Kapitel 12
Diese Party zog sich stundenlang. Mittlerweile war es halb 12 und noch immer gab es kein Ende. Wir hatten die Schriftrolle bereits entdeckt und es war genauso schwer, wie wir dachten. Sie stand in der Mitte des Raums und wurde von einer gläsernen Kuppel überdeckt. Jeder konnte sie sehen und genau das war das Problem. Wir würden sie erst stehlen können, wenn die Leute verschwunden waren, aber dann würde die Schriftrolle weggeräumt und sicher verschlossen werden.
Nachdenklich saß ich am Rand der Tanzfläche. Ciaran hatte sich umsehen wollen und mich allein gelassen. Ich hatte die Zeit genutzt, um mich mit Cordelia zu unterhalten, die nicht aufhören wollte über die Schriftrolle zu reden. Sie hatte mir ausführlich erklärt, was damit passieren würde und wie sicher sie ihr neues Schmuckstück aufbewahrten. Genau die Informationen, die wir brauchten. Trotzdem machte es das nicht leichter.
Plötzlich tauchte Ciaran vor mir auf und sah auf mich hinab. Er war offensichtlich angespannt und sein Blick wanderte immer wieder durch den Raum. Was war denn jetzt los? Verwirrt sah ich ihn an, doch er ergriff bloß meine Hand und zog mich auf die Tanzfläche. Gerade lief ein ruhiger Walzer, doch ich bemerkte das kaum. Meine ganze Aufmerksamkeit lag auf Ciarans komischem Verhalten.
„Was ist los?" murmelte ich leise und sah ihn verwirrt an. Ciaran ignorierte das jedoch vollkommen und blieb erst auf der Tanzfläche stehen. Er zog mich an sich und platzierte eine Hand auf meinem unteren Rücken, während die andere meine ergriff. Erst als wir begannen zu tanzen, senkte er den Kopf zu meinem Ohr. „Es gibt insgesamt 14 Wachen. 7 sind hier, 5 laufen durch die Gänge und zwei stehen vor einer Holztür, wo wohl der Rest dieser Schmuckstücke steht" raunte er und ich spürte, wie er weiterhin aufmerksam den Raum beobachtete.
„Cordelia hat mir erklärt, dass die Party um 12 vorbei sein wird. Danach wird die Schriftrolle innerhalb von 15 Minuten in den Artefakt Raum gebracht. Sie hat damit geprahlt, wie gut das alles bewacht ist. Wie sollen wir darankommen?" erwiderte ich genauso leise. Es war eine Sache die Leute zu belügen und damit leben zu müssen, dass man jemanden bestohlen hatte aber das? Wir mussten an mehreren Wachen vorbeikommen und in einen Raum voller Artefakte einbrechen. Selbst mit einem trainierten Dieb an meiner Seite. Wie sollte das funktionieren?
Ich spürte, wie Ciarans Schultern sich unter meiner Hand anspannten und er nachzudenken schien. Ich sah mich ebenfalls um. Es wurden allmählich weniger Leute und auch die Masarras schienen nicht mehr so fröhlich zu sein, wie vorher. Kein Wunder. Selbst die wichtigsten Events der hohen Gesellschaft gingen selten länger als Mitternacht. Schlaf war den adligen unglaublich wichtig und es war meist eher unschicklich, besonders für junge Frauen, erst so spät nach Hause zu kommen.
„Lass das mal meine Sorge sein, Prinzessin. Wir werden uns dort im Gang verstecken und warten, bis alles vorbei ist, dann besorgen wir die Schriftrolle" erklärte er mir und sein warmer Atem strich mein Ohr. Ich hasste es ihn so nah an mir zu spüren. Er war so bedrohlich und schien alles, was er tat, bloß zu tun, um mich zu ärgern und mir zu zeigen, dass ich tun musste, was die Crew forderte, sonst war ich dran.
Noch eine Weile tanzten wir durch den Raum und ließen es so aussehen, als wären wir verliebt. Immer wieder sah Ciaran mir tief in die Augen und lächelte mich an, wobei man fast glauben könnte, dass er mich wirklich mochte, doch ich kannte die Wahrheit. Ich sah die Warnung in seinem Blick, ich spürte, wie hart seine Hand an meinem Rücken war und wie fokussiert er war, mir nie zu nah zu kommen, weil er mich verachtete. Mich und alles, was ich repräsentierte. Er verachtete den Adel und deshalb verachtete er auch mich. Wieso das so war, wusste ich noch immer nicht. Wieso würde ein Pirat den Adel so verachten? Und wieso ließ er das immer wieder an mir aus? War mittlerweile nicht klar, dass ich nicht mehr zu dieser Gesellschaft gehörte? Ich war von meinen eigenen Eltern verraten worden und trotzdem dachte er, ich wäre eine verwöhnte Göre.
Ich war vollkommen in Gedanken versunken, als Ciaran mich plötzlich in Richtung des Ganges zog. Etwas überfordert folgte ich ihm zum zweiten Mal an diesem Abend und ließ mich in den Gang ziehen. Ciaran schloss die Tür hinter uns und ich stockte. Der Raum war dunkel. Ganz dunkel und verdammt eng. Das hier war kein normaler Flur, sondern ein kleiner Gang, der wahrscheinlich nur in eine Putzkammer führte. Unsicher blieb ich stehen und meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit.
„Wie lange müssen wir hierbleiben?" fragte ich leise und schluckte den unsichtbaren Knoten in meinem Hals runter. Alles war gut. Ich war in einem dunklen, engen Gang mit einem Mann, der mich hasste und niemand war in der Nähe, der mir helfen könnte, falls etwas passierte. Ich musste das nur durchstehen. Er würde mir nichts tun. Das wäre dumm.
„Wieso Prinzessin? Angst vor der Dunkelheit?" fragte er und klang dabei amüsiert. Als wäre das hier eine lustige Situation. Naja, für ihn war es das sicherlich, denn er war hier ganz klar überlegen.
„Als würde dich das interessieren" knurrte ich etwas nervös. Normalerweise war ich eher still, wenn ich nervös war aber bei Ciaran? Obwohl ich ihn bedrohlich fand, machte er mich trotzdem wütend. Ich hatte das Bedürfnis ihm zu beweisen, dass ich ihn genauso wenig mochte, wie er mich.
Plötzlich erkannte ich eine Bewegung in der Dunkelheit und spürte, wie er näherkam. Instinktiv wich ich zurück, bis mein Rücken auf die kalte Wand traf. Nun war Ciaran direkt vor mir und lachte rau. Dieser Arsch. Aus irgendeinem Grund schien er es zu lieben mir so nahe zu kommen, nur um mich dann zu beleidigen.
„Denkst du das? Vielleicht finde ich es ja amüsant, wie du vor allem zurückweichst wie ein aufgeschrecktes Reh. Vielleicht finde ich deine Angst ja ganz niedlich?" raunte er mir zu und ich konnte in der Dunkelheit ein Grinsen auf seinen viel zu perfekten Lippen ausmachen. Dieser Arsch. Gerade wollte ich etwas erwidern, da hob er plötzlich die Hand und ich zuckte heftig zusammen. Er wollte mich schlagen. „Bitte nicht" wimmerte ich instinktiv und machte mich klein. Wieso war ich so dumm gewesen ihn zu provozieren? Jetzt würde er sich rächen, weil ich ihn bloßgestellt hatte. Verdammt. Angst stieg in mir hoch und ich begann zu zittern. Erinnerungen an Aiden übermannten mich und ich machte mich bereit für den Schmerz und die Wut, die er an mir auslassen würde.
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