14.Dezember Nyna „Pegasi Spekulatii"
Ein Glöckchen bimmelte, als Nyssa die ihre Stammbäckerei betrat. Sie schlug die Tür hinter sich zu und sperrte damit die Kälte aus. Draußen schneite es doch tatsächlich schon! Nyssa schüttelte den Schnee aus ihren dunklen Locken, zum Glück war es hier in der Bäckerei mollig warm. Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Bomberjacke und betrachtete neugierig die Auslage. Es würde ihr erstes Weihnachten in Neu Rom werden und dementsprechend war es auch das erste mal, dass sie sah, wie sich das Weihnachtsgebäck in ihrer Lieblingsbäckerei türmte. „Was darf es denn heute sein, Nyssa?" ,fragte sie die Bäckerin, eine wohlgenährte ältere Frau mit grauen Haaren und Tochter der Feronia, einer römischen Frühlings- und Erdgöttin. „Auf jeden Fall schon mal sechs Croissants und eine Platte Brown-" ,Nyssa bemerkte, dass da, wo normalerweise ihr Lieblingsgebäck lag, nun für Weihnachtsbrownies geworben wurde, „-Eine Platte Weihnachtsbrownies, meine ich und..." Irgendetwas brauchte sie noch: Sie wusste nicht, wie das mit seiner Freundin Kalypso war, aber Leo war auf jeden Fall ein Vielfraß. Suchend ließ Nyssa den Blick über die Auslage wandern, neben den gewöhnlichen Brötchen und Broten fand man jetzt Weihnachtsstollen, Lebkuchen, Marzipankartoffeln und verschiedene Sorten an Keksen: Spritzgebäck, Kokosmakronen, Zimtsterne und tausend andere. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden. Entschuldigend blickte die Mechanikerin die Bäckerin, die sie abwartend beobachtet hatte, an: „Was können sie mir denn empfehlen?" Die Bäckerin lachte trocken: „Alles!" „Also ich schwärme ja für die Pegasi Spekulatii!" ,ertönte eine Stimme hinter ihr. Überrascht drehte Nyssa sich um. Hinter ihr stand eine hübsche junge Frau, etwa in ihrem Alter, Ihre schwarzen Augen funkelten und ihr ebenfalls schwarzes, zu einem einfachen Zopf geflochtenes Haar glänzte. Sie trug einen lila Winterparka, der im Licht glitzerte wie Kaiserliches Gold, darunter schwarze Jeans und hohe braune Lederstiefel. Sie war wunderschön! Ihre Augen waren genau richtig groß und saßen genau an der richtigen Stelle. Ihre Nase war gerade, ihre Augenbrauen gebogen, die Lippen rot. Sie war perfekt! Ihre Haut war gebräunt, ihr Blick der einer Königin! Der Winterparka schmeichelte ihrer Figur hervorragend. Also nicht das man da schmeicheln bräuchte, sie war fantastisch! Die Beine lang und dünn, die H- „Ach hallo Reyna! Stimmt! Nach denen bist du wirklich verrückt! Ich denk beim Backen immer an dich!" ,die Bäckerin riss Nyssa aus ihrem unangebrachten Starren. Wie lange sie da wohl gestanden hatte? Äähm, unauffällig benehmen! „Pegasi Spekulatii?" ,ihre Stimme klang ein wenig höher und quietschieger als sonst. Reyna erklärte: „Es sind natürlich keine Spekulatii für Pegasi, sondern einfach nur Spekulatii in Pegasiform. Und ja, wir sagen immer Spekulatii, korrekter Plural und so." „Aha." ,Nyssa wandte sich an die Bäckerin, „Dürfte ich vielleicht mal einen Pegasus Spekulatius essen? Zum probieren?" „Gerne doch!" ,die Bäckerin reichte ihr einen Keks. Bevor sie reinbiss, musterte Nyssa den Spekulatius eingehend: Er sah tatsächlich aus, wie ein Pegasus von der Seite. Sie biss einen Flügel ab: er schmeckte tatsächlich umwerfend. Richtig weihnachtlich und angenehm würzig. Schnell stopfte sie sich auch den Rest des Gebäcks in den Mund. Es war schön knusprig und schmeckte im allgemeinen perfekt. Das war auch ihr erster Kommentar, nachdem sie geschluckt hatte: „Perfekt! Drei Tüten davon bitte!" Die Bäckerin fing an, das bestellte einzupacken und sie drehte sich wieder zu Reyna um. „Danke für den Tipp! Du hast es echt mit Pegasi, oder?" ,sie deutete auf ihr T-Shirt, das mit einem goldenen Pegasus bedruckt war. Es schaute unter ihrem nun geöffnetem Parka hervor. Bei Reynas erneuten Anblick kam sie sich schrecklich schäbig vor, ihrer weiten Tarnhose, den dicken Stiefeln, der Bomberjacke und dem uralten Sweatshirt. Reynas Antwort auf ihre Frage, die sie über die ganzen Gedanken wegen ihres Outfits fast wieder vergessen hatte, bestand aus einem leichten Nicken , aber die Bäckerin sagte in Nyssas Rücken: „Reyna untertreibt maßlos! Sie hat Scipio über alles geliebt!" Bei diesen Worten legte sich ein Schatten über Reynas wunderschöne schwarze Augen. Dieser Scipio schien ihr viel bedeutet zu haben. Aber, die Bäckerin hatte Scipio ja im Zusammenhang mit Pegasi erwähnt, daher konnte es sich bei ihm durchaus um ein geflügeltes Pferd handeln. Also kein Grund eifersüchtig zu sein, Nyssa, ermahnte sie sich selbst. Moment mal, wieso eifersüchtig? Sie ist einfach eine nette junge Frau, nichts weiter. Ok, eine verdammt hübsche nette junge Frau, aber trotzdem! Und selbst wenn dieser Scipio nicht ihr Freund gewesen war, war sie bestimmt hetero! Stopp! Hör auf mit diesen Gedanken, Nyssa! Sie war dankbar, als die Bäckerin weitersprach und sie vor weiteren unangebrachten Gedanken bewahrte: „Und nicht nur das, sie wurde später sogar von Pegasus, dem Pegasus, verstehst du? -dem Urpegasus, der Titel Pferdefreundin verliehen. Sie ist der einzige noch lebende Mensch mit diesem Titel. Das hilft ihr auch sehr bei ihrem Job, sie ist nämlich-" „Könntest du bitte aufhören, einer wildfremden Kundin meine Lebensgeschichte zu erzählen, Lavea?" ,Reyna sagte es nicht wie eine Frage, sie blickte die Bäckerin, die offensichtlich Lavea hieß, ernst an, doch ihre Augen waren mehr traurig als wütend. Irgendwie tat es Nyssa weh, von Reyna als Wildfremde bezeichnet zu werden, auch wenn sie eigentlich recht hatte, sie begegneten sich gerade zum ersten Mal. Aber trotzdem, die Hephaistostochter wollte keine Wildfremde für Reyna sein, sie hatte sie sofort in ihr Herz geschlossen, sie wollte, dass sie sie kennenlernte, dass sie sie kennenlernen durfte. Sie wollte den Grund für ihre Trauer erfahren und selber die sein, die ihre Tränen trocknete, Reynas Grund zur Freude zum Lachen, sie wollte alles für sie sein, nur keine Wildfremde. Sie wollte Reyna ihr Herz zeigen und selber Reynas Herz immer besser kennenlernen. Aber das war nur Wunschdenken! Sie und Reyna waren Fremde, Wildfremde, und wenn es nach Reyna gänge, würde sich daran auch nichts ändern. Nyssa wusste nicht, ob Lavea merkte, wie sie sich fühlte, auf jeden Fall wiedersprach die Bäckerin: „Nyssa ist keine Fremde, jedenfalls für mich nicht: sie kommt jetzt schon seit einem Dreivierteljahr regelmäßig hier hin. Und ich hab ihr jetzt ja auch keine so privaten Informationen gegeben. " Reyna runzelte die Stirn. Irgendwie sah Vertrauen anders aus. Nervös schaute sie wieder zum Tresen, auf dem inzwischen drei große Tüten lagen. Alles was Nyssa bestellt hatte. Als die anderen immer noch schwiegen, Reyna mürrisch und Lavea auffordernd -Nyssa wusste nicht, dass man auffordernd schweigen konnte, aber sie hatte das Gefühl die Bäckerin wartete darauf, dass Nyssa Reyna ansprach-, beschloss Nyssa, es aufzugeben und möglichst schnell zu verschwinden. Sie räusperte sich nervös. „Also: Wie viel macht das?" ,fragte sie die Bäckerin und kramte schon mal in den Taschen ihrer Bomberjacke nach dem Portmonee. „9 Sesterze." , die Bäckerin nahm das Geld in Empfang, als sie das Rückgeld rausgab, flüsterte sie in Nyssas Ohr, „Komm schon Mädchen, nicht so schüchtern: Das hier ist deine Chance!" Ähm, was? Nyssa hatte schon automatisch genickt und spürte nun Laveas neugierigen Blick auf sich. Während sie das Rückgeld einsteckte und die Tüten vom Tresen nahm, atmete die Hephaistostochter tief durch und bereitete sich innerlich vor. Sie sandte einen letzten stummen Hilfeschrei in Richtung der Bäckerin, dann drehte sie sich zu Reyna um: „Wie wärs denn damit: Du verrätst mir etwas über dich, also was du arbeitest und dafür gebe ich dir auch eine private Information von mir. Deal?" Reyna musterte sie irritiert: „Na gut, Deal. Du fängst an!" „Meine Handynummer lautet 0174 125712." Nyssa legte die Tüten mit dem Gebäck auf einen der Stehtische, schrieb ihre Nummer auf eine der Servietten und drückte sie Reyna in die Hand: „Jetzt du!" „Ich bin selbstständig." ,Reyna grinste und ging auf den Tresen zu. „Du bist zu schlau für mich." ,seufzte Nyssa, „schreibst du mich wenigstens an?" Reyna grinste noch breiter: „ Nur wenn du mich jetzt in Ruhe lässt." Reyna gab ihre Bestellung auf. „Na gut." ,murmelte Nyssa und verließ mit ihren Tüten voll Gebäck und einem klopfenden Herzen die Bäckerei. Im Hinausgehen sah sie gerade noch, wie Reyna sich mit einer Tüte Pegasi Spekulatii und einer dampfenden Tasse Kakao an einen der Stehtische stellte und ihr Handy rausholte.
Pünktlich! Ausnahmsweise mal. Viel Spaß beim Lesen.
Und danke, danke, danke für über 200 Reads!
Maja
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top