Kapitel 4 ~ Der Kater davor
Als ich diesen Abend nach Hause kam hörte ich Gekicher aus der Küche. Ich spähte hinein und sah Emma an unserem Küchentisch sitzen, ein Glas Apfelwein in der Hand. Als sie mich erblickte fing sie an zu stahlen.
„Katharina, Süße wie geht es dir?" Komm setz dich auf einen Schluck Apfelwein zu uns." Meine Mum hickste. Anscheinend hatte sie schon einiges intus. Ich zögerte in der Tür. Aber andererseits hatte ich heute wirklich allen Grund etwas von besagtem Wunder-Apfelwein zu trinken.
„Hey Emma", sagte ich und setzte mich zu den Beiden. „Wo hast du denn den Wein her? Ich musste Mum vorgestern ja förmlich ins Bett tragen." Mum errötete aber Emma setzte ein zufriedenes Grinsen auf.
„Selbst gebraut, meine Liebe mit Äpfeln aus eigenem absolut biologischen Anbau", sagte sie stolz. Natürlich was sonst! Ich hatte ein lebhaftes Bild vor Augen, wie Emma in ihrer Küche stand und Äpfel auspresste. „Aber Katharina, Süße erzähl, was macht das Liebesleben?" Fragte Emma und setzte dabei einen glasigen Blick auf. Der Blick von meiner Mum jedoch wurde auf der Stelle wacher.
„Genau Kath, wie ist es heute mit Niklas gelaufen?" Ich goss mir erst mal ein großes Glas Apfelwein ein. Sicher war sicher. Dann nahm ich einen Schluck. Mmh gar nicht so schlecht. Respekt an Emma die Apfelwein-Brau-Großmeisterin.
„Tja Niklas", fing ich an und nahm gleich noch einen großen Schluck von dem guten Wein. „Ich glaube er steht nicht auf mich." Tja und da war es raus. Das was ich eigentlich schon den ganzen Tag gedacht hatte, mir aber nicht eingestehen wollte. Mum warf mir einen undurchdringlichen Blick zu.
„Ach Süße", seufzte Emma. „Die Liebe ist nun mal das Schönste und das Schrecklichste, was uns auf der Welt passieren kann. Aber trotzdem müssen wir immer an ihr festhalten." Darauf folgte ein ziemlich langer Monolog von Emma, infolgedessen ich noch drei große Gläser Wein leerte. Etwas benommen stand ich schließlich auf und murmelte ich würde jetzt schlafen gehen. Mum und Emma waren inzwischen in eine hitzige Diskussion über Nächstenliebe verstrickt. Beide nickten mir nur knapp zu. Ich ging mich im Bad abschminken und Zähne putzen, wobei meine Zahnbürste öfter meine Nase als meine Zähne traf. Anschließend fiel ich fast augenblicklich in einen sehr traumlosen Schlaf.
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Am nächsten Morgen wurde ich von dem unangenehmen Klingeln meines Handys geweckt. Während „Girl on fire" durch mein Zimmer schallte versuchte ich meine vom Schlaf zugeklebten Augen zu öffnen und tastete gleichzeitig blind nach meinem Handy. Ich fand es schließlich unter meinem Klamottenstapel, den ich gestern Abend einfach zu Boden geworfen hatte.
„Hey Sophia", murmelte ich und linste zur Uhr. Halb elf, meine Güte wieso war ich dann immer noch so müde? Sophia jedoch schien gar nicht mehr müde zu sein. Ihre Stimme sprühte nur so vor Enthusiasmus.
„Hey Kath, was hältst du davon, wenn ich so gegen fünf vorbeikomme und wir uns zusammen für die Party fertig machen?"
„Mmmh." Zu einer geistreicheren Antwort war ich nicht fähig. Sophia merkte gleich, dass etwas nicht stimmte.
„Was ist los, Kath? Ich weiß Marvin war gestern keine große Hilfe aber wir kriegen das auch ohne diese Schnarch-Nase hin", ereiferte sie sich.
„Mmmh." Mein Kopf brannte wie Feuer und außerdem wurde mir plötzlich furchtbar schwindelig, sodass ich mich wieder auf mein Bett setzen musste.
„Hast du einen Kater?", rief Sophia entsetzt aus. Gut geschlussfolgert dachte ich.
„Kann sein", sagte ich.
„Mensch Kath! Irgendwie bist du dafür einen Tag zu früh dran."
„Emma war mit ihrem Apfelwein da", versuchte ich mich zu verteidigen.
„Naja es sei dir verziehen. Schließlich hattest du gestern einen miesen Tag und ich war dir mit Marvin auch keine große Hilfe. Ich hatte sowieso eher das Gefühl, dass er dich lieber selbst flachgelegt hätte, als dir Tipps für einen anderen Typ zu geben." Mein Kopf dröhnte unaufhörlich. „Aber bis um fünf bist du wieder fit, oder?"
„Denk schon", meinte ich und rieb mir die Schläfen.
„Super, ich komm dann vorbei. Leg dich am besten so lange noch mal schlafen." Wir legten auf und ich folgte ihrem Rat und versuchte weiterzuschlafen. Nur, dass es diesmal wesentlich weniger erholsam war. Meine Kopfschmerzen hielten mich die ganze Zeit zwischen Halbschlaf und Dösen. Um kurz nach zwölf klopfte Mum an die Tür und kam mit zwei Gläsern Wasser rein, in denen sich gerade die Aspirin auflösten. Sie setzte sich zu mir auf die Bettkante und drückte mir ein Glas in die Hand. Wir saßen stumm nebeneinander und tranken die Gläser aus. Mum stellte ihres auf meinen Nachttisch und sah mich dann forschend an.
„Also, was war jetzt genau mit Niklas?", fragte sie. Ich seufzte und erzählte ihr von der katastrophalen Physik-Nachhilfe in Folge derer ich mir nicht weniger als zwei Körbe eingeheimst hatte. Mum kuschelte sich zu mir unter die Decke und nahm mich in den Arm.
„Ach Kath, scheinbar haben wir momentan kein Glück in der Liebe." Wir? Ich wurde hellhörig.
„Was meinst du mit wir?", fragte ich. Mum dachte eine Weile nach. Scheinbar wählte sie ihre Worte mit Bedacht.
„Du weißt ich liebe deinen Vater. Aber ehrlich gesagt. So selten, wie er da ist... ich weiß nicht, ob ich das noch lange so will." Sie sah mich zerknirscht an, so als erwarte sie, dass ich sauer auf sie würde. Aber eigentlich war ich eher überrascht, wie lange es gedauert hatte, bis sie damit rausgerückt hatte.
„Ich weiß, Mum", murmelte ich verständnisvoll. Nur, wenn sie ihn noch liebte, wie sie gesagt hatte, wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte. Mum scheinbar auch nicht, denn sie saß schweigend neben mir. Nach außen wirkte sie so stark. Keiner würde vermuten, dass sie mit irgendwas nicht zurechtkam. Arme Mum.
„Hast du mit Dad schon darüber gesprochen?", fragte ich sie vorsichtig. Mum sah mich verträumt lächelnd an.
„Ach du weißt doch wie er ist", sie seufzte. „Nichts könnte ihn in vier Wänden halten und ich würde ihn nur traurig machen, wenn ich ihm sagte wir sehr er mir fehlte. Vermutlich würde er versuchen hier zu bleiben. Aber das würde ihn zerstören. Er braucht seine Freiheit und er braucht seinen Traum für den er kämpfen kann." Mum blickte gedankenverloren ins Leere.
„Ja, aber du solltest dieser Traum sein", murmelte ich kaum hörbar. Mum schien mich aber gehört zu haben. Sie drückte mich enger an sich.
„Danke", flüsterte sie und eine einsame Träne glitt ihre Wange hinunter. Die erste, die ich bei ihr sah, die nicht vom Lachen herrührte.
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„Mmh, welcher Lippenstift passt am besten zu meinem goldenen Top." Sophia stand in unserem Bad und betrachtete die drei Lippenstifte, die sie in der Hand hielt. Ich bearbeitete gerade meine Haare mit dem Glätteisen um ein bisschen Schwung in meine sonst so strak nach unten fallenden Haare zu bekommen.
„Ich würde sagen der rosafarbene mit dem weißen Schimmer. Die anderen sind zu rot." Sophia legte die anderen Beiden zur Seite und beugte sich näher an den Spiegel, um meine Auswahl zu testen.
„Ja, ich denke das kommt ganz gut", meinte sie, nachdem sie einen ersten Strich gesetzt hatte. Ich lächelte zu ihr rüber. Wir hatten schon beide unsere neuen Outfits angezogen und kümmerten uns jetzt um Haare und Make-up. Nachdem Sophia ihre Lippen perfekt nachgemalt hatte nahm sie sich meiner Haare an.
„Wow Kath, deine Haare sind echt mega lang geworden. Sie gehen dir schon fast bis zur Taille.", stelle sie fest, während sie eine meiner Strähnen um das Glätteisen wickelte, sodass die Spitzen in weiche Locken fielen.
„Ja, die ganzen Pflegekuren und das meiden des Friseurs haben sich gelohnt." Mein Friseur hatte mir sonst nämlich immer viel zu viel angeschnitten, wenn ich gesagt hatte, dass ich nur die Spitzen geschnitten haben wollte. Also hatte ich mir bei DM eine Haarschneideschere besorgt und Mum mit der Aufgabe betraut mir ab und zu die Spitzen gerade zu schneiden.
„So fertig", meinte Sophia und sprühte mir noch etwas Haarspray in die Spitzen.
„Treffen wir Dominik da, oder holen wir ihn vorher ab?", fragte ich Sophia.
„Er kommt nach. Er muss erst noch warten bis seine Mum von der Arbeit heimkommt, weil er seine kleinen Geschwister nicht alleine lassen kann." Sophia bearbeitete ihre Wimpern mit massenhaft schwarzem Mascara. Dann packte sie alles zurück in ihre Schminktasche und sah mich prüfend an. Ich kam mir vor wie auf einer Versteigerung, so eingehend musterte sie mich von oben bis unten, wobei sie immer mal wieder die Stirn in Falten legte und an meinen Sachen rumzuppelte. Schließlich bedachte sie mich mit einem zufriedenen Lächeln.
„Heute Abend rocken wir's würde ich sagen."
„Das will ich doch meinen", sagte meine Mum, die in er Tür erschienen war. „Ihr seht beide wirklich toll aus."
„Danke Nicole", Sophia strahlte meine Mum an.
„Ich hab euch die Sixpacks an die Tür gestellt", sagte meine Mum augenzwinkernd. „Na dann wünsch ich euch viel Spaß. Schläfst du heute hier, Sophia?" Fragte sie. Sophia biss sich nervös auf die Lippe.
„Theoretisch schon. Also meine Mum geht davon aus", druckste sie herum. Mum zog eine Augenbraue hoch.
„Und praktisch?", fragte sie.
„Tja praktisch..."
„...schläfst du heute bei Dominik", vollendete meine Mum den Satz für sie. Sophia lief knallrot an. Mum grinste verschlagen. Ich glaube es machte ihr Spaß uns zu durchschauen.
„Tja also Nicole ich würde sagen du hast voll ins Schwarze getroffen", gab Sophia zu und lächelte Mum unsicher an.
„Hast du denn noch genug Kondome?", fragte meine Mum. Typisch. Ich verdrehte die Augen und krümmte mich innerlich. Das war jetzt echt peinlich. Aber ihr zu erklären, dass Sophia, die bei Dominik garantiert nicht brauchte war sowieso zwecklos. Außerdem war Mum schon im Flur verschwunden und kramte in ihrer Tasche. Ein paar Sekunden später drückte sie Sophia ein paar Kondome in die Hand. Sophia wirkte leicht überfordert fing sich aber schnell wieder.
„Ähm also, danke Nicole", meinte sie. Mum strahlte uns zufrieden an. „Also dann viel Spaß ihr zwei." Sagte sie noch ehe sie uns wieder allein ließ. Ich war ja echt froh, dass sie scheinbar wieder so gut drauf war. Aber musste sie mich immer so peinlich machen? Sophia grinste mich leicht verlegen an.
„Sie ist echt einsame Spitze, deine Mum", flüsterte sie.
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