Kapitel 16 ~ Ein einsamer Brief


Während ich die Treppen hoch ging wurde mir mit jedem Schritt klarer, dass mein Dad nicht mehr da sein würde. Als ich die Wohnungstür öffnete lief gerade die Abspannmusik von Titanic. Mum saß im Wohnzimmer; drei leere Eisschüsseln vor sich und ihre Augen waren rot und verquollen. Ich setzte mich neben sie und nahm sie in den Arm.

„Es wird besser", flüsterte ich und Mum schluchzte. Dann rieb sie sich entschlossen die Tränen weg und sah mich fest an.

„Ja, Emma kommt auch gleich", meinte sie und fügte dann hinzu: „Der Brief liegt in deinem Zimmer."

Als ich auf meinem Bett saß und den Brief in meinen Händen hielt war ich dann doch enttäuscht Recht behalten zu haben. Ich riss den Umschlag auf und faltete das Papier auseinander.


Meine liebe Katherina,

es tut mir Leid, dass ich dich so enttäuschen muss. Ich hätte deiner Mutter gern ein besseres Leben geboten. Eines, das sie verdient. Eines, wo ihr Mann immer da ist um für sie da zu sein. Aber das ist mir einfach nicht möglich. Deshalb muss ich sie jetzt freigeben, damit ein Anderer das für sie sein kann. Auch, wenn es weh tut. Und es tut mir unendlich leid, dass ich dir kein richtiger Vater sein kann. Ich hoffe du kannst mir verzeihen. Ich werde dich auf jeden Fall Weihnachten besuchen kommen und dir schreiben, so oft es geht.

In Liebe Dad.


Es würde also eigentlich alles beim Alten bleiben und trotzdem blieb da ein bisschen Wehmut zurück. Aus dem Flur hörte ich Emmas Ankunft. Glasflaschen klimperten aneinander. Das musste der Apfelwein sein. Na, wenn der Mum nicht wieder auf die Spur brachte wusste ich es auch nicht. Plötzlich hatte ich das Gefühl auch meine beste Freundin zu brauchen. Ich klingelte bei Sophia durch und sie nahm direkt ab.

„Hey, na. Ich dachte schon, dass du bald anrufen würdest", sagte sie sehr einfühlsam.

„Er ist weg, mein Dad."

„Oh."

„Aber es ist schon okay, denke ich", fügte ich hinzu um sie nicht zu beunruhigen.

„Nichts da. Ich komme sofort vorbei. Wir haben eh schon ewig keine Pyjamaparty mehr gemacht und morgen gehen wir einfach zusammen zur Schule", meinte sie enthusiastisch.

„Sophia deine Mum tickt aus", setzte ich sie in Kenntnis.

„Das ist ja gerade der Spaß daran", sagte sie rebellisch und ich konnte ihr Lächeln quasi durchs Telefon sehen.

„Na schön." Ich lächelte.

„Super dann bis gleich."

„Ach Sophia..."

„Ja?"

„Danke. Es ist toll dich zu haben."

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„Mach dir keine Sorgen, ich habe Donats mit pinker Zuckerglasur mitgebracht." Sophia raschelte grinsend mit einer großen Pappbox als sie in mein Zimmer kam. Ich stand erleichtert von meinem Bett auf.

Endlich war sie da.

„Außerdem meinen Schalfanzug und gute Musik", meinte Sophia und nickte mir ermutigend zu.

„Du bist die Beste", sagte ich und zog sie in eine feste Umarmung. Sophia kicherte.

„Ja, ich weiß."

„Aber deine Mutter hat dir doch nicht ernsthaft erlaubt hier über Nacht zu bleiben, wo morgen Schule ist." Ich hatte mich wieder von ihr gelöst und sah sie nun prüfend an.

„Ach mach dir keine Sorgen um meine Mutter", meinte Sophia nur und zog die Schultern hoch.

„Wir sprechen heute nur über dich." Sophia nickte mir beschwichtigend zu. Das hieß dann wohl, dass ihre Mum nicht wusste, dass sie hier war.

„So jetzt schmeiß dich in deine Schlafklamotten und mach es dir gemütlich. Ich werd mich schon mal um die richtige Musik kümmern", erläuterte mir Sophia den Plan. Dann machte sie sich an meiner Stereoanlage zu schaffen und ich zog schon mal meinen Pyjama an. Anschließend kuschelte ich mich umhüllt von einer Wolldecke auf mein Bett. Nachdem auch Sophia sich umgezogen hatte, hockte sie sich neben mich.

„So möchtest du mir erzählen, was passiert ist, oder möchtest du erst einen Donut haben?", fragte sie und raschelte mit der Pappbox. Ich musste lachen. Die Antwort lag ja wohl auf der Hand.

„Donut!"

„Gute Entscheidung", meinte Sophia ernst nickend und hielt mir die offene Schachtel vor die Nase, in der sich zehn Donuts, mit absolut ungesund aussehender fetter, pinker Glasur und bunten Streuseln befanden.

Demnach also absolut perfekt.

Ich griff beherzt zu. Und auch Sophia gönnte sich den ersten Donut.

Nachdem jeder drei Stück verdrückt hatte lehnten wir uns voll und zufrieden zurück. Ich ließ für einen Moment das Glücksgefühl, das der Zucker verursacht hatte wirken und dann begann ich zu erzählen.

„Mein Dad ist jetzt für immer weg." Ich sah Sophia traurig an.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass er auf keinen Fall für immer weg ist", versuchte sie das Ganze zu relativieren.

„Nein nicht für mich, aber für meine Mum", meinte ich.

„Bist du sicher? Ich meine..." Sophia sah mich unsicher an. Ich kletterte von Bett und kramte den Brief hervor.

„Hier lies das." Ich reichte Sophia mit einem abwesenden Blick den Brief. Unsicher und verwirrt nahm sie ihn entgegen. Scheinbar schien sie noch auf irgendein okay von mir zu warten, denn sie hielt ihn einfach nur unschlüssig in der Hand, ohne ihn zu öffnen. Ich nickte ihr ermutigend zu und schließlich öffnete sie leicht seufzend den Brief und fing an zu lesen. Ihr Blick verfinsterte sich, während sie über die Zeilen flog und schließlich klappte sie ihn mit unergründlichem Blick zu und legte ihn hinter sich auf mein Bett.

„Naja...", fing sie an. Ich blickte traurig nach unten.

„Also.." Scheinbar suchte sie noch nach den richtigen Worten.

„Also es ist mies. Ich kann es nicht schönreden." Sie seufzte.

„Jap..." Ich nickte grimmig.

„Aber dein Dad verlässt dich nicht", fügte Sophia vorsichtig hinzu. „Er wird immer für dich da sein. Da ist nicht viel, was sich ändern wird", versuchte sie mir Hoffnung zu geben.

„Alles wird sich ändern." Frustriert raufte ich mir die Haare.

„Ja... ich mein... ja, du hast recht." Sophia seufzte und sah mich dann unschlüssig an.

„Vielleicht ist es zu früh das jetzt zu sagen, aber...", begann sie vorsichtig. „...aber, vielleicht wird deine Mum nach einiger Zeit wieder glücklich werden. Vielleicht sogar glücklicher als vorher", sagte Sophia voller Zuversicht.

„Ich weiß nicht..." Ich war einfach enttäuscht.

„Natürlich weißt du das jetzt noch nicht." Sophia nickte verständnisvoll.

„Ahh..." Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „...und als ob als dieser Stress mit meinen Eltern nicht schon genug wäre, ist da ja auch noch das ganze Chaos mit Jonas und Niklas..." Angestrengt zog ich meine Augenbrauen zusammen.

„Ja, du musst mir wirklich diese ganze Niklas Geschichte erzählen." Sie sah mich aufgeregt an.

„Naja, was soll ich sagen?" Ich fummelte nervös an meinem Shirt. „Ich hab gestern bei ihm übernachtet." Gespannt auf ihre Reaktion sah ich Sophia an.

„Du hast was?" Sophia riss die Augen auf und starrte mich ungläubig an.

„Nicht, wie du jetzt denkst." Ich stöhnte genervt auf. Dann musste ich grinsen. Sie war unmöglich, denn jetzt grinste sie mich wissend an.

„Aber ich denke er ist wirklich gut für mich. Ich meine er versteht mich", erklärte ich ihr schüchtern.

„Aber das macht es eigentlich nur noch viel komplizierter, denn genau genommen bin ich im Moment Jonas feste Freundin", schilderte ich Sophia frustriert mein Dilemma.

Für einen Moment starrte mich Sophia einfach nur mit offenem Mund an. Ich hatte sie kalt erwischt.

Was?" Sie sah mich entgeistert an. Wahrscheinlich dachte sie ich wollte sie verarschen.

„Ja, ich denke ich schulde dir eine Erklärung", gab ich kleinlaut zu.

„Da hast du richtig geraten." Immer noch völlig entgeistert verschränkte Sophia die Arme und sah mich abwartend an. Ich atmete einmal tief durch.

„Naja, du weißt ja, ich bin mit Florian zu dieser Geburtstagparty gegangen...", fing ich unsicher an.

„Du meinst die Party, von der ich dir abgeraten hatte hinzugehen", fiel mir Sophia belustigt ins Wort.

Ich nickte ertappt.

„Genau die." Ich atmete noch einmal tief durch.

„Naja, lange Geschichte simples Ende: Jonas ist auch aufgetaucht."

„Natürlich ist er das." Sophia nickte wissend. Ich seufzte.

„Ja. Naja, auf jeden Fall hat er gesagt, er möchte all diesen richtigen Beziehungskram mit mir versuchen. Und irgendwie bin ich dann wohl schwach geworden." Ich zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht war auch ein bisschen der Alkohol Schuld...", überlegte ich kurz. Sophia schlug sich entgeistert gegen die Stirn.

„Na klasse." Ungläubig starrte mich Sophia an. „Ich vertraue ihm einfach nicht."

„Ich weiß, aber du vertraust mir, richtig?", fragte ich sie nervös. Sophia ließ mich kurz zappeln.

„Gerade im Moment bin ich mir da nicht ganz so sicher", sagte sie und tat so, als müsse sie scharf nachdenken. Ich verschränkte die Arme und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. Lange konnte Sophia ihr Pokerface nicht aufrechterhalten. Sie kicherte los.

„Natürlich vertraue ich dir." Sie grinste mich schief an. Ich nickte besänftigt.

„...aber ihm vertraue ich immer noch nicht", schob sie hinterher und rümpfte die Nase. Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was sollte ich dazu noch sagen?


OMG schon 1000 reads.

Danke, danke danke <3

Ich freue mich mega doll.

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