Kapitel 2 ~ Beziehungsfragen
Am nächsten Morgen fing Dominik mich schon vor der Schule ab. Ich war gerade dabei mein Fahrrad an den Zaun zu ketten, als mich ein Finger in die Schulter piekte. In die Schulter pieken, ernsthaft? Ich blickte hoch und wurde erst mal total von der Sonne geblendet. Für ein paar Sekunden sah ich nur gebe Sternchen dann materialisierte sich Dominiks Gesicht vor mir. Unsicher grinste er zu mir herunter.
„Hey Kath, kann ich kurz mit dir reden?" Nervös blickte er auf seine Füße.
„Klar!" Ich strahlte ihn begeistert an. Vielleicht war er dann nicht ganz so nervös. Aber weit gefehlt. Den nächsten Satz verstand ich vor lauter Gestotter erst mal gar nicht.
„Dddu wweegen Sssophiea alsso ich wweißt du iich..." Oh man worauf wollte er hinaus? Aber nachhacken ging auch nicht. Das würde ihn nun noch mehr verunsichern. Also richtete ich mich auf und schlenderte neben ihm her in Richtung Eingang. Dominik war vorerst einmal verstummt. Vermutlich sortierte er seine Gedanken und versuchte sie in möglichst einfache Sätze zu packen. Der Idee konnte ich nur zustimmen. Auf haben Weg fasste er sich dann ein Herz, atmete einmal tief durch und legte dann mit einer Mordsgeschwindigkeit los, um mir das an den Kopf zu werfen, was ihm auf dem Herzen lag. Mein Gehirn hatte Schwierigkeiten mitzukommen.
„Also was ich sagen wollte. Sophia ist in letzter Zeit so sehr... naja also ich denke sie will mehr in unserer Beziehung. Du weißt schon nicht bloß küssen und so. Aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich dazu schon bereit bin. Also ich find Sophia echt klasse und so. Und eigentlich will ich das ja auch. Aber irgendwie bin ich momentan einfach nur total unsicher und nervös. Ich weiß nicht, wie ich mich am besten verhalten soll. Ich will sie ja auch nicht vor den Kopf stoßen und so, nur das geht mir einfach alles viel zu schnell. Verstehst du?" Wow so viel hatte ich den Jungen noch nie am Stück reden hören. Aber ich würde mal sagen voll ins Schwarze getroffen was Dominik betraf. Nur wollte ich eigentlich nicht diejenige sein, die mit ihm darüber reden musste.
„Sophia kann man eigentlich nicht so leicht vor den Kopf stoßen. So schnell nimmt die einem nichts übel. Ich denke du solltest einfach ehrlich mit ihr darüber reden. Dann versteht sie's und weiß woran sie ist. Sonst wird sie sich nur die ganze Zeit wundern warum du sie zurückweist."
„Mmh", murmelte Dominik nachdenklich. Sein Redeschwall war wohl wieder versiegt. Ob das eine einmalige Aktion war? Dominik hielt mir die Schultür auf und wir betraten den Flur. Hier konnten wir jetzt sowieso nicht mehr offen reden.
„Vielleicht solltest du einfach nochmal mit ein paar Kumpels darüber reden. Ich weiß sowieso nicht ob ich so ganz die Richtige für das Gespräch war", gab ich zu bedenken.
„Ich wusste einfach nur, dass du nicht blöd darauf reagierst, deshalb warst du auf jeden Fall die Richtige. Also danke." Und damit verschwand Dominik in die 10c und ich schlenderte in die gegenüberliegende 10b.
Lässig im Türrahmen gelehnt stand Jonas da. „Na, teilt ihr zwei euch jetzt schon den Freund oder schiebt ihr nen flotten Dreier? Falls ihr noch Verstärkung braucht", er schlug sich mit der Hand auf die Brust, „du weißt ja, mich kannst du jederzeit fragen." Seine andere Hand lag lässig auf Laylas Hüfte, verdächtig nahe an ihrem Po. Doch wenn ihr jetzt denkt, Layla wäre Jonas' Freundin. Weit gefehlt! Er hatte jede Woche ein anderes Mädchen. Manchmal wiederholten sie sich auch. Layla zum Beispiel war so ein Wiederholungstäter. Er ließ sie immer mal wieder abblitzen und sie kam immer mal wieder zu ihm zurückgekrochen. Ich schnaubte verächtlich und schob mich an den beiden vorbei ins Klassenzimmer. Jonas fuhr sich durch die blonden Haare, die ihm bis in die Augen hingen, und starrte mir auf den Arsch. Idiot!
In der Klasse wanderte mein Blick sofort zu Niklas. Mit zwei anderen Jungs aus meiner Klasse stand er am Fenster und diskutierte heftig, wobei er mit dem Armen wild gestikulierte. Wahrscheinlich ging es um die letzten Bundesliga-Ergebnisse. In seinen Haaren reflektierte sich das Licht und er sah einfach nur hinreißend aus. Ich musste heftig den Kopf schütteln um ihn nicht zu lange anzustarren. Aus der letzten Reihe winkte mich Sophia energisch zu sich. Ich hatte ein bisschen Angst, dass sie vom Stuhl fiel. Also ging ich schnell zu ihr, schmiss meine Tasche auf den Boden und ließ mich auf den Stuhl neben sie fallen. Sophia legte mal wieder sofort los.
„Kath, das glaubst du mir nie! Mum war gestern nachdem du weg warst total ruhig. Ich dachte ja, jetzt gibt's nochmal 'ne ordentliche Standpauke. Aber nichts. Als Dad kam hat sie ihm von den Kondomen erzählt und ihn zu mir hochgeschickt. Sie war halt noch nie gut in feinfühligen Gesprächen. Dad war allerdings einsame Spitze. Ich meine, er fing natürlich erst mal mit diesem ganzen Aufklärungsscheiß an. Aber dann war er richtig cool. Meinte, dass er Dominik echt in Ordnung fände und dass er mir vollkommen vertraue. Auch würde man es ja schon daran sehen, dass ich Kondome besorgt hätte, wie vertrauenswürdig ich sei." Sie strahlte mich an. Ich grinste zurück.
„Nur, dass meine Mum die Kondome besorgt hat", meinte ich und stupste sie in die Seite.
„Aber das finde ich echt super von deinem Dad. Er ist voll in Ordnung." Sophia strahlt immer breiter.
„Ladies jetzt aber wirklich mal Ruhe da hinten", rief Herr Ebert zu uns nach hinten. Oh man den hatten wir mal wieder gar nicht bemerkt. Würden wir in der ersten Reihe sitzen, wir wären sowas von verloren.
In der ersten großen Pause biss ich gerade einen großen Bissen von meinem Käsebrot ab, als Niklas plötzlich neben mir auftauchte.
„Hey, Katharina ich hab nochmal über die Nachhilfesache nachgedacht und Freitag nach der Schule müsste es eigentlich gehen." Vor lauter Schock schluckte ich den ganzen Bissen Brot auf einmal hinunter, was im Hals höllisch weh tat und mir die Tränen in die Augen trieb.
„Ist ja super", brachte ich hervor. „Wo sollen wir uns treffen?" Niklas zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Am besten bleiben wir hier im Klassenraum". Und damit ging er auch schon wieder zu seinen Freunden rüber.
„Mensch Kath, das ist ja super", rief Sophia begeistert aus und reichte mir eine Wasserflasche. Dankbar nahm ich das Wasser und spülte den riesen Klumpen matschiges Brot runter, der sich in meiner Speiseröhre festgesetzt hatte.
„Ja", hauchte ich.
„Also wo das mit Niklas jetzt schon mal geklärt ist; zu einem anderen wichtigen Thema. Wir brauchen noch was zum Anziehen für Florians Party am Wochenende. Nach der Schule hab ich erst mal Schwimmtraining. Aber wie wär's, wenn wir uns um fünf in der Stadt treffen?", schlug Sophia begeistert vor. Ich stand immer noch total unter Schock wegen der Niklas-Sache und fand eigentlich, dass die viel wichtigere Frage wäre, was ich Freitag anziehen sollte aber ich stimmte Sophia zu und wir verabredeten uns für fünf Uhr vor New Yorker.
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Nach der Schule fuhr ich mit dem Fahrrad erst mal in den Park. Es war Mitte Juni und richtig schön warm. Selbst der Fahrtwind fühlte sich warm und weich auf der Haut an. Nicht so wie im Winter, wo man denkt man würde von Eissplittern im Gesicht getroffen, wenn man etwas schneller fährt. Im Park setzte ich mich in den Schatten einer Linde und machte meine Hausaufgaben. Mum kam immer erst nach fünf von der Arbeit nach Hause und ich hatte keine Lust allein in der leeren Wohnung zu sein. Meine Mum hatte einen eigenen Blumenladen. Das war schon lange ihr Traum gewesen und letztes Jahr hatte es dann endlich mit dem Kredit geklappt.
In Deutsch sollten wir eine Satire über eine alltägliche Hausarbeit schreiben. Nudeln kochen oder staubsaugen zum Beispiel. Ganz schon knifflig aber schreiben lag mir eigentlich ganz gut im Gegensatz zu Physik. Oh Gott, Physik-Nachhilfe, Niklas. Mir wurde ganz flau im Magen, wenn ich an Freitag dachte. Hoffentlich redete ich nicht nur Mist. Das passierte mir öfter, wenn ich nervös war. Nachdem ich die Deutschsatire fertig hatte lernte ich noch ein paar Englisch-Vokabeln und machte die Matheaufgaben.
Als ich fertig war, war es kurz vor vier und ich beschloss den Rest der Zeit mit Musik hören und Leute beobachten zu verbringen. Gerade joggte eine Gruppe Frauen vorbei. Alle sahen höchst motiviert aus und hatten top modische Sportsachen an. Bestimmt waren sie in der Midlife-Crisis und meinten sich jetzt super fit halten zu müssen. Meistens hielt die Motivation dann so zwei bis drei Wochen an und danach war von ihnen keine Spur mehr zu entdecken. Ich war mal gespannt. Ansonsten kamen noch einige Leute mit ihren Hunden vorbei aber im Allgemeinen war es heute sehr ruhig.
Als ich um fünf vor dem New Yorker ankam stand Sophia schon da und hielt nach mir Ausschau. Ihre Haare waren noch nass vom Schwimmen wodurch sie viel länger aussahen, da sich ihre Locken sonst hochkringelten. Ich winkte ihr von Weiten zu und sie kam mir entgegengerannt.
„Da bist du ja endlich, Kath! Ich warte schon eine Ewigkeit", rief sie und zog mich am Arm hinter sich her ins Geschäft. Es war Punkt fünf. Seit wann war Sophia pünktlich oder sogar zu früh?
„Ich war noch im Park Hausaufgaben machen. Wie war's beim Training?", fragte ich während Sophia schon den ersten Stapel Röcke durchwühlte.
„Ja, das ist nämlich überhaupt erst der Knaller! Vor dem Training hatte ich noch ein sehr interessantes Gespräch mit Dominik." Oh Mist, jetzt kam's, warum hatte ich es ihr nur nicht gleich erzählt. Vielleicht hatte Dominik Recht gehabt und ich war doch die ideale Gesprächspartnerin gewesen. Ich erzählte halt einfach private Sachen nicht so gerne weiter.
„Und ich glaube er will keinen Sex oder zumindest noch nicht. Na was hältst du davon?" Da Sophia, wie schon gesagt, nicht gerade über eine leise Stimme verfügte, hatten wir gerade die Aufmerksamkeit von fast allen im Geschäft auf uns gezogen. Zum Glück war ich solche Situationen schon gewohnt und lief nicht mehr knallrot an, wie noch in der fünften Klasse, als ich Sophia gerade neu kennengelernt hatte. Ich gab vor ganz interessiert in einem T-Shirt Stapel zu wühlen, während Sophia mich mit großen Augen ansah.
„Du musst ihm einfach etwas Zeit lassen. Wahrscheinlich ist er noch nicht so weit. Jungs sind doch im Allgemeinen immer etwas langsamer in ihrer Entwicklung, als Mädchen", antwortete ich diplomatisch.
„Wahrscheinlich hast du Recht", seufzte Sophia und hielt sich einen kurzen ausgefransten Jeansrock an, „aber ich will es einfach so unbedingt. Wie lange soll ich denn noch warten? Langsam kann ich nachvollziehen, wie sich die Jungs in den Filmen immer fühlen, wenn sie immer ewig auf diese keuschen Mädchen warten müssen." Ich lachte laut los. Sophia war einfach unvergleichlich.
„Was?", fragte Sophia und grinste mich an.
„Ach nichts. Ich frage mich nur manchmal warum du nicht die Tochter meiner Mutter bist. Sie wäre hellauf begeistert von dir."
„Meine Liebe, dass frage ich mich jeden Tag", konterte Sophia und musste jetzt auch lachen. Nach einer Weile räusperte sie sich und sah mich ernst an.
„So und jetzt zu den weit wichtigeren Dingen im Leben. Ich wäre für diesen Rock, " sie hielt mir den kurzen Jeansrock entgegen, „und dieses Top, " sie zerrte ein braun goldenes Glitzertop vom Stapel, „aber was machen wir mit dir?" Suchend schaute sich Sophia um. Dann sprintete sie zu einem anderen Tisch und kam kurze Zeit später mit dunklen viel zu kurzen Hotpants zurück.
„Sophia, die sind viel zu kurz!" Sagte ich völlig entsetzt.
„Nicht wenn du sie mit einem weiten Top kombinierst. Warte hier." Und damit rauschte sie wieder davon. Kurze Zeit später hielt sie mir ein rotes weitgeschnittenes Top entgegen.
„So, das wird jetzt anprobiert. Außerdem soll es Samstag mega heiß werden. Über 30°C." Mit den Sachen, die Sophia ausgesucht hatte quetschten wir uns zu zweit in eine Umkleidekabine. Die Hotpants waren wirklich super kurz und super eng. Ich fühlte mich halb nackt. Aber das Top gefiel mir. Es hatte einen schönen dunklen Rotton. Außerdem saß es nicht so knall eng, sondern flatterte angenehm leicht an mir runter.
„Also, das musst du so nehmen! Das Rot sieht ja mal hammer zu deinen langen dunklen Haaren aus", rief Sophia aus und musterte mich, sichtlich zufrieden mit ihrer Auswahl.
„Schon aber die Hose ist so kurz", meinte ich unsicher und zuppelte an den Shorts.
„Wer schön sein will muss leiden!", meinte Sophia schlicht.
„Außerdem muss mindestens ein Teil figurbetont sitzen, sonst sieht das zu sehr nach Schlabberlook aus." Sophia hatte unterdessen auch ihr Outfit angezogen. Sie war noch ein ganzes Stück größer als ich und hatte durch das fast tägliche Schwimmtraining eine tolle sportliche Figur bekommen. Außerdem fielen ihre hellblonden Locken, die mittlerweile getrocknet waren, sagenhaft um ihr Gesicht. Sie würde in allem gut aussehen.
„Du siehst super aus. Sophia. Echt Wahnsinn!" Sophia wurde leicht rot und zuppelte an ihren Haaren.
„Na, wenn Dominik das auch so sehen würde wäre ich zufrieden", murmelte sie.
„Das tut er! Da bin ich mir ganz sicher", beteuerte ich und drückte ihre Hand. Sophia lächelte mich dankbar an.
„Also die Outfits sind auf jeden Fall schon mal gebongt. Ab zur Kasse", rief Sophia strahlend aus und wir zogen uns um und bezahlten unsere neu erworbenen Anziehsachen.
Draußen war es, wenn möglich jetzt noch wärmer geworden also schlug ich vor noch ein Eis zu essen. Eis war meine große Leidenschaft. Gleich nach Jungs. Sophia war auch sofort dafür.
„Shopping ist einfach super anstrengend. Ich bin total ausgetrocknet", meinte sie als wir uns draußen hingesetzt hatten und unsere Bestellung aufgegeben hatten.
„Außerdem waren wir so erfolgreich, dass wir uns das verdient haben", sagte ich und blinzelte in die Sonne. Sophia lächelte mich an.
„Absolut!" Als unsere Riesen-Eisbecher kamen hauten wir erst mal mächtig rein.
„Und bist du schon sehr aufgeregt wegen Freitag?", fragte mich Sophia nach einer Weile wohl wissend, dass ich schon jetzt Liter von Wasser vor Aufregung schwitzte. Ich hatte bis jetzt erst einen Freund gehabt. Das war letztes Jahr gewesen. Er hieß Kyle und während der vier Monate, die wir zusammen gewesen waren konnte er kein einziges Mal meine Hand halten, weil die immer viel zu verschwitzt gewesen war. Sophia hatte da viel mehr Erfahrung. Ich glaube sie hatte in den letzten drei Jahren keine zwei Monate am Stück keinen Freund gehabt. Allerdings machten auch die meisten Jungs aus diesem Grund mit ihr Schluss. Sophia hatte einfach zu viel Erfahrung und sie ließ auch nichts langsam angehen.
„Es ist ja kein richtiges Date. Im Grunde genommen ist es sogar gar kein Date sondern böse Physik-Nachhilfe", gab ich niedergeschlagen zu bedenken und rührte in meinem schon flüssig gewordenen Schokoeis.
„Es kommt ja auch darauf an, was du daraus machst. Denk immer daran du hast die Macht. Mädchen haben immer die Macht." Verschwörerisch zog Sophia die Augenbrauen hoch. Wirklich sie war meiner Mum so verdammt ähnlich. Immer optimistisch, immer das Leben in vollen Zügen genießend.
Oben seht ihr ein Bild von Sophia ;)
Ich würde mich riesig über Kommentare und Bewertungen von euch freuen :-*
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