier ist alles dunkel, weshalb ich ohne meinen Gehörsinn vermute, dass Melissa McCall - Scotts Mutter, von der wahrscheinlich auch meine Klamotten stammen - schläft und der Alpha selbst das Haus verlassen hat. Jedoch mache ich mir nicht erst die Mühe diese Vermutung mit meinem besseren Gehörsinn zu überprüfen.

Stattdessen schleiche ich weiterhin leise in die Küche, während mein Magen schon wieder vor Hunger knurrt. Dabei fällt mir auf, dass ich seit gestern Abend - vor dem Ball - nichts mehr gegessen habe. Leichtes Verkrampfen in meiner Bauchgegend scheint diese Beobachtung bestätigend zu wollen. Ich fühle mich unwohl.

Knarrend öffne ich den Kühlschrank und greife wahllos nach dem erstbesten essbaren Produkt, das mir in die Augen sticht. Es ist ein Apfel, worüber ich in diesem Moment froh bin. Als ich ihn aus dem Kühlschrank hole und meine Hand dabei für kurze Zeit von dem grellen Innenlicht erfasst wird, stelle ich fest, dass nicht länger Blut an meinen Fingern ist.

War etwa alles nur ein Traum?!
Oder hat sich McCall etwa wirklich die Mühe gemacht, alle Spuren so ordentlich verschwinden zu lassen.

„Du bist aufgewacht," ertönt urplötzlich die, mir inzwischen alt vertraue, Stimme von McCall und im ersten Moment fahre ich kampfbereit herum. Doch dann erkenne ich ihn und seine Stimme wieder, weshalb sich mein, zuvor panisch in die Höhe gesprungener, Puls sofort wieder beruhigt. Er muss sich angeschlichen haben. Zu mindestens habe ich ihn nicht kommen gehört.

„Was ist," an dieser Stelle unterbreche ich mich bereits und versuche meine Gedanken zu ordnen, „Wie geht es," kopfschüttelnd unterbreche ich erneut meine Frage, bevor ich kurz tief durchatme und mit fester Stimme an ihn gewandt frage: „Habe ich jemanden umgebracht?"

Kurz wirkt McCall überrascht. Doch dann tritt er aus dem Schatten des Türrahmens und kommt mit langsamen Schritten auf mich zu. Seine Verletzungen sind verschwunden. Auf magische Weise geheilt. „Nein. Ihnen geht es gut. Sie werden alle wieder auf die Beine kommen," an dieser Stelle bleibt er dicht vor mir stehen und greift anschließend hinter mich, „Auch wenn es knapp war!"

Die Türe des Kühlschrankes fällt hinter mir zurück in die Öffnung und McCall tritt wenige Zentimeter von mir zurück. Ich atme erleichtert aus.

Sie leben alle noch.

„Wir sollten darüber reden," fängt McCall jetzt leise an und unter seinem starren Blick, drücke ich mich schnell an ihm vorbei und gehe die wenigen Meter in das Wohnzimmer, in dem ich mich mit einem unwohlen Gefühl auf das Sofa fallen lasse. McCall folgt. Lässt sich neben mir nieder. Ich beiße schweigend in den Apfel. Ich möchte nicht darüber reden.

„Stiles war im Krankenhaus. Malia und Isaac heilen noch immer und Liam hat noch immer Nachwirkungen von seinem Sturz!"

„Ich möchte das nicht hören!" flüstere ich jetzt abweisend und drehe mich leicht von McCall weg. Zur selben Zeit blitzen die schemenhaften Bilder vor meinen Augen hinweg, in denen ich kurz davor bin den hilflosen Stiles Stilinski die Kehle durchzuschneiden. Wie ich Liam einfach über den Platz schleudere und den blutenden Isaac kraftvoll niederschlage. Ich schließe für kurze Zeit meine Augen und atme tief durch. Die Bilder verschwinden. Eine kalte Leere bleibt zurück.

„Gut!"

McCalls Antwort ist schlicht und gleichzeitig überraschend. Ich drehe mich zurück zu ihm und werfe ihm einen nachdenkenden Blick zu, mit dem ich versuche seine Taktik herauszufinden. Jedoch scheint er keine Taktik zu haben. Er scheint einfach nur meine Entscheidung - nicht darüber reden zu wollen - zu respektieren.

Ich beiße wieder von meinem Apfel ab und schweige.

So sitzen wir beide minutenlang in der dämmrigen Dunkelheit, ohne auch nur ein Wort miteinander zu sprechen. Doch dann wirft McCall mir einen längeren Seitenblick zu und fragt mit leiser Stimme: „Wer ist Ryan?"

Ich habe das Gefühl, im Hintergrund lacht mich meine Unschuld höhnisch aus.

Langsam gleitet mein Blick zurück zu dem Alpha und obwohl ich mir sicher bin, dass man in meinen Augen die Frage Woher kennst du diesen Namen herauslesen kann, ist meine Mimik und Körperhaltung unverändert. „Du hast gesprochen, während du geschlafen hast!" erklärt McCall mir jetzt ungefragt, ohne den Blick von mir zu nehmen.

„Er war niemand besonderes," erwidere ich daraufhin schlicht und beiße das letzte Stück des Apfels ab. Anschließend werfe ich den Abfall mit nur einem Versuch erfolgreich in den Mülleimer, mehrere Meter von uns entfernt. Angespannt lehne ich mich im Sofa zurück und ändere meine Haltung zu einem bequemen Schneidersitz.

McCalls Blick liegt noch immer auf mir.

„Du träumst von ihm. Das heißt er muss dir was bedeuten," widerspricht McCall mir nach wenigen Minuten und wirft mir einen langen Blick zu. Dabei habe ich im ersten Moment das Gefühl, dass Eifersucht in seiner Stimme mitschwingt. Doch dann konzentriere ich mich und stelle fest, dass es keine Eifersucht sondern einfach nur Besorgnis ist. Wie es scheint habe ich nicht nur Ryan's Namen gesagt.

Kurz erwidere ich seinen durchdringenden Blick, bevor ich ablenkend frage: „Warum bist du eigentlich wach? Es ist," an dieser Stelle werfe ich einen überprüfenden Blick auf die Wanduhr, „1:25 Uhr!" Kurz zieht McCall seine Augenbrauen nach oben, bevor er beantwortend sagt: „Aus demselben Grund wie du vermute ich mal!"

„Albtraum?"

Ein kurzes Schulterzuckend seinerseits.

„Erinnerungen?"

Sein Blick wandert zu mir und leicht überrascht nickt er. Dabei wirkt er ziemlich gedankenverloren. Ich möchte nicht weiter nachfragen. Immerhin möchte ich selbst die Fragen über meinen Traum nicht beantworten. Doch zur selben Zeit spüre ich ein leichtes Kribbeln in meinem Körper, das mir beweist, dass ich innerlich sehr wohl Interesse am weiteren Ausfragen habe. Ich möchte aus irgendeinem Grund wissen, welche schlimmen Erinnerungen einen wahren Alpha selbst im Schlaf heimsuchen.

„Möchtest du darüber reden?" frage ich deshalb locker nach, auch wenn ich mir keine großen Hoffnungen für ein Ja mache. Auch wenn ich den Alpha bisher als überraschend offen kennengelernt habe.

So auch jetzt.

„Meine Story gegen deine?"

Mit schräggelegtem Kopf mustere ich McCall abschätzend, um herauszufinden ob es der Deal wirklich wert ist. Doch in dieser Sekunde bin ich zu sehr in dem Wunsch gefangen, einmal auch die dunklen Geheimnisse des Alphas herauszufinden. Also nicke ich zustimmend.

Seine Story gegen meine.

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Nachdem ich heute einen ganztägigen Schulausflug hatte und die Hälfte davon im Bus verbrachte habe (und etwas Korrekturlesen und schreiben konnte) kommt bereits heute Abend ein Kapitel. Hoffe es gefällt euch und wie immer sind wilde Spekulationen sehr erwünscht 😊

LG CoolerBenutzername
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